Uebersicht.
Deutschland.Köln. (Debatte über die bisherige Ablösungsgesetzgebung).
Frankfurt. (National-Versammlung: § 7 der Grundrechte). Berlin. (Neue Exzesse in
Charlottenburg. ‒ Bornemann gewählt. ‒ Demonstration bei Held und dem Kriegsminister. ‒ Rimpler
Bürgergeneral. ‒ Die Setzer. ‒ Die Hallischen Deputirten. ‒ Herr Held). Schweidnitz. (Die
Soldateska). Jena. (Demokratischer Kongreß Thüringens). Dresden. (Arbeitseinstellung
sämmtlicher Buchdruckergehülfen). Prag. (Leo Thun's Schreiben an den Minister des Innern und
dessen Antwort). Wien. (Der bevorstehende Bürgerkrieg. ‒ Ein Plakat. ‒ Konstituirende
Reichsversammlung vom 31. Juli. ‒ Nachricht aus Italien. Mainz. (Die angeklagten Demokraten
freigesprochen). Göttingen. (Exzesse). Hannover. (Stegen frei). Hamburg. (Ueber die
Waffenstillstandsunterhandlungen). Apenrade. (Alarm wegen angeblichen Vorrückens der
Dänen).
Italien.Mailand. (Karl Albert's Proklamation an die Soldaten. ‒
Garibaldi und Mazzini. ‒ Brescia soll kapitulirt haben und Karl Albert sich über den Po
zurückziehen). Verona. (Der Rückzug der Piemontesen. ‒ Karl Alberts Gesuch um Französische
Hülfe). Turin. (Kammerverhandlungen). Neapel. (Das Kriegsgericht im Fort St. Elmo. ‒ Aufstand
in der Provinz Lecce). Palermo. (Sardinische Dämpfer vor Messina. ‒ Gerücht einer
Tripel-Allianz).
Schweiz Lugano. (Auswanderung aus der Lombardei).
Französische Republik. Paris. (Journalschau. ‒ Huberts Brief. ‒ Ueber
den Tod der Generale Regrier und Brea. ‒ Vermischtes. ‒ Sitzung der National-Versammlung vom 3.
August).
Großbritannien. London. (Der Standard über Lord Hardinge). Dublin.
(Lord Hardinges. ‒ Arrestationen. ‒ Gerücht über O'Brien. ‒ Stimmung bei Limmerick. ‒
Rathkeale. ‒ Carrick-on-Suir. ‒ Tipperary. ‒ Cork).
Ungarn.Pesth. (Befehl zur Entwaffnung der raizischen
Ortschaften).
Türkei. Belgrad. (Ruhestörung durch einen türkischen Soldaten
veranlaßt).
Amerika. (Die Sklavenfrage. ‒ Organisirung der neuerworbenen Gebiete.
‒ Reciprocitätsbill in Betreff kanadischer Produkten. ‒ Die Präsidentschaftskandidaten. ‒ Der
Bürgerkrieg in Mexiko. ‒ Paredes plündert; sein Pronunciaraiento. ‒ Widerstand der Bürger in
Tampico. ‒ Die Weißen und die Indianer in Pucatan, Porto Rico und Martinique).
Französische Republik.
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@facs | 0337 |
[
17
] Paris, 2. Aug.
Die Wuth der Bourgeoisie über Proudhon's Rede ist namenlos. Der „ Commerce“ heult: „Woher
die entsetzliche moralische Geistes- und Herzensseuche, die man Socialismus nennt? Dieses
krebsartige Leiden, das lächerlich wäre, wenn es nicht eine sehr traurige Seite darböte! Das
kommt von dem Unterricht in den Schulen, wo die sogenannten klassischen Studien vorwiegen,
statt professionell und wissenschaftlich zu sein. Die ewigen Wahrheiten der Nationalökonomie
sollten den jungen Seelen dort eingeprägt werden. Die Professoren würden die gesunden Lehren
eines Adam Smith und Say verbreiten, und sich mit Ekel abwenden von denen eines St. Simon und
Fourier. Nur dann wird man dies Gift der Herren Barbès, Cabet und P. Leroux wirkungslos machen
können. “ Was besonders die Väter des Vaterlandes erschütterte, war Proudhon's Satz: der
Miethsmann und Pächter brauche eigentlich nicht mehr Miethe zu zahlen; hierüber gerieth der
Minister des Innern, Advokat Senard (der Kartätschenmann von Rouen) laut Augenzeugen in
krampfiges Zucken, und stolperte nach der Tribüne; nur mit Mühe hielten die um seine
Gesundheit besorgten Freunde ihn von einem Gegensermon ab. Daß Proudhon ihnen einen „ baldigen
Tod“ prophezeite und sagte: „ durch Ausstreichung des Arbeitsanrechts öffnet ihr ja Thor und
Thür dem Insurrektionsrecht“, erregte bei vielen Honorabeln ein nervöses Lachen. Der Corsaire
verlangt heute seine Arrestation, „auf daß er Gesellschaft leiste seinen Junijüngern, die
hinter den Barrikaden Eigenthum mit Diebstahl verwechselten“, und im lindesten Fall eine Zelle
im Irrenhause.
So viel ist klar, das honntteproprietärische Frankreich wird von der Montagssitzung noch
lange an bösen Träumen leiden. „Her mit den Handschellen und Knebeln, heult das Journal de
Rouen, her mit der fliegenden (Mobile) Gensdarmerie, dem neuen Hülfskorps des redlichen
Pflügers gegen die Diebstahls- und Prostitutionsprofessoren von Paris, unsere Kerkermauern
sind noch dick, und unsere Assisen sind noch zuverlässig; diese modernen Rothhäute, diese
Menschenfresser und Skalpirer werden von unsern Mobilschaaren gehetzt werden u. s. w. “ Der
„Commerce“ druckt einen Brief Louis Blanc's ab, worin es heißt: „Herr Redakteur, auf Ihren
Vorwurf, ich hätte die Arbeitsgarantie, das Arbeitsrecht aufgestellt, antworte ich: ich bin
stolz darauf. Sie klagen mich ferner an: Haß gegen das Kapital gepredigt zu haben: das ist
falsch und zudem mißverständlich. Sie schreiben die Nationalwerkstätten mir zu; ich habe schon
zweimal öffentlich diese Lüge widerlegt. Sie sagen: ich hätte Plünderung der reichen Leute
gelehrt; was Ihnen, mein Herr, wohl schwer zu beweisen fallen möchte; ich habe aber stets
gegen die Verletzung des Eigenthums der Armen, d. h. der Arbeit, geeifert, und werde es
stets.' Worauf das volksfeindliche Blatt erwidert: „Herr Louis Blatt hat in seiner Schrift
Organisation der Arbeit gegen die Tyrannei des Kapitals gepredigt. In wiefern er in die
Nationalateliers verwickelt war, wird die Geschichte (lies der Militärprozeß) aufhellen. Er
lehrte zwar nicht offene, brutale „Angriffe“ auf das sauer und wohl erworbene (!) Besitzthum
der Reichen; allein durch seine lieblichen Socialwerkstätten hätte er bald die
Privatindustriellen ruinirt, folglich indirekt Raub verübt. Seltsam genug hat Herr Louis Blanc
gestern gegen Proudhon gestimmt.“ Das Univers spöttelt über die schwächlichen Gegner
Proudhon's und L. Blanc's: der Voltärianismus sei freilich außer Stande, die Feinde Gottes zu
besiegen, zumal da diese Socialisten mehr Geist und Wissen besäßen als hundert
rationalistische Staatswesen und Universitätspedanten. ‒ Das Aufblühen des „vertraulichen
Verkehrs und Erwerbs“ zeigt sich unstreitig auch in den 8000 Suppenschüsseln, die die Garnison
als tägliches Almosen an Hungerleider austheilt; ein alter Kniff zugleich, den persönlichen
Volkshaß gegen das Militär zu besänftigen, schon unter Ludwig Philipp zuweilen gebräuchlich. ‒
Jetzt wimmelt es von impertinenten Bildern aller Art, worin die Insurgenten als Teufel
dargestellt werden, und die Ordnungsmänner als Götter; nur ein
Gegenbild erschien, und es ward sofort in drei Zeitungen dem
Polizeipräfekten denuncirt mit den Worten: „Man bittet Sie, den öffentlichen Weg von
diesem moralischen Unrath zu säubern.“ ‒ Die Kunde von Irlands Fehlschlägen entzückt das
Siècle und das fromm-katholische Univers; die Börse war indeß gestern sehr unruhig wegen
Italien, das man zum Teufel wünscht. Krieg sei ein großes Malheur, seufzt das Krämerblatt, und
„höchstens nur der Socialpartei angenehm.“ In den Provinzen wird durch Brandstiften der
antisociale Grimm der Bauern rege gehalten; aus Bordeaux schreibt man: „seht, die Räuber,
welche Gott aus dem Himmel stürzen und den redlichen Eigenthümer aus seinem Besitzthum treiben
möchten, die sogenannten Socialreformer rächen sich jetzt und zünden eure Saaten an, aber die
himmlischen Heerschaaren und die Gensdarmen werden euch schirmen.“ ‒ „Wenn jetzt neu gewählt
wird, sagt das „Journal“ des Monsieur Karr, dann laßt uns Acht haben auf die 77,000 Pariser
Wähler, die einen Proudhon in die Kammer schickten. Diese Verehrer des systematischen
Diebstahls werden wieder stimmen wie ein Mann, werden uns vielleicht
einen Cabet, einen Raspail obendrein schicken wollen. Da man sie nun noch
nicht (!) des Votirens verlustig machen kann, so bleibt den Ehrenmännern, den echten
Republikanern nur übrig, auf's strengste zusammen zu halten und jene Rotte durch Wahlkraft zu
besiegen. Es genügt, den Plan Raspail's zu kennen: durch Staatsankauf sämmtlicher Kleidungs-
Eßwaaren und Möbelmagazine vermöge Papiergeld, den niederen Klassen Abhülfe zu schaffen ‒ und
es wird wohl Niemand der höheren Klassen etwas gegen eine ewige
Gefangenhaltung des strafbaren Aufwieglers einzuwenden finden. Auch Proudhon dürfte einem
gleichen Ziele entgegen reisen. Der Gesellschaftsorganismus thut ganz gut, sich durch alle erdenklichen Heilmittel dieses so zudringlichen Ungeziefers (vermine
importune) zu entledigen“ u. s. w.
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@facs | 0337 |
Paris, 2. August.
Hubert, einer der Flüchtlinge und Angeklagten vom 15. Mai, gibt in
einem Briefe an die Reforme Aufschlüsse über diese Demonstration.
„Glücklicher als meine in den Kasematten schmachtenden Freunde, ist es mir gelungen, trotz
aller Nachsuchungen, in der schirmenden Wohnung eines Freundes Schutz zu finden gegen das
Proseriptionsurtheil, das auch mich treffen sollte. Ich höre, daß die Untersuchungskommission,
die mit dem Berichte über den Charak-
[Spaltenumbruch] ter und die Ursachen der Manifestation vom 15. Mai und der Juni-Insurrektion
beauftragt war, ihre Arbeit vollendet hat, und sie nächstens der Kammer vorlegen wird. Ich
will keineswegs den moralischen Werth der Kommission, noch ihre Unparteilichkeit in Abrede
stellen; aber wie auch immer dieser Bericht ausfallen mag, so würde er immer unvollständig
sein, und den Feinden und Verläumdern der alten Demokraten neuen Stoff geben, wenn ich es
unterließe, neue wesentliche Dètails hinzuzufügen, die ich allein nur geben kann.
Haupturheber der Manifestation vom 15. Mai, und ganz besonders mit den Männern bekannt, die
Antheil daran genommen haben, werde ich alle Auskunft darüber geben, die ich meiner Lage
schuldig zu sein glaube … Niemand kann die Wahrhaftigkeit meiner Worte in Zweifel ziehen. Zu
jeder Zeit, in den Kerkern des Exkönigs, wie sen dem 24. Februar, habe ich den Muth gehabt,
meine Meinung zu behaupten, und die Verantwortlichkeit meiner Akte zu übernehmen…. Soldat der
Republik seit 1830, dreizehn Jahre lang im Kerker und jetzt wiederum proscribirt, habe ich des
Leidens genug gekannt, um mich jetzt auch nur im Mindesten zu beklagen….Die Geschichte wird
später die Blutmänner namhaft machen, welche die Republik entehrt haben. Sie wird zeigen, wie
leicht es gewesen, dieses entsetzliche Blutbad zu vermeiden, und richten, ob man mit der
Schneide des Säbels und mit Proscriptionsdekreten zur Lösung der sozialen Fragen gelangt, die
jetzt alle Klassen der Gesellschaft bewegen…. Was die Reaktion nie dem Volke verzeihen wird,
ist nicht die Manifestation vom 15. Mai, sondern die Revolution vom 24. Februar. Was die
Reaktion uns nie verzeihen wird, ist, daß wir diese Revolution durch
ein 17jähriges Kämpfen vorbereitet haben…. Weil wir mit dem Volke sympathisiren, weil wir eine
Republik wollen, die dem Arbeiter für seine Arbeit etwas anders gibt, als Elend, klagte man
uns an, Raub und Mord organisiren zu wollen…. Wie sehr es nun auch in Euren Plan passen mag,
einen Zusammenhang zwischen den Mai-und Juni-Ereignissen herauszufinden, so wird es Euch nie
gelingen, und das Endresultat aller Eurer Nachforschungen wird immer mit der Erklärung endigen
müssen:
1) Es gab und konnte am 15. Mai kein Komplott existiren; denn ein einziger Mann war der
Urheber dieser Volksmanifestation.
2) Es konnte zwischen diesen beiden Ereignissen kein Zusammenhang Statt finden, weil dieser
Mann, obgleich damals frei, keinen direkten noch indirekten Antheil an der Insurrektion
genommen hat.
Die gerichtliche Instruktion vor dem 23. Juni und die nachfolgende Untersuchung werden
hinlänglich herausgestellt haben, daß ich dieser Mann war.
Ich habe auf den Wunsch einer großen Anzahl von Delegirten irländischer, polnischer und
italienischer Demokraten die Klubs und Korporationen zusammen berufen, um eine Manifestation
zu Gunsten Polens zu veranstalten.
Ich habe es gethan, mit der ausdrücklichen Bedingung, daß diese Manifestation einen
friedlichen Charakter haben sollte. Ich habe diese Manifestation zu wiederholten Malen
hinausgeschoben, auf den Wunsch meines Freundes Barbes, der zuerst die Meinung und den Willen
der Nationalversammlung kennen wollte. Ich setze noch hinzu, daß am 14. Mai, als ich für den
kommenden Tag die nöthigen Anstalten zu einer friedfertigen
Manifestation machte, mein Freund Barbes aus Gründen, die mir leider erst später bekannt
wurden, mich allenthalben aufsuchte, um mich zu einer neuen Vertagung zu bestimmen…
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@facs | 0337 |
Paris, 3. August.
Hr. Goudchaur ist noch Minister. Die Rue de Poitiers, die ihn mit ihren vierhundert
Gladiatoren niederrennen wollte, weil er gewagt hatte, eine Idee der provisorischen Regierung
zu der seinigen zu machen, vermochte nur 338 in's Feld zu stellen und so entschlüpfte der honnette Jude noch einmal ihren Schlägen. Doch wird der Waffenstillstand
nicht lange dauern. Das Journal Rothschilds sagt: „Die Berathung hatte
eine Wichtigkeit angenommen, auf welche man nicht gefaßt war; die finanzielle Frage war so zu
sagen vor der politischen gewichen. Hr. Goudchaur selbst war es, der sie zu unserem großen Erstaunen auf dieses Gebiet hinübergespielt. Wir haben dem ehrenvollen
Charakter, den guten Gesinnungen, dem versöhnlichen und gemäßigten Geiste des Hrn. Goudchaur
häufig Gerechtigkeit widerfahren lassen, heute können wir ihm dasselbe Lob nicht spenden. Mit
aller Unpartheilichkeit der Welt können wir nicht verschweigen, daß Hr. Goudchaur ganz und gar
aus seinem Charakter und parlamentarischen Gebräuchen heraustrat. Er war dießmal weder
versöhnlich noch mäßig. Er war vielmehr ganz das Gegentheil. Und das Erstaunenswertheste bei
der Debatte ist der Umstand, daß Hr. Goudchaur aus eigenem Antriebe, ohne alle
Herausforderung, ohne ernsten Beweggrund und ohne allen Pretext, könnte man sagen, so heftig
wurde. In einem Wort, seine Rede bleibt ein Räthsel für uns.“
‒ Nach Guerrieri, trafen Albert Ricci aus Turin und Amalfi aus Venedig bei Cavaignac ein, um
sich mit der Exekutionsgewalt über die Vertreibung der Oestreicher aus Italien zu
besprechen.
‒ Den Debats zu Folge dränge das Turiner Kabinet jetzt endlich selbst auf Intervention, die
es bisher abgewiesen hatte In Turin selbst seien Unruhen ausgebrochen.
‒ Amalfi aus Venedig hat dem General Cavaignac geradezu erklärt, daß Venedig unfehlbar
wieder in die Hände Oestreichs zurückfalle, wenn Frankreich sich nicht ins Mittel lege. Welche
Antwort das Kabinet ihm gegeben, ist natürlich noch Staatsgeheimniß.
‒ Der Moniteur bringt diesen Morgen ein Dekret Cavaignac's das eine Kommission ernennt,
welche der Exekutivgewalt vorzuschlagen: in welche Gegend des Weltmeeres und auf welche Weise
die Juni- und Mai-Verurtheilten überzuschiffen seien?
‒ Der Anfang der heutigen Sitzung der National-Versammlung verspricht Interesse. Bauchart
ein Advokat aus Bourg und Mitglied der National-Versammlung, den die Untersuchungskommission
für die Mai- und Juni-Ereignisse zum Berichterstatter wählte, wird heute seinen Generalbericht
vorlegen. Derselbe wird wohl sofort in die Druckerei wandern. Die gestrigen Gerüchte von
Verhaftung Ledrü Rollins, Caussidieres und Louis Blanc's scheinen sich nicht zu bestätigen.
Bauchart's ganze Einleitung mußte übrigens radikal umgeändert werden, da sie durch einen Brief
A. Huber's an die Untersuchungs-Kommission, worin sich derselbe als alleiniger Urheber des 15.
Mai auf unwidersprechliche Weise kundgibt, gleich einem Kartenhause vom Winde niedergerissen
wurde. Der Brief Huberts beweist klar, daß weder am 15. Mai, noch im Juni von einem Komplott
eine Rede war. Hubert bietet sich an, sich zu stellen, falls man die unschuldigen Opfer in
Vincennes frei lasse.
‒ Heute Abend große musikalische Soirée bei dem Präsidenten Armand Marrast.
‒ Die Instruktion schreitet voraus, und die den Insurgenten vorgeworfenen Gräuelthaten
stellen sich in einem andern Lichte heraus.
1) Die Kugel, welche den General Regrier getödtet, ist von einem Soldaten der Garnison
abgeschossen worden und zwar aus persönlicher Rache gegen den General.
2) Der Tod des Generals Brea war nur ein Vergeltungsakt: eine halbe Stunde vorher hatte der
General 4 Insurgenten niederschießen lassen, die in seine Hände gefallen.
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@facs | 0337 |
‒ Nationalversammlung. Sitzung vom 3. August. Das Gerücht, daß
Bauchart's Bericht über die Untersuchung der Mai-und Juni-Ereignisse, die Verhaftung
Caussidière's, Louis Blanc's u. A. nach sich ziehen könnte, hatte alle Plätze gefüllt, als
Marrast die Sitzung um 1 1/2 Uhr eröffnete.
Montalembert legt eine Bittschrift nieder, in welcher der Patriarch von Jerusalem um Schutz
des heil. Grabes bittet. Diese Bittschrift wurde dem Grafen vom Pabst Pius IX. zugestellt. Sie
wird an den Minister des Auswärtigen später wahrscheinlich überwiesen, um die geeigneten
Maßregeln zu treffen.
Bauchart besteigt die Bühne. Präsident Marrast fordert die
Versammlung auf, der Vorlesung des Berichts über die Mai-und Juni-Scenen, die größte
Aufmerksamkeit zu schenken, da dessen Anträge auf Ergreifung neuer gerichtlicher Maßregeln
lauten. (Aufsehen.) Bauchart beginnt demnächst die Vorlesung des voluminösen Aktenstücks nebst
seinen zahlreichen Beilagen. Den Anfang bilden die Dekrete, welche die Einleitung der
Untersuchung anordnen. Diese sei eine politische, keine gerichtliche. Ursprünglich nur durch
die Junirevolution hervorgerufen, sei sie auf die Maiereignisse ausgedehnt worden. Die Verhöre
seien leicht von statten gegangen, dennoch hätten viele Zeugen große Behutsamkeit an den Tag
gelegt, und viele hätten sich nur durch die Schrecken der Junirevolution zu Geständnissen
bewegen lassen. Der Bericht entwirft eine Schilderung des Charakters der Erstürmung der
Nationalversammlung am 15. Mai, beleuchtet den Einfluß der Luxemburg-Kommission und ihrer
beiden Vorsteher, Louis Blanc und Albert. Er nennt den Charakter jenes Sturms eher einen
politischen als sozialen. Die Junirevolution sei dagegen entschieden sozial; der Ausbruch der
im Luxemburg gepredigten Lehre. Die Kommission habe streng nachgeforscht, ob einzelne Glieder
der Februar-Regierung sich an den Ereignissen indirekt betheiligt oder ob Anhänger der
gestürzten Monarchie in dieselben verwickelt? Die Kommission habe keine direkten Verbindungen
gefunden; selbst nicht einmal sichere Spuren seien vorhanden. (La Commission n'y en a point vu
de traces.) Die sozialistischen Lehren im Luxemburg, die von der Provisorischen Regierung in
die Departements entsendeten Kommissarien, die Häupter der Klubs und vorzüglich die aus den
geheimen Geldern des Ministeriums des Innern besoldeten Agenten, sind die vorzüglichsten
Urheber jener Ereignisse. (Erstaunen, Ledrü-Rollin protestirt durch einige Zurufe.) Der
Minister des Innern. Herr Ledrü-Rollin, fährt Bauchart fort, hat gegen obige Angaben
protestirt; aber wir haben uns nur zur sehr von dem Einfluß der im Ministerio des Innern mit
George Sand's Hülfe redigirten Bülletins überzeugt. Die Bewaffnung der Fremdenlegionen gegen
Belgien etc. aus dem Arsenale der Republik beweise nicht minder die geheime Hand der
Provisorischen Regierung, in deren Schooße dieserhalb sogar heftige Mißhelligkeiten
ausgebrochen, woüber der Referent das Zeugniß Arago's vorliest. Prinzipiell schreibt die
Kommission abermals den im Luxemburg gepredigten Grundsätzen den verderblichsten Einfluß zu.
Die Berichte des „Moniteur“ hätten bei Weitem nicht Alles veröffentlicht was bei den dortigen
Verhandlungen gesprochen worden. (Louis Blanc: Ich verlange das Wort!‥) Viele Stellen seien
unterdrückt worden, und den Schnellschreibern, die wir
eidlich
verhörten, die Weisung gegeben worden, die heftigsten Sätze wegzulassen. Daß selbige einen
Klassenkampf hervorrufen mußten, hätten die Mai-Excesse deutlich bestätigt. Die Gründung eines
Ministeriums des Fortschritts oder der Arbeit, für Hrn. Louis Blanc wohlverstanden, habe den
Arbeitern den Kopf verdreht; die Privatindustrie zu tödten und den Staat an die Spitze der
Produktion zu stellen, sei ein Grundsatz, den die Nationalversammlung mit Recht bekämpft
[0338]
[Spaltenumbruch] habe. Referent gibt einige hierauf bezügliche stenographische Notizen zum Besten.
Die Nationalversammlung sei den Arbeitern als ein Körper dargestellt worden, von dem die
Arbeiter nichts zu hoffen hätten, daher der Eifer der Klubs gegen sie, daher die Erstürmung
des Saales am 15. Mai. Zwei Repräsentanten seien beweislich kompromittirt. Der Bericht enthält
die Handschriften Caussidières und Louis Blancs. (Lärm und Unterbrechung vom Berge.)
„Marschiren die Repräsentanten, heißt es in einem dieser Handbillets, nicht der Republik
gemäß, stellen sie sich auf Seite dieser verstockten Bourgeois, so haben wir doch die Arbeiter
für uns und es werden trotz aller Bürgerwehr einige Zündhölzchen genügen, um ein Auto da fé
für sie zu bereiten (il nous suffira d'allumettes chimiques pour en faire un autodafé).“
[Sensation.] Verabredungen fanden im Ministerium des Innern statt, an welchen Ledru Rollin,
Louis Blanc, Caussidière, Blanqui und Flotte Theil nahmen. Aus diesen Versammlungen gingen die
Nationalwerkstätten hervor. (Hier irrt der Bericht offenbar; Marie entwarf notorisch den Plan
zu diesen Werkstätten.) Die Demonstration des 15. April ward hierin ebenfalls besprochen. Dies
wird durch Lamartine's Aussage erhärtert. Derselbe habe diesen Tag als ersten Bruch der
Glieder der provisorischen Regierung bezeichnet und Louis Blanc und Ledru Rollin die
Verantwortung zugeschrieben. Unter dem Siegel des Ministeriums des Innern seien die
aufrührerischsten Schriften, Plakate und Journale haufenweise aus Paris in die Departements
versandt worden. (Lärm zur Linken.)
Der Redner scheint erschöpft. Die Sitzung wird für eine Viertelstunde suspendirt. Lebhafte
Gruppen bilden sich um Louis Blanc und Caussidiere auf dem Berg. Ledru-Rollin und Lamartine
sprechen ebenfalls miteinander.Bauchart nimmt seinen Vortrag wieder
auf beginnt eine Schilderung der Klubs, die übrigens wenig Neues bietet. Man kennt das Hotel
der ehemaligen Civilliste in der Rivolistraße, in welchem sich Sobrier installirt, man kennt
die Waffenlieferungsgeschichte, Ergreifung von Briefschaften u. s. w. Ihm schreibt der Bericht
die Urheberschaft des 15. Mai zu. Aus ihm vindizirt er die Schuld Louis Blanc's und
Caussidiere's am Schlagendsten. Auf diese Details stützt der Bericht seine Anklage gegen die
beiden Repräsentanten. Die Vorlesung des Berichts dauerte bis 5 1/2 Uhr. Er trägt auf
gerichtliche Verfolgung folgender Repräsentanten indirekt an: 1) Caussidiere, 2) L. Blanc, 3)
Ledru-Rollin und 4) Proudhon und schließt mit einer Emphase auf den Tod des Generals Brea und
mit der Versicherung, daß die Regierung das volle Vertrauen der Nationalversammlung
besitze.
Eine große Aufregung folgte der Vorlesung dieses Riesenberichts. Der Abdruck desselben nebst
allen Beilagen wurden verordnet.
Ledru-Rollin erhält das Wort. In fester Haltung beginnt er eine Kritik des Berichts und
fordert den Verfasser auf, ihm auch nur ein einziges Aktenstück zu zeigen, das verätherischer
Natur wäre und seinen Namen trüge. Er vergleicht diesen Bericht mit der berüchtigten
Anklage-Akte des Thermidor. Sonst sei er in der Geschichte ohne Gleichen. Die Versammlung
müsse konsternirt sein. Der Exminister geht darauf alle im Bericht
bezeichneten Epochen durch und weist speziell nach, daß er es gewesen, der in der
Maikatastrophe zuerst den Befehl zum Generalmarsch gegeben habe. Die Rede machte mächtigen
Eindruck.
Changarnier will das Faktum des Generalmarschschlagens berichtigen oder gar in Abrede
stellen.
Marrast erklärt, daß Ledru-Rollin zu ihm geeilt sei und in seiner
Gegenwart formellen Befehl zum Appell gegeben habe (Sensation). Derselbe sei aber beim
Generalstab auf Hindernisse gestoßen. (Bei Courtais?)
Louis Blanc versichert von Neuem, daß er die Mai-und Junibewegung
nicht für legitim gehalten und durchaus keinen Theil daran genommen.
Er sei unschuldig.
Proudhon sprach nicht. Statt seiner las Maurey eine Erklärung ab, daß Proudhon keinen materiellen Theil an den Mai-und Junistürmen genommen habe.
Die Versammlung ging um 6 1/4 Uhr in großer Gährung auseinander.
Amerika.
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@type | jArticle |
@facs | 0338 |
[
*
]
Die am 3. Aug. in Liverpool angelangte Caledonia bringt Nachrichten aus New-York vom 19.
Juli. Die Frage, ob in den neuerworbenen Landestheilen: Oregon, Californien und Neu-Mexiko,
die Sklaverei anzuerkennen sei oder nicht, ist gegenwärtig diejenige, welche am meisten und
heftigsten erörtert wird. Die Zwiespalt zwischen dem Norden und Süden, den diese Frage in sich
schließt, tritt mit jedem Tage offener hervor. Der Kongreß hatte ein Comité aus 4 Senatoren
des Nordens und eben so vielen des Südens ernannt, welches über den Gegrnstand, wie über alle
dazu gemachten Amendements zu berichten hatte. Wie vorauszusehen, war das Comité in zwei
gleiche Partheien getheilt und konnte sich nicht vereinigen. Die jetzt vorgeschlagene Bill
schweigt daher auch über die Sklavenfrage vollständig. Sie beschäftigt sich lediglich mit der
administrativen und richterlichen Organisation der gedachten Territorien. Die vom Präsidenten
und dem Senat zu ernennenden Gouverneure und Richter bilden einen gesetzgebenden Rath, dessen
Beschlüsse aber der Revision Seitens des Kongresses unterliegen. Nur darf sich dieser
legislative Rath mit keiner auf die Sklaverei bezüglichen Angelegenheit befassen, auch keine
Schulden machen und nicht über die Ländereien verfügen. Die Appellation von den Gerichtshöfen
in Neumepikapp geht an den obersten Gerichtshof der Union.
Die Reciprozitätsbill, wonach Canada gewisse Produkte zollfrei in die Union einführen kann,
vorausgesetzt, daß Canada das nämliche den nordamerikanischen Produkten zugestehe, ist vom
Kongreß angenommen. In Albany hat die dortige Canalbank Bankrutt gemacht. In ihren Kassen
fanden sich noch nicht 1000 Dollars, während ihre umlaufenden Noten 190,000 Dollars betragen;
dabei ist aber die Untersuchung noch nicht geschlossen. Die Summe wird sich wahrscheinlich am
Schluß viel bedeutender herausstellen. [Spaltenumbruch] Das Interessanteste sind die Mittheilungen
aus Mexiko, Vera Cruz vom 3. Juli und aus der Hauptstadt vom 27. Juni. Der Bürgerkrieg
entbrennt täglich mehr. Am ärgsten wird es werden, sobald erst die amerikanischen Truppen das
Land völlig verlassen haben. Ihre Einschiffung wird so rasch als möglich betrieben. Paredes
hatte mit 1500 Bewaffneten die Münze in Guanajuàto geplündert, und seine schwachgewordene
nervus rerum gekräftigt. Er zog von da gegen die Hauptstadt; er führt 19 Kanonen bei sich. Die
noch in Mexiko bestehende Regierung hatte dem unglück-Yucatan 300,000 Dollars zur Hilfe
überwiesen. Die Regierung hat entschiedenes Unglück, wenn das Gerücht sich bestätigt, daß die
Bürger von Tampico einer Anzahl Regierungstruppen den Eintritt geweigert und sich für
unabhängig erklärt haben. Paredes hat ein aus 6 Artikeln bestehendes „Pronunciamiento“
erlassen, worin er einen Nationalkonvent zusammenberuft, der in 5 Monaten zusammentreten und
den mit der Union geschlossenen Friedensvertrag untersuchen resp. die Unterzeichner und
Mitwirkenden von 3 oder 5 Personen, den eine aus Deputirten sämmtlicher Provinzen bestehende
Junta zu erwählen hat, die Regierungsgewalt ausüben. Diese exekutive Körperschaft soll
außerordentliche Vollmacht erhalten, um Soldaten auszuheben, Waffen anzuschaffen, kurz eine
Kriegsmacht zu organisiren, welche im Stande sei, die Beschlüsse der Nationalkonvention
auszuführen.
Ehe indeß jener Ausschuß in Wirksamkeit tritt, soll ein von der Mehrheit der Legislatur
ernannter Chef die oberste Gewalt ausüben (Paredes spekulirt auf die Dicktatorschaft. Endlich
garantirt der 6. Artikel der Geistlichkeit alle Rechte, Güter und Privilegien und macht den
Soldaten ebenfalls sehr anlockende Versprechungen. Dagegen hat der legitime Kriegsminister,
General Arisla, befohlen, daß jeder mit den Waffen in der Hand ergriffene Offizier sofort
erschossen werde. Paredes handelt als Echo des Klerus; er glaubt letztern zu benutzen, wird
von diesem aber lediglich als Werkzeug gebraucht. In Yucatan hatten sich 8000 Weiße vor den
Indianern nach Merida geflüchter. In der Nähe von Campeachy soll abermals ein harter Kampf
zwischen beiden Theilen stattgefunden haben, jadoch ohne entscheidendes Resultat. Nach einem
Bericht aus Havana soll in Porto Rico eine Revolution ausgebrochen und nach Havana wegen Hilfe
gesandt worden sein. In Martinique fahren die Neger fort, sich der Arbeit auf den Pflanzungen
zu enthalten. Die halbe Zuckerärnte ist jedenfalls verloren.
Der „Washington“ erreichte Southampton mit Nachrichten von New-York bis zum 20. Juli. Der
Markt hatte sich nach Abfahrt der Caledonia wenig geändert; der Kurs war etwas fester 109 1/2
bis 110. Die Zinsen der Staatsschuld von Pensylvanien, welche am 1. August fällig sind, sollen
richtig ausbezahlt werden, ohne daß man zu einer Anleihe seine Zuflucht nimmt. Die
Amerikanische Armee räumt in Folge des Friedens allmählig das mexikanische Gebiet. Die Truppen
werden abbezahlt und fast täglich treffen Divisionen und Regiementer ein. Da es nöthig ist,
daß man bei der neuen Lage der Dinge ein größeres stehendes Heer unterhält, so sucht man viele
heimkehrenden Soldaten auch ferner im Dienste zu halten. Die Kartoffelkrankheit hat sich
wieder in mehreren Distrikten gezeigt.
Was die Wahl des Präsidenten angeht, so sind die Aussichten General Taylor's bis jetzt die
besten. General Cass ist nach der Meinung seiner Gegner bereits ein geschlagener Mann. Van
Buren gewinnt indeß täglich Terrain; er wird von den Wilmot proviso-Leuten auf den Schild
gehoben, deren Interessen er zu vertheidigen gedenkt. Wenn er nicht der erste, so wird er
jedenfalls der zweite Kandidat sein. Clay zieht sich von der Wahl zurück.
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@facs | 0338 |
[
*
] Köln, 4. August.
Nach Beschluß des Demokratischen Congresses zu Frankfurt, welcher Köln zum Vorort für die
preußische Rheinprovinz bestimmt, und die dortigen Demokratischen Vereine beauftragt hat,
einen Kreiscongreß zur Organisation der demokratischen Partei in der Provinz zusammen zu
berufen, ladet der Centralausschuß der hiesigen Vereine alle in der Rheinprovinz bestehenden
Vereine mit demokratischer Tendenz ein, Abgeordnete zu diesem Congresse zu ernennen, welcher
Sonntag den 13. August hier stattfinden wird. Die Deputirten haben sich zu melden im obern
Saale des Stollwerk'schen Lokals.
Der Centralausschuß der 3 demokratischen Vereine in Köln. Schneider II.
Marr. (Für die demokratische Gesellschaft). Moll. Schapper. (Für
den Arbeiterverein). Becker. Schützendorf. (Für den Verein für
Arbeiter und Arbeitgeber).
In einem Augenblick, wo unter der Firma von wandelnden „konstitutionellen“ Congressen die
Reaktion ihre Kräfte im ganzen Staate mustert und zusammenzieht, braucht den Demokraten die
Nothwendigkeit eines energischen Entgegenwirkens nicht ausführlicher entwickelt zu werden. Sie
haben blos von denselben Freiheiten Gebrauch zu machen, deren sich der Verein „Mit Gott für
König und Vaterland“ und seine Zweigvereine erfreuen.
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@facs | 0338 |
Anfrage.
Kann die königl. Regierung es verantworten, einem armen Handwerker für ein Wanderbuch,
dessen reeller Werth nicht 2 Sgr. beträgt, incl. 6 Sgr. Stempel, 15 Sgr. abzunehmen? Und
scheint es nicht auf eine solche Ausbeutung abgesehen zu sein, wenn das frühere noch lange
nicht ausgefüllte Wanderbuch nicht mehr verlängert wird, nachdem sich dessen Besitzer wegen
allgemeinem Arbeits-Mangel sechs Wochen zu Hause aufgehalten? Ist man befugt, den durch
polizeiliche Plackereien ohnehin genug geplagten reisenden Gesellen, auch auf jene Weise noch
zu drücken?
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@facs | 0338 |
Banca-Zinn-Auktion.
Rotterdam, 4. Aug.
Am 29. Aug. 1848 wird die Niederl. Handels-Maatschappy in Rotterdam in Auktion ausbieten:
40,000 Blöcke Banca-Zinn, allda lagernd, 45,000 Blöcke Banca-Zinn in Amsterdam
lagernd. 85,000 Blöcke Banca-Zinn, |
in Loose von 1000 Blöcke.
Die Maatschappy giebt die Versicherung, daß sie bis Aug. 1849 kein anderes Zinn an Markt
bringen wird, weder hier noch in Ostindien.
Diese Annonce ist um so viel wichtiger für den Handel, als die Maatschappy dadurch das en
bloc-Verkaufen, und mithin das seither festgehaltene Monopolisations-System in Banca-Zinn
aufgiebt.
Es steht jetzt die Konkurrenz für einen Jeden offen, während seit drei Jahren nur ein
Einziger als Käufer des jedesmal zur Auktion gebrachten Quantums dastand, der seinerseits nur
bei Partien an drei holländer Häuser abgab, welche Letztere mit Ausschließung aller Andern
also Meister des Artikels blieben, und, da sie sich untereinander deshalb verständigten, den
Preis nach Belieben feststellen zu konnten. Dies alles war natürlich für den Verbraucher vom
größten Nachtheil, indem er gewiß billiger für seinen Bedarf zurecht gekommen wäre, wenn er
seine Ordres frei in Auktion hätte aufgeben können und nicht wie seither gezwungen war,
nothgedrungen einem Zwischenhaus einen bedeutenden Gewinn zu bezahlen.
In der letzten Zeit wurde von der Maatschappy bei 2000 Blöcken zugleich zu 745 1/2 verkauft
und ist dieser Preis der heutige Marktwerth. Wir machen die Verbraucher von hier auf obige,
eben angelangte Mittheilung besonders aufmerksam.
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@facs | 0338 |
Der Central-Ausschuß der Demokraten Deutschlands an das deutsche Volk.
(Schluß)
Es ist wahr, die Krisis der Gegenwart ist eine Weltkrisis und andere Völker haben andere
Schwierigkeiten zu überwinden. Kein Volk aber hat einen so großen Widerspruch zwischen seiner
theoretischen Bildung und seinen praktischen Fähigkeiten auszugleichen, wie das unsrige.
Entscheidet das Maß der ersten, so ist für uns und für Europa die große Bahn des
republikanischen Lebens ohne Hinderniß geöffnet, entscheidet das Maß der letzteren, so werden
rohere, aber frischere Kräfte aus Osten erst unsere Bildung aufsuchen und mit ihr sich
verbinden müssen, ehe für unseren Welttheil die Stunde der Freiheit schlagen. Die große
Alternative Napoleons, nach der die Welt in unsern Tagen entweder republikanisch oder
kosakisch werden muß, ‒ sie wird sich durch uns, sie wird sich in Deutschland entscheiden. Wir
müssen entweder groß werden, oder wir werden klein werden, sehr klein, noch kleiner, als wir
gewesen sind.
Welche sind aber für uns die Bedingungen der Größe und des Glücks? Sie liegen in der
Kühnheit, mit der wir uns den neuen Prinzipien der sittlichen Welt anvertrauen und uns dem
Strom einer gründlichen Umgestaltung überlassen. Denn nur das Volk ist einer großen
Entwicklung sicher, welches sich zum Ausdruck der die Periode beherrschenden Prinzipien zu
machen weiß. Die Prinzipien der beginnenden Periode sind aber die der Demokratie, und die Demokratie ist die Republik.
Mitbürger! werdet Euch darüber klar! ‒ Ihr wollt frei sein? ‒ Nun wohl, die Freiheit ist die
Demokratie! ‒ Ihr wollt also die Demokratie? ‒ Nun wohl ‒ die Demokratie ist die Republik.
Nicht jede Republik ist demokratisch, aber jede Demokratie ist republikanisch. Auch die
demokratische Monarchie, in welcher jetzt manche von Euch eine glückliche Vermittelung der
Gegensätze zu sehen glauben, ist nur dann keine Täuschung, wenn der Fürst seine
Unverantwortlichkeit aufgibt, und, als ein Bürger unter Bürgern, das Amt eines Präsidenten auf
unbestimmte Zeit verwaltet.
Es ist kein einseitiges Partei-Urtheil, welches wir aussprechen, wenn wir die Demokratie als
die allgemeine Staatsform der Zukunft betrachten, als die, in welcher ein Volk allein noch
groß und glücklich werden kann. Auch scharfsichtige Männer, welche im Uebrigen nichts weniger
als Freunde demokratischer Zustände sind, haben dasselbe geurtheilt, und haben in Amerika die
Anfänge des großen politisch-socialen Systems erkannt, nach welchem sich in Zukunft die ganze
Menschenwelt gestalten wird. Sorgen wir dafür, daß uns unser Antheil an der kommenden
Geschichte nicht entgeht! Die Perioden der Gewalt und der Autorität sind durchlaufen und alle
ihre möglichen Formen erschöpft. Ihre letzte, der Absolutismus des Czarenthums, scheint [Fortsetzung]
(Siehe den Verfolg in der 2. Beilage.)