Deutschland.
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Edition: [Friedrich Engels: Vereinbarungsdebatte über die Valdenairesche Angelegenheit. In: MEGA2 I/7. S. 458.]
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]
Köln, 1. August.
Wir haben wieder einige Vereinbarungssitzungen nachzuholen.
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15
] Berlin, 30. Juli.
Das spezifische Preußenthum und die Konstablerwirthschaft haben dem fast erstorbenen Berlin
wieder etwas neuen Lebenshauch zugeführt, und die Revolution fängt an, der Reaktion, die sich
jetzt so breit macht, von Neuem den Boden streitig zu machen. Es ist das Unglück der
Deutschen, daß man erst auf ihnen herumtrampeln muß, bevor sie aus ihrer Schläfrigkeit
aufwachen, und das Joch ihrer Quäler abzuschütteln suchen. Unser Preußenthum ist, nachdem es
sich mehre Monate in die deutschen Farben verpuppt hatte, mit dem Schmetterlingsstaub des
Märtyrerthums geziert, wieder aus seiner Larve hervorgekrochen. Die Posamentierer können nicht
genug preußische Kokarden anfertigen, die Kaufmannsläden können wieder ihr schwarz-weißfarbnes
Zeug los werden. Hr. D. A. Benda, stolz auf sein eisernes Kreuz von den „Freiheitskriegen“,
will sich wo möglich jetzt ein zweites erwerben, indem er für seine Farben streitet und
allerlei Kreuz- und Querzüge anstellt, um Unterschriften für's Preußenthum zu ersammeln. Einen
Hauptmann der Bürgerwehr, der sich weigerte, seiner Kompagnie ein in diesem Sinne abgefaßtes
Rundschreiben mitzutheilen, wäscht Hr. Benda öffentlich herunter, und will ihn durchaus dafür
absetzen lassen, weil er sich weigerte, seinem Begehr nachzukommen. Die Linden sind jetzt bis
spät nach Mitternacht wieder mit zahlreichen Gruppen besetzt. Gesprächsgegenstand: „Der 6.
August, das Aufgehen Preußens in Deutschland und die Konstabler.“ Gestern Abend zog ein großer
Haufen unter Anführung mehrerer Studenten vom Brandenburger Thor die Linden herunter zum
Pallast des Prinzen von Preußen. Hierselbst angekommen, brachten sie Deutschland ein
dreimaliges Lebehoch, und zogen sodann das Arndt'sche Lied: „Was ist des deutschen Vaterland?“
singend, denselben Weg zurück dem Brandenburger Thor zu. Noch vor demselben forderte ein
Redner die Versammlung auf, Deutschland nochmals ein Hoch zu bringen und dann nach Haus zu
gehen. In der That kam man dieser Aufforderung schon nach, als plötzlich die Bürgerwehr
erschien, nach einmaligem Blasen auf das bestürzte Volk mit Säbel und Bajonetten losstürzte,
mehrere Personen an der Hand und am Kopfe verwundete, und die Menge auseinanderjagte. Ein
Ritter vom Kuhfuß wollte einen Demokraten mit dem Bajonett durchrennen, unglücklicherweise
aber traf dieses in einen Baum und brach ab. Nun ertönte noch eine gute Stunde hindurch das
Allarmzeichen, mehrere Kompagnien Bürgerwehr stellten sich unter den Linden auf, allein nun
wurde Alles wieder ruhig. Das Militär wird fortwährend in dem deutschfeindlichsten Sinne
aufgeregt; um ihnen die vielbesprochene Huldigung zu verleiden, erzählt man den Soldaten, nun
müßten sie alle östreichisch-katholisch werden, und nach Italien ziehen, wo die Brunnen und
die Lebensmittel vergiftet wären!
Die Konstablerwirthschaft fängt an, im Volke immer böseres Blut zu machen. Kein Tag vergeht,
wo nicht Händel, und oft der ernste- [Fortsetzung]
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@facs | 0313 |
Aus dem Tagebuche eines Heulers. Kapitel III. Einflüsse der Revolution.
Seit einer Woche habe ich nichts für mein Tagebuch geschrieben ‒ es ist eine wahre Schande.
Aber die Unterbrechung war zu arg. So eine Revolution wie die französische bringt einen
ehrlichen Mann ganz außer Fassung. Wenn die Kronen von den Köpfen fliegen wie die Aepfel von
den Bäumen, da hört Alles auf. Man kommt ganz aus seinem alten Gleis; es ist, als ob Feuer in
der Stadt gewesen wäre, als ob man irgendwo eingebrochen und gestohlen hätte, und ehe man
schlafen geht, sieht man noch einmal unter die Bettstelle, und die ganze Nacht träumt man von
Mord und Todtschlag, von Bosco und Schinderhannes.
Ich bin keineswegs furchtsamer Natur; ich kann ein Gewehr losschießen ohne die Augen
zuzukneifen; ich kann dabei stehen wenn man einen Hahn schlachtet, und ich werde nicht unwohl
wenn ich sein Blut sehe. Auf der Spitze eines Kirchthurms werde ich nicht schwindlich, und
ohne Grausen ginge ich Nachts über einen Kirchhof; aber so eine Revolution ‒ es ist gar zu
unkomfortable, Gott verzeih' mir.
Wie schlimm ist die Geschichte doch dem armen Herrn von der Windmühle bekommen! Ich besuchte
ihn gestern; er sah so kümmerlich runzelich aus wie eine getrocknete Pflaume. Den ersten Tag
nach Ankunft der verhängnißvollen Nachricht soll sein Zustand wirklich bedauernswerth gewesen
sein. Die Köchin versicherte mir, er habe sich die Haare stückweise ausgerissen; es sei nicht
anders gewesen, als ob ihn vierzig Millionen Flöhe plagten. Mit dem Bauch habe er sich auf den
Boden gelegt und den Steiß mit Fäusten geschlagen. „O meine Fünfprozentigen! O meine
Bankantheile! O meine Nordbahnaktien!“ so schrie er, daß man es auf der Straße hören konnte.
Niemand ist doch mehr zu bedauern als ein reicher Mann.
Der Rentner Dürr wußte sich schon eher zu trösten. Dieser Bindfaden von einem Mann glaubt an
ein besseres Leben nach dem Tode, wenigstens an kein schlechteres. Er nahm einen
Schweinslederband und eine Portion Häringssalat und schloß sich damit ein: den Schmerz durch
aufmerksame Studien, durch Gebet und stille Betrachtungen zu überwinden.
Das Leben ist eine Dummheit, meint der Herr Dürr, eine Dummheit, die nur durch den Tod
wieder gut gemacht wird. Der Mensch ist krystallisirter Dreck, und erst in jener Welt, wo man
weder die Marseillaise singt noch den Kankan tanzt, da wird es uns gut geh'n ‒ frei von allem
Irdischen. Der Rentner Dürr ist ein frommer Rentner. Er liebt die Pastöre und das ewige Leben.
Wenn er einst am jüngsten Tage von den Todten aufersteht, da wird er aus seinem Grabe
emporschießen wie ein Spargel ans dem Gartenbeet.
Daß der Holzhändler Puff über die französische Revolution im höchsten Grade erboßt ist: das
versteht sich von selbst. Er hat in den letzten acht Tagen wenigstens vierzig neue Flüche
erfunden. Er trägt ein großes Baummesser in der Hosentasche und seine Stimme hat einen
brüllenden Ton angenommen.
„Wenn wir jetzt noch einmal an den Franzosen leiden sollen“, sagte er mir gestern, „so
können Sie sicher sein, daß wir sie nicht wieder los werden. Was hilft uns jetzt das
Becker'sche Rheinlied? ‒“ Der Herr Puff hat recht. Gegen die Weiber sind die Franzosen stets
galant. Aber wehe, wenn sie über die Männer kommen! ‒ Der Advokat Verdammlich gehört zu den
Leuten, die der Zukunft am ruhigsten entgegensehen. Unsereins begreift so etwas nicht; aber
bei einem Advokaten ist Alles möglich. In der Sünde auf- und großgezogen, ist ihm selbst das
Böse recht, wenn es nur mit dem Gesetz zu vereinbaren ist.
„Der Code ist meine Moral“, pflegt der Advokat Verdammlich zu sagen. „So lange der Code
besteht, wird die Welt trotz aller Revolutionen nicht untergeh'n. ‒“ Vielleicht hat er recht.
Jedenfalls heult er mit den Wölfen, und ich liebe ihn daher.
Der Professor Fuchs versichert mir, daß er seit den Februartagen auch nicht ein einziges
Gedicht mehr gemacht habe. Dies mag nun, im Grunde genommen, ein Glück für die Welt sein. Er
sagte mir, die Revolution habe ihn gelähmt; nichts sei unpoetischer, als dieser Wirrwarr; man
könne eher einen Pagoden besingen als ein provisorisches Gouvernement. Aller Firlefanz der
Poesie falle weg, wenn man nicht mehr an das Althergebrachte glaube. Wie kahl müssen sich alle
Gedichte in Zukunft ausnehmen, bemerkte er mir, wenn man nicht mehr von Kronen, von
Hermelinmänteln, von Sceptern, von Majestäten, von Kammerjägern und königlichen Zofen singen
darf! Es ist entsetzlich. Die beste Zuthat der Poesie geht uns durch diese Revolutionen
verloren. Wie nackt und nüchtern ist doch alles demokratische! Ein Republikaner ist ein ganz
unpoetischer Gegenstand. Man weiß bei einem solchen Kerl hintereinander was er will; er hat
nichts verschleiertes, nichts geheimnißvolles. Eine Welt ohne Könige ist ein Himmel ohne
Götter. Alles Brimborium der Poesie geht zum Teufel. Für einen demokratischen
Zeitungsschreiber, für einen republikanischen Advokaten werde ich mich wahrhaftig nie
begeistern, und stände er auch an der Spitze eines Reiches und geböte über Millionen.
Sie sollen 'mal sehen, für die nächste Zeit ist es mit der Poesie vorbei.
Vergebens werden sich die Besten anstrengen, aus Rosen und Lilien die schönsten Verse zu
flechten ‒ der demokratische Dunst unsres Jahrhunderts wird wie ein garstiger Höh'rauch
darüber herwehen und das Geschaffene auf eine unheimliche Weise verderben. Mit den Königen
sinken die Dichter.
Aber, lieber Herr Professor, versetzte ich meinem Freunde, Sie können auch nicht verlangen,
daß die ganze Welt nur für die Poesie in der alten Weise fortexistire. ‒ Allerdings! meinte
er, allerdings kann ich das verlangen. Die Poesie ist das einzige was Werth hat. Die ganze
Welt der Griechen existirte nur, damit wir einen Homer bekämen.
Der Gourmand, der Herr Kreuz ist nicht so geistig ausgebildet wie der Professor. Er
versicherte mir gestern, Alles wanke, nur
[0314]
nicht sein Appetit. Als ich ihn in
seinem Hötel nach dem Essen abholte. Da lagen auf seinem Teller sieben Häringsschwänze. Ich
esse nichts anderes mehr als Häringe, bemerkte er, von wegen meines Duftes nach Franzosenblut.
Ich empfehle dies allen Wohlgesinnten.
Hier trägt das Manuscript des ehrenwerthen Tagebuchschreibers einen großen Tintenklecks.
Gleich darunter sind nur noch die Worte gekitzelt: Literat Warze stürzt athemlos in's Zimmer
‒ es muß ein neues Malheur in der Welt los sein.‒‒
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@facs | 0314 |
Pinto gegen Pinto
Wir haben neulich auf die Geisterverwandtschaft zwischen dem ersten Börsenritter des 18.
Jahrhunderts, und dem letzten Zwangsanleiher des 19. Jahrhunderts, zwischen dem Juden Pinto
und dem Protestanten Hansemann hingewiesen. Die Familie Pinto scheint uber diese
Zusammenstellung entrüstet zu sein. Der Graf Pinto (on voit, les Pinto
font leur chemin) erklärt in der Vossischen Zeitung: „Ich behaupte den Grund der drohenden
Stellung der sozialen Frage, sowie ein gefahrloses Mittel entdeckt zu
haben, dieselben zu lösen. In meiner Broschüre: Schach dem Minister
Hansemann, habe ich mit wenigen Worten meine Ansicht entwickelt.“ Herr Pinto fordert nun
Hansemann-Pinto zu einer Debatte auf den 30. Juli, auf. Wir erwarten Großes von diesem rozeß:
„Pinto gegen Pinto“
[Deutschland]
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@facs | 0314 |
[Fortsetzung] sten Art vorkommen. Bekanntlich sind sie in vier,
an den Hüten mit A. B. C. D. bezeichneten Kompagnien, jede zu 500 Mann eingetheilt. Ein
hiesiges Witzblatt gibt nun die Ergänzungen zu jenen Buchstaben; A das seien die
Arbeitsscheuen, B die Bummler, C das seien eben Constabler und D. ‒ das hieße so viel, wie
dumme Jungens. Harmlose Spaziergänger werde als Herumtreibende, anständige Damen als
liederliche Dirnen arretirt. Erst gestern hat der Konstablermajor Kaiser einen neuen Beweis seiner kolossalen Unverschämtheit geliefert. Ein Mitglied des
bewaffneten Studentenkorps, von der Rotte Teufel, nach Andern der Rottenführer selbst, war von
diesen Schutzengeln, ohne die geringste Veranlassung, verhaftet worden. Vier andere Studenten,
die eben von der Wache zurückkehrten, hörten von diesem Vorfall, und da gerade ein
Konstablertrupp, den Hauptmann an der Spitze, ihnen begegnete, so fragten sie denselben, ob
das wahr wäre. Da man ihnen keine Antwort gab, so erklärten die Studenten, sie würden bis zur
nächsten Konstablerwache mitgehen, um sich dort von der Richtigkeit des Faktums zu überzeugen.
Kaum waren sie aber eine Strecke weit mitgegangen, als Hr. Kaiser
plötzlich ausrief: Verhaftet sie! Es sind Aufwiegler! Sogleich stürzte man auf die Studenten
los, beraubte sie ihrer Gewehre, riß ihnen die Hirschfänger von der Koppel und schleppte sie
nach der Wache. Erst dort wurden sie entlassen, aber die Waffen wollte man ihnen durchaus
nicht wieder zurückgeben.
Das bewaffnete Studentenkorps hat mit Rücksicht auf den allerhöchsten Ausdruck der
Unzufriedenheit, seinem hohen Posten entsagt, und wird in Zukunft die Schloßwache nicht mehr
beziehen.
Heute Vormittag fand in der Universität eine Studentenversammlung statt, in welcher ein im
Namen der Studentenschaft abgefaßtes Plakat an das Volk über die Unterordnung Preußens unter
Deutschland verlesen, und nach lebhafter Debatte angenommen wurde. Unter denen, welche am
lebhaftesten gegen das Plakat schrieen, befand sich auch ein Stud.Hr. v.
Arnim, der aber bei jedem Wort ausgelacht wurde. Morgen soll abermals eine
Studentenversammlung stattfinden, und eine Adresse an die Heidelberger Studenten berathen
werden.
Auf Befehl des Statthalters vom Königreich Polen, ist auf das sämmtliche Vermögen des Edmund
Bosnanski und des Joseph Grabowski, beide aus dem Gouvernement Lublin, Sequester gelegt
worden. Dieselben sind angeklagt des Besitzes und der Verbreitung aufrührerischer Schriften,
haben aber im Lauf der Untersuchung es vorgezogen, eine schleunige Reife(d. h. Flucht) nach
dem Auslande als nach Sibirien anzutreten. ‒ Der General-Lieutenant Freitag, General-Quartiermeister der russischen aktiven Armee, ist in Warschau aus
Petersburg angelangt.
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@facs | 0314 |
[
103
] Berlin, 30. Juli.
Unser Kriegsminister, der Hr. Schreckenstein, befindet sich in der größten Verlegenheit. Die
Frage, wessen Befehle er befolgen solle, wenn er verantwortlich sei, hätte ihn bald veranlaßt,
seine Stelle niederzulegen; er erschien nicht mehr in der Vereinbarerversammlung und wohnte
keiner Ministerberathung mehr bei.
Aus dieser eigenthümlichen Stellung zwischen seinem Könige und Herrn, seinem vorgesetzten Kollegen, dem Reichskriegsminister in Frankfurt und der
hohen Vereinbarerversammlung, rettete ihn endlich der Oberstlieutenant v.Griesheim, der ihn bewogen haben soll, sich lediglich für einen „treuen Diener seines
Herrn“ zu halten, dessen Ordres er parire und dem das Heer gehöre. Da nach den Dedukrionen des
Hrn. Griesheim Niemand zweien Herren dienen kann, so läßt sich Hr.
Schreckenstein auf keine Interpellationen mehr ein, und die interessanten Vereinbarer
beruhigen sich im Bewußtsein ihrer moralischen Größe mit den abweichenden Antworten des
Ministers, der hinsichtlich der polnischen Gräuelscenen erklärte, für seine Untergebenen nicht
verantwortlich zu sein.
Gestern machten die Hausbeamten mehrerer königl. Gebäude und andere Preußenthümliche eine
Demonstration, indem sie schwarz-weiße Fahnen ausstreckten. Das Volk entrüstete sich darüber,
um so mehr, als eben diese Leute die waren, welche nach der Revolution die
schwarz-roth-goldenen Farben überall aufsteckten. Die versammelten Haufen zogen nach allen
Punkten und erzwangen die Zurückziehung der schwarz-weißen Fahnen. Vor mehreren Häusern
entstand bei dieser Gelegenheit Tumult, welcher den höchsten Grad vor der Artillerieschule
unter den Linden erreichte, wo sich die Hausbeamten lange weigerten, die Fahne einzuziehen.
Hier wurden Fenster eingeworfen und der Skandal so lange fortgesetzt, bis die Fahne endlich
eingezogen wurde. Obgleich das Volk nun seinen Zweck erreicht hatte, so blieben die Haufen
dennoch zusammen und Niemand dachte daran, sich zu entfernen. Viele Hundert Neugieriger hatten
sich ebenfalls eingefunden und vergrößerten die Menge. Zuletzt erschien die Bürgerwehr,
zersprengte sie und nahm wie gewöhnlich mehrfache Verhaftungen vor. Ein bewaffneter Student,
der der Bürgerwehr über ihr willkürliches Benehmen Vorwürfe machte, wurde entwaffnet und
mißhandelt. Auch die Constabler fanden sich später noch veranlaßt, Jeden, den sie unter den
Linden trafen und der seinen Weg nicht unverzüglich fortsetzen wollte, zu verhaften und nach
ihrem Wachlokal zu transportiren.
Der größte Theil der hier stehenden Truppen hat die deutsche Kokarde abgelegt. Wie kömmt es,
daß man in der Weigerung Ratzmers, auf das Volk zu schießen, Insubordination und
Pflichtvergessenheit sah, und diesen Truppen die Auflehnung gegen die Vorschrift des
Reichskriegsministers und des Königs hingehen läßt?
Zum 3. Aug. befürchtet man neue Unruhen, indem der „Preußenverein
für konstitutionelles Königthum“ und andere gleichgesinnte Vereine beschlossen haben, „den
bevorstehenden Geburtstag des hochseligen Königs durch Ausschmückung der Häuser mittelst
Fahnen in preußischen Nationalfarben äußerlich zu feiern.“
Wegen der Vorfälle am 14. Juni laufen beim Staatsanwalt immer mehr Denunziationen ein, die
auch natürlich zu neuen Untersuchungen Anlaß geben. Eine solche wurde vor einigen Tagen gegen
den Studenten Friedrich eröffnet, der am Abend des 14. Juni mit der
Fahne des demokratischen Klubs nach einer am Ende der Stadt belegenen Straße ging, wo die
Bürgerwehr versuchte, ihm die Fahne zu entreißen. Einige junge Leute ließen bei dieser
Gelegenheit die Republik leben und deshalb ist gegen den Friedrich eine Anklage wegen
Verdachts des Hochverraths erhoben worden. Friedrich hat sich derselben durch die Flucht
entzogen und wird heute steckbrieflich verfolgt.
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@facs | 0314 |
[
*
] Berlin, 27. Juli.
Man bewundere die Sanftmuth des Prinzen von Preußen! Die Allg. Oder-Ztg berichtet: Gestern
war die Deputation unseres Magistrats und unserer Stadtverordneten in Potsdam. Der Prinz von
Preußen empfing dieselben zuerst, vernahm ihren Bericht und äußerte: daß er die Berliner
Vorfälle, so weit sie ihn beträfen, vergeben wolle. Eine weitere Aussprache litt die Kürze der
Audienz nicht. Wer hat hier zu vergessen und zu vergeben?
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@facs | 0314 |
Stettin, 28. Juli.
Aus dem mittleren Schweden geht uns die Nachricht zu, daß trotz der Quarantaine die Cholera
eingedrungen ist, und daß sie nicht nur in Stockholm wüthet, sondern auch bereits in das
Innere gezogen ist, und in Finnland und Aaland sich mit einem äußerst bösartigen Charakter
verbreitet. Der schon an und für sich ganz darniederliegende Handel und Verkehr wird durch die
überflüssigen Quarantaine-Maßregeln noch mehr gedrückt, das Geld ist theuer und alle Kurse
schlecht. Dagegen hofft man auf eine glänzende Ernte.
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@type | jArticle |
@facs | 0314 |
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*
] Mainz, 24. Juli.
Gestern und heute wurde die Anklage wegen Zerstörung der Taunuseisenbahn im April d. J. vor
dem Kreisgericht verhandelt. Es standen 33 Personen vor den Schranken. Der Anklageakt
verbreitete sich darüber, daß in der „aufgeregten Zeit des April“ eine Reihe von Excessen
gegen gemeinnützige Unternehmungen, wie Schleppdampfschiffe, Dampfschiffe u. s. w.
vorgekommen, und auch die Taunus-Eisenbahn offen mit Zerstörung bedroht worden sei. Diese
vorbereitete Zerstörung habe am 5. und 6. April in „aller Ruhe“, unter Mitwirkung einer großen
Menschenmenge, worunter auch „Fremde“, wirklich stattgefunden. Gegen 71 angeblich dabei
betheiligte Personen wurde die Untersuchung eingeleitet; etwa dreißig von ihnen setzte die
Rathkammer außer Anklage, die übrigen wurden an das Kreisgericht verwiesen. Die Angeklagten
sind meist Fuhrleute und Tagelöhner; ein hiesiger Kaufmann befindet sich darunter, beschuldigt
der „Begünstigung des Verbrechens“. Nach Abhörung zahlloser Zeugen, wobei sich herausstellte,
daß die Angeklagten im Augenblick der Zerstörung „bis zur Bewußtlosigkeit betrunken“ gewesen,
wurde die Verkündung des Urtheils auf den nächsten Freitag vertagt.
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@facs | 0314 |
[
17
] Prag, 28. Juli.
Gestern Vormittag fand wieder die erste Studentenversammlung seit dem Bombardement im
Clementinum statt. Das erste Mal, daß jene tapfern jungen Leute es wieder wagten, in ihren
Mützen zu erscheinen, das erste Mal, daß sie wieder von dem uns so lange und so schmachvoll
entrissenen Associationsrechte Gebrauch machen konnten. Der Jurist Zeidler, erklärte den
Anwesenden den Zweck der Versammlung, daß sie sich nämlich zu einem Proteste gegen die
Abführung der Studenten zum Militär vereinigen wollten, da aber dieses nun durch das gestrige
Ministerialdekret, welches einschärft, die Frequentationszeugnisse, als vom Militärdienste
exemptirend anzusehen, unnöthig wird, so möge man doch wenigstens die schon abgeführten
Studenten als ungesetzlich gezwungen, wieder reklamiren. Es wurden hierauf die drei Herren,
welche die Versammlung berufen, beauftragt zu diesem Zwecke sich zum juridischen
Studiendirektorate und zum Präsidium zu begeben und das Resultat in der auf Samstag wieder
anberaumten Versammlung kund zu machen. Hierauf wurde noch beschlossen, die Studentenmützen
mit ihren Abzeichen wieder zu tragen und ein feierliches Requiem für die[Spaltenumbruch] gefallenen
Studenten zu begehen. ‒ Die den Bürgern eigenthümlich gehörenden Waffen werden denselben
wieder zugestellt, allein an die Reorganisation der Nationalgarde scheint man noch immer nicht
denken zu wollen. Die Truppen in den Straßen der Kleinseite werden allmählich entfernt und
gestern gingen außer mehren Detachements Artillerie und Train nach Wien, auch ein Bataillon
Latour wieder in seine Garnison nach Theresienstadt.
Daß der Graf Thun abberufen und der ehemalige Pilsner Kreishauptmann Graf Rothkirch-Panthen
an seine Stelle beordert worden ist, werden Sie bereits durch die Zeitungen erfahren haben.
Thun fiel durch die Zwitterhaftigkeit seines Charakters, mit dem er sich jeder Partei und der,
die anfing, die stärkere zu werden, am meisten zuwandte. Er spielte dieselbe Rolle, die mit
noch einigen Umständen verbunden, das Ministerium Pillersdorf gestürzt hat. Möge er sich in
Wien über seine zweideutige Handlungsweise vertheidigen und die kurze, aber inhaltsschwere
Laufbahn dieses Mannes der letzte Schatten des gestürzten Prinzips, aber auch zugleich eine
Lehre für seinen Nachfolger sein.
Man spricht hier stark davon, daß so wie in Wien auch hier die Polizeidirektion der
Stadtgemeinde untergeordnet werden sollte und will sogar behaupten, daß schon ein Erlaß an die
Landesstelle gegangen sei. Zugleich muß ich Ihnen noch einen Zug über die so gerühmte
Aufführung der k. k. Truppen mittheilen. Der Rector magnificus sah sich während der
Pfingstwoche wahrscheinlich auf höhern Befehl genöthigt, zu erklären, daß im Carolinum nichts
entwendet worden sei, heute aber erscheint von ihm eine Bekanntmachung, nach welcher ein
Archivkasten erbrochen und außer andern Sachen ein höchst werthvoller Gegenstand entwendet
worden ist, nämlich das goldene Originalsiegel des Kaiser Karl IV., mit welchem er die aurea
bulla am 7. April 1348, die Stiftungsakte der Prager Universität, besiegelt hat.
Obgleich in der Reichstagssitzung vom 25. der Justizminister Bach versichert hat, daß der
Prager Prozeß öffentlich und mit Geschworenen geführt werden solle, so haben wir jetzt doch
noch nichts Genaueres erfahren und sind nun wirklich begierig, diese so lang verarbeitete
Verschwörung endlich einmal am Tageslichte besehen zu können.
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@type | jArticle |
@facs | 0314 |
[
*
] Wien, 26. Juli.
Der Wiener Sicherheitsausschuß der Bürger, Nationalgarden und akademischen Legion hat
gestern einstimmig eine Adresse an den konstituirenden Reichstag angenommen, worin er es als
seine Pflicht erklärt, noch ferner „mit erhöhter Kraft“ sein bisheriges Wirken fortzusetzen.
Ueber den Charakter des Ausschusses heißt es in der Adresse: „Die Geschichte bezeichnet ihn
als ein Kind der Revolution des ewig denkwürdigen 26. Mai,
hervorgegangen aus einer Uebereinkunft zwischen Volk und Ministerium. Damals wurde ihm, wie
der Ministerial-Erlaß vom 27. ausdrücklich erklärte, die volle Verantwortung für öffentliche
Ordnung und Ruhe, sowie für die Sicherheit der Person und des Eigenthums übertragen und das
gesammte Staatseigenthum, so wie jenes des Hòfes, alle öffentlichen Anstalten, Sammlungen und
Körperschaften in der Residenz unter seinen Schutz gestellt, ‒ er selbst aber als unabhängige Behörde berufen zur Aufrechthaltung der Ordnung und
Sicherheit der Stadt, und zur Wahrung der Rechte des Volks anerkannt.“ Die bisherigen Erfolge
beweisen, daß er das vom Volk ihm geschenkte Vertrauen gerechtfertigt hat; „die Last seiner
großen Verantwortlichkeit wurde ihm noch von keiner Seite abgenommen, und er ist bis zur
Stunde die einzige wahrhaft volksthümliche Behörde.“ Der Ausschuß hält
sich in dieser Stellung verpflichtet, dem Reichstage seine letzten Beschlüsse, in denen er den
Kreis seiner Verpflichtungen bezeichnet, mitzutheilen und um dessen Sanktion zu bitten.
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@facs | 0314 |
Wien, 27. Juli.
Der Kourier, der vom Ministerium nach Innsbruck gesandt wurde, ist bereits hier angelangt.
Der Kaiser kömmt nicht zurück! Man sieht daher der Zukunft mit banger Erwartung und Besorgniß
entgegen. Das Ministerium, das bereits voraus seine Abdikation angekündigt, für den Fall, daß
der Kaiser nicht wiederkehren sollte, wird wahrscheinlich sein Wort auch halten, was die
Verlegenheit der Residenz noch mehr vermehren würde.
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@facs | 0314 |
[
7
] Wien, 27. Juli, 12 3/4 Uhr.
Telegraphische Depesche. Padua, am 25. vom General Susan: Unsere Armee erfocht einen
glänzenden Sieg und warf den Feind aus den Verschanzungen. Rivoli, Castel Nuovo, Sommacampagna
sind genommen. General Monton, Karl Albert's Adjutant und mehrere Offiziere sind gefangen. 6
Kanonen, eine Fahne und viele Munitionswagen erbeutet. Hauptmann Latour kommt als Kourier.
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@facs | 0314 |
[
**
] Wien, 27. Juli.
Ungeachtet der Ministerpräsident Doblhoff versprach im Laufe dieser Tage darüber Auskunft zu
geben, ob und wann der Kaiser nach Wien zurückkehren werde, so ist in dieser Hinsicht doch
nichts von ihm bekannt gemacht worden. Vielmehr erheben sich neue Zweifel und selbst hier
befindliche Hofbeamte halten die Rückkehr Sr. Majestät für problematisch. ‒ Dagegen wird aus
vollkommen glaubwürdiger Quelle versichert, daß der Erzherzog-Reichsverweser bereits im Laufe
der nächsten Woche, wahrscheinlich am Montage mit Familie nach Frankfurt abreisen werde. ‒ Der
Reichstag befaßt sich noch immer mit der Geschäftsordnung und ist bei jenem Abschnitte
angelangt, welcher von der Bildung der Abtheilungen handelt. Die Abgeordneten der
verschiedenen Gouvernements sollen sich mittelst Verloosung in 9 Abtheilungen gleichmäßig
vertheilen. Ein Amendement des Hrn. Smolka aus Galizien wollte dem
Loose die freie Wahl substituirt wissen; damit die Capacitäten sich gleichförmiger vertheilen
können. Das Amendement fiel. ‒ Auf eine bereits gestern gestellte Interpellation antwortete
der Ministerpräsident dahin daß GrafStadion schon am 26. Mai seine
Entlassung als Gouverneur von Galizien eingereicht habe, daß er von Sr. Majestät mit dem
Auftrage ein Ministerium zu bilden beehrt gewesen sei; aber diesen Auftrag am 6. Juni
abgelehnt habe. Ungeachtet der emsigsten Nachforschung habe sich in den Akten nichts
vorgefunden, was derauf hindeute, daß des Grafen Entlassungsgesuch vom Ministerium Pillersdorf erledigt worden sei. Einstweilen habe der kommandirende
General v. Hammerstein auch das Civil Guberium in Lemberg übernommen, jedoch seien nur
sparsame Berichte von ihm ein gelaufen. ‒ Heute verlas der Kriegsminister eine telegraphische Depesche mit einer Siegesnachricht aus Italien. General
Suzan habe das Treffen gewonnen. Rivoli und Eastelnouva seien wieder
erobert, 6 Kanonen, 1 Fahne und viel Munition erbeutet.
‒ Das Großhandlungshaus Arnstein und Eskeles
hat einen Bericht aus Verona erhalten wonach Feldm. Radezki am 3. die Stadt verließ; von dem
Fort Santo Felice waren die Bewegungen unserer Truppen wahrzunehmen; nach 1 Uhr kam die
Botschaft des Sieges. Viele Offiziere in den vordersten Reihen kämpfend, blieben auf dem
Platze. Ein zweiter Brief, der diese Angaben bestätigt, meldet daß der Marschall später
ausrückte um Somma Campagna anzugreifen, ermuntert durch günstige Ereignisse die bei Rivoli
und Mantua Statt gefunden. ‒ Der Abgeordnete Mayer aus Brùnn ist zum Staatssekretär im Minist.
des Innern ernannt worden. Gegen den Minister der Arbeiten Hrn. Schwarzer ist ein Protest von
der Bewohnerschaft von Triest eingelaufen; und man spricht von dessen Abdankung. ‒ Der
Oberkommandant der Nationalgarde Pannasch hat seine Stelle
niedergelegt. Eine Reibung zwischen dem Sicherheitsausschusse und dem Verwaltungsrathe der
Nationalgarde bot dazu die Veranlassung. Pannasch ließ einen Tagesbefehl, betreffend eine
morgen abzuhaltende Todtenfeier für die im März Gefallenen, auf[Spaltenumbruch] das Begehren von 50
Kompagnien widerrufen. Der Ausschuß bestand auf einem Widerrufe dieses Widerrufes und der
Oberkommandant mußte abdanken.
‒ Neuestes. Sowohl der ung. Premier Ges. Batthyany, als Jellachich befinden sich hier. Unser
Minist. versichert, daß es die Beilegung der kroatisch-ungar. Wirren mit Zuversicht erwarte.
Französische Republik.
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@type | jArticle |
@facs | 0315 |
[
17
] Paris, 30.Juli.
Es ist artig zu sehen wie die Bourgeoisbrutusse der Juliepoche jetzt von Tag zu Tag mehr
sich in Denunzianten verwandeln; z. B der „Charivari,“ dieser sonst so „wackere
Freiheitskämpfer und Nachfolger Paul Courier's “ macht sich sogar an seinen einst
hochverehrten „Freiheitspriester“ Lamennais, den er jetzt einen „Druiden und
Menschenopferpriester“ titulirt. Und der Trompetenhanswurst Alexander Dumas! er trompetet daß
ein Duchatel ein Plaisir dabei haben muß. Eugenius Sue, der tapfere Ritter, ist noch stumm,
man dräut aber schon mit einem ellenlangen Donnerkeil, den er für die Häupter der Verruchten
schmiedet. Unendlich komisch ist daß diese Schriftsteller Zeter schreien ob des Prinzips des
gleichen Salairs; wenn sie noch zitterten daß jeder nach Leistung und Tüchtigkeit besoldet
werden sollte, nun dann wären sie noch zu entschuldigen, denn jedem ist seine Haut die nächste
und liebste. ‒ Auffallend ist der Mangel an Gesängen auf Straßen und in Schenkstuben; weder
Marsaillaise, noch Mourir pour la patrie, noch das herrliche Entendez vous le canon d'alarme
(mit diesem jubelnden Todesliede rückten die Blousenmontagnards am 15. Mai in die
Repräsentantenkammer) hört man mehr. Die Carmagnole auch ist seit den Junitagen verschollen.
Die Liniensoldaten in den Standlagern bei Paris dürfen keine Zeitungen studiren als den
Constitutionnel und Siecle; die Ausrufer der übrigen werden ohnehin oft arretirt und alle
Augenblicke sieht man einen der Wächter von Paris (Polizei in Uniform) ihnen ein Blatt
wegziehen und durchlesen. Die fünfzehnhundert Ausrufer der konfiszirten Journale sind brodlos,
und die Sieger sagen großmüthig: „mögen sie sich anderweitig beschäftigen.“
Hie und da verkauft man die Biographicen und Konterfeys der dekorirten Mobilgardisten und
zweier dekorirten „Demoisellen“, die als Amazonen gegen die Barrikaden mitmarschirten. Dies
ist gewiß sehr heiter, zumal wenn man damit die unabsehbaren düstern Gruppen der zerlumpten,
abgehärmten aber stilltrotzigen Proletarierinnen vergleicht, die an bestimmten Wochentagen vor
dem Thor der Insurgentenkerker harren, und Brod und Briefe und Blumensträuße abliefern, die
Kinder an der Hand. Abends singt das Bühnenpersonal im Theater Gelegenheitsstrophen auf die
Helden: vive la mobile, flanquez une pile u. s. w. und das Parterre brüllt: Bis. Die Banlieue
singt: marchons toujours les premiers contre tous ces insurgés, ein bekanntes Reaktionslied
aus dem vorigen Jahrhundert. Von der Mauer der Tuilerien ist nun auch die Inschrift: „Hospital
der Civilinvaliden“ sorgfältiglich ausgelöscht worden, und inwendig bereitet man alles für die
Wohnung des Präsidenten der Republik in spe vor; für die bewaffnete Macht wird ein aparter
Eingang vom Garten her durchgebrochen. Dies ist alles sehr ordnungsmäßig; ebenso auch daß die
Näherin eines Militärhemdes, woran sie einen vollen Tag Arbeit hat, mit zehn bis zwölf Sous
bezahlt wird, wovon vier Sous für Zwirn abgehen; dahin hätte es denn also die Siegerpartei
wieder glücklich gebracht, nachdem die weiblichen Nationalwerkstätten, wo die Arbeiterin fast
zwanzig Sous bekam, als ordnungswidrig gesprengt wurden. „ Die Prostitution reißt um sich wie
die Pest, und alle Predigten der moralischen Millionäre wollen nicht dagegen helfen, deren
Paris in und außer der Kammer einige ganze Wagenfuhren zählt, aber was stört das diese Kammer?
Ist sie nicht in Blut berauscht? In Blut gebadet vom Scheitel bis zur Zehe? Und obendrein, die
Damen und Demoisellen der ehrenwerthen Herren Volksrepräsentanten à 25 Franken Tagelohn haben
nicht nöthig zu wählen zwischen 8 Sous Salair und Prostitution,“ schrieb „ Le Montagnard “ in
Montpellier und ward konfiszirt. Das Pariser Blatt: L'Association Fraternelle “ verschied mit
der ersten Nummer unter den zarten Fingern der Polizei. Letztere amüsirt sich nun, in ihren
eignen Reihen zu arretiren, was hier mit dem Kunstausdruck: „ reinigen “ heißt; drei Gardiens
de Paris sind als des „ Barrikadismus “ verdächtig gestern Morgen verhaftet worden. Der „
Corsaire “ bläst heute Tusch: „ Sieg, Sieg! die Klubs haben den Maulkorb gekriegt “ (muselès);
„ La Reforme “ sagt: „ Hundert stimmten gegen, sechshundert neun und
zwanzig für die Niederdrückung, aber mögen die hundert muthig bleiben;
einst in der Restaurationsepoche rief man: muthig ihr dreißig! “ Der
„Corsaire“ berichtet mit Entzücken den Schaden, den die Artillerie vor dem Pantheon gemacht:
nicht nur die Freiheitspappel, sondern auch die Bildsäule der Republik im Innern ist
zerschmettert; „ dies ist vielverheißend, “ fügt er hinzu, „ und wir wissen wahrlich kaum was
die Plebejer von Paris mit der Republik machen wollen, für die sie sich so wenig
interessirten, daß bei der Repräsentantenwahl an hunderttausend mitzustimmen vergaßen. “ Dies
ist allerdings Thatsache, aber sie hat, zum Theil wenigstens, eine Entschuldigung in der
strafwürdigen Verfahrungsweise des damaligen Maire von Paris, des Herrn Marrast, der durch zu
frühes Schließen der Votirlokale, die ohnedem schon unzulängliche Frist von zwei Tagen
absichtlich verkürzte; so z. B. konnten 600 Ouvriers im Louvrelokal nicht mitvotiren, da die
Urne um 8 Uhr (gegen das Reglement, welches ihr Offenbleiben bis Mitternacht verordnete)
geschlossen war und die Leute erst um halb 9 Uhr von der Arbeit kamen. Eine gerichtliche
Untersuchung über derartigen Unfug ward zwar angekündigt, jedoch niemals geführt. Marrast soll
dem General Cavaignac selbst, seinem alten Freunde, zu anti-demokratisch werden, und man will
ihn nach dem vierwöchentlichen Präsidium zum Gesandten in London ernennen, um ihn sich von der
Seite zu schaffen. Interessant ist, daß die Bourgeoisie jetzt erst entdeckt, daß die ihr so
werthen afrikanischen Jäger, die im Februar mit der Municipalgarde wetteiferten, nie anders
als kegelförmige Kugeln gebraucht; hoffentlich wird jetzt das Heulen
über die „ unregelmäßigen “ Insurgentenkugeln aufhören. Interessant auch, daß Jaques Arago,
der erblindete Bruder des Astronomen und Weltumseglers, in einer Assische als echter Bourgeois
die Gefangenen nach Patagonien, (insonderheit nach dem berüchtigten Port-Famine wo, wie er
erzählt, eine spanische Schiffsmannschaft sich aus Hunger gegenseitig auffraß) spedirt wissen
will; dort würden diese „ theils schuldbeladenen theils verführten Söhne der Republik “ sich
zu „ gehäbigen Kolonisten und Handelsleuten, emporschwingen “, und gegen englische
Territorialansprüche „ eine wackre Barrikade bilden um die Achtung Frankreichs wieder zu
erringen “. Diese erbauliche Assische ist betitelt: „ An die Richter der Aufständischen “ und
schließt mit dem Ausruf: „ antwortet mir, ich bin ihr Fürsprecher, ich bitte euch, Belisar
fleht um das Allmosen einer halben Verzeihung für die welche ihr aburtheilt “. Das ist ein
Pröbchen von Bourgeoischarité. Der ehemalige revolutionäre
[Spaltenumbruch] Herausgeber der „Wespen,“ Monsieur Karr, ist nun auch Denunziant geworden, sein
Blatt „Le Journal“ betitelt sagt: „ Die hundert in der Kammer welche gegen das
Klubordnungsdekret votirten, mögen es sich gesagt sein lassen: Frankreich verbietet ihnen ein
für allemal solche Streiche.“ Und aus Frankfurt läßt er sich schreiben: „ Die Reaktion (sic)
nach den monarchischen Ideen und Formen, nebst liberalem Fortschritte, macht glücklicherweise
in Deutschland Fortschritte; dem Junitriumphe der Pariser haben wir dies zu danken; hätte die
Emeute gesiegt, so wäre in Deutschland die kommunistische Schaar oben aufgekommen, die ohnehin viel zahlreicher und avancirter ist als in Frankreich; die
Traditionen des Bauernkriegs sind noch ein Sauerteig bei uns.“ Monsieur Karr freut sich auch,
daß die Munizipalität von Orleans jetzt wieder aus lauter Reaktionären besteht und kein
einziger der 17 vom „revolutionären“ Präfekten vorgeschlagenen Kandidaten in sie gewählt ist.
Die Mobile hat zehntausend Rekruten bekommen, was als „glückliches
Omen“ verkündet wird um die „Banditen“ zu schrecken. Wie arg letztre, erhellt z. B. aus dem
Faktum, daß zwei Blousenleute einem jungen Frauenzimmer die fünf Franken, die sie ihr Abends
bereits abgenommen, auf ihre Versicherung: sie müsse damit noch bis Ende Monats leben,
schweigend zurückgaben; Hr. Karr geifert indessen, daß das Mädchen die Banditen „meine Herren“
angeredet habe.
Alle Thiers-und Antithiersblätter schwärmen für Dänemark, welches „die Märtyrernation, die
Heldenschaar gegenüber dem germanischen Koloß“ titulirt wird. Dänische Speziesthaler und
Dokumente haben seit einigen Jahren einen ergiebigen Einfluß auf manche dieser Blätter
ausgeübt. Selbst La Reforme ist außer sich über die für Dänemark „so
beleidigenden“ Artikel des Waffenstillstands.
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@facs | 0315 |
Paris, 30. Juli.
Die drei Julitage sind geräuschlos vorübergegangen. In der Kirche von Saint Paul wohnten die
Juliritter mit den Redaktoren des National einem Trauergottesdienste bei, von wo sie sich zur
Julisäule in feierlichem Zuge begaben. Dies war Alles, womit in diesem Jahre der 27., 28. und
29. Juli gefeiert wurden.
‒ Das Journal des Debats sagt: „Wenn man mit vollkommener Unparteilichkeit die Verhältnisse
Roms betrachtet und die doppelte Pflicht des Pabstes Pius IX. als weltlicher und geistlicher
Fürst im Auge behält, so wird man zugestehen, daß es eine große Ungerechtigkeit wäre, sein
Benehmen zu tadeln. Als Statthalter Gottes und des Friedens widersetzte er sich einer Kriegserklärung gegen Oestereich; als Fürst gestattete er ja seinen
Unterthanen, frei die Waffen zu ergreifen, freiwillige Bataillone zu bilden etc., nur einem
Akt wirklicher Feindseligkeit, der seinem Gewissen als Vater aller Christen mit Recht
widerstritt, widersetzte er sich.“
General Damesme, der dem General Duvivier im Oberbefehl der Mobilgarde am 26. Juni folgte
und der von einer Kugel in den Oberschenkel getroffen wurde, ist gestern gestorben.
‒ Die Insurgenten, 8123 an der Zahl, verzehren Jeder täglich 750 Grammen halbweißes Brod,
100 Grammen Weißbrod in der Suppe, 250 Grammen Fleisch, fünf Mal wöchentlich, 50 Centilitres
Gemüse, zwei Mal und 33 Centilitres Wein per Mann.
‒ Die diplomatische Mission Lucian Murat's bezieht sich auf die italienischen
Angelegenheiten. Er wird diese Nacht abreisen und sich nach dem Hauptquartier Karl Albert's
begeben.
‒ Alphonse Karr redigirt ein neues Journal, das den Titel trägt: le Journal; das Journal
par excellence. Es steht unter Cavaignac 's Obhut. Schöne Verwahrung! Es fällt furchtbar über
die Klubs und die Zulassung von Frauen her: schöne Galanterie.
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[
103
] Straßburg, 27. Juli.
(Verspätet.) Sie werden bereits von den stürmischen Auftritten gehört haben, welche die
Ankunft des berühmten Doktor und Lieutenant Rauschenplat hier hervorgerufen hat. Rauschenplat
war hier als „Renegat“ bei Deutschen und Franzosen bekannt; sein jüngstes Treiben in Baden
hatte ihm vollends den Haß derer zugezogen, bei welchen der ehemalige Demagog und Flüchtling
trotz seines hohlen Renomisten-Wesens stets freundschaftliche Aufnahme gefunden hatte. Manche
frühern Zweideutigkeiten, welche damals kein besonderes Mißtrauen erregten, wie die öftern „
Incognito-Reisen “ nach Baden und zu Hecker nach Mannheim, welche doch der badischen Polizei
kein Geheimniß sein konnten, haben jetzt durch seine letzten Thaten eine nachtrachliche
Bedeutung erhalten; die Protektion des Constablers Mathy, welcher dem „ Demagogen “ bei seiner
Heimkehr sofort die Wahl zwischen einer Lieutenantstelle oder einer Professur in Heidelberg
freistellte, der Heldenmuth des Herrn Rauschenplat in Freiburg, wo er zwar nicht an dem Sturm
der nassauischen Truppen Theil nahm, wohl aber nach der Erstürmung mit dem badischen Troß
einzog und in den Straßen die sterbenden Freischärler mit Fußtritten und Kolbenstößen
besiegte, ‒ alle diese Abentheuer erklären zur Genüge die Erbitterung seiner ehemaligen
Bekannten, welche sich lange und systematisch von ihm unter der Maske der Freundschaft
verrathen sehen. Die Nachricht, daß Rauschenplat wieder hier angekommen sei und wahrscheinlich
in Aufträgen Mathy 's reise, rief vorgestern in der Stadt überall die größte Aufregung hervor.
Das Volk suchte den badischen Professor und Lieutenant in allen Quartieren, bis man in einer
Winkelgasse sein Hotel ausfindig machte. Die Wirthleute erklärten, daß der Gesuchte nicht mehr
hier sei, und öffneten das leere Zimmer, welches er bewohnt hatte. Eine Stunde darauf, nachdem
die Menge sich schon verlaufen hatte, hieß es plötzlich, daß er sich wieder in dem Haus
befinde und von dem Volk belagert werde. Einige tausend Straßburger Bürger wogten in der
Straße, und verlangten mit lauten Drohungen die Herausgabe des „ Mouchard. “ Mit Mühe
gelangten einige Gensdarmen und Nationalgardisten an das Haus; aber die Soldaten nahmen auf
Aufforderung des Volks die Bajonette ab. Der Maire kam, ohne daß seine Worte die Menge
beruhigt hätten; der Ruf: „ An die Laterne! An die Laterne mit dem Verräther! “ war die
einzige Antwort des Volks. Drei Stundenlang blieb das Haus auf diese Weise belagert. Einige
Bürger, die gleich Anfangs eingedrungen waren und den Verfolgten gefunden hatten, überhäuften
ihn mit Schmach, und erinnerten ihn daran, wie er hier Gastfreundschaft genossen, die
Vernichtung der Fürsten gepredigt, und jetzt seine alten Freunde an den Despotismus verrathen
habe. Man wollte ihn indeß doch vor dem Lynchgericht des wüthenden Volkes retten. Einige Mal
wurden von Innen Versuche gemacht, ihn in Verkleidung hinauszuschaffen, aber Blousenmänner
hielten alle Ausgänge besetzt. Endlich gab draußen das Anzünden einer Laterne das Signal zur
Erstürmung des Hauses. Die Thür flog ein, und Rauschenplat stand zitternd, bleich, in
Todesangst vor den wilden, nach Rache schreienden Republikanern. Nur der Geistesgegenwart
eines Bürgers gelang es, ihn vor dem sichern Tode zu retten: „ Achtung vor dem Gesetz! “ rief
derselbe der Menge entgegen; „ Rauschenplat ist als Spion von den Behörden verhaftet! “
Mehrere Personen verbreiten, daß nach den vorgefundenen Indicien der Verhaftete kriegsrechtlich zum Tode verurtheilt werde. Auf diese Art wurde es
möglich, daß eine Abtheilung Nationalgardisten ihn in die Mitte nahm und ins Gefängniß
brachte. ‒ Heute ist Rauschenplat, nachdem er erst von seinen alten Gläubiger zur Bezahlung
gezwungen worden und dabei vielfach die Worte hörte, ob dies das Gold für seinen Volksverrath
sei. unter sicherer Bedeckung von der Behörde über die badische Grenze transportirt
worden.
Großbritannien.
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@type | jArticle |
@facs | 0315 |
[
*
] London, 29. Juli.
Sir W. Molesworth machte neulich im Unterhause eine Motion in Betreff der britischen
Kolonieen, indem er erstens feststellte, daß die Ausgaben für die Kolonieen ohne Nachtheil für
die Interessen des Landes verweigert werden könnten, so wie zweitens, daß eine Aenderung in
der Verwaltung der auswärtigen Besitzungen sowohl für das Mutterland wie für die Kolonieen von
Nutzen sein würde. Mit seinem Antrage wolle er nicht die Territorien berühren, welche unter
der Herrschaft der ostindischen Kompagnie ständen; er beschränke sich auf jene Besitzungen der
Krone, welche das Kolonieen-Amt leite. Trotz dieser Beschränkung machten diese britischen
Besitzungen noch zwischen 4 bis 5 Mill. engl. Quadratmeilen aus, also eine Fläche, welche etwa
so groß sei wie ganz Europa und britisch Indien zusammengenommen. Die Population dieser
Kolonieen erreichte nur eine Zahl von etwa 5 Millionen Menschen, von denen die Hälfte der
europäischen Rasse angehöre. Im Jahre 1844 habe England nach diesen Kolonieen für ungefähr 9
Millionen Pfund Sterling exportirt. Die Total-Summe der durch die Kolonieen verursachten
Ausgaben betrage 8 Mill. Pfd. Sterl., wovon mehr als die Hälfte zu Lasten des Mutterlandes
sei. Nach den Angaben Sir W. Molesworth's besteht die Militärmacht der Kolonieen aus ungefähr
42,000 Mann, die Artillerie und das Génie nicht einbegriffen; also ungefähr drei achtel der
ganzen britischen Streitkräfte. Die Kosten dieser Truppen belaufen sich fast auf 2 1/2 Million
Pfund per Jahr. Die im Dienste der Kolonieen stehende Seemacht besteht aus 45 Fahrzeugen und
8000 Mann, welche etwas mehr als eine Million kosten. Die Civilausgaben mögen in diesem Jahre
auf 300,000 Pfd. anzuschlagen sein. Außerordentliche Ausgaben 200,000 Pfd. Zusammen kosten die
Kolonieen daher dem Mutterlande jährlich 4 Millionen.
Von dem 9 Millionen betragenden deklarirten Werthe des Exportes englischer Artikel in die
auswärtigen Besitzungen der Krone, ist noch für die nach Gibraltar zur Schmuggelei nach
Spanien bestimmten Gegenstände ungefähr 1 Million abzuziehen. Die Ausgaben Großbritanniens für
Rechnung der Kolonieen betrugen daher 9 Schilling in jedem Pfund Sterling des Exports.
Man kann die Kolonieen in zwei verschiedene Klassen eintheilen, in solche nämlich, welche
nur aus politischen Gründen zu militärischen Stationen benutzt werden, und in solche, die man
rein des Handels wegen betreibt. Die militärischen Stationen sind die Insel Helgoland,
Gibraltar, Malta, die Ionischen und die Bermuda Inseln, die Stationen an der Westküste
Afrika's, St. Helena, das Kap der guten Hoffnung, die Insel Mauritius, Hong-Kong, Labuan und
die Falkland Inseln.
Von diesen kosten Gibraltar und Malta jährlich ungefähr eine Million Pfund Sterling, während
man nur für 1,400,000 Pfd. Waaren dahin exportirt, inclusive einer Million für die Kontrebande
nach Spanien. Die Unterdrückung des Sklavenhandels verursacht eine jährliche Ausgabe von einer
halben Million. Der Krieg gegen die Kaffern kostete bereits 1,100,000 Pfd. und es werden
wahrscheinlich noch 900,000 Pfd. nöthig sein um den Saldo der Rechnungen zu berichtigen.
Ceylon kostet jährlich 110,000 Pfd. und England setzt nur für 240,000 Pfd. Waaren daselbst ab.
Hong-Kong ist vielleicht die kostspieligste aller Stationen, da 25 Schiffe mit 4500 Mann dort
liegen, was eine
[0316]
[Spaltenumbruch] Ausgabe von ungefähr 450,000 Pfd. per Jahr nach sich zieht. Die Falkland Inseln,
die durchaus wüst sind und auch nicht das Geringste produziren, kosten bereits 35,000 Pfd. Auf
diese Angaben gestützt schlägt Sir W. Molesworth vor, daß man das Militär von den Ionischen
Inseln zurückziehe, daß man ferner die Stationen an der Afrikanischen Küste zurückziehe, da
der Sklavenhandel doch nicht dadurch unmöglich gemacht werde, daß man die Falkland Inseln den
Brasilianern zurückgebe, und daß man dem Kap, der Insel Mauritius und den Bermuden freiere
Institutionen gebe und nur einfache Posten daselbst unterhalte. Alle diese Reduktionen würden
blos auf die militärischen Streitkräfte eine Ersparniß von einer Million ausmachen. Die
Exportationen nach den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, belaufen sich auf 8 Millionen
Pfund jährlich, während die Gesandtschaft und die Konsulate nur 15,000 Pfd. kosten, und weder
Marine noch Militär nöthig ist um den Handel dahin zu beschützen.
@xml:id | #ar063_024 |
@type | jArticle |
@facs | 0316 |
[
125
] London, 29. Juli.
Der kürzlich verhaftete Chartist, Dr. M'Douall, richtet aus seinem Gefängniß in Lancashire
an den „Northern Star“ ein Schreiben über die Behandlung welche er zu erdulden hat. „Mein
ganzes Leben lang,“ sagt er, „war ich an die freie Luft gewöhnt und ich brauche kaum zu sagen,
daß ich schrecklich litt, besonders wenn das Wasser in den durch die Zelle gehenden Röhren
erhitzt wurde, die zur Heitzung des Vagabundensaales im Winter dienen. Jemehr ich mich
beklagte, desto größer wurde die Hitze, bis man sich bei Berührung der Röhren die Hände
verbrannte, bis ich vor erstickender Hitze Rock, Weste und selbst die Hosen ausziehen mußte.
Der kleine Schalter in der Thüre war vollständig verriegelt, so daß nirgends frische Luft
hereinkommen konnte und dieser Schalter war offen in den Diebszellen neben mir: denn ich konnte sie deutlich mit einander reden
hören. Wenn nicht zufällig eine der kleinen Glasscheiben, halb so groß wie eine Hand
zerbrochen gewesen, so wäre ich sicher erstickt. Erst am Sonntag befahlen die
Spezial-Constablers, die Hitze zu ermäßigen; statt dessen wurde sie erhöht.
[Anzeige]
Schiffahrts-Anzeige. Köln, 1. August 1848.
Abgefahren: C. Hegewein nach dem Obermain; Friedr Gerling nach dem
Niedermain.
In Ladung: Nach Ruhrort bis Emmerich H. Lübbers; nach Düsseldorf bis
Mühlheim an der Ruhr Ch. Königsfeld; nach Andernach und Neuwied B. Schilowski und M. Pera;
nach Koblenz, der Mosel und Saar J. Tillmann; nach der Mosel, Trier und der Saar P.
Kohlbecher; nach Mainz Joh. Acker; nach dem Niedermain C. Rees; nach dem Mittel- und Obermain
Bal. Ebert; nach Heilbronn G. A. Klee; nach Kannstadt und Stuttgart H. Klee; nach Worms und
Mannheim And. Rauth;
Ferner: Nach Rotterdam Kapt. Coesen Köln Nr. 15
Ferner: Nach Amsterdam Kapt. Scholwerth Köln Nr. 3
Wasserstand.
Köln, am 1. August. Rheinhöhe 7′ 8″
Civilstand der Stadt Köln.
Geburten.
29. Juli. Friedr., S. v. Edm. Jul. Theod. Gruno, Tischlergeselle, Glockenring. ‒ Agnes, T.
v. Jakob Kremer, Schmidt, Katharinengraben. ‒ Pet. Jos. Ant., S. v. Anton Jos. Offermann,
Hafenaufseher, Bischofsgarten. ‒ Karl Friedr. Konr., S. v. Heinrich Stellbrink, Unteroffizier
im 16. Infanterie-Regiment, Blankenheimer Kaserne. ‒ Helene, T. v. Jak. Etwein,
Schreinergeselle, Follerstraße. ‒ Adelh., T. v. Moses Kassel, Uhrmacher, Streitzeuggasse. ‒
Eduard Ludwig August, S. v. Karl Heinrich Ernst August Dietzmann, Gastwirth Thurnmarkt. ‒
Anton, S. v. Andreas Lauvenberg, Fruchtträger, Schesenstraße.
Sterbefälle.
29. Juli. Pet. Büscher, Taglöhner, 29 J. alt, verh., Severinstraße. ‒ Anna Maria Zündorf,
geb. Filtz, 37 J. alt, kl. Griechenmarkt. ‒ Emilie Cosmann, 8 M. alt, Schildergasse. ‒ Elis.
Abs, 66 J. alt, unverh., Schesenstraße. ‒ Johanna Wilhelmine Poensgen, 5 1/2 M. alt,
Georgsplatz. ‒ Philipp Karl Meyer, 10 J. 8 M. alt, Severinstraße. ‒ Pet. Jos. Pelzer, Tagl.,
21 J. alt, unverh., Klingelpütz. ‒ Helene Flimm, Wwe. Weisweiler, 49 J. alt, Neumarkt. ‒ Kath.
Unterberg, 2 M. alt, kl. Spitzengasse. ‒ Henriette Schütter, 2 M. alt, gr. Spitzengasse. ‒
Georg Cremer, 6 M. 20 Tage alt, alte Mauer am Bach.
Frankfurter Hof in Köln
Im Mittelpunkt der Stadt gelegen, empfiehlt sich derselbe durch seine elegante Einrichtung
und billige Preise
Logis und Frühstück 15 Sgr. Diner 1/2 Flasche Wein 16 Sgr.
Edmund Leonhard.
Berliner Hof in Essen.
Einem verehrlichen Publikum beehre ich mich anzuzeigen, daß ich den von Herrn Karl Preußner
bewohnten Gasthof käuflich übernommen habe und mit dem ersten August d. J., neu eingerichtet,
antreten werde. Herr Preußner führt das Geschäft bis dahin fort.
Indem ich um gefälligen Zuspruch bitte, gebe ich zugleich die Versicherung, daß ich alles
aufbieten werde, meinen geehrten Gönnern zu genügen.
W. H. Frischen, aus Neuß.
Frische Rheinfische sind zu den billigsten Preisen zu haben bei Joh.
Lülsdorff, Lindgasse 21.
„Neue Rheinische Zeitung.“
Unseren auswärtigen Herren Aktionairen zeigen wir hiermit an, daß gestern der
Gesellschafts-Vertrag der „Neuen Rheinischen Zeitungs-Gesellschaft“ vor dem Notar Herrn Krahe
abgeschlossen wurde, und daß die Herren H. Korff als Gerant, L. Schulz und St. Naut als
Cogeranten von nun an definitiv fungiren und alle Geschäfte der Gesellschaft verwalten.
Das Statut wird gedruckt und binnen einigen Tagen den Herren Aktionairen zugesandt
werden.
Köln, den 30. Juli 1848.
Das provisorische Comite.
L' UNION CONSTITUTIONNELLE, Journal de l'arrondissement de
Verviers.
Cette feuille est la plus repandue d'un des principaux centres industriels de la
Belgique.
Prix d'abonnement: Frs. 7 par trimestre.
Annonees: 20 Centimes la ligne.
S'adresser franco aux bureau de ce journal.
Der freie Staatsbürger,
Volksblatt aus Franken,
erscheint wöchentlich drei Mal und kostet im ganzen Umfang des Konigreichs Baiern jährlich 3
Fl., halbjährlich 1 Fl. 30 Krz. Außerhalb Baiern findet ein entsprechender Postaufschlag
Statt. Alle Postämter nehmen Bestellungen an.
Dieses Volksblatt, das Organ der demokratischen Partei in und um Nürnberg, besteht seit dem
April d. J. und wird auch in Zukunft, wie bisher, allen Anfechtungen der von der Bourgeoisie
unterstützten Bureaukratie Trotz bieten. Sein Gründer und Redakteur, Gustav Drezel, ist zwar
durch brutale Polizeiwillkür aus der hiesigen Stadt verwiesen, leitet aber aus der Ferne das
Blatt und unterstützt es durch seine Beiträge.
Nürnberg, im Juli.
Die Expedition des „freien Staatsbürgers.“
Volksblätter
redigirt von J. Schanemann und Heinrich Benary erscheinen in Berlin,
Montag, Mittwoch und Freitag, Abends 6 Uhr.
Man abonnirt bei Reuter und Stargard, Charlottenstraße 54, und in der Expedition,
Kommandantenstraße 42.
Auswärts bei allen preußischen Postämtern für 21 Sgr. das Vierteljahr.
Der Zweck dieser Zeitschrift ist über das Wesen und die Bestrebungen der Demokratie unter
alle Volksklassen Licht zu zu verbreiten. Sie bespricht die hiesigen Klubbverhandlungen, deren
Organ sie ist, und ist daher vor allen hier erscheinenden Zeitungen am meisten geeignet, über
das Wirken der Berliner Demokratie Nachricht zu geben.
Wir ersuchen unsere geehrten Mitbürger in Köln und Mülheim a/R. der heutigen Nummer der freien Volksblätter ‒ Nro. 49, Mittwoch, den 2. August e. ‒ einige
Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Redaktion der freien Volksblätter.
Gerichtlicher Verkauf.
Am Samstag, den 5. August 1848, Vormittags 11 Uhr, wird der Unterzeichnete auf dem
Apostelnmarkte zu Köln, ein Klavier mit Mahagoni-Kasten dem Meistbietenden gegen baare Zahlung
öffentlich verkaufen.
Der Gerichtsvollzieher, Gassen.
Ein ausgezeichnetes Lager-Bier Buttermarkt Nro. 20.
Der Unterzeichnete, welcher sich in die auf der hiesigen Post offen gelegte Liste zur
Einzeichnung in den hierselbst gegründeten konstitutionellen Bürgerverein bis jetzt nicht
eingezeichnet hat, mithin auch nicht aus demselben austreten konnte, erklärt die in der
Beilage zu Nro. 60 dieses Blattes enthaltene, mit meinem Namen unterzeichnete Anzeige, datirt:
„Bensberg, den 28. Juli 1848,“ welche meinen Austritt aus jenem Vereine meldet, für das elende
Machwerk eines Menschen, der meinen Namen fälschlich unterzeichnet hat.
Bensberg, den 31. Juli 1848.
Fischbach.
Freitag, den 4. August, findet die Verlosung von Tisch und Kleiderschrank Nachmittags 4 Uhr
bei Herrn Decker in der Salzgasse Statt.
M. Becker.
Gerichtlicher Verkauf.
Am 3. August 1848, Vormittags 10 Uhr, sollen durch den Unterzeichneten auf dem Waidmarkte zu
Köln, verschiedene Mobilar-Effekten, als: Tische, Stühle, 1 Ofen, Kanapees, ein schöner
Sekretair von Mahagoniholz, ein schöner Spiegel und mehrere andere Gegenstände gegen baare
Zahlung öffentlich meistbietend versteigert werden.
Der Gerichtsvollzieher Simons.
Unser Geschäftslokal ist jetzt Altenbergerstraße Nro. 17.
Meuser u. Comp.
Während der Dauer der Assisen täglich table d'hote zu 12 Sgr. per Couvert incl. 1/2 Flasche
guten Wein, und zu jeder Stunde alle der Saison angemessene kalte und warme Speisen à la
carte, und billige reine Weine bei Friedrich Knipper im Pfälzerhof,
Appellhofs-Platz 17.
Gefrornes
verschiedener Gattungen.
In dem Besitze einer neuen Maschine, welche durch mechanische Vorrichtung jede Viertelstunde
zwei verschiedene Sorten Eis liefert, was viel feiner und geschmackvoller wie das auf der
bisherigen Weise erzielte ist, bin ich in den Stand gesetzt, allen Anforderungen sowohl in
Qualität als Schnelligkeit zu entsprechen und den Preis à Portion in und außer dem Hause von
4 auf 3 Sgr. herunter zu setzen. Täglich wird
Vanill-, Himbeeren-, Johannis- und Citron-Eis
bei mir angefertigt.
Franz Stollwerck im Deutschen Kaffeehause.
In Ladung an der Frohngasse nach Mannheim, Worms und Ludwigshafen. J. B. Hinlin, Schiff
genannt Delphin.
Ein tüchtiger Ladengehülfe, mit guten Zeugnissen versehen, sucht eine Stelle in einem
Kolonial-oder Material-Waarengeschäft, und könnte auch bei seinen vielseitigen Bekanntschaften
die Platzgeschäfte besorgen. Die Expedition sagt wer.