Deutschland.
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]
Köln, 6. Aug..
Werfen wir endlich wieder einen Blick auf Belgien, auf unsern konstitutionellen „Musterstaat“, auf das monarchische Eldorado mit breitester demokratischer Grundlage, auf die Hochschule der Berliner Staatskünstler und den Stolz der „Kölnischen Zeitung“.
Wir betrachten zunächst die ökonomischen Zustände, wovon die vielgepriesene politische Verfassung nur den vergoldeten Rahmen bildet.
Der belgische „Moniteur“ – Belgien hat seinen „Moniteur“ – gibt folgende Nachrichten über den größten Vasallen Leopolds, den Pauperismus.
In | der |
Prov.
|
Luxemburg
| findet | sich | unterstützt | 1 |
Einw.
| auf | 69,
|
〃 | 〃 | 〃 |
Namur
| 〃 | 〃 | 〃 | 1 | 〃 | 〃 | 17,
|
〃 | 〃 | 〃 |
Antwerpen
| 〃 | 〃 | 〃 | 1 | 〃 | 〃 | 16,
|
〃 | 〃 | 〃 |
Lüttich
| 〃 | 〃 | 〃 | 1 | 〃 | 〃 | 7,
|
〃 | 〃 | 〃 |
Limburg
| 〃 | 〃 | 〃 | 1 | 〃 | 〃 | 7,
|
〃 | 〃 | 〃 |
Hainaut
| 〃 | 〃 | 〃 | 1 | 〃 | 〃 | 6,
|
〃 | 〃 | 〃 |
Ostflandern
| 〃 | 〃 | 〃 | 1 | 〃 | 〃 | 5,
|
〃 | 〃 | 〃 |
Brabant
| 〃 | 〃 | 〃 | 1 | 〃 | 〃 | 4,
|
〃 | 〃 | 〃 |
Westflandern
| 〃 | 〃 | 〃 | 1 | 〃 | 〃 | 3. |
Dieser Anwachs des Pauperismus zieht im nothwendigen Gefolge einen ferneren Anwachs von Pauperismus nach sich. Alle Individuen, die auf dem Stand einer selbstständigen Existenz stehen, verlieren durch die Unterstützungssteuer, die jene paupern Mitbürger ihnen aufbürden, das bürgerliche Gleichgewicht und stürzen ebenfalls in den Abgrund der offiziellen Wohlthätigkeit. Der Pauperismus erzeugt mit vermehrter Geschwindigkeit den Pauperismus. In demselben Maße aber, worin der Pauperismus zunimmt, nimmt das Verbrechen zu und wird die Lebensquelle selbst der Nation, die Jugend, demoralisirt.
Die Jahre 1845, 1846, 1847 bieten in dieser Hinsicht traurige Dokumente dar.
Zahl der jungen Knaben und Mädchen unter 18 Jahren, die sich in gerichtlicher Haft befanden:
| 1845 | 1846 | 1847
|
Knaben: | 2146 | 4607 | 7283
|
Mädchen: | 429 | 1279 | 2069
|
Summa: | 2575 | 5886 | 9352.
|
Gesammtsumme: | 17 813. | _ | _ |
Also von 1845 an ungefähr jährliche Verdopplung der jugendlichen Verbrecher unter 18 Jahren. Nach dieser Proportion würde Belgien im Jahre 1850 an jugendlichen Verbrechern 74_816 besitzen, und im Jahre 1855: 2_393_312, d. h. mehr als es an Jugend unter 18 Jahren besitzt und mehr als die Hälfte seiner Bevölkerung. Im Jahre 1856 würde ganz Belgien im Gefängniß sitzen, die ungebornen Kinder mitgezählt. Kann sich die Monarchie eine breitere demokratische Grundlage wünschen? Im Kerker herrscht – Gleichheit.
Die Routiniers der National-Oekonomie haben vergeblich ihre beiden Morrisonpillen, Freihandel auf der einen, Schutzzoll auf der andern Seite angewandt. Der Pauperismus in Flandern wurde geboren unter dem Freihandelssystem, er wuchs und erstarkte unter den Schutzzöllen gegen fremdes Leinen und Leinengespinnst.
Während so Pauperismus und Verbrechen unter dem Proletariat wachsen, versiechen die Einkommenquellen der Bourgeoisie, wie die neulich erschienene vergleichende Tabelle des auswärtigen belgischen Handels während des ersten Semesters der Jahre 1846, 1847, 1848 beweist.
Mit Ausnahme der Waffen- und Nägelfabriken, die durch die Zeitumstände ausnahmsweise begünstigt worden, der Tuchfabriken, die ihren alten Ruhm behaupten und der Zinkfabrikation, die, verglichen mit der Gesammtproduktion, unbedeutend ist, befindet sich die gesammte belgische Industrie im Zustand des Verfalls oder der Stagnation.
Mit wenigen Ausnahmen zeigt sich eine beträchtliche Verminderung der Ausfuhr der Produkte der belgischen Minen und der Metallarbeiten.
Wir führen einige Beispiele an:
| 1. S. 1847. | 1. S. 1848.
|
Kohlen Tonnen | 869_000 | 549 000
|
Gußeisen
| 56 500 | 35 000
|
Gußwaaren
| 463 | 172
|
Eisen, Eisenbahn-Schienen | 3489 | 13
|
Verarbeitetes Schmiedeeisen
| 556 | 434
|
Schlösser
| 3210 | 3618
|
Totalsumma: | 932 718 | 588 237. |
Die Gesammtverminderung auf diese 3 Artikel beträgt also für das erste Semester von 1848: 344_481 Tonnen, etwas mehr als ⅓.
Kommen wir zur Leinenindustrie.
| 1. S.
1846.
| 1. S. 1847. | 1. S. 1848.
|
Leinengespinnst
| 1 017 000 | 623 000 | 306 000
|
Leinengewebe
| 1 483 000 | 1 230 000 | 681 000
|
Totalsumme: | 2 500 000 | 1 853 000 | 987 000 |
Die Verminderung des Semesters von 1847 verglichen mit dem von 1846 betrug 657_000 Kil.; die von 1848 verglichen mit 1846 beträgt 1_613_000 Kil. oder 64 pCt.
Die Ausfuhr von Büchern, Krystallwaaren, Fensterglas hat ungeheuer abgenommen; ebenso Verlust auf die Ausfuhr von rohem und gehecheltem Flachs, Werg, Baumrinde, fabrizirtem Tabak.
Der umsichfressende Pauperismus, die unerhörte Konfiskation der Jugend durch das Verbrechen, der systematische Verfall der belgischen Industrie bilden die materielle Grundlage zu den konstitutionellen Heiterkeiten, als da sind: Das ministerielle Journal „Indépendance“ zählt, wie es nicht müde wird zu verkünden, über 4000 Abonnenten. Der greise Mellinet, der einzige General, der die belgische Ehre gerettet, sitzt in Stubenhaft und wird in einigen Tagen vor den Assisen in Antwerpen erscheinen. Der Genter Advokat Rolin, der im Interesse der oranischen Familie gegen Leopold conspiriert und im Interesse Leopolds des Koburgers gegen seine späteren Alliirten, die belgischen Liberalen, Rolin, der doppelte Apostat, hat das Portefeuille der öffentlichen Arbeiten erhalten. Der Extrödler, Fransquillon, Baron und Kriegsminister Cha-a-azal schwingt seinen großen Säbel und rettet das europäische Gleichgewicht. Der „Observateur“ hat das Programm der Septembertagfeier um ein neues Vergnügen vermehrt, um eine Prozession – einen Ommeganck General – zu Ehren des Doudou aus Mons, des Houplala aus Antwerpen und des Mannequin Pisse aus Brüssel. Dies ist heiligster Ernst des „Observateur“, des Journals des großen Verhaegen. Endlich, was Belgiens Leiden weit aufwiegt, es hat sich aufgeschwungen zur Hochschule der Berliner Montesquieus, eines Stupps, eines Grimms, eines Hansemanns, eines Baumstarks und genießt die Bewunderung der „Kölnischen Zeitung“. Glückliches Belgien!
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!!!
] Frankfurt, 4. Aug.
55ste Sitzung der Nationalversammlung. Anfang 91/4 Uhr. Präsident von Gagern.
Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung über §. 7, Art. 2 der
Grundrechte.
Das Protokoll wird nach unbedeutender Reklamation genehmigt.
Herr Behr will über die Abkürzung in den Berathungen
sprechen; wird aber von dem Präsidenten mit dem Bemerken, daß dergleichen
Abkürzungs-Theorien die Berathung nur verlängern, von der Tribüne
gebracht.
Nach Verlesung von einigen geringen Beiträgen zur Flotte und der Ordnung der
Abtheilungen nach der neuesten Verloosung, erstattet v.
Hermann, Namens des Bureau, Bericht in der Urlaubsangelegenheit. 67
Abgeordnete sind noch mit Urlaub abwesend und von den 11, die gestern sich zu Urlaub gemeldet, sind 5 ohne Urlaub
abgereist; da sie einmal fort sind, sei nichts mehr mit ihnen zu machen. Im
Ganzen also 78 Beurlaubungen Der Berichterstatter schlägt vor, die über 4
Wochen weg sind, entweder einzuberufen oder ihre Entlassung zu
verlangen.
Hr. Eisenmann will gar, daß die Urlaube vom Bureau
den verschiedenen Gesandten der entsprechenden Staaten vorgelegt werden
sollen, um den Beurlaubten die Diäten für die Zeit des Urlaubs zu nehmen
(Mißbilligung).
Tagesordnung. Mittermaier für Abschaffung der
Todesstrafe. Es gibt schon jetzt Gesetzgebungen, die durch die Anordnung
heimlicher Hinrichtungen ihre Scham vor der Todesstrafe dokumentiren. Die
Gerechtigkeit einer Strafe wird bedingt durch die Nothwendigkeit derselben;
diese ist bei der Todesstrafe nicht nachgewiesen. Nun gar bei politischen
Verbrechen. Hier ist keine Abschreckungstheorie erwiesen. Aus dem Blute der
für politische Verbrechen Hingerichteten steigen neue Feuerzeichen auf. Das
19te Jahrhundert ist bestimmt, einen Strich durch die alten Sündenregister
zu machen. Ich stimme für Aufhebung der Todesstrafe, wenigstens für
politische Verbrechen. (Bravo.)
v. Gagern meldet einen eben eingelaufenen Antrag,
wonach viele Deputirte (der Rechten) die Frage über Aufhebung der
verschiedenen Strafen an den Gesetzgebungsausschuß überweisen und in den
Grundrechten unberührt lassen wollen.
Wiegard bekämpft diesen Antrag. In die Grundrechte
gehören die Bestimmungen über Leben, Ehre und Freiheit der Bürger.
Dekretiren Sie mit dem heutigen Tage eine neue Zeit für das Criminalrecht.
(Bravo.)
Hr. Siemens erklärt sich dagegen. Man könne noch
nichts an die Stelle dieser Strafen setzen. (Murren und Schluß!) Dieser Herr
will absolut die Peitschenhiebe beibehalten. Wenn bei politischen Verbrechen
keine Todesstrafe stattfinden soll, so muß für dieselben überhaupt keine
Strafe stattfinden.
Geisterbeck aus Sachsen, ein Praktiker in diesem
Fach; es thut ihm leid, noch über die Nothwendigkeit der Abschaffung der
Todesstrafe sprechen zu müssen, aber er glaubt leider zur Versammlung noch
nicht das Vertrauen haben zu können, daß sie diese Strafe ohne Einwurf
aufheben würde. Das Halsabschneiden ist unmenschlich; die Brandmarkung, das
einzige Schlechte, was wir von den Franzosen adoptirt haben (Bravo); Pranger
und Peitschenhiebe machen den Menschen niederträchtig. (Bravo.) Das
Prügelsystem hat seinen Grund in der schlechten Verwaltung. Einem
Proletarier, der nichts hat, als seinen lumpenbehangenen Körper, ruinirt man
auch diesen noch durch Prügel. (Bravo.)
Wernher gegen die Todesstrafe, wie es scheint,
wenigstens schlägt er bei seiner Deklamation mit äußerst komischem Pathos
furchtbar auf die Vbüne (tritt ab unter Gelächter und Schlußgeschrei).
Dahm gegen die Todesstrafe mit Ausnahme von
Kriegszeiten, wo sie eine Nothwehr des Staates.
Schaffrath (rechts: Schluß! links: Ruhe!): Diese
Frage ist sehr nur entfernt eine Partheifrage. Sie gehört ganz eigentlich in
die Grundrechte. Wenn man sie bei politischen Verbrechen noch beibehalten
wolle, so erkläre man das Bestehen der Staaten abhängig vom Leben einzelner
Menschen, das sei lächerlich; um so schwache Staaten sei es nicht Schade.
Ich meinerseits halte die Todesstrafe für Justizmord, für Verbrechen. Wir
wollen heute, am Geburtstage Schiller's, einmal einen, des deutschen Volkes
würdigen Beschluß fassen und die Todesstrafe abschaffen (lautes Bravo).
Biedermann für Abschaffung der Todesstrafe.
Teichert (preußischer Major): Für alle Verbrechen ist
die die Todesstrafe abzuschaffen, aber aus dem Kriegsrecht darf sie nicht
gestrichen werden. Stellt einen desfallsigen Antrag.
Paur aus Neisse: Rauben Sie der Menschheit ein Leben,
so rauben Sie ihr eine Generation. Der Staat soll das Menschenleben wahren,
nicht verderben. Mein Antrag ist: Leben, Ehre und Freiheit des Menschen sind
unantastbar; die Todesstrafe ist abgeschafft.
Nach ihm ist die Debatte geschlossen, und nachdem Scheller auf namentliche
Abstimmung über die Todesstrafe angetragen hat, spricht der Berichterstatter
Beseler für die Ausschußanträge noch schließlich. Er verbreitet sich mit
seiner gewöhnlichen Langweiligkeit über dieRichtigkeit der Ausschußanträge;
er ist gegen die Aufnahme der Aufhebung der Strafen. (Wie überhaupt der
geistesentnervte Herr Beseler gegen jede energische Maßregel näselt.) Seine
Rede ist begleitet von Murren links und Gallerien. Die Knutenhiebe will er
für die Marine und in einzelnen andern Fällen beibehalten. (Murren.) Unser
Volk sei noch nicht reif für die Abschaffung der Todesstrafe (Unruhe und
Zischen). Er (der Herr Professor Beseler nämlich) stellt ferner
Beobachtungen in der breiten Masse des Volks (Pöbels) an und richtet sich
nicht nach den Aussprüche einzelner Volks-Vertreter (Zischen links). Seinem
gelehrten Freunde, Hrn. Mittermaier, muß er hier widersprechen. (Bei seinem
Abtritt langes Zischen und sehr schwacher Beifall rechts.)
Jetzt folgt die Verlesung aller Amendements. Hierauf eine Debatte zwischen
Beseler, Gagern, Leue, Moritz, Mohl, Adams, Reichensperger und v. Soiron
über die Abstimmungen. Endlich wird abgestimmt, und zwar: 1) über die
Amendements von Leue, welche dem ganzen Paragraphen eine andere Fassung
geben; verworfen. 2) Ueber dieselben Leue'schen
Anträge mit einem Zusatze von Adams; verworfen. 3)
Ueber Reichenspergers Anträge; verworfen. 4) Die
Ausschußanträge und zwar:
Punkt I. Die Freiheit der Person ist unverletzlich; angenommen!
Punkt II. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.
Ausnahmsgerichte sollen nie stattfinden; angenommen!
Punkt III. Die Verhaftung einer Person soll, außer im Fall der Ergreifung auf
frischer That, nur geschehen in Kraft eines richterlichen mit Gründen
versehenen Befehls; angenommen!
Punkt IV. Dieser Befehl muß im Augenblick der Verhaftung oder spätestens
innerhalb der nächsten 24 Stunden dem Verhafteten zugestellt werden. (Das Wort zugestellt
ist ein Amendement von Adams, statt des Wortes „vorgewiesen“ wie der
Ausschuß wollte.)
5) Ein Mittermaier'scher Antrag; verworfen.
6) Antrag von Leue; angenommen. Dieser Antrag lautet:
Die Polizeibehörde muß Jeden, den sie in Verwahrung genommen hat, im Laufe
des folgenden Tages entweder frei lassen, oder der richterlichen (nach der Adams'schen Veränderung statt zuständigen) Behörde übergeben.
7) Antrag von Jordan; verworfen.
8) Das erste Minoritätsgutachten; angenommen. Es
lautet: Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Gericht zu
bestimmenden Kaution oder Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht
dringende Anzeigen eines schweren peinlichen Verbrechens gegen denselben
vorliegen.
9) Hierzu ein Zusatz mit 248 gegen 163 Stimmen angenommen. Lautend: Für jede unbefugte Verhaftung oder
widerrechtliche Verlängerung der Haft, hat derjenige der dieselbe veranlaßt
hat, und im letzten Falle der Staat genügende Entschädigung zu leisten.
Nun kommt der berüchtigte, schon oben erwähnte Antrag von Waitz und mehreren Mitgliedern der Rechten, wonach die Frage über
Abschaffung der verschiedenen Strafen dem Gesetzgebungsausschuß überwiesen
und in den Grundrechten unberührt bleiben solle.
Schaffrath demonstrirt der Rechten die
Ungerechtigkeit dieses Antrags.
Waitz meint, die Diskussion über Abschaffung der
Todesstrafe sei zu kurz und nicht würdig genug geführt worden. Dieser schale
Vorwand ward mit dem Rufe zur Ordnung begrüßt.
Mittermaier spricht nochmals für sofortige Abstimmung
über die Aufhebung der Todesstrafe.
Fuchs ist auch noch nicht im Klaren, ob genügend
diskutirt worden ist, (Er wird nie ins Klare kommen.)
Der Kneip-Präses will die Uebertragung der Frage an
den Ausschuß. (Oho!)
Gagern meint, wenn der obige Antrag zur Abstimmung
käme, müsse namentlich abgestimmt werden. (Großer Beifall der Linken für
diese hohe Gnade.)
Nachdem Wiegard für namentliche Abstimmung, Beseler und v. Vincke
dagegen gesprochen, wird dieselbe beschlossen. (Bravo links.) Der Antrag ist
mit einer Majorität von 90 Stimmen verworfen.
Gestimmt haben 440. Für die Verwerfung des Antrags 265, für dessen Annahme
175.
Jetzt kommt man endlich zur Aufhebung der Strafen. Ueber die Reihenfolge der
Abstimmungen und über die Fassung der Fragen erhebt sich die gewöhnliche
ekelhafte Debatte, wobei die Heftigkeit des edlen Präsidenten sich dermaßen
steigert, daß er die Klingel zerschlägt, was zur Beruhigung der Versammlung
keineswegs beiträgt. Auf den Gallerien amüsirt man sich über die noble
Haltung der Versammlung. Endlich stellt sich aus diesem Chaos die Frage: Ist
die
Todesstrafe abgeschafft, vorbehaltlich des
Teichert'schen Amendements, d. h. vorbehaltlich der Bestimmungen in kriegs-
[0342]
rechtlichen Fällen? ‒ Die namentliche Abstimmung ergibt
zur Ehre Deutschlands ein „Ja“ von 288 Stimmen gegen das „Nein“ von 146
Stimmen, (langes Bravo der Gallerien).
Folgt die Frage: Sind die Strafen des Prangers, der
Brandmarkung, der körperlichen Züchtigung abgeschafft? ‒ Mit großer Mehrheit „Ja.“
(Bravo! langer Beifall.)
Endlich Nauwerks Amendement: Ist die Schuldhaft abgeschafft? Wird unter großem Gelächter
verworfen. (Kaum 10 Mann von der Linken, von der doch dieser praktische
Antrag ausgegangen, erheben sich dafür. (O weh!)
Den Wortlaut des ganzen §. 7. gaben wir gestern schon. Schluß der Sitzung
31/2 Uhr. Sonnabend und Sonntag keine Sitzung. Auf der Tagesordnung für
Montag kommt unter Anderm die „Hecker'sche Wahlangelegenheit;“ Bericht des
Gesetzgebungsausschusses, betreffend die Amnestirung politischer Verbrecher;
Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, Betreffs Dänemark etc.
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[
X
] Düren, 4. August.
Das Amendement Stupp, welches die 21. Nummer Ihrer
Zeitung brachte und mit einigen Zuthaten kürzlich durch den Dürener Anzeiger
zur weiteren Verbreitung in hiesigem Kreise gelangte, hat große Sensation
erregt und dem Abg. Stupp wesentlich in der öffentlichen Meinung geschadet.
Seine Freunde glaubten ihn daher gegen die „Ergüsse“
oder nach Stupp „Tiraden“ Ihres Blatts, „das sich die Aufgabe gestellt, durch perfide Schlüsse,
Schimpfen und Verdächtigen die Republik herbeizuführen“ in Schutz
nehmen zu müssen, riefen aber dadurch von anderer Seite wieder neue
Beschuldigungen in Bezug auf seine parlamentarische Haltung hervor, so daß
er jetzt fast alle Sympathien hierselbst verloren hat. Diese Vorgänge sind
wahrscheinlich die Veranlassung gewesen, daß Hr. Stupp plötzlich am 29. v.
M. durch die hiesige Presse seine bevorstehende Ueberkunft ankündigen ließ
und wirklich am 31. Morgen vorgeblich „zur Besprechung über die
Verfassungsangelegenheit“ im Wahllokal erschien. Gleichzeitig hatte er auch
für die Städtischen eine Art Rechenschaftsbericht über seine bisherige
Wirksamkeit ausgeben lassen, wodurch er sich zweifelsohne die ihm
abgeneigten Gemüther wieder zu gewinnen dachte. Nichts desto weniger war
sein Empfang sehr frostig und niederschlagend. Denn außer einigen Pastören
und ein paar Freunden hatte sich zur Begrüßung nur der Vorstand des hiesigen
konst. Landwehrvereins in der Person des Bürgermeisters Leers eingefunden,
so daß die Zahl der Anwesenden höchstens ein volles Dutzend betrug. Man
wartete eine geraumige Zeit auf Zuzug aus der Stadt oder von Außen; aber
Niemand wollte mehr erscheinen. Endlich nach 11 Uhr sammelte Hr. Stupp das
Häuflein seiner Getreuen an seinem Tische um sich und ging dann zur
Besprechung einzelner Verfassungsparagraphen über, wobei besonders die Frage
über die Trennung der Kirche vom Staat und das Kirchenvermögen, über die
Trennung der Schule von der Kirche und die Lehrerbesoldung Gegenstand der
Unterhaltung war und unter Andern Hr. Stupp auch bemerkte, daß er zwar
bedaure, nicht zur Verfassungskommission zu gehören, da er bei der Wahl eine Stimme zu wenig gehabt (von 23 nur 22), aber
doch in den Vorkonferenzen sein Scherflein wohl mit dazu beigetragen habe.
Während dessen trat nun noch zum Erstaunen Aller der Bürgermeister Dr.
Günther von Düren mit seinen beiden Beigeordneten in den Saal, um dem Hrn.
Stupp den Dank der Stadt für seine Vertretung zu bringen, was natürlich um
so lächerlicher war, als nur ein paar Bürger zugegen und namentlich der sehr
zahlreiche städtische Klub, über die Repräsentation Stupp's äußerst
ungehalten, absichtlich fern geblieben war. Gegen Mittag schon ging die
Versammlung auseinander und am Abend verließ Hr. Stupp höchst unbefriedigt
die Stadt.
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[
103
] Berlin, 4. Aug.
[Sitzung der Vereinbarer-Versammlung]. Die Konstablergeschichte hat die
Abgeordneten Rodbertus, Schulze (v. Delitzsch) und
v. Berg veranlaßt folgenden dringlichen Antrag
zu stellen: „Das Staatsministerium um sofortige nachträgliche Vorlegung
eines Gesetzes über die Schutzmannschaften zu ersuchen.“ ‒ Dr. Elsner stellte eine schleunige Interpellation an das
Ministerium des Innern, dahin lautend: „ob dasselbe nicht geneigt ist, die
militärische Stadt und Umgegend im höchsten Grade belästigende Besatzung aus
Hirschberg zurückzuziehen.“ Sowohl Stadt als Umgegend befinden sich seit
Monaten in der höchsten Ruhe und Ordnung. Die ohnedies schon sehr bedrängte
Bevölkerung des Riesengebirges wird durch das Militär aufs Neue mit Ausgaben
überbürdet und beunruhigt. ‒ Der Abgeordnete der Stadt Schweidnitz, Teichmann wollte wegen der dortigen Vorfälle
interpelliren, alles dieses ist nun bis zur nächsten Sitzung verschoben.
Nach Eröffnung der heutigen Sitzung nimmt der Minister
Präsident v. Auerswald das Wort: „Es haben sehr beklagenswerthe
Vorfälle in Schweidnitz stattgefunden, die die öffentliche Theilnahme mit
Recht in Anspruch nehmen. Nach eingegangenen amtlichen Nachrichten haben
leider sechs Personen ihr Leben dabei eingebüßt und mehrere andere sind
verwundet. Diese Umstände werden von einer Deputation, die ich vor der
Sitzung empfing, bestätigt. Von Seiten der Regierung wird alles mögliche
geschehen um den Thatbestand festzustellen. Ich enthalte mich jeder weitern
Folgerung und füge hinzu, daß die Gesetze ihren vollen Lauf haben
werden.“
Der Präsident Grabow zeigt an, daß mehrere dringende
Anträge und Interpellationen eingegangen sind, daß man seiner Ansicht nach
aber zuvor das Gesetz über Abschaffung der Todesstrafe, nach Beschluß in
letzter Sitzung zu Ende berathe. ‒ Justizminister Märker: Die Frage wegen Abschaffung der Todesstrafe ist im
Ministerium zur Sprache gekommen, es konnte aber keine Einigung hierüber
stattfinden zwischen seinen Mitgliedern und man beschloß die Frage als eine
offene zu betrachten und der Versammlung ganz freien Willen zu lassen. Ich
werde Ihnen also nur meine eigene Meinung in dieser Sache mittheilen. Ich
halte die sofortige Abschaffung der Todesstrafe für ein dringendes
Bedürfniß. Früher hielt man es für nothwendig, daß die Todesstrafe durchaus
angewendet werden mußte, Blut mußte wieder mit Blut gesühnt werden. Das war
zur Zeit einer niederen Stufe der allgemeinen menschlichen Bildung. Ob nun
das Volk schon auf höherer Stufe stehet, werden die Abgeordneten durch ihre
Abstimmung zu erkennen geben, da sie das Volk vertreten. ‒ Die biblischn
Gründe kann ich ebenfalls nicht gelten lassen, denn da es dort heißt; wer
Blut vergießt dessen Blut soll wieder vergossen werden, so ist dieser
Grundsatz, in jetziger Zeit wohl ebensowenig anzuwenden als der, welcher
sagt: Auge um Auge; wie die Strafe bei diesen Verbrechen eine andere
geworden ist, so können wir auch die Todesstrafe umwandeln. ‒ Auch die
Abschreckungstheorie wird gegen die Abschaffung vorgebracht. Jeder soll aber
nur bestraft werden, für das was er gethan hat, nicht um Andere damit
abzuschrecken. ‒ Ich kann ferner nicht zugeben, daß im Volke durch
Abschaffung der Todesstrafe das Ansehen der Gesetze leide. Meiner Ansicht
nach, wird durch Abschaffung der Todesstrafe eben die Sicherheit der Person
gesichert. Denn wie durch Abschaffung der Prügelstrafe, dieselbe gewiß im
Volke weniger angewandt wird als früher, wo Jeder das Beispiel des Staats
befolgte, so wird die Abschaffung der Todesstrafe dasselbe Resultat haben
und der Mörder wird eine heilige Scheu vor dem Blutvergießen bekommen. ‒ Ich
weiß aus Erfahrung, welchen großen Widerwillen und große Gewissenunruhen der
Richter beim Erkennen der Todesstrafe empfindet. Dagegen spricht er mit
gutem Gewissen, gestützt auf das Gesetz, jede andere Strafe aus. ‒ Auch
findet man jetzt immer weniger Leute, die das Amt der Exekution übernehmen.
‒ Geschworne, werden eher freisprechen als zum Tode verurthelen, um ihr
Gewissen nicht zu beschweren und der große
Verbrecher wird demnach freigesprochen. ‒ Ein einziger Grund, der Justizmord, wäre schon hinreichend die Todesstrafe
abzuschaffen. Wie ist das Gewissen des Richters oder des Geschwornen nicht
belästigt, wenn es sich später herausstellt, daß ein falsches Urtheil
gesprochen und unschuldiges Blut vergossen wurde. ‒ Es fragt sich auch ob
der jetzige Zeitpunkt geeignet ist, der Abschaffung der Todesstrafe sofort
die Gesetzeskraft zu geben, wei eine gänzliche Umarbeitung des Strafgesetzes
in Arbeit ist. Man hat ferner gesagt, daß dadurch eine Ungleichheit in der
Strafbestimmung eintrete. Das ist aber nur illusorisch, denn wenn das neue
mildere Strafgesetz in Kraft tritt, so wird dasselbe auch darin eine
rückwirkende Kraft ausüben, daß die schon erkannten Strafbestimmungen,
wieder nach dem neuen Gesetze gemildert werden können. ‒ Schließlich erkläre
ich mich noch, nach der Bestimmung des Kommissionsantrag, für Beibehaltung
der Todesstrafe im Kriegs- und Belagerungszustande.
Es sprachen noch viele Redner für und gegen die Abschaffung der Todesstrafe
unter denen nur die Rede des Abgeordneten D'Ester für gänzliche Abschaffung
hervorzuheben ist. Er sagte unter andern: Es sind die verschiedenartigsten
Gründe herbeigebracht worden für die Beibehaltung der Todesstrafe. Sie sind
hergeholt worden aus dem Rechtspunkte, aus der Bibel, aus Himmel und Hölle,
und ich weiß nicht, wo sonst noch her. Lassen Sie mich aber meine Gründe für
Abschaffung der Todesstrafe vom Standpunkte des reinen Menschenrechts
entwickeln. Wollen Sie nicht den Menschen von Geburt an als Sünder
betrachten, so muß man die Motive beurtheilen, die den Verbrecher dazu
leitet. Durch mancherlei Verhältnisse kann der Mensch zu einer That
gezwungen werden, die, wenn man die Motive genau erwägt, wohl zu billigen
ist. Man verurtheilt Leute, welche die edelsten Motive zu irgend einem Mord
gebracht und wir sehen Männer auf offenem Markte Menschen niederschießen
lassen. Ein solcher Mann kann das Opfer eines Systems sein. Er kann
persönlich gegen das mörderische Verfahren sein, das er anordnet, aber das
System befiehlt es ihm. Es hat Zeiten gegeben, wo es der Staat für
nothwendig gefunden hat, Tausende zu tödten. Schaffen wir daher die
Todesstrafe ohne alle Ausnahme ab. Auch für den Hochverrath ist sie
keinesfalls nothwendig.
Nachdem die allgemeine Debatte geschlossen und das Amendement Schlink, eine
motivirte Tagesordnung verworfen war, wurde zur Debatte über den § 1.
geschritten. Unter Andern sprach der Abgeordnete Moritz gegen die Bestimmung, den Hochverrath auch ferner mit dem
Tode zu bestrafen. Er sagt: „Hochverrath ist nur eine versuchte That, denn
wenn er zur Ausführung gekommen und gelungen ist, so ist er kein Hochverrath
mehr!“
Jetzt beginnt eine unfruchtbare Stunden lange Debatte über die Fragestellung
und über die Priorität des Jonas'schen Amendements oder des Gesetzentwurfs.
Namentliche Abstimmung wurde verlangt und angenommen. Auch beschloß man
zuerst über das Jonas'sche Amendement abzustimmen, aber einige eigenwillige
Abgeordnete, denen sich auch der Justizminister ganz unbefugterweise
anschloß, da er kein Abgeordneter ist und deshalb in solchen Angelegenheiten
nicht das Wort nehmen darf, protestirten dagegen. Dadurch entstand eine
fürchterliche Aufregung und der Streit ward immer größer. Die Ministeriellen
wollen den Beschluß dem Justizminister zu Gefallen umstoßen, und durch ihre
Majorität beantragen sie eine neue Ordnung der Fragen. Aber die Redner der
Linken überzeugen endlich die Versammlung, daß man durchaus über das
Jonas'sche Amendement zuerst abstimmen muß. Dies Amendement lautet: „Die
Todesstrafe ist ohne alle Ausnahme abgeschafft,“ und wird mit 193 gegen 164
Stimmen verworfen.
Endlich gelangt man zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Kommission. Der
§ 1 wird in zwei Theile getheilt. Der erste enthält die Worte: „die
Todesstrafe ist abgeschafft,“ der zweite die Ausnahme. Der erste wird nach
namentlicher Abstimmung mit 294 gegen 37 Stimmen angenommen.
Da die Zeit schon weit vorgeschritten, so beschließt man die fernere
Abstimmung bis zu nächster Sitzung, die ausnahmsweise wegen der vielen
dringenden Anträge und wegen Berathung der Habeas-Corpus-Akte auf Dienstag
Morgen 8 Uhr festgesetzt wird, auszusetzen.
Mit Erwartung blickt Alles dem nächsten Sonntag entgegen. Die Bürgerwehr ist
durch ihren permanenten Ausschuß zur Abstimmung darüber aufgefordert, ob sie
sich Sonntag früh zu einer Parade versammeln und bei dieser Gelegenheit dem
Reichsverweser „als freiwilliges Zeichen der freudigen Anerkennung und
Huldigung, unbeschadet des Eides der Treue für König und Verfassung in
Preußen, den diese Huldigung nicht stört, ein dreifaches Hoch bringen
wolle.“ Von 102 Bezirkskompagnien haben sich 94 bis jetzt dafür erklärt. Die Armee wird dagegen von allen
Huldigungsäußerungen absehen, da der Kriegsminister beschlossen hat, den
Armeebefehl des Königs als genügenden Ausdruck der dem Reichsverweser
schuldigen Ehrerbietung und Anerkennung zu betrachten.
Hr. Griesheim, der Socius des Kriegsministers, soll
in Folge seiner berüchtigten Schrift über die Centralgewalt, vom
Staatsministerium aller seiner Funktionen, welche irgend eine politische
Thätigkeit voraussetzen, enthoben werden. Seine Stelle im Kriegsministerium
soll anderweit besetzt werden, welches dringend nothwendig ist, da der
Kriegsminister durchaus nicht mehr in den Sitzungen der
Vereinbarerversammlung erscheint, und ihn demnach ein Anderer vertreten muß.
Heute war Hr. Griesheim in der Vereinbarersitzung noch anwesend.
Das zweite Garderegiment, welches in Charlottenburg sich mehrfacher Insulten
und Anfälle auf hiesige Studenten und Bürger hat zu Schulden kommen lassen,
ist nach Nauen versetzt worden. Der Kriegsminister beabsichtigte Anfangs,
diese Vorfälle ganz unberücksichtigt zu lassen; den Studenten, welche sich
bei ihm beschwerten, sagte er: „es sei dunkel gewesen und es würde nicht
möglich sein, die Schuldigen herauszufinden; sie möchten künftig
Demonstrationen unterlassen, welche die Aufmerksamkeit des ohnehin gereizten
Militärs auf sie lenken müßten.“ Nur den dringlichen Forderungen des
Ministers des Innern, Kühlwetter soll es
zuzuschreiben sein, daß dennoch eine Untersuchung gegen die Soldaten
eingeleitet ist. Insbesondere soll ein Lieutenant schwer gravirt sein. Als
bei demselben einige gemißhandelte Studenten beschwerdeführend Schutz gegen
die Brutalität der Soldaten suchten, außerte er: „Ihr kommt vom Spandauer
Berge, da kommt ja die deutsche Einheit her; der kann es nicht schaden, wenn
sie in den Dreck geschleift wird.“ Die Soldaten haben nämlich die den
Studenten entrissene deutsche Fahne in den Koth getreten.
Im Ministerium des Innern ist jetzt ein Berichtigungsbureau eingerichtet, an
dessen Spitze Hr. v. Hasenkamp aus Aachen gestellt
ist. Das Gerücht bezeichnet diesen Herrn als den künftigen Schwiegersohn des
Hrn. Hansemann, wobei jedoch zu bemerken ist, daß das hiesige Publikum mit
der Vertheilung der Töchter des Finanzministers sehr freigebig ist, denn
nicht nur Hr. v. Hasenkamp, auch der
Polizeipräsident v. Bardeleben und der Minister Kühlwetter werden zu dessen Schwiegersöhnen
designirt.
Der Oberlandesgerichts-Auskultator Dortu aus Potsdam
stand heute vor dem Kammergericht der Majestätsbeleidigung angeklagt wegen
einer Rede, die er am 18. Mai im politischen Klub in Potsdam gehalten hat:
Der in der Rede vorkommende Ausdruck „Rabenvater“
wurde als sich nicht auf den König beziehend angenommen, dagegen der
Ausdruck „Kartätschenprinz“ auf den Prinzen von
Preußen bezogen, und wurde der Angeklagte deshalb zu
achtzehn Monat Festungsarrest und Verlust des künftigen Anspruchs an
eine Stelle im Staatsdienst verurtheilt!!! Errungenschaft der
Märzrevolution! Die Denunciation gegen den Verurtheilten wurde erst nach 8
Wochen, nachdem er die Rede gehalten, eingereicht, früher hielt man es nicht
angemessen, damit hervorzutreten. Der frühere Staats-Anwalt, Hr. v.
Kirchmann, hätte sie jedenfalls zurückgewiesen. Aber unsere
Kammergerichtsräthe das sind die Reaktion selbst in höchsteigener Person und
wenn die Vereinbarer sich nicht beeilen, die alten Landrechtsparagraphen
aufzuheben, so werden danach noch halb Berlin in die Festungen geschickt
werden.
@xml:id | #ar068_005 |
@type | jArticle |
@facs | 0342 |
[
119
] Berlin, 4. Aug.
Herr von Griesheim, Obristlieutenant, Direktor im Kriegsministerium wird
endlich, wie bestimmt versichert wird, aus dem Kriegsministerium
ausscheiden, und die Nationalversammlung wird auf diese Weise die Erholung
verlieren, den edlen Kavalier zur Erquickung aller Patrioten von „Anno
Toback“ auf dem altpreußischen Korporalstock der Kommisbegeisterung ferner
herumgalloppiren zu sehen. Das Ministerium soll überhaupt beabsichtigen den
Staatsstall von dem festgetretenen Mist des reaktionären Beamtenthums
durchgreifend zu reinigen ‒ eine schöne, eine dankenswerthe Arbeit ‒ aber
auch eine Herkules-Arbeit, und die Herkulesse sind heuer sparsam gerathen.
Gleichzeitig erfährt man, daß auch in Löbau in Westpreußen ähnliche Gräuel
vorgekommen sein sollen wie in Schweidnitz.
In der gestrigen Sitzung des hiesigen „Bürgerwehrausschusses“ erregte der
Bericht über die Schweidnitz'schen Ereignisse allgemeine Erbitterung. Man
beschloß sogleich im Namen der Berliner Bürgerwehr eine Adresse an die
Schweidnitzer Kameraden abzusenden, in welcher mit der Versicherung der
lebendigsten Theilnahme die tiefste Entrüstung über das Vorgefallene
ausgedrückt wird. Zugleich wurde eine Sammlung für die Verwundeten und
Hinterbliebenen der Gefallenen beschlossen.
@xml:id | #ar068_006 |
@type | jArticle |
@facs | 0342 |
[
40
] Berlin, 4. August.
Von dem Abgeordneten Krackrügge ist bei der National-Versammlung ein Antrag,
die bekannte Westphälische Staatsschuld betreffend,
eingebracht, welcher für die Inhaber der Obligationen eine Anerkennung
derselben, oder doch jedenfalls die Zulassung zum Rechtswege verlangt. Von
der vormaligen Regierung wurden desfallsige Ansprüche, welche höchst gerecht
erschienen, immer durch eine bloße Ministerial-Verfügung von der Hand
gewiesen.
In diesem Augenblick (1 Uhr Mittags) sind vor der Aula viele hundert
Studenten versammelt, welche Berathung pflegen über die gestern und
vorgestern vom 2. Garderegiment in Charlottenburg erlittenen
Mißhandlungen.
@xml:id | #ar068_007 |
@type | jArticle |
@facs | 0342 |
Berlin, 4. August.
Der Staats-Anzeiger enthält allerlei offizielle und halboffizielle
Mittheilungen:
1) ein langes Cholera-Reglement aus der 2. Abtheilung des Ministeriums des
Innern, gezeichnet Puttkammer und das hauptsächlich Data über Entstehung
dieses Reglements selbst enthält;
2) die Anzeige des Hrn. Hansemann an die Regierung, daß die freiwillige
Anleihe nicht am 10. August geschlossen wird;
3) einige Ministerialverfügungen über Kirchensachen und Laudemien, ohne alle
Bedeutung.
4) Aufhebung des Verbots des Wanderns der Handwerker nach der Schweiz für den
Reg.-Bez. Potsdam.
‒ Die Verwickelungen mit den Buchdruckergehülfen dauern noch immer fort. Die
gestrige Zeitungshalle ist ganz ausgeblieben, eben so die neue preußische
Zeitung; die „Reform“ ist nur in einem halben Bogen erschienen. (Auch heute
Abend ist keine Zeitungshalle erschienen.
[(Voss. Z.)]
‒ Der Oberst Willisen, ist nach erfolgter Ernennung zum Generalmajor mit
einer außerordentlichen Sendung nach Paris betraut worden. Man glaubt, daß
diese Sendung den Zweck habe, die französische Republik der friedlichen und
freundschaftlichen Gesinnungen Preußens zu versichern.
[(Voss. Z.)]
@xml:id | #ar068_008 |
@type | jArticle |
@facs | 0342 |
[
*
] Erfurt, 2. August.
Heute Mittag marschirten etwa 6 Kompagnien des 31. Regiments mit 3 Geschützen
und ein Theil der Kurassiere nach Gera. Die Unruhrn daselbst müssen also
sehr ernster Art sein.
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@type | jArticle |
@facs | 0342 |
Schweidnitz, 1. Aug.
Nachmittag 1 Uhr. Der Bürgermeister hat auf stürmisches Anfordern der Bürger,
und auf die Vorstellungen der Stadtverordneten sein Amt niedergelegt und auf
Verlangen diese Erklärung schriftlich von sich gegeben, jedoch mit dem
Bemerken, daß er, da er eigenes Vermögen nicht besitze, auf die gesetzliche
Pension Anspruch zu machen sich genöthigt sehe. Die Stadtverordneten und der
Magistrat haben aus ihrer Mitte zwei Kommissionen ernannt, und die eine,
bestehend aus den Herren Kaufmann Arnold, Schlossermeister Führich und
Rathsherrn Feuerstack, nach Breslau entsendet, um die hiesigen Vorgänge dem
Oberpräsidenten und dem kommandirenden General mitzutheilen, und da der
Kommandant sich weigere, das Militär zurückzuziehen, Letzteren zu ersuchen,
die Abberufung des Militärs, wie des Kommandanten, verfügen zu wollen; die
andere aber, gebildet von den Herren Syndikus Pfitzner, Lederfabrikant Münch
und Seifensieder Koch, zu dem bereits erwähnten Zwecke nach Berlin bestimmt,
wohin sie heute Abend abreisen wird. ‒ Die Stadt ist in Belagerungszustand,
die Kanonen auf den Wällen sind nach der Stadt gekehrt, und jedes Geschütz
mit Munition für 10 Schuß versehen. ‒ Die Bürgerwehr ist nicht aufgelöst; ‒
es war nur Gerücht.
2 Uhr Nachmittag. Die Aufregung dauert fort. Die Bürger hatten schon am
Morgen die bei ihnen einquartierten Infanteristen ausgewiesen; jetzt rotten
sich die Arbeiter auf dem Ringe zusammen. Einige Artillerie-Offiziere suchen
eine Verständigung herbeizuführen, doch umsonst; man besteht auf Entfernung
des betreffenden Füsilier-Bataillons, das jetzt ganz herangezogen und auf
dem Ringe aufgestellt wird.
3 Uhr. Das Militär wird abziehen, heißt es: da fallen im Rathhause zwei
Schüsse, wie man sagt, ein Signal des hier gefangen gehaltenen
Füsilier-Majors v. Gersdorf, der gestern Abend den Befehl zum Schießen
gegeben haben soll. Das Militär rückt gegen das Rathhaus und dringt ein,
wird aber von den Bürgern wieder zurückgedrängt, ohne daß ein Schuß fällt,
oder Jemand irgendwie verletzt wird. Das Militär zieht sich jetzt in der
That zurück, nach einem Beschlusse der dasselbe kommandirenden Offiziere, so
sagt man; die Kanonen werden abgefahren, das Bataillon rückt in die
Kasernen, doch nicht ohne daß vorher noch einer Frau durch einen
Musketenschuß, den ein Soldat, sei es aus Unvorsichtigkeit oder aus Bosheit,
abfeuerte, ein Arm zerschmettert worden ist. Die Mannschaften auf der
Hauptwache werden von den Bürgern mit Steinwürfen vertrieben, und sämmtliche
Wachposten von der Bürgerwehr besetzt. Jetzt verbreitet sich die Kunde, der
Kommandant, den man nur einen Mörder nennt, habe seinen Posten niedergelegt;
die Kunde wird zur Gewißheit und erregt allgemeine Freude. Eine offene
Erklärung des Offizierkorps, und die Vorstellungen des eben hier anwesenden
Generals Fromm sollen den Kommandanten zu jenem Entschlusse bewogen haben.
Doch sind die Räume des Kommandanturgebäudes noch voll bewaffneter
Soldaten.
Bis jetzt, Abends 6 Uhr, ist die Ruhe nicht weiter gestört worden. Die
Bürgerwehr hat fast alle Wachen inne, nur die Artillerie, mit der die
Bürgerschaft stets auf gutem Fuße gestanden
[0343]
hat, hält einige
Posten besetzt. ‒ Man erwartet hier die Breslauer Jäger als Besatzung.
[(A. O. Z.)]
@xml:id | #ar068_010 |
@type | jArticle |
@facs | 0343 |
Göttingen, 1. Aug.
Eine Kommission ist nach Bovenden abgegangen. In jenem Orte liegen jetzt
notheimische Kuirassiere. Auch dort sollen vom Pöbel Excesse an Häusern und
Menschen verübt sein; allgemein ist die Entrüstung über die Handlungsweise
der Beamten und des Domainenpächters Mahler. Letzterer ist geflohen und
gestern vom Volke auch aus Notheim vertrieben. Das abscheuliche Attentat der
Reaktion wird bald entschleiert vor uns liegen und seinen Urhebern ‒ (wer
weiß wie hoch sie sitzen, selbst auf Göttingen zeigen viele Stimmen) wenig
Segen bringen. Noch nie war die Bureaukratie, noch nie die konservative
Kaste in Göttingen so verhaßt als jetzt!
[(H. M.-Z.)]
@xml:id | #ar068_011 |
@type | jArticle |
@facs | 0343 |
[
12
] Leipzig, 2. August.
Der Abgeordnete Ruge, der in der Nationalversammlung
zu Frankfurt jedesmal da, wo es ein klares Erkennen der wirklichen
Verhältnisse und ein praktisches Auftreten galt, seine alten Phrasen von
1842, und die trivialsten Allgemeinheiten wiederholte: dieser Abgeordnete
traf gestern hier ein. Es wurde ihm von einer kleinen Zahl Studenten,
Gymnasiasten etc. ein Fackelständchen und ein Hoch auf den Kritikker der
Vernunft der Ereignisse gebracht. Dieses Hoch bezeichnete ihn als „den
Helden der Zukunft!“ Das durch Neugierde herbeigelockte Publikum blieb beim
Anblick und sogar beim Anhören einer Dankrede des „Helden der Zukunft“ zum
Verzweifeln kalt und theilnahmlos. Nur als die Fackeln ausgelöscht wurden,
erscholl ein lautes Bravo! Die demokratische Parthei kann und wird es Hrn.
Ruge niemals vergessen, daß er in der Nationalversammlung durch seine
pommersche Unkenntniß des Geschäftsreglements und seine Ungeschicktheit,
sich in den Formen desselben zum Nutzen der Parthei zu bewegen, die Taktik
der Linken bei den Verhandlungen über den Reichsverweser zu Nichte machte
und so sehr dazu beitrug, daß die Unverantwortlichkeit angenommen wurde.
@xml:id | #ar068_012 |
@type | jArticle |
@facs | 0343 |
[
[#]
] Wien, 1. Aug.
Der Kaiser kommt nicht! ‒ Auch gut! Man bemerkt nirgends Traurigkeit ob
dieser Botschaft, wohl aber Entrüstung. ‒ Der Kaiser will nicht kommen, als
ob er noch ein Recht hätte, nicht zu wollen. Und wir sollen ihn bitten, als
ob wir noch in der Lage wären, bitten zu müssen. Die souveränen Völker
Oestreichs tagen in Wien, um aus eigener Macht- und Rechtsvollkommenheit das
Vaterland zu konstituiren, und der Kaiser erklärt, er könne nicht zu seinen
Völkern kommen, weil sie ihm keine Sicherheit garantiren. Dieser Gedanke ist
an und für sich schon ein Schicksal ‒ ein welthistorisches. ‒ So schreibt
die Konstitution, ein Wiener demokratisches Blatt.
Dasselbe Blatt sagt über die südslavische Demonstration vom 28. Juli bei
Gelegenheit der Anwesenheit des Barons Jellachich in Wien:
„Es ist sonnenklar, daß die ganze Sache von der Reaktion, wenn auch
vielleicht nicht geradezu eingeleitet, so doch auf das emsigste unterstützt
worden, da sie bei dem Zustande von Spannung zwischen der slavischen und
deutschen Nationalität nichts anders erwartete, als der hingeworfene
Slavenhandschuh werde aufgenommen und ein blutiger Krawall die Straßen Wiens
röthen. Anarchie in Wien! ist das heiße Morgen- und
Abendgebet der Camarilla, um die Freiheit der Wiener mit Bomben
niederzustrecken, da sie allen andern Waffen bisher widerstand. Die
Demonstration vom 28. Juli war nicht blauweißroth,
sie war durch und durch schwarzgelb. Wir achten
Blauweißroth, so lange es sich nicht auf Kosten des deutschen Banners
erhebt, aber wir hassen Schwarzgelb in der traurigen historischen Deutung,
die ihm das Jahr 48 zusichert.
„Glaubt die Reaktion vielleicht, daß man in dem Zuge, der gestern Wiens
Straßen durchzog, nicht die Militärdemonstration
erkannte. Wie anders kann man einen Zug nennen, bei dem ein Drittel aus
Soldaten bestand, die aus den Regimentern Schönhals, Nassau etc. unmöglich
ein Interesse haben konnten, dem kroatischen Jellachich eine Huldigung zu
bringen, einen Namen, den viele
von ihnen, wie wir uns selbst überzeugten, gar nicht kannten? Die
Fackeln wurden zum größten Theile von Soldaten getragen, die übrigen beinahe
ausschließlich von Nationalgarden, von denen eine
große Zahl das deutsche Band trugen. Deutsche Farbe,
Hymne und Deutschland waren die Fäden zu einem loyalen Mantel, den man der
durch und durch reaktionären Demonstration umhängen wollte.
„Was uns tief schmerzte, war der Antheil, den ein Theil der Aula dadurch
nahm, daß ihre Musikbande den Zug anführte. Der slavische Theil der Legion,
obwohl ein kleiner, begnügte sich nicht, einfach mit dem Zuge zu gehen,
sondern stellte sich mit auffallender Ostentation an die Spitze des Ganzen.
Dies ist die erste Spaltung, die die Legion durchzuckte.“
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@type | jArticle |
@facs | 0343 |
Eckernförde, 3. August.
Heute Morgen um 6 Uhr lief die Dampffregatte „Hecla“ in unsern Hafen ein,
entfernte sich aber wieder, nachdem die Offiziere des Schiffes sich von dem
Räderkasten herab mit Fernröhren gehörig orientirt hatten. Das Schiff kam
der Stadt nicht völlig so nahe wie der Aegir am vorigen Mittwoch.
@xml:id | #ar068_014 |
@type | jArticle |
@facs | 0343 |
Triest, 28. Juli.
Durch Erlaß des Finanzministeriums vom 23. ist die Ausfuhr und der Transit
von Waffen nach der Schweiz, den von östreichischen Truppen nicht besetzten
Landestheilen des lombardovenetianischen Königreichs und nach den andern
italienischen Staaten bis auf weiteres verboten worden.
@xml:id | #ar068_015 |
@type | jArticle |
@facs | 0343 |
Triest, 27. Juli.
Das Dampfboot „Venezia“, welchel vorgestern die Venetianer Geiseln nach
Venedig führte, ist heute mit den unsrigen hier angelangt.
Französische Republik.
@xml:id | #ar068_026 |
@type | jArticle |
@facs | 0343 |
[
17
] Paris, 4. August.
Die reaktionäre Partei im Repräsentantenhause hat gestern durch ihre allzu
große „Honnetete“ (d. h. durch ihre an Wahnwitz streifenden Lügen) sich
gräulich blamirt. Der Rapport über die Verschwörung war so rasend, so
„epileptisch“, daß Ledru Rollin, L. Blanc, Caussidièrc und Proudhon in der
öffentlichen Meinung wieder gestiegen sind. Die Damen der Tribünen, obschon
lauter Bourgeoisen, hatten schon am Montag,
mitten unter ihrem Gelächter über Proudhons „arithmetische
Guillotinenpredigt“, geäußert: man widerlege ihn ja gar nicht! Und gestern
meinten viele: diese Anklagen seien doch gar zu bizarr. Mit der Zeit kann es
auf diesem Wege zu einer totalen Spaltung in zwei
Kammern kommen, freilich aber nicht im thiers-amerikanischen Sinne.
Der National ist sehr betrübt und prophezeit die baldige Zerreißung der
Republik in zwei unversöhnliche Parteien; der Siecle, dieses düster
gemüthliche Murmelthier, ist gleichfalls betreten ob der gestrigen „Szene“
und der Constitutionnel kreischt: „Einheit, Einheit! schon erhebt dies
feuer- und blutrothe Ungeheuer wieder sein Haupt!“ ‒ Im Elsaß tummeln sich
die deutschen Fabrikproletarier wacker, die Frauen nehmen rüstig Antheil;
Kollision mit der Ordnungsmacht ist häufig. Von vielen Fabriken laufen
Petitionen an den Minister um Gestaltung von Arbeiterassociationen ein; von
andern um Association zwischen Arbeiter und Meister. Die Industrieherren in
Lille zittern, sie haben keine Arbeit mehr zu geben und schicken eine
Delegation nach Paris. Die 5000 Arbeiter in Maubeuge liegen auf dem
Pflaster; ihre Patrone finden weder in Frankreich noch in Belgien
Arbeitsbestellungen und flehen das Ministerium um Rath an. Der Pfarrer Roux
im pariser Faubourg St. Antoine ruft in allen Journalen die christliche
Mildthätigkeit auf für 4000 arbeitlose Proletarierinnen seines Sprengels, er
habe vom Ministerium das Geständniß völliger
Rathlosigkeit erhalten, und er könne selbst nur 50 Franken
subskribiren. Hierauf antwortet die Staatsbehörde mit dem Befehl: jedes
ehemalige Nationalateliermitglied, das nach Paris dringe, sogar mit Waffengewalt in die Provinz zurückzutreiben. „Wir, die
Schaffer und Erhalter der Lebenskraft des Staats, ruft Le Commerce, wir
wollen um jeden Preis Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe. Nennt uns hartherzig,
grausam, wir wissen was unsere heiligen Familieninteressen uns befehlen;
Ruhe für Handel und Wandel, dafür sind wir stets bereit die Flinte zu
ergreifen.“ ‒ Des Herrn Karr Journal sagt: „Der tückische, teuflische
Blanqui, dessen Aeußeres schon den Mephistopheles anzeigt, wollte durch
Aufstände den honnetten Verkehr und Gewinnst zerrütten; er verglich oft in
seinem Klub unsere fleißige, tugendhafte Mittelklasse, in die jeder
Proletarier durch Arbeitsliebe und Sparsamkeit Zutritt hat, mit der
tyrannisirenden Adelsklasse des Mittelalters; in seinen eiskalten,
höhnischen, anscheinend so sanften Reden weissagte er uns ein modernes 1794;
ja er trieb die Diabolik so weit lächelnd zu verkünden: Köpfen in Masse wie damals sei kaum mehr nöthig, durch
geschicktes Auswählen der abzuschlagenden Köpfe
würde schon moralischer Einfluß zur Genüge ausgeübt
werden. Dieser der Hölle entstiegene Feind des Menschengeschlechts hat viele
Anhänger, die leider noch nicht gefangen sind;
videant consules ne respublica detrimentum capiat.“ In Kafes hört man sehr
oft bedauern daß die Mobilen nicht sämmtliche
Gefangenen erschossen haben; ganz gemüthliche Krämer, die über den Schnupfen
ihres Katers weinen, sagen: mais il faut en finir avec cette canaille là !
und sind ernstlich der Meinung „man könne dies Ungeziefer von Brigands wie
Wanzen in einer Stube vertilgen“ (wörtlich). Die ehrsame Kaufherrnschaft von
Bordeaux, welche in tiefer Entrüstung an das Bestehen des vom Charivari
erdichteten republikanischen Amazonenkorps, der Vesuviennen, glaubte, (ist maßgebend für die geistige Stufe der
Provinzialbourgeois) erläßt wieder Donnerkeile gegen Centralisirung, und
vertheidigt das Institut der Departementalbanken in specie als „ein zur
Moralisirung der Provinzen beitragendes“. Aehnlich die von Havre, welche dem
ministeriellen Plan der Hypothekenbesteuerung den Namen eines
kommunistischen Diebstahls giebt. ‒ Hr. Philaret Chasles, Sohn des wackern
Konventmanns, philippistischer Professor und Mitverfertiger der bösartigsten
Artikel des J. des Debats, ergeht sich in der Revue de deux Mondes gegen
Pantheismus und „die damit verbundene Arbeitsorganisation;“ er trachtet in
die Kammer zu kommen. Der alte Laponneraye, Republikaner unter L. Philipp,
affischirt eine weinerliche Ermahnung, betitelt: „weder Anarchie noch
Reaktion“. Herval hat einen Auszug der Heineschen neuesten politischen
Gedichte publizirt, worin er unserm Dichter endlich volle Anerkennung giebt
und Frankreich mit Recht tadelt. Im Ganzen ist die jetzige Literatur
entsetzlich öde.
@xml:id | #ar068_027 |
@type | jArticle |
@facs | 0343 |
Paris, 4. August.
An der heutigen Börse wurde mit Bestimmtheit versichert, General Maguan habe
Befehl erhalten, sein Lager bei Paris abzubrechen und nach den Alpen zu
marschiren. Man spricht von Intervention in Italien; wir gestehen, nicht
daran zu glauben.
‒ Von Lamennais ist ein Pamphlet mit dem Titel Coups de sabre (Säbelhiebe)
unter der Presse.
‒ Albert Ricci, der vorgestern als Abgesandter aus Turin hier eintraf und
sofort mit Cavaignac und Bastide eine Unterredung hatte, soll nicht eine
eigentliche Intervention, sondern die Ablassung einiger Offiziere des
Generalstabes und die Lieferung von Munition, besonders eines
Belagerungsmaterials zum Ersatz des in den Schlachten am Mincio verlornen
nachgesucht haben.
@xml:id | #ar068_028 |
@type | jArticle |
@facs | 0343 |
Paris, 4. August.
Der große Staatsprozeß rückt seinem Ende allmälig näher. Die Kriegsgerichte
in der Rue du Cherchemide sind im besten Gange und der Quentin Baucharksche
Riesenbericht ist unter der Presse. Der „Constitutionnel“ theilt bereits die
Liste der Hauptangeklagten mit, über welche die Kriegsgerichte zu
entscheiden haben. Mehrere Fahrzeuge liegen zur Einschiffung bereit und die
vor drei Tagen erwählte Kommission ist nur noch über die Kolonie uneinig, in
welche man die Kommunistenbrut schicken soll.
‒ Nationalversammlung. Sitzung vom 4. August. Anfang
11/2 Uhr. Präsident Marrast.
Vaulabelle, Minister des Unterrichts, verlangt einige
Kreditte als Nachträge für 1845, 1846 und 1847.
An der Tagesordnung ist die Fortsetzung der Debatte über die berüchtigte
Kapitalisten- oder Hypothekenbesteuerung, deren erster Artikel mit einer so
bedenklich dünnen (19 Stimmen relativer) Mehrheit vor 3 Tagen durchging. Wir
haben den Inhalt des Gesetzes bereits mitgetheilt. Die provisorische
[0344]
Regierung beabsichtigte Eins vom Hundert zu verlangen,
Goudchaux begnügt sich mit einem Fünftel der Gesammtzinsen (was wenig
Unterschied gewährt) und heute wurde der Kampf hierüber nicht minder heiß
begonnen.
Point schlägt einen Zusatz-Paragraphen zum Artikel 1
vor, zieht ihn aber nach kurzer Debatte zurück.
Langlois bringt einen neuen Zusatz, der die
Kapitalien unter 1000 Fr. gegen die Steuer schützt. Ebenfalls verworfen.
Artikel 2 lautet also: „Die Steuer beträgt ein Fünftel vom Gesammtbetrage der
Hypothekenzinsen, welche à 5 pCt. nach den Hypothekenregistern vom Schuldner
einzuziehen.“
Derode schlägt ein Achtel statt ein Fünftel vor.
Marast läßt darüber abstimmen. Die beiden ersten
Proben sind zweideutig. Man schreitet zur Abstimmung durch Stimmzettel. Zahl
der Stimmenden 642. Für das Amendement 329. Gegen dasselbe 313. Das
Amendement ist angenommen. (Sensation.)
Goudchaux, hastig auf die Tribüne: Bürger! Ihr hattet
in einer ersten Sitzung den 1sten Artikel sowie das Prinzip des
Steuergesetzes angenommen. Heute wird Euch ein Zusatz vorgelegt, der das
Gesetz umwirft, indem er nur ein Achtel statt ein Fünftel vom Zinsertrage
beantragt. Ihr habt diesen Zusatz genehmigt. Unter diesen Umständen mußte
ich einen Entschluß fassen. (Aufmerksamkeit. Hört ! Hört !) Ich ziehe das
Gesetz zurück. Ich thue dieß nicht gern. Dasselbe sollte eine Lücke im
Büdget von mehr als 20,000,000 Fr. füllen. Ich werde Euch in diesen Tagen
ein neues Gesetz über Besteuerung des beweglichen Einkommens (revenu
mobiles) vorlegen.
Dieser Erklärung folgte eine sehr unheimliche Pause. Dann bewilligte die
Versammlung dem Marineminister einen Kredit von 1 1/2 Mill., um die
Lebensmittelbesorgung nach den Kolonien zu reguliren. Die Versammlung nahm
dann einen Zusatz rücksichtlich des höhern Schulbesuchs für Schullehrer
an.
Die nun vorgenommene Berathung des Gesetzes über Bildung der
Geschwornengerichte das beiläufig gesagt, 24 Artikel und 5 Abschnitten
zählt, zog sich in die Länge. Folgende Bestimmungen wurden angenommen: Jeder
Franzose, der 30 Jahre alt ist, und seine politische Aktivbürgerschaft nicht
verloren, kann zum Geschwornen gewählt werden. Census findet nicht
Statt.
Der Entwurf rührt noch von der prov. Regierung her, und ist darum sehr
liberal.
Mühsam rückte die Diskussion bis zum Artikel 10 vor.
Kurz vor 6 Uhr bestieg Recurt, Staatsbautenminister, die Bühne und unterbrach
die Debatte durch Vorlage eines Gesetzentwurfs, der den Ankauf der Eisenbahn
von Paris nach Lyon zum Zweck hat. Die Aktiengesellschaft hat sich mit dem
Minister zum Preise von 7 Frk. 60 Centimen gegen 7pCt. Rente per Aktie
(worauf bereits 250 Fr. eingezahlt sind) geeinigt. Die Aktiengesellschaft
verliert somit etwa die Hälfte. Sie war indeß dem Bankerott nahe und drang
zuletzt selbst auf Eile des Abschlusses.
Corbon, der als Vicepräsident den Marrast ersetzt,
frägt den Minister, ob er auf sofortige Erledigung dringe?
Recurt bemerkt, daß er sich der vorherigen Prüfung
des Entwurfs durch die Büreaus nicht widersetze, jedoch müsse er hinzufügen,
daß eine große Zahl von Arbeitern brodlos würden, wenn man sich nicht mit
der Prüfung beeile.
Die Ueberweisung an die Büreaus wird entschieden. Morgen erfolgt die
Ernennung von 6 Vice-Präsidenten und die Fortsetzung der Jurydebatte. Die
Sitzung wird um 6 Uhr geschlossen.
@type | jAnnouncements |
@facs | 0344 |
Schiffahrts-Anzeige. Köln, 6. August 1848.
Abgefahren: Jak. Tillmann nach Koblenz; P. Kohlbecher
nach der Saar; H. Lübbers nach Wesel; G. A. Klee nach Heilbronn.
In Ladung: Nach Ruhrort bis Emmerich Joh. Linkewitz;
nach Düsseldorf bis Mühlheim an der Ruhr Ch. Königsfeld; nach Andernach und
Neuwied H. Schumacher; nach Bingen J. B. Mundschenk; nach Koblenz, der Mosel
und Saar Jos. Zeiler; nach der Mosel, Trier und der Saar Frdr. Lauterborn;
nach Mainz Joh. Acker; nach dem Niedermain C. Nees; nach dem Mittel- und
Obermain C. Schleicher; nach Heilbronn H. Staab; nach Kannstadt und
Stuttgart H. Klee; nach Worms und Mannheim Mart. Aulmich.
Ferner: Nach Rotterdam Kapt. Kamps Köln Nr. 17
Ferner: Nach Amsterdam
Kapt. Scholwerth Köln Nr. 3
Wasserstand.
Köln, am 6. August. Rheinhöhe 7′ 3″
Civilstand der Stadt Köln.
Geburten.
3. August. Agnes, T. v. Jak. Schweitzer, Zimmergesell, Severinstraße. ‒ Math,
S. v. Nikolas Helbach, Maurer, Zeughausstraße. ‒ Anton, S. v. Winand
Bernards, Seilergeselle, gr. Spitzengasse. ‒ Emilie Alb. Adel. Joh. Louise,
T. v. Andr Theod. Simon, Sergeant in der 8. Artillerie-Brigade,
Dominikaner-Kaserne. ‒ Joh. Jos., S. v. Wilh. Fuchs, Bäcker,
Streitzeuggasse. ‒ Anna Maria, T. v. Gottfr. Schnitzeler, Zuckerarbeiter,
Josephstraße. ‒ Peter, S. v. Karl Jos. Konr. Schwals, Schreinergesell,
Weiherstraße. ‒ Joh. Christ. Elis. und Heinr. Pet. Jos., Zwillinge v. Pet.
Schupp, Gastwirth, Buttermarkt. ‒ Heinr., S. v. Joh. Plien, Rheinarbeiter,
Mathiasstraße. ‒ Ein unehel. Mädchen.
4. August. Kath. Hubertine, T. v. Johann Anton Gronen, Barbier, Perlenpfuhl.
‒ Gerh., S. v. Dan. Klüster, Maurer, Entenpfuhl. ‒ Maxim., S. v. Joh.
Hömens, Schuhmacher, Weißbüttengasse. ‒ Anna Maria, T. v. Joh. Herwegen,
Tagl., alte Mauer am Laach. ‒ Heinr., S. v. Johann Adam Körfer, Taglöhner,
Löhrgasse. ‒ Bernh. Hub., T v. Franz Vallerien, Dampfschiffmaschinist, gr.
Witschgasse. ‒ Hub. Petronelle, T. v. Heinr. Domes, Gastwirth, Heumarkt. ‒
Ant., S. v. Joh. Andr. Sultan, Schuster, Schnurgasse ‒ Peter, S. v. Nik.
Döring, Fuhrmann, Löhrgasse. ‒ Franz Karl Hubert, S. v. Karl Lamb. Alois Le
Brün, Kaufmann, Weichserhof. ‒ Ein unehelicher Knabe.
Sterbefälle.
3. August. Isabelle Gottschalk, 32 J. alt, unverh., Bürgerstraße. ‒ Nikolas
Krakamp, Bierbrauer, 27 J. alt, unverh., Hochstraße. ‒ Heinrich Groß,
Gerichtsvollzieher, 77 J. alt, Wwr., Sternengasse. ‒ Helena Prützel, 1 M.
alt, Josepstraße. ‒ Kath. Elis. Wosche, 3 Wochen alt, Breitstraße. ‒ Petron.
Charlier, 2 J. alt, gr. Brinkgasse. ‒ Elis. Franken, 38 J. alt, unverh.,
Minoritenspital. ‒ Ein unehel. Knabe.
4. August. Pet. Eduard Keller, Advokat-Anwalt, 41 J. alt, verh., Ursulaplatz.
‒ Wolter Alex. Peil, Zollabrechner, 58 J. alt, verh., Mauthgasse. ‒ Wilh.
Jos. Pütz, Tabakarbeiter, 71 J. alt, Wwr., Spulmannsgasse. ‒ Kath.
Schloßhagen, 1 J. 4 M. alt, Mühlenbach. ‒ Andr. Schuch, 2 J. alt,
Pfeilstraße. ‒ Joh. Baptist Jouy, Maurer, 38 J. alt, verh., Altengraben.
Heirathen.
3. August. Pet. Korn. Hub. Michels, Rothgerber, Wwr., von Kaarst, und Maria
Kath. Rüphan, Wwe. Langenhoefel, v. Monheim ‒ Jos. Mies, Bandagist, von
Koblenz, mit Maria Friederika Gertrud Greven, von hier.
Heirathsankündigungen.
6. August. Georg Martion, Faßbinder, Maximinenstraße, und Maria Eva Fink,
früher zu Frankfurt, jetzt zu Hallgarten. ‒ Peter Henseler, Steinhauer,
Frankenthurn, und Gertrud Bilstein, Brand. ‒ Joh. Engelb. Simons, Schneider,
früher Perlenpfuhl, jetzt zu Friesheim, und Anna Maria Inden, Höhle. ‒ Paul
Sauer, Maurermeister, zu Oberzündorf, und Anna Kath. Heimer, Ulrichsgasse. ‒
Maxim. Steffens, Taglöhner, Rosengasse, und Sophia Müller, zu Niederbreisig.
‒ Johann Kaspar Jod. Braun, Wwr., Kurzwaarenhändler, Hochstraße mit Maria
Magdalena Melzer, zu Frankfurt. ‒ Jakob Hoefeler, Vergolder, Spulmannsgasse,
und Adelh. Kolping, Thieboldgasse. ‒ Johann Efferen, Schreinergeselle, und
Agnes Krug, beide Kalenhausen. ‒ Johann August Dorand, Schuster,
Apernstraße, und Anna Kath. Hubertina Adam, Casinostraße. ‒ Wilh. Brock,
Barbier, kl. Bringgasse, und Helena Buschmann, im Laach. ‒ Wilh. Jos.
Kirchner, Wwr., Schneider, mit Anna Marg. Susanna Hamm, beide Altengraben. ‒
Johann Michels, Wwr., Dampfschiffkapitain, zu Köln, und Gertrud Winter, zu
Homberg. ‒ Meyer Frownin, Metzger zu Bleibur, mit Sibilla Cain, zu
Friesheim. ‒ Wilh. Kayser, Wwr., Ackerer und Müller, zu Bachem, mit Anna
Kath. Hart, früher zu Bachem, jetzt Gereonstraße. ‒ Arnold Collect,
Zuckerarbeiter, Nüchelsgasse, und Maria Adelheid Thünessen, Mathiasstraße. ‒
Philipp Glöckner, Schuster, Hämmergasse, und Anna Maria Zerwas, auf der
Ruhr. ‒ Joh. Heinr. Samnen, Wwr., Hutmacher, und Anna Maria Bottem, Wwe.
Freidel, beide Kostgasse. ‒ Valentin Albrecht, Schuster, Krebsgasse, und
Anna Sibilla Graulich, Marienplatz. ‒ Pet. Wilh. Bachem, Wwr., Zuckersieder,
Kostgasse, und Gert. Matzfeld, Wwe. Munier, früher zu Lutzenkirchen, jetzt
Georgstraße.
Großer
Kriegs-Ballon.
Während der Festlichkeiten, die bei Gelegenheit des 600jährigen
Dombau-Jubiläums veranstaltet werden, gedenkt Herr A.
Coxwell aus London mit seinem großen Kriegsballon hier seine 104.
Luftfahrt zu machen, und wird derselbe in Begleitung mehrerer Herren ein Bombardement in der Luft ausführen.
Dieses zur einstweiligen Nachricht. Die Anschlagzettel werden später das
Nähere besagen.
Fensterglas
in allen Sorten
billig zu haben an St. Agatha Nro. 3 ‒ bei Joh. F. König.
Ein Hinterhaus oder Gartenwohnung zu vermiethen mit einem Extra-Eingange,
enthält 6 Zimmer, Küche, Keller und Mitgebrauch der Bleiche und Garten, an
St. Agatha Nro. 3‒.
Deutsche Anwaltversammlung in Dresden.
Eine große Anzahl von Kollegen aller deutschen Länder hat den Wunsch
ausgesprochen, im laufenden Jahre eine allgemeine deutsche Anwaltversammlung
in Dresden
zu halten.
Der hiesige Advokatenverein hat in Folge der an ihn ergangenen, ehrenvollen
Aufforderung zur Einleitung der Versammlung die Unterzeichneten mit
Ausführung des Nöthigen beauftragt.
Demnach ist der Anwaltstag für Deutschland auf
den 27., 28. und 29. August dieses Jahres
anberaumt worden, und
ergeht hierdurch an alle Anwälte Deutschlands die Einladung, auf diesem
Anwaltstage, am Vorabende eines für das gemeinsame Vaterland neu zu
schaffenden Rechtszustandes, recht zahlreich zu erscheinen.
Anmeldungen der Kommenden und vorzutragender Berathungsgegenstände erbitten
wir uns, wo möglich bis zum 19. August d. J., unter Adresse des
mitunterzeichneten Kollegen Schmalz (Klostergasse Nro. 7).
Dresden, am 30. Juli 1848.
Der provisorische Comite für die deutsche
Anwaltversammlung.
Zenker. Fleck. Heinz. Schmalz. Peschel.
In Nro. 217 der Kölnischen Zeitung fragt Jemand, wie es komme, daß das
katholische Volk eher geneigt ist, den Lehrern blindlings zu folgen, als den
Geistlichen, da doch diese 12 und jene nur 2 Jahre zu ihrer Ausbildung
bedürfen!
Es kommt daher, weil wir glauben, daß die Lehrer als Präparanten und während
zweijähriger Studien im Seminar sich hinlänglich zu ihrem Berufe ausbilden
können, weil diese meistentheils ein freiere politische Richtung sich
aneignen, und kein Interesse daran haben, das Volk dumm zu halten und
namentlich weil wir einsehen, daß die Herren Geistlichen überhaupt sich
manchmal in Sachen mischen, die sie gar nichts angehen.
Weshalb soll die Geistlichkeit noch länger die Nase in die Schule
stecken?
Einsender sind keine Schulmänner.
Gerichtlicher Verkauf.
Am Dienstag, den 8. August 1848, Vormittags 10 Uhr, sollen auf dem
Apostelnmarkte zu Köln, verschiedene Tapeten, so wie mehrere Hausmobilien
öffentlich gegen gleich baare Zahlung versteigert werden.
Wambach, Gerichtsvollzieher.
Ein Pumpenmacher-Gehülfe, der in allen in dieses Fach
einschlagenden Arbeiten gut erfahren ist, sucht eine Stelle.
Auskunft Waidmarkt Nro. 9.
Bestellungen auf die in Hannover erscheinenden Vaterlandsblätter des Dr. Schläger nehmen
alle Postämter des In- und Auslandes an. Abonnements-Preis 1/4 Jahr 3/4
Thlr. Inserat-Gebühr für die Zeile 8 Pf.
Ein Kapital von 3000 Thlr., welches 41/2 pCt. Zinsen einbringt und auf ein
Ackergut bei Elberfeld eingetragen ist, soll ohne Unterhändler cedirt
werden. Frankirte Briefe sub H B. besorgt die Expedition d. Bl.
Ein junger Mann sucht eine Komptoir- oder Reise-Stelle und kann gute
Zeugnisse aufweisen. Die Expedition sagt wer.
Gefrornes verschiedener Gattungen.
In dem Besitze einer neuen Maschine, welche durch mechanische Vorrichtung
jede Viertelstunde zwei verschiedene Sorten Eis liefert, was viel feiner und
geschmackvoller wie das auf der bisherigen Weise erzielte ist, bin ich in
den Stand gesetzt, allen Anforderungen sowohl in Qualität als Schnelligkeit
zu entsprechen und den Preis à Portion in und außer dem Hause von 4 auf 3 Sgr. herunter zu setzen.
Täglich wird Vanill-, Himbeeren-, Johannis- und Citron-Eis bei mir angefertigt.
Franz Stollwerck im Deutschen Kaffeehause.
Weberstraße Nro. 18 ‒ sind mehrere Zimmer zu
vermiethen.
Zu vermiethen
mehrere
freundliche Zimmer nebst Keller-Abschluß und Mitgebrauch des Speichers. Kl.
Telegraphenstr. N. 6 ‒
Wegen eingetretener Hindernisse findet die Verlosung von Tisch und
Kleiderschrank am Dienstag, den 8. August, bei Herrn Decker in der Salzgasse
Nro. 7 Statt.
M. Becker.
Theater.
Montag, den 7. August:
Der
Freischütz,
romantische Oper in 3 Akten von Weber.
Agatha, Frau Dressler-Pollert.
Annchen, Frln.
Jacques.
Kasgar, Herr Schott.