Deutschland.
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19
] Köln, 30. Juli.
(Die Verhandlungen über die deutschen Grundrechte.) Wir kommen zu der Sitzung der
National-Versammlung vom 4., in welcher die „neutralen“, und nach dem Geständniß des
Berichterstatters Beselers, „ohne Prinzipien und ohne Feststellung dessen, was dazu gehört,“
entworfenen Grundrechte in „Angriff genommen werden.“
Der erste Artikel des Entwurfs enthält die bereits bekannten 5 Paragraphen über allgemeines
deutsches Staatsbürgerrecht, Niederlassungsrecht, in den einzelnen Staaten, Abschaffung des
bürgerlichen Todes und Auswanderungsrecht. Die deutsche Einheit ist die „neutrale Idee“ welche
diesem „ohne Prinzipien“ abgefaßten Artikel zu Grunde liegt, und deren „tiefgefühltes
Bedürfniß“ so sehr in dem Bewußtsein aller Abgeordneten der Rechten so gut wie der Linken
lebt, daß jeder Redner die Versicherung dieses Einheitsbedürfnisses ausdrücklich in einer
besonderen Phrase niederlegt. Wenn wir daher diese Phrasen nicht jedesmal aus den einzelnen
Reden hervorheben, so haben wir ihrem „einheitlichen Bewußtsein“ hiermit im Ganzen die nöthige
Anerkennung geschenkt.
Nach einigen allgemeinen Entwickelungen von Sonderanträgen, welche nach dem Ausdruck des
Präsidenten „ganze Systeme“ und „Umarbeitung des ganzen Artikels“ aufstellen, nach den Rednern
selbst aber bloß die Redaktion einer „präciseren Fassung“ enthalten, begründet zuerst Herr
Jakob Grimm aus Berlin ein Amendement.
„M. H. Ich habe nur wenige Worte vorzutragen zu Gunsten des Artikels, den ich die Ehre habe,
vorzuschlagen. Zu meiner Freude hat in dem Entwurf des Ausschusses unserer künftigen
Grundrechte die Nachahmung der französischen Formel: Freiheit, Gleichheit Brüderlichkeit!
gefehlt. Die Menschen sind nicht gleich, sie sind auch im Sinne der Grundrechte keine Brüder;
vielmehr ist die Bruderschaft ‒ denn das ist die bessere Uebersetzung ‒ ein religöser und
sittlicher Begriff, der schon in der heiligen Schrift enthalten ist. Aber der Begriff von
Freiheit ist ein so heiliger und wichtiger, daß es mir durchaus nothwendig scheint, ihn an die
Spitze unserer Grundrechte zu stellen.“
Hr. Grimm schleudert sofort ein „Prinzip“ in die „neutrale“ Verhandlung. Die Phrase der
„Gleichheit und Brüderlichkeit“ (der alte Sprachforscher benutzt zugleich die Gelegenheit zu
einer besseren Variante in der Uebersetzung), die Phrase der „Gleichheit und Bruderschaft,“ an
welcher die philantropische Februar-Regierung zu Schanden wurde, soll die deutschen
Grundrechte nicht kompromittiren. „Die Menschen sind nicht gleich,“ was allerdings sehr
langweilig wär: Herr Grimm gleicht den übrigen Menschen nicht, und die Uebrigen sind ihm nicht
gleich: nicht jeder versteht „jakob grimmisch“ und zeunisch.“ Die Menschen sind „im Sinne der Grundrechte auch keine Brüder,“ was Niemand behaupten wird; die
Bruderschaft ist „ein religiöser und sittlicher Begriff der heiligen Schrift,“ woraus ohne
Zweifel die religiösen Bruderschaften von St. Nepomuk und St. Borromäus und die sittlichen
Bruderschaften der Studenten zu erklären sind. Dagegen aber soll das „Prinzip der Freiheit,“
welches um so „heiliger und wichtiger“ ist, an die Spitze der Grundrechte gestellt und vor den
ersten noch ein allererster Artikel eingeschaltet werden:
„Alle Deutschen sind frei, und deutscher Boden duldet keine Knechtschaft. Fremde Unfreie,
die auf ihm verweilen, macht er frei.“
Aus dem „Recht“ der Freiheit, sagt der Herausgeber der „Weisthumber,“ wird hier also noch
eine „Wirkung“ der Freiheit hergeleitet: „wie sonst die Luft unfrei
machte, so muß die deutsche Luft frei machen.“ Wenn die Freiheit erst zur Wirkung der Luft
wird, so ist Deutschland von selbst vor französischem Sansculottismus bewahrt, denn hier
gebietet schon die „Witterung“
‒ daß Alt und Jung
Leiblich bekleidet sei.
Dieser Vorschlag erregt die Phantasie des Literaten Jordan aus Berlin, welcher sofort auf
Annahme durch Akklamation dringt, indeß durch die prosaische Geschäftsordnung zur Beobachtung
der regelmäßigen Berathung gewungen wird.
Darauf verlangt Hr. Jordan statt der „heiligen Kraft“ des deutschen
Bodens, Jeden frei zu machen, als einen neuen Zusatz zu dem § 1 eine Definition des Wortes
„Deutscher“. Herr Jordan findet mit Recht, daß dieser Begriff sehr zweideutig sei. Soll man
etwa Alle, welche die „deutsche Sprache reden“, auch die Amerikaner und Ostsee-Provinzen zu
den deutschen Staatsbürgern zählen? Das hieße nach Hrn. Jordan ein Staatsbürgerrecht erklären,
welches für Amerika überflüssig wäre und von den Russen höflichst verbeten würde“. Würden
nicht hierdurch auch die Taubstummen, welche gar keine, die Pommern, welche die pommersche
Sprache, und die hausirenden Orientalen, welche kauderwelsch reden, von dem Herzen
Deutschlands gerissen? Der weise Daniel schlägt daher den Zusatz vor: „Jeder Angehörige eines
deutschen Staates, welcher Zunge er auch sei, wird als Deutscher angesehen.“ Durch diese
Fassung werden nach Hrn. Jordan auch zugleich mit „kühnem Griff“ die polnische, italienische,
ungarische und andere Nationalitätsfragen gelöst; als Bewohner eines „deutschen“ Landes werden
diese Stämme, welche „ weder von Geburt noch der Sprache nach“ zu uns gehören, zu Deutschen
„dekretirt“, ‒ „wir erheben das Wort Deutschland zu einem politischen Begriff!“
Anmuthige Begriffserhebung des Berliner Literaten! Die „begriffene Welt“, welche Hr. Jordan
in Leipzig redigirte, ist von der Welt nicht begriffen worden; Hr. Jordan hat sich aber bloß
deshalb in einem obseuren ukermärkischen Wahlbezirk, wo man ihn nicht kannte, unter Angelöbniß
monarchischer Gesinnungen wählen lassen, um in Frankfurter Vorlesungen die „Redaktion der
begriffenen Welt“ fortzusetzen. Nicht die wirklichen „Rechte“ sondern der „Begriff“ ist der
„Grund“, auf welchem nach der Absicht des Entwurfs eine „vernünftige Lösung der großen
sozialen Probleme“ bewerkstelligt wird. Hr. Jordan sagt es der Versammlung: „Wenn Sie die
„Deutschen“ so nennen, haben Sie sie dazu
gemacht; “ wenn man den „Begriff“ der großen Probleme „dekretirt“, so ist ihre Lösung
vollbracht. Hr. Grimm, der Berliner Professor, macht die „Freiheit“ zur Wirkung der Luft; Hr.
Jordan, der Berliner Literat, dekretirt sie zur Wirkung des „Begriffs“.
Es sprechen hierauf noch einige andere Redner über die Begrifflosigkeit des Wortes:
„Deutscher“. Endlich bringt Hr. Melly aus Wien eine einfache Lösung der Schwierigkeit zur
Sprache.
„Meine Herren, der § 1 sagt: Jeder Deutsche hat das deutsche Staatsbürgerrecht. Nun ist
schon vielfach hervorgehoben worden, daß diese Bestimmung die Frage unbeantwortet läßt, wer
denn Deutscher ist. Ich erlaube mir deshalb den Antrag, daß der § dahin abgeändert werde:
Deutscher ist, wer das deutsche Staatsbürgerrecht hat.“
Der Niersteiner Wernher und Hr. Simon aus Breslau wollen dagegen von solcher
Begriffsbestimmung nichts wissen. „Es giebt für Deutschland keine klarere Bezeichnung als die
von „„Deutschland““ selbst“, sagt Hr. Wernher. Jacobus Benedey, der aus der „schlaflosen Nacht
des Exils“ am Besten den Werth Deutschlands kennt, hat erklärt, daß jede Erklärung
Deutschlands ein Zweifel an Deutschland sei, und Hr. Simon giebt dazu nur das Eine zu
bedenken, daß man in einem Augenblick, wo Deutschland sich „vor die Welt hinstelle“, des
„deutschen“ Namens sich nicht schämen möge. Die Versammlung stimmt nunmehr über den Ausdruck
„Jeder Deutsche“ ab, und erklärt sich für dessen Begriffsfähigkeit; die beiden ersten Worte
der Grundrechte des deutschen Volks sind angenommen.
Ein neuer Kampf entsteht über die Begriffsfähigkeit des „deutschen Staatsbürgerrechts.“
„Jeder Deutsche hat das allgemeine deutsche Staatsbürgerrecht.“
Hr. Hermann aus München und Hr. Hensel aus Sachsen finden dies total unverständlich. Beide
protestiren namentlich gegen die Auffassung, als ob der Besitz des „allgemeinen deutschen
Bürgerrechts“ zur Ausübung der politischen Rechte in jedem einzelnen deutschen Staate
berechtige; das „spezielle“ Saatsbürgerrecht der einzelnen Staaten bleibe „speziell“ von den
Beschränkungen des einzelnen Staates abhängig.
Hr. Mittermaier zerstreut sofort jeden Zweifel über die Zweideutigkeit dieses Begriffs. „Das
deutsche Reichsbürgerrecht, das Staatsbürgerrecht eines Einzelstaates und das
Gemeindebürgerrecht müssen neben einander bestehen.“ Das allgemeine deutsche Staatsbürgerrecht
sichert den Preußen gegen eine Ausweisung aus Baiern, und das bairische Staatsbürgerrecht
sichert den Baiern gegen ein Eindringen des Preußen. Zugleich verwahrt Herr Mittermaier den
Ausschuß gegen die Auslegung, als ob das Staatsbürgerrecht des Einzelstaates in das allgemeine
deutsche Staatsbürgerrecht des Einzelstaates in das allgemeine deutsche Staatsbürgerrecht
„aufgehe“, durch eine überzeugende Betheurung.
„Wir haben Gemeinden in Baden, wo jeder Bürger 280 Gulden Bürgergenuß erhält. Todtgeschlagen würden wir, wenn wir nach
Hause kämen mit einem Gesetz, wonach ein jeder Deutscher das Recht hätte, an einem solchen
Genuß in jeder Gemeinde ohne Weiteres Theil zu nehmen.“
Die Versammlung ist überzeugt, daß die Voraussicht einer revolutionären Todtschlägerei auf
die Meinungen des alten Hrn. Mittermaier wesentlichen Einfluß üben würde, und der Ausdruck
seiner persönlichen Sicherheit gewährt Allen hinreichende Beruhigung über die harmlose Fassung
des Ausschußantrages. Das Grundrecht des allgemeinen Ausschußantrages. Das Grundrecht des
allgemeinen deutschen Reichsindigenats besteht in dem „prinzipiellen“ Recht, sich an jedem Ort
niederzulassen und aufzuhalten; die einzelnen Staatsgesetze und Gemeindeordnungen, welche den
„allgemeinen Staatsbürger“ nur in der Theilnahme an „materiellen“ Pfahlbürgerrechten und
„Genüssen“ beschränken, werden durch die Grundrechte nicht angetastet. Hat der Ausschuß nicht
versichert, daß sein Entwurf das Geringste enthalte, was man dem Volke
bieten müsse?
Zuletzt giebt noch der Schluß: „das Wahlrecht zur Nationalversammlung übt Jeder da, wo er
seinen Wohnsitz hat,“ Gelegenheit zu neuen sprachlichen Untersuchungen über die
Begriffsfähigkeit deutscher Worte. Die Versammlung debattirt mit Gründlichkeit über die
größern oder geringeren Vorzüge der Varianten: „Wohnsitz, Aufenthalt, persönlicher
Gerichtsstand, Wahlbezirk.“ Die erste Berathung des ersten Paragraphen wird damit geschlossen;
Niemand wird ihre Gewissenhaftigkeit in Zweifel setzen. Die Erklärung der „Menschenrechte“ in
der französischen Revolution hielt sich an's „Aeußerliche, Materielle;“ die deutschen
Grundrechte werden in den „Begriff“ die wahre Lösung der „socialen Probleme“ niederlegen und
in dem „Begriff“ lebt fortan die deutsche Freiheit und geistige Einheit, die „wahrhaft
ideelle.“
Wir werden daher in den späteren Paragraphen den „Begriffen“ der grundgesetzgebenden
Versammlung weiter zu folgen suchen.
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*
] Köln, 30. Juli.
Heute Morgen fand in Anerkennung der deutschen Centralgewalt eine Parade der gesammten
Bürgerwehr auf dem Neumarkt Statt. Hr. Schürmann, Bannerführer und der zeitiger provisorischer
Kommandant, brachte ein Hoch auf den Reichsverweser aus, worin die 8000 bewaffneten Bürger
einstimmten; darauf defilirte die gesammte Bürgerwehr in bester Ordnung vorüber und zog nach
ihren resp. Bannerwachen. Zu bemerken ist, daß mit Ausnahme einiger wenigen Soldaten und des
zweiten Stadtkommandanten Engels nebst zwei Adjutanten durchaus kein Militär, oder wie wir Rheinländer sagen, keine „Preußen“ auf dem Neumarkt zu sehen waren.
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!!!
] Frankfurt, 28. Juli.
Nationalversammlung. ‒ Präsident v. Gagern. ‒ Tagesordnung: 1.
Diskussion über den Bericht des Abgeordneten v. Lindenau, die Interpellationen an die Minister
betreffend. 2. Begründung der Dringlichkeit des Antrags des Abgeordneten Schoder, die
Behandlungsart der Diskussion über die Grundrechte betreffend. 3. Bericht des
Geschäftsordnungs-Ausschusses über die Anträge der Abgeordneten Lette und Biedermann, die
Berathung der Grundrechte betreffend.
Zittl, Berichterstatter des Petitions-Ausschusses meldet eine
Petition in Sachen der Ersatzwahl Kapps, wonach die Wähler desselben
bitten, die Nationalversammlung sollte von der badenschen Regierung Aufschub der Ersatzwahl
verlangen, bis die Urwähler zur Ernennung neuer Wahlmänner zusammengekommen wären. Der
Ausschuß will über die Petition zur Tagesordnung übergehen, weil nach dem badenschen
Wahlgesetz neue Urwahlen nur bei Auflösung der Kammern, also in diesem Fall nur bei Auflösung
der Nationalversammlung zulässig. Die Versammlung willfahrt dem Ausschuß, Simon von Trier hat über Nacht einen Gedanken bekommen und interpellirt den Präsidenten
wegen des gestern gegen die Linke gebrauchten Ausdrucks: „unwürdige Aufführung“. Der Präsident
solle diesen Ausdruck zurücknehmen.
Gagern (sehr gerührt): Er habe sich große Mühe gegeben, Ordnung zu
erhalten, dies sei zuweilen für seine Kräfte zu schwer. Der Ausdruck sei ihm in der Hitze
entfahren, und er nehme ihn zurück.
Der alte verkindete Arndt, will der „Jugend“, die auf der Linken sitzt, manches zu Gute halten, aber die Beifall- und
Mißfall-Bezeigungen seien doch zu stark: man werde ja förmlich beobachtet! (Große
Heiterkeit.)
Roß aus Hamburg bringt die Dringlichkeit der Flaggenangelegenheit in
Erinnerung.
Präsident: Die Angelegenheit sei aus Versehen auf der Tagesordnung
vergessen.
Roß stellt sich zufrieden, da sein Antrag Montag daran kommen wird.
Der Präsident verliest den von Lindenau'schen Ausschußbericht wegen
Interpellationen.
Bassermann beantragt, wenn auch mit wenig Hoffnung auf Erfolg, die
Verwerfung dieser Anträge. Man könne danach zu oft interpelliren. „Wir sind doch eigentlich
eine Verfassunggebende Versammlung.“ Um die Regierungsangelegenheiten zu erledigen, haben wir
eine provisorische Centralgewalt geschaffen. 20 unterstützende Mitglieder (wie von Lindenau
will) werden sich leicht bei jeder Interpellation finden. Da könne man mit jeder
Interpellation kommen, wie z. B. wenn ein Schneidergeselle aus dem Hannöverschen ausgewiesen
u. s. w.
Eisenmann beantragt zu seinem Leidwesen ganz gegen Bassermann und
will, noch weiter gehend als der Ausschuß, daß zu Interpellationen gar keine Unterstützung
nöthig sei. Interpellations-Mißbräuche wären in wenigen Minuten zu beseitigen. Und der
Minister kann ja antworten was er will (Großer Beifall.)
Bally (Oberschlesien) theilt Bassermanns Ansicht: beantragt, daß die
Versammlung über die Zulässigkeit der Interpellationen zu entscheiden habe.
Edel (Würzburg), das kostbarste ist die Zeit. Aber es giebt auch
wichtige Interpellationen. Man soll das wichtige parlamentarische Recht der Interpellationen
nicht beschränken. Stellt einen Verbesserungsantrag den ich bei der Abstimmung erwähne.
Vogt gegen Basserman.
Wesendonk spricht für den Ausschuß, und deklamirt über Polizeimaßregeln, die man meiden müsse. Nach Bassermann würden der
Minorität alle Interpellationen abgeschnitten (die doch ohne dies so harmlos und
ungefährlich).
Wiegard aus Dresden ebenfalls gegen Bassermann. (Schluß!)
Bassermann: Das Regieren ist zweierlei Art. Man kann selbst, ipse
regieren, und dadurch, daß man eine Regierung regieren läßt. (O weh!)
Drinkwälder (aus Niederösterreich). [Ruf nach Schluß]. Meine Herren,
ich weiß daß jedes Wort 36 Kreuzer kostet.
Römer (Stuttgart). Der Mißbrauch eines Rechts hindert nicht an
dessen Ausführung. Man vergleiche die Preßfreiheit. Man muß interpelliren dürfen. Ist für den
Ausschuß.
Abstimmung: Hr. Bassermanns Antrag wird verworfen.
§. 1. Des Ausschusses lautend: „Jeder Abgeordnete der eine Interpellation an die
Reichsminister beabsichtigt, hat solche am Tage vor der nächsten Sitzung schriftlich beim
Präsidium einzureichen, um von letzterem sofort zur Kenntniß des betreffenden Ministers
gebracht zu werden; in wiefern Interpellationen, die als besonders dringend bezeichnet werden,
ausnahmsweise in der Sitzung selbst eingegeben werden können, darüber hat jedesmal die
Versammlung zu entscheiden“; wird angenommen.
§. 2. des Ausschusses: jede solche Eingabe muß den Gegenstand der Interpellation und deren
Veranlassung kurz und bestimmt angeben; angenommen.
§. 3. Die Verlesung dieser Interpellation in der Reichsversammlung erfolgt ohne weitere
Motivirung jederzeit vor der Tagesordnung; die Frage wird sodann nach §. 29 der
Geschäftsordnung auf Unterstützung gestellt und die Interpellation zurückgelegt, wenn solche
nicht ausreichend stattgefunden hat; angenommen.
§. 4. Findet sich die Interpellation gehörig unterstützt, so hat der betreffende
Reichsminister in derselben Sitzung:
„entweder die gewünschte Erklärung abzugeben, oder den Tag zu „bestimmen, wenn dies
geschehen soll, oder die Gründe anzuzeigen,
[0304]
„warum überhaupt eine Erklärung
nicht abgegeben werden kann; „
angenommen.“
Statt §. 5. des Ausschusses wird Edel's Amendement genehmigt. Erst
nach Abgabe der ministeriellen Erklärung kann eine sofortige Berathung über den Gegenstand
stattfinden, wenn ein Antrag gestellt ist, den die Versammlung für dringlich hält.
Folgt Punkt II. der Tagesordnung.
Soiron präsidirt weiter. Er frägt: ob Schoder seinen Antrag der
Dringlichkeit begründen darf? (Ja!) (Siehe Tagesordnung Nr. 2).
Schober (Stuttgart). Der bisherige Weg über die Berathung der
Grundrechte könne nicht fortgehen. Man muß eilen. Es seien noch 43 §. mit verschiedenen
Absätzen, und Gott weiß wie vielen Amendements zu berathen. Zu jedem §. zwei Sitzungen
angesetzt, würden wenigstens noch 6 Monate erheischen. Er schlägt ein Radikalmittel vor.
(Bewegung). Dies sei sein Antrag. ‒ Dieser lautet:
1) es seien sämmtliche zu dem Entwurfe der Grundrechte eingebrachte und binnen einer Frist
von zehn Tagen noch einzubringende Amendements dem Verfassungsausschusse, beziehungsweise ‒ wo
nämlich volkswirthschaftliche Interessen in Rücksicht kommen ‒ dem vereinigten Verfassungs-und
volkswirthschaftlichen Ausschusse zu überweisen, mit dem Auftrage, nach sorgfältiger Prüfung
derselben nach Umständen einen modifizirten Entwurf vorzulegen, welcher mit den etwa zu
einzelnen Paragraphen abgegebenen Minoritätsgutachten der National-Versammlung vorgelegt
würde;
2) es sei sofort ohne Diskussion jeder einzelne Paragraph, und zwar sowohl die Mehrheits-
als die etwaigen Minderheits-Anträge, zum Schluß aer aber Entwurf im Ganzen zur Abstimmung zu
bringen.
Mein Antrag ist zwar formell, aber er ist doch materieller wie mancher andere der hier jetzt
und später vorgebracht werden kann. ‒ Ich beantrage nun: diese meine Anträge als dringlich an
den Verfassungsausschuß zu verweisen,
Simonaus Trier. Stellt den Antrag: über Schoders Antrag selbst
gleich zu verhandeln.
Waiz (Göttingen) stellt als 3. Antrag: Ueber den Schoderschen Antrag
keinen sofortigen Bericht des Ausschusses zu verlangen. Die Radikalkur des Hrn. Schoder sei
noch nicht nöthig, man solle die Schoder'schen Anträge einfach (d. h. nicht als dringlich) an
den Verfassungsausschuß verweisen.
Dieser Antrag von Waiz wird angenommen, nachdem v. Soiron und
Beseler sich über die Reihenfolge der Abstimmungen gestritten haben, und die Anträge von Simon
aus Trier und Schoder verworfen worden sind.
Nr. 3 der Tagesordnung: Anträge Lette's und Biedermanns über Abkürzung der Berathung in
Betreff der Amendements.
Es sprechen: v. Lindenau (Berichterstatter), Lette, Moritz, Mohl, Edel, Reichensperger,
Bresgen und Biedermann, während die meisten Abgeordneten den Saal verlassen.
Die National-Versammlung nimmt einen Antrag Moritz Mohls an, wonach über alle 4
Lette-Biedermannschen-Anträge zur Tagesordnung, „d. h. zum Mittag Essen “ übergegangen werden
soll. (Allgemeine heitere Aufregung in der Versammlung. Erstaunen auf den Gallerien).
Tagesordnung für Montag. ‒ (Sonnabend und Sonntag Ruhe).
1) Neue Präsidenten-Wahl.
2) Flaggen-Angelegenheit.
Dienstag. Fortsetzung der Grundrechte.
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Frankfurt, 28. Juli.
Heute 7 Uhr früh, vor der Sitzung der National-Versammlung war das feierliche Begräbnis des
Abgeordn. Johann Georg Wirth, woran, obschon es aus Polizeigründen frühzeitig angeordnet, die
Turner mit thren Fahnen, der Handwerkerverein etc. etc. Antheil nahmen.
Robert Blum hielt eine Predigt.
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@facs | 0304 |
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*
] Berlin, 28. Juli.
Ueber die Abführung Mieroslawski's aus Posen erfährt man hier, daß er auf die
Dazwischenkunft Arago's, des französischen Gesandten, nach der französischen Gränze gebracht
worden. Ich theile dies Gerücht mit, so wie es eben zirkulirt, ohne dessen Richtigkeit zu
verbürgen.
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103
] Berlin, 28. Juli.
Das Ministerium hat sich endlich in der deutschen Frage vernehmen lassen, aber wir haben
nichts Neues erfahren. Die Krisis wird nur noch verlängert. Wie die Stimmung gegenwärtig in
der Stadt und auch in den Provinzen ist, kann nur eine Entscheidung, die sich wirklich auf die
eine oder auf die andere Seite stellt, die Aufregung wieder niederdrücken.
Nach Eröffnung der heutigen Sitzung der Vereinbarungsversammlung machte der Ministerpräsident eine Erklärung folgenden Inhalts:
„Es ist bereits gestern zur öffentlichen Kenntniß gekommen, daß die Unterhandlungen über den
Waffenstillstand zwischen dem Ober-Befehlshaber der deutschen Truppen in Schleswig und dem
dänischen Obergeneral ohne Erfolg geblieben sind. Ich finde nöthig, dieser Bekanntmachung
hinzuzufügen, daß das zeitige Mißlingen unserer Bestrebungen in einer Sache, welche Gegenstand
unserer äußersten Anstrengungen unablässig gewesen, nicht die Hoffnung zerstört habe, in nicht
langer Frist das erwünschte Ziel zu erreichen. Alles, was in dieser Beziehung zu thun möglich
war, ist augenblicklich geschehen. Die Lage der Dinge gestattet nicht, Ihnen heute über die
stattgefundenen Verhandlungen, über das Verhalten der Regierung nähere Mittheilung zu machen.
Ich hoffe indeß, der Augenblick ist nahe, wo dieses wird geschehen können; ich hoffe, daß er
Ihnen die Ueberzeugung gewähren wird, daß die Regierung des Königs keinen Augenblick die
ernste, ja, die fast unerträgliche Lage des Ostseehandels und aller ihrer verderblichen Folgen
für einen so großen Theil der Monarchie eben so wenig verkannt hat, als die Aufrechthaltung
der Ehre Preußens und Deutschlands in ihrem ganzen Umfange.
Ich will bei dieser Gelegenheit einen anderen Umstand berühren, der in den verflossenen
Tagen eine bemerkbare Aufregung hervorgerufen hat; ich meine die durch die öffentlichen
Blätter bekannt gewordene Aufforderung des Kriegs-Ministers der deutschen Centralgewalt. Ich
erblicke in dieser Aufforderung nicht eine so große Schwierigkeit, als man ihr beizulegen
geneigt scheint. Es ist vielleicht eine ungewöhnliche Bezeichnung, aber ich fühle mich nicht
im Stande meine Anschauung anders auszudrücken, als indem ich ausspreche, daß ich sicher
hoffe, es werde diese häusliche Angelegenheit in unserem deutschen Vaterlande der Form, so wie
dem Wesen nach, unschwer zu einer Verständigung zu führen sein. Wie wir fortfahren werden, mit
Aufrichtigkeit und Hingebung die Einheit Deutschlands zu fördern, so werden wir dennoch alle
Maßregeln vermeiden, welche die zur Stärke Deutschlands nothwendige Würde und
Selbstständigkeit Preußens gefährden könnten.“
Die Erklärung des Ministerpräsidenten wurde von der Rechten mit sehr vielem Beifall
aufgenommen, aber die gewöhnlichen Verhandlungen sofort begonnen. Zuerst haben drei dringende
Anträge das Vorrecht vor der Tagesordnung.
Abgeordnete Harkort beantragt, die Abgaben der Bergwerke auf
höchstens 5 pCt. vom Reinertrag zu ermäßigen, und diesen Gesetzvorschlag der Fachkommission
zur ferneren Berathung zu überweisen, welches angenommen wird.
Abgeordnete v. Pokrzywnicki beantragt, daß sofort eine Kommission
von acht Mitgliedern erwählt werde, welche, mit Benutzung aller Materialen des Ministeriums
und der über diesen Gegenstand eingegangenen Petitionen, zu prüfen habe, ob Veranlassung
gegeben ist von der Richtung der Ostbahn abzuweichen, und ob der bereits begonnene Bau auf der
Strecke zwischen Driesen und Bromberg wieder aufgegeben werden soll. ‒ Er begründet seinen
Antrag noch folgendermaßen: Meine neuliche Interpellation über diesen Gegenstand hatte den
Zweck, das Recht dieser Versammlung in Anerkennung zu bringen, über die Richtung einer
Eisenbahn ein Wort mitzusprechen, welches auch vom Ministerium anerkannt wurde, da uns der
Finanzminister die baldige Vorlegung eines Gesetzes über die Ostbahn versprochen hat. Wenn wir
aber den Bau der Ostbahn in der jetzigen Richtung fortdauern lassen, so sind wir in der
Bestimmung der Richtung der Bahn schon im Voraus captivirt. Gesetzt, es stellte sich heraus,
daß eine andere Richtung eben so vortheilhaft wäre, so würden wir doch gezwungen sein, die
schon jetzt eingeschlagene zu wählen, wenn wir nicht die bereits darauf verwendeten Kosten
ganz verlieren wollten. Denn wenn wir auch einen Regreß an den verantwortlichen Minister
nehmen wollten, so würde doch dessen Vermögen zum Ersatz nicht ausreichen. Aus diesen Gründen
beantrage ich, die Arbeiten an der jetzigen Richtung bis zur völligen Entscheidung einstweilen
einzustellen. Wenn der Minister meinte, daß die Arbeiten nur begonnen hätten, um brodlose
Arbeiter zu beschäftigen, so könnten doch die Arbeiten an einem andern Punkt beginnen, wo die
Richtung unzweifelhaft ist, wie an der Zweigbahn, zwischen Dirschau und Danzig.
Einige Redner sprachen dagegen, da nimmt Rodbertus (der frühere
Minister) das Wort, und greift das Ministerium hinsichtlich seines ganzen Verfahrens in dieser
Angelegenheit auf's Stärkste an. Er stellt der Versammlung vor, zu erwägen, daß es gilt, einen
Beschluß zu fassen, über die vortheilhafteste Verwendung von 28 Millionen, auf wie hoch die
Ostbahn veranschlagt sei. Wir können keinesfalls die Vorlagen des Ministeriums abwarten. Er könne überhaupt den vom Ministerium vorgeschlagenen Finanzmaßregeln seine
Zustimmung nicht geben. Die Versammlung möge ebenso wie der Vereinigte Landtag die
Genehmigung zum Bau der Ostbahn an die vorgeschlagenen Finanzmaßregeln knüpfen und wie jener
Landtag auf seine Rechte eifersüchtig sein, umsomehr, da wir größere Rechte haben.
Die Rede Rodbertus wird mit vielem Beifall aufgenommen, da er sich
mit derselben entschieden in Opposition gegen das Ministerium gesetzt hat.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten, Milde, sucht das Ministerium
gegen die gemachten Angriffe zu entschuldigen. Er meint, daß die Beschlußnahme der Versammlung
über die Verwendung der Gelder nicht umgegangen worden sei, da zu den Arbeiten an der Ostbahn
nur die auf den gewöhnlichen Etat aufgestellten Summen für öffentliche Arbeiten verwendet
wurden, um brodlose Arbeiter seit Anfangs Juni dadurch zu beschäftigen. Er spricht sich gegen
die Niedersetzung einer Kommission aus.
Trotz des Widerspruchs des Ministers wird doch die Niedersetzung einer Kommission
beschlossen.
Hierauf beantragen die Abgeordneten Neuenburg, D'Ester und mehrere
Andere aus der Rheinprovinz folgenden Gesetzentwurf, welcher der Fachkommission mit der
Weisung zugehen soll, ihn über acht Tage der Plenarsitzung wieder vorzulegen. Der einzige
Paragraph lautet:
„Alle Steuern von dem in den preußischen Staaten erzeugten Wein sind aufgehoben.“
Neuenburg begründet den Antrag folgendermaßen. Die im preußischen
Staate bestehende Weinsteuer haftet auf dem rohen Ertrage und entspricht deshalb, so wie wegen ihrer Konkurrenz mit der vom reinen Ertrage zu zahlenden
Grundsteuer, bei deren Feststellung auf die Weinsteuer gar keine Rücksicht genommen worden
ist, keineswegs den Prinzipien einer gerechten und gleichmäßigen Besteuerung. Die Weinsteuer
fällt aber auch fast ausschließlich einer Bevölkerung zur Last, welche sich schon seit vielen
Jahren im größten Nothstande befindet, wodurch die Regierung schon oft und namentlich auch
noch im letzten Jahre genöthigt gewesen ist, die fragliche Steuer gänzlich zu erlassen. Dieser
Nothstand währt in gesteigertem Maße fort, und es ist daher dringendes Erforderniß, durch
Aufhebung einer, schon an und für sich gar nicht zu rechtfertigenden Belastung wenigstens
einige Erleichterung herbeizuführen. Die Dringlichkeit der Berathung dieses Gesetzes, und die
schnellste Erlassung desselben ist durchaus nothwendig, wenn das Gesetz für alle Weinproduzenten Werth haben, und namentlich für diejenigen, welche schon während
der Weinlese zum Verkaufe der Weintrauben gezwungen sind, den Erfolg nicht ganz verlieren
soll. Ueberdies macht auch die Ermittelung des Steuerbetrags während und nach der Weinlese
höchst gehässige und zugleich kostspielige Kontrollmaßregeln unerläßlich, welche gleichfalls
nur durch baldige Erlassung des beantragten Gesetzes vermieden werden können.
Obgleich sich der Finanzminister Hansemann gegen das Gesetz
aussprach, indem er unter andern sagte: es würde sich fragen, ob die beantragte Maßregel
geeignet sein würde, den beabsichtigten Zweck zu erreichen, ‒ wurde dennoch der Antrag mit
großer Majorität angenommen.
Auf der Tagesordnung ist zuerst der Bericht der Centralabtheilung über die Gesetzesvorlage,
betreffend „die Aufhebung des eximirten Gerichtsstandes in Kriminal- und fiskalischen
Untersuchungen und Injuriensachen.“
Es erhebt sich hierüber eine fürchterlich langweilige Debatte. Man erkennt den Fortschritt
an, der soweit in dem vorliegenden Gesetzentwurfe enthalten, als derselbe auf dem Grundsatze
der Gleichheit vor dem Gesetze beruht. Dagegen wird andererseits hervorgehoben, der
Gesetzentwurf entspreche den in der Justiz nöthigen Reformen nur zu einem kleinen Theile.
Seine Bedeutsamkeit sei bei der nicht beträchtlichen Zahl von Verbrechen und Injurien
Eximirter, und da im Wesentlichen nur die Führung und Aburtheilung derartiger Untersuchungen
und Prozesse den Obergerichten abgenommen und den Untergerichten übertragen werde, von
geringem Belange. Bei der angekündigten Reorganisation des gesammten Justizwesens liege daher
keine genügende Veranlassung zu baldigem Erlasse dieses Specialgesetzes vor, und um so
weniger, als bei dem Fortbestehen der Patrimonialgerichtsbarkeit die Gerichtsherren unter die
Jurisdiktion ihrer eigenen Gerichtshalter fallen würden, hierdurch aber neues Mißtrauen
hinsichtlich unparteiischer Rechtspflege entstehen dürfte.
Der Justizminister erklärte dagegen: daß die Regierung durch das
vorliegende Gesetz darthun wolle, wie sie bemüht sei, den Erwartungen des Volkes
entgegenzukommen, und daß noch die gegenwärtige Versammlung der Vorlage einer neuen
Kriminalordnung und eines neuen Kriminalrechts entgegensehen könne.
Andere Redner hoben hervor, daß die baldige, auch nur theilweise Einführung des Grundsatzes
der völligen Gleichheit vor dem Gesetze den Beifall des Landes erhalten, und eine Bürgschaft
für die beschleunigte gänzliche Durchführung dieses Prinzips geben werde. Die Fälle der
Untersuchungen und Injurienprozesse gegen Gerichtsherren bis zur Aufhebung der
Patrimonialgerichtsbarkeit werden jedenfalls sehr selten sein und wegen der Möglichkeit
weniger derartiger Fälle läßt sich das gänzliche Vorenthalten der Wohlthat des Gesetzentwurfs
nicht rechtfertigen.
Von andern Rednern wurde in Anregung gebracht, ob das Gesetz nicht auch auf den Militär- und
Gerichtsstand der Studenten, so wie auf die Exemtion der Richter und der gerichtlichen
Polizeibeamten im Bezirke des Appellations-Gerichtes zu Köln Anwendung finden solle.
Die Centralabtheilung hat sich jedoch für den Fortbestand dieser Exemtionen, unter
Ausdehnung auf alle Richter, entschieden. Man rechnete diese Exemtionen theils nicht zu dem
persönlich privilegirten Gerichtsstande, theils fand man sich zur derzeitigen Aufrechthaltung
veranlaßt, weil der eximirte Gerichtsstande des Militärs und der Studenten wesentlich mit in
den disciplinarischen Verhältnissen begründet sei, und der Aufhebung desselben umfassende
Veränderungen der Organisation beider Berufsstände vorhergehen müßten, die Exemtion der
Richter aber zur Zeit noch als eine Gewähr unpartheiischer Gerechtigkeit im Interesse des
Volkes aufzufassen sei.
Ein Amendement wollte auch die Aufhebung des eximirten Gerichtsstandes in Civilsachen vom 1.
Dezember 1848 ab; ein Unteramendement trug auf „auf gleichzeitige Aufhebung der
Patrimonial-Gerichtsbarkeit“ an, es wurden aber beide abgelehnt, weil die nöthigen
Vorbereitungen zu dieser Aufhebung zu umfassend seien, um die Durchführung bis zu einem
gewissen Termine vorher bestimmen zu können.
Nachdem der Justizminister Märker sich nachdrücklich für den
Entwurf, wie er aus der Centralabtheilung hervorgegangen, ausgesprochen und versichert hatte,
daß nur, wenn dieser Entwurf ganz so angenommen würde, daß Justizministerium in den Stand
gesetzt sei, die Vorlagen wegen Einrichtung der Geschwornengerichte auszuarbeiten, wurde das
Amendement wegen Aufhebung des militärischen Gerichtsstandes, welches Jung und Borchardt glänzend vertheidigten, mit 166 gegen 151
Stimmen verworfen. Ebenso erging es allen andern und so wurden die einzelnen §. §. des
Gesetzentwurfs angenommen. Der ganze Entwurf kommt, nach der Geschäftsordnung, in der nächsten
Sitzung nochmals zur Abstimmung.
Endlich kommt der Kommissions-Bericht, betreffend den Antrag des Staatsanwaldes v. Kirchmann, die Genehmigung zu der gerichtlichen Verfolgung des
AbgeordnetenKuhr zu ertheilen, zur Verhandlung.
Der Abgeordnete, Rittergutsbesitzer und Landwehr-Rittmeister Kuhr
aus Splitter bei Tilsit, ist der Fortnahme eines Gewehrs und einiger Kugeln bei, der in der
Nacht vom 14. Juni stattgehabten Erstürmung des Zeughauses, beschuldigt. Die Centralabtheilung
beantragt: „die von dem Staatsanwalde nachgesuchte Genehmigung zur gerichtlichen Verfolgung
des Abgeordneten Rittmeister. Kuhr, wegen Theilnahme an dem am 14.
Juni d. J. vorgefallenen Excesse am hiesigen Zeughause, zu ertheilen.“
Borchardt erklärt sich gegen die Bewilligung. Er verliest die
aufgenommenen Protokolle, woraus sich ergiebt, daß Kuhr das Gewehr von
einem Manne vor dem Zeughause empfangen habe und er nur die Konstruktion des
Zünd-Nadelgewehrs, als eine neue Erfindung, prüfen wollte. Kuhr habe
dies auch Alles selbst erzählt, als er das Gewehr nach seiner Wohnung brachte. ‒ Borchardt sprach noch im Allgemeinen gegen den Antrag, wurde aber sehr
oft von der Rechten tumultarisch unterbrochen und nur mit großer Mühe konnte ihm der Präsident
das Wort verschaffen. Die Rechte will durchaus nichts mehr hören, sondern nur abstimmen. Dafür
rächen sich Einige von der Linken und tragen auf namentliche Abstimmung an. Der Antrag wurde
mit großer Majorität angenommen und daher wird der Abgeordnete Kuhr
nächstens mit vor Gericht erscheinen.
@xml:id | #ar061_007 |
@type | jArticle |
@facs | 0304 |
[
*
] Berlin, 29. Juni.
Die neuliche Interpellation wegen der Militärärzte hat gefruchtet. Die desfallsige
Kabinetsordre steht im heutigen Stabs-Anzeiger. Die Staatsärzte 1. Klasse erhalten
Premier-Lieutenants-, die 2. Klasse Seconde-Lieutenantsrang. (Stabsärzte 2. Klasse sind alle
bisherigen Pensionärärzte des Friedrich-Wilhelms-Instituts.) Mehrere Klassen von Unterärzten
erhalten Gehalts-Erhöhung von 5 Thlr. monatlich, und die Aerzte mit Offiziersrang bekommen
Epaulettes. Die Ordonnanz, contrasign. mit Schreckenstein, ist datirt Sanssouci, 25. Juli.
Weitere Reformen im Militär-Medizinalwesen werden vorbehalten.
@xml:id | #ar061_008 |
@type | jArticle |
@facs | 0304 |
[
103
] Berlin, 28. Juli.
Man erzählt, daß heute Morgen nach 11 Uhr eine Depesche des Reichsverwesers eingelaufen sei,
wonach die Verfügung des Reichs-Kriegsministers Peucker, die Huldigung
der Truppen am 6. August, zurückgenommen sei. So viel ist gewiß, daß der Minister-Präsident,
nachdem er die Erklärung in der Vereinbarer-Versammlung abgegeben hatte, nach dem Vorzimmer
des Sitzungslokals gerufen wurde und dort Depeschen in Empfang nahm, die sehr befriedigend für
ihn sein mußten, da er gut gelaunt zurückkehrte. ‒ Andererseits wird jedoch das Gerücht
mitgetheilt, daß vorgestern ein großer Familienrath in Sanssouci abgehalten wurde, welchem
außer Auerswald und Hansemann auch Camphausen beiwohnte und wo beschlossen sein soll: in
Betracht, daß der König von seinem gegebenen Worte: „Preußen soll in Deutschland aufgehen“,
nicht zurückgehen könne, solle er abdanken, der Prinz von Preußen dagegen die Regierung
übernehmen und Preußen ganz als selbstständigen Staat, wie er vor der Revolution war,
Deutschland gegenüber erhalten. Um aber das Volk andererseits zufrieden zu stellen, wolle man
eine wirklich demokratisch-konstitutionelle Verfassung mit einer
Kammer und allen versprochenen Freiheiten geben, um so die Worte des Königs eine Verfassung
auf „breitester Grundlage“ zu erfüllen.
@xml:id | #ar061_009 |
@type | jArticle |
@facs | 0304 |
[
119
] Berlin, 28. Juli.
Als Herr von Auerswald in der heutigen Sitzung über die deutsche Affaire sein Pensum
hergesagt hatte, klatschte die Rechte, höchst beifällig wie ein vergnügter Va ter, wenn sein
Junge die aufgegebenen Sprüche gut memorirt hat. ‒ Von größerer Bedeutung dürfte die heute
entschieden herausgetretene Opposition gegen das Ministerium, namentlich gegen die
Finanz-Maneuvres des Herrn Hansemann sein. Man sah während dieser Rede Herrn Hansemann und
seinen Kompagnon Herrn Milde in sehr eifrigem Gespräch, alles das buchstäblich hinter dem
Rücken des gewaltigen Schreckenstein, welcher in ihrer Mitte sitzt. Der große General und
Barrikadenvernichter wurde von den beiden Finanzmännern vollständig umzingelt. „Prophete
rechts, Prophete links, ‒ das Weltkind in der Mitten!“
Uebrigens ist der Untergang der Welt außerordentlich nahe, denn Dienstag wollen sämmtliche
Setzer und Drucker aufhören zu arbeiten, und eine Existenz der Welt ohne Muhme Voß und Onkel
Spener ist für uns nicht denkbar. ‒ Auf der Tagesordnung für Dienstag befindet sich eine
Interpellation an das Ministerium wegen des neuen Instituts der Konstabler, welche eifrig
fortfahren sich der Berliner Bevölkerung verhaßt zu machen. Die Anzahl der bereits Verhafteten
ist ganz beträchtlich.
@xml:id | #ar061_010 |
@type | jArticle |
@facs | 0304 |
Berlin, 28. Juli.
Das Ministerium der geistlichen, Unterrichts-und Medizinal-Angelegenheiten hat auf Grund des
Bundes-Beschlusses vom 2. April d. J. die Beschränkungen aufgehoben, welche den
Juristen-Fakultäten der Landes-Universitäten durch frühere Bundes-Beschlüsse und
Ministerial-Verfügungen bei der Annahme der von außerhalb eingesandten Akten in Kriminal- und
Polizeisachen zum Spruch auferlegt waren.
[(Pr. St.-A.)]
‒ Das Konstabler-Institut hat sich in den wenigen Tagen seiner Existenz bereits mit Ruhm
bedeckt. Ein Handwerksbursch mit lahmem Fuß und von elendem Aussehen schleppte sich an der
Kranzlerschen Konditorei vorüber, ein dort sitzender Herr rief ihn an und schenkte ihm ein
Zweigroschenstück, gleich an der Ecke faßte ihn ein Konstabler; der Herr, welcher dies
bemerkte, rief den Burschen abermals heran, der Konstabler kam mit und bestand darauf, den
„Bettler“ festnehmen zu müssen, worauf der Herr vor der Konditorei dem Beschenkten noch ein
Viergroschenstück gab und dem Konstabler bedeutete, daß er sich in die Freiheit des Gebens und
Nehmens nicht zu mischen habe. ‒ Vorgestern Abend unter den Linden wurden die Herren Held und
Abgeordneter Graf Reichenbach von Konstablern angefallen. Ein hiesiger Bürger ging mit seiner
Frau und einer andern Dame am späten Abend aus einer Gesellschaft nach Hause, unterweges tritt
der Herr in einen offenen Laden, um sich eine Cigarre anzuzünden; die Damen bleiben indeß vor
der Thüre stehen, plötzlich werden sie von Konstablern angefallen, welche sie als
umherschwärmende Dirnen arretiren wollen, der Herr stürzt aus dem Laden, und als er sagt, daß
die Damen zu ihm gehörten, werden ihm von Seiten der Herren Konstabler ‒ gemeine Zoten zur
Antwort; nur die Dazwischenkunft einiger Nachtwächter verhinderte die wirkliche Arretirung der
Damen. ‒ Fort mit diesem elenden, unverantwortlichen Institute! Wir brauchen und wollen keine
Lauerer auf unseren Schritten und Tritten, keine Spione, die unsere Gespräche behorchen und
denunciren, keine Bettelvögte, keine an allen Ecken faullenzende, und aus langer Weile die
Vorübergehenden hänselirende Müßiggänger. Seitdem die Konstabler da sind wird schon wieder
mehr gestohlen, wie die Anmeldungen von Diebstählen beweisen; kein Wunder, je mehr Aufseher,
desto mehr Laster!
[(B. Z.-H.)]
@xml:id | #ar061_011 |
@type | jArticle |
@facs | 0304 |
[
*
] Wien, 26. Juli.
Sehr viele Personen im übrigen Deutschland glauben, daß wir hier in Bezug auf den Krieg in
Italien sammt und sonders einer so zu nennenden patriotischen Hunds-
[0305]
[Spaltenumbruch] wuth verfallen seien. Freilich die Camarilla und die ganze Reaktonspartei wünscht,
es wäre so. Daß dem aber nicht so ist, davon kann sich Jeder überzeugen, der in hiesigen
öffentlichen Lokalen Unterhaltungen über diesen Gegenstand beiwohnt. Man lese zugleich, was
die „Allgm. Oestr. Zeitg.“, das beste Organ der demokratischen Partei in Oesterreich, in ihrer
gestrigen Nr. bei Beurtheilung der Reichstagsdebatten über Straßer's Vorschlag zu einem
provisorischen Rekrutirungsgesetz, sagt:
„Auch wir achten unsere tapferen Brüder in Italien, aber die Wiener Nationalversammlung darf
dem österreichischen Kriege in Italien keinen Vorschub leisten.
Wir sagen es rund heraus, daß der italienische Krieg eine Schmach ist, mit der uns
Metternich beladen, wir fordern von der Nationalversammlung, daß sie diese Schmach von uns
nehme. Wir wollen keine Völker knechten, weil wir es uns von andern Nationen auch nicht
gefallen lassen wollen.
Aber kein Mann fand sich in dem Reichstage, der Italien das Wort geredet hätte“
@xml:id | #ar061_012 |
@type | jArticle |
@facs | 0305 |
[
*
] Wien, 25. Juli.
In der heutigen Sitzung des konstituirenden Reichstags wurden abermals Interpellationen von
Interesse an die Minister gerichtet.
Abg.Sierakowski fragt, ob das vorige Ministerium verantwortlich
gewesen? Pillersdorf: Allerdings; die Ministerverantwortlichkeit sei
ja eins der ersten Zugeständnisse vom 15. März gewesen. Er selbst für seine Person sei bereit,
alle Akten des Ministeriums, dem er angehört, zu verantworten. Sierakowski: So werde ich in den nächsten Tagen eine Anklage gegen das Ministerium
Pillersdorf vor das Haus bringen.
Abg. Fischer begründet einen Antrag auf vollständige Mittheilung der
Staatshaushalts-Tabellen durch das Finanzministerium. Er erinnert an die Phrase der Thronrede,
„daß der Krieg in Italien nur einen ehrenvollen Frieden bezwecke,“ und da eine Hauptaufgabe
des „ehrenvollen Friedens“ jedenfalls darin bestehe, die Lombardei und Venedig zur Uebernahme
des betreffenden Staatsschuldenantheils anzuhalten, so müsse, um dies Quantum auszumitteln,
der Reichstag den Abschluß des Staatshauptbuches einsehen.
Der Finanzminister erwiedert, daß die Veröffentlichung des Verlangten vorbereitet wird.
Fischer verlangt noch, daß die Ausweise wenigstens von den drei vergangenen Jahren sein
müssen, was der Minister zusagt.
Abg. Umlauft: ob das Ministerium schon Schritte wegen Rückkehr des
Kaisers gethan? Der Minister des Innern erklärt, daß der bereits abgesendete Kourier heute
oder morgen zurückerwartet werde, und die Antwort alsbald vor das Haus gebracht werden
solle.
Klaudy interpellirt abermals wegen des gesetzwidrigen Säbelregiments
in Böhmen. Justizminister Bach: das Ministerium habe die schleunigsten
Mittel ergriffen, um den gesetzlicheen Zustand herzustellen und die genauesten Berichte zu
erhalten. Wir geben Ihnen die feierliche Versicherung, die politische
Seite dieser Frage wohl ins Auge zu fassen; wir werden uns daher auch hüten, das Beispiel
nachzuahmen, welches durch die monströsen politischen Tendenzprozesse
zwei edle Nationen zur Losreißung zwang. (Lebhafter Beifall.) Die erwähnte Untersuchung wird
jedenfalls in neuem Geiste, öffentlich und mittelst Geschworenen
geführt werden. (Stürmischer, langanhaltender Beifall.
@xml:id | #ar061_013 |
@type | jArticle |
@facs | 0305 |
Prag, 25. Juli.
Hr. Appellationsrath Taschek ist vorgestern mittelst telegraphischer Depesche nach Wien
berufen worden, wahrscheinlich um über den Fortgang und die Ergebnisse der
Verschwörungs-Untersuchungs-Kommission, deren Vorsitzender er ist, dem Ministerium Auskünfte
zu ertheilen.
[(C. B. a. B.)]
@xml:id | #ar061_014 |
@type | jArticle |
@facs | 0305 |
Rendsburg, 27. Juli.
Von militärischen Operationen im Norden ist noch keine Kunde eingetroffen, so wie auch
weitere Allarmirungen unserer Küsten und Häfen durch dänische Kriegsschiffe nicht statt gehabt
zu haben scheinen.
[(F. H. Z.)]
Französische Republik.
@xml:id | #ar061_023 |
@type | jArticle |
@facs | 0305 |
[
16
] Paris, 29. Juli.
Der Polizeipräfekt bevorschlagt die Vermehrung des vor dem Februar nur an 500 M. betragenden
Polizeikorps auf sechszehnhundert Mann; dies soll dem „süßen Commerce“
auf die Beine helfen und „Vertrauen“ herstellen. Die „France du XIX. Ciccle“ sagt: „Polizirt
so viel ihr wollt, aber blamirt euch nicht vor den Augen der Menschheit. Wie lächerlich, wie
skandalös war's nicht, daß ein Mann Gottes, und noch dazu ein Protestant, der Herr Coquerel,
eifrig bei der Hand ist, dem weiblichen Geschlecht sogar die stumme Anwesenheit in den Klubs
zu untersagen! Die Protestanten rühmen sich so stark! Und was wäre aus dem Christenthum, was
aus dem Protestantismus geworden, hätte man dem weiblichen Geschlechte den Eintritt in die
christlichen und protestantischen Klubs damals verboten?“ Das Jesuitenblatt „Univers“ belobt
freilich den Herrn Pastor, (dem die Frau Herzogin Orleans speziellen Dank wissen mag für die
Ehre, die er ihrem Geschlecht bewiesen) und der „Drapeau National,“ dieser schlechte Abklatsch
des „Drapeau Blanc“ unter Karl X., donnert gegen alle Klubs, ja selbst
gegen das Arbeitsanrecht „das doch nur dem Brüderlichkeitsprinzipe schade, der
Almosenpflicht, der Spontaneität des christlichen Hingebens und liebevollen Annehmens, zudem
sei die Erde nur eine Prüfungsfrist u. s. w.“ Das „Univers“, ist übellaunig gegen Deutschlands
„verdächtige Einheitsbestrebungen,“ worin es „ein heimliches Kampfspiel“ gegen die römische
Kirche daselbst wittern will; die atheistische Denk- und Lebensweise sei ohnehin schon so weit
dort verbreitet, daß leicht bei politischer Einheit die noch „gesund“ verbliebenen
Reichsländer angesteckt werden dürften; auch könne die deutsche Einheit der französischen
schaden; die Deutschen möchten doch ein Exempel an Frankreich nehmen, wohin man mit der
Centralisirungswuth endlich komme. Noch erbaulicher ist aber, daß dies barmherzige „Univers“
noch vor Februar so überreich an Zähren für „das grüne Harfenland des St. Patrik,“ daß es für
die irländische „Märtyrerkirche“ Geld bei den französischen Seigneurs und Kammermädchen
sammelte und die Leichenpredigt des Dominikaner Lacordaire auf O'Connell abdruckte, plötzlich
die pöbelhaftesten Schmähartikel gegen „die kommunistischen rothen Republikaner Dublins, diese
kleine Bande Volksverführer und Verächter des Schattens des großen O'Connell schleudert,“ der
Insurrektion baldigen Untergang wünscht und hinzusetzt: „Wer könnte nachher wohl noch dem
englischen Leoparden verargen, wenn er sich übermäßig rächt?“ So
giftig sprach selbst das „Journal des Debats“ nicht, es sagte nur: „man möge diese
Eigenthumszerstörer und Bauernaufwiegler nicht mit den Repealers alten Schlages, den echten
O'Connellisten, verwechseln“. Nächstens werden wir wohl erleben, daß dies „Univers“ die
polnische Nation desgleichen verhöhnt und den großen Nachfolgern Eichhorn's die Hand reicht.
Schon ist es mit der Schilderhebung der Kalabresen unzufrieden, und behauptet, Nikolaus sei
doch kein übler Regent. ‒ Der Präsident Marrast hat mit Geräusch eine Loge in der Oper miethen
lassen; „er trägt sich wie ein Stutzer, und wenn er sein altes irdenes Jakobinerpfeifchen noch
einmal aus Versehen geraucht hat, begießt er sich hastig mit Eau de Mille Fleurs, und salbt
sich mit Narde und Oel, um den demokratischen Qualm loszuwerden, (sagt der Impartial du Nord),
denn der Marquis de la Repulique ‒ gibt's einen bessern Titel für ihn? er hieß übrigens schon
lange vor 1848 so ‒ besucht gar feine Salons, wie sie einem so tief blasirten Menschen, der
eine einzige hohle manierirte Phrase von Kopf bis Ferse geworden ist, gerade behagen. Vergiß
nicht, Frankreich, daß er schon von Louis Philipp bestimmt war, Premierminister der Regrntin
Orleans zu werden. Genieße der Marquis sein neues Glück; aber bedenke er, es gab in der
historischen Epoche, für die er einst sehr schwärmte, wilde Männer, die manchem Marquis
zuletzt zuriefen: springe, springe, Marquis,“ (am Laternenpfahl
nämlich). Das „Journal de l'Aisne“ erbaut sein Bourgeoispublikum mit einigen Stellen, die
Marrast vor 14 Jahren über Dr. Jean Paul Marat, den Konventsmann, drucken ließ, worin heißt:
„Dieser eherne Mensch, dieser Todesengel in Menschengestalt, schlug schnell, und scharf, und
unaufhörlich, und sonder Reue, denn er galt sich selber als der Bote des jüngsten Gerichts.
welches ein Volk hält nach achthundertjähriger Unterdrückung. Für jeden Volksgrimm, für jede
Volksrache weiß er ein Wort des Lobes oder der Entschuldigung, und wir müssen gestehen, er hat
so gewaltige Last auf seinen einzigen Namen gewälzt und wälzen lassen, daß uns schier graust
beim Anblicke, und nur ein Gesammtvolk vermag solche Bürde ihm tragen
zu helfen....“ Das Bourgeoisblatt geräth in Zuckungen der Wuth, Schreiber dieses auf dem
Präsidentensessel der Bourgeoisversammlung zu wissen, und denunzirt ihn hiermit.‒ Während hoch
oben die Ritter des Geldkoffers und der Wohlredenheit Guerillakrieg aufführen, rückt die
Misere unten vor „unerbittlich wie der Stundenzeiger der Sonnenuhr, den man abbrechen, aber
nicht dadurch die Sonne aufhalten kann,“ (La Republique) und mit der Misere der kalte Todeshaß
im Proletariat. In den großen Messerfabricken zu Thiers in der Auvergne sind alle Arbeiter auf
dem Pflaster, und die Bourgeoisie hat „natürlich“ eintausend afrikanische Jäger „als Garnison
zum Schutze gegen diese leicht verführbaren Proletarier“ kommen lassen. In den Fayencefabriken
zu Limoges, wo Pierre Leroux Einfluß hatte, ist die Luft auch wieder unrein, mehrere hohe
Industrielle sind von da nach Paris gereist, um „Rücksprache“ zu nehmen. „Es bleibt nichts
Anderes übrig, bemerkten mir gestern mehrere französische Gelehrte und Negozianten im Kaffee,
als, so leid es uns auch thut, den Satz auszusprechen; daß vor Ablauf dieses Jahrhunderts das
Proletariat, weit entfernt emanzipirt zu sein, von der zum Vollbewußtsein ihrer Kräfte und
Rechte gelangten Bourgevisie vollständig zusammengepreßt, in ein Instrument verwandelt werden
wird.“ ‒ „Also ein modernes Sklaventhum?“ fragte ich.‒ „Ja wohl, aber noch strenger als je
eins in der Weltgeschichte.“Bon soir, Messieurs! sagte ich und ging.
@xml:id | #ar061_024 |
@type | jArticle |
@facs | 0305 |
[
12
] Paris, 27. Juli.
Als die siegreiche Partei plötzlich 14,000 Insurgenten in ihre Gewalt bekam und die
Unmöglichkeit erkannte, eine solche Masse zu richten und zu verurtheilen, kam man auf den
einfachen Gedanken, einer Deportation in Massa. „Ihr Franzosen, wollt 14,000 Menschen
transportiren?“ schrieen gleich die englischen Journale. „Wo wollt ihr das Geld hernehmen?
Wißt ihr, daß dies Euch mehr als ein Seekrieg zu stehn kommt?“ Die Franzosen störten sich an
diesen Aeußerungen nicht, und machten Vorbereitungsanstalten. Im Maße aber, als diese
Rüstungen vorwärtsschreiten, sehen sie ein, daß es keine so leichte Sache ist, die eine Hälfte
der Bevölkerung so zu sagen anderswo auf Kosten der andern Hälfte zu verpflanzen. Das Kapital
bekäme einen doppelten Stoß: die 14,000 Arbeiter sind ebensowohl ein Kapital, ein produktives
Kapital, als die Millionen, die man vom vorhandenen Kapital aufnehmen muß, um das Projekt der
Transportation in Ausführung zu bringen und das produktive Kapital dem Lande zu entziehen. In
der Unmöglichkeit der Ausführung hat, wie es allgemein heißt, die exekutive Gewalt den Plan
einer Amnestie gefaßt. Wenn die Geistlichkeit diese Amnestie auf Rechnung ihrer Fürbitten
setzen will, so ist sie im Irrthume.
Die „Insurgenten“ ihrerseits sind in diesem Augenblicke beschäftigt, eine Broschure in
Belgien zu 30,000 Abzügen drucken zu lassen, worin sie die verübten Grausamkeiten der
Nationalgarde an den Tag bringen wollen. Man spreche nur nicht von dieser „Partei“ als von
einer „Minorität“. Eine Minorität, welche
[0306]
[Spaltenumbruch] nach Cavaignac's Geständniß die Majorität „zwei Finger weit“ vom Abgrunde brachte,
ist nicht zu verschmähen. Diese „Minorität“ wird schon nicht mehr „als Brigand,“ in allen
Blättern geschmäht. Man fürchtet, daß dieselbe einmal 2 Finger weiter gehen könne, und es
gefährlich ist, von siegreichen „Brigands“ sein Heil erwarten zu müssen. Das Heil, welches die
großen Männer der Epoche Cavaignac und Rothschild der Republik bringen, ist wahrhaftig nicht
heilbringend für den Mittelstand und den größten Theil der Bevölkerung.
Die Proklamation des Herrn Ducaur, des neuen Polizeipräfekten, der den Kredit, den Handel
durch Worte und Ermahnungen wiederherstellen will, ist in dieser Beziehung beachtungswerth.
„Alle fünf Tage, sagt er, will er ein Bulletin über den Zustand des öffentlichen Vertrauens
und der öffentlichen Sicherheit veröffentlichen. Und zur Beruhigung fängt er damit an, zu
konstatiren, daß zu keiner Zeit weniger Attentate auf Personen und Eigenthum vorgefallen. Was
nun die sonst verbreiteten Gerüchte über Unterminirungen und Staats-Attentate beträfe, so sei
nie weniger zu befürchten gewesen, als jetzt. Die unterirdischen Gänge, von denen so viel
gesprochen, hätten nie existirt; die Steingruben, wo Legionen von Feinden und ganze
Niederlagen von Waffen versteckt sein sollten, seien mit der größten Sorgfalt explorirt
worden. Die Katakomben, von denen gesagt wurde, sie seien in Pulverminen verwandelt worden, um
ganze Stadtviertel in die Luft zu sprengen, hätten von keiner Explosion was zu fürchten, wegen
der dicken Erdrinde, welche die Aushölungen bedeckt.
In der Kammer stehen sich zwei der spaßhaftesten Figuren gegenüber, Proudhon und Thiers.
„Die Uhr der Welt steht still, ich will sie aufziehen,“ sagt Proudhon, und Thiers, sich als
politischer Rise gebährend, antwortet: „Seht, Franzosen, dieser National-Dekonom würde die
Weltuhr in Tausend Stücke zerbrechen!“ Proudhon, der die Weltuhr aufziehen will, und Thiers,
der befürchtet, Proudhon würde sie zerbrechen! Proudhon, der gar nicht einmal das Uhrloch zu
finden weiß, da er die Welt bei der Grundrente fassen will. La rente est le produit gratuit de
la terre! Die Rente, ein Produkt, das die Erde gratis gäbe, müsse der Gesellschaft zu Gute
kommen. Und Thiers, der Proudhon, nicht vom ökonomischen, sondern vom politisch-moralischen
Standpunkte bekämpft. Wie werden die Engländer über Thiers und Proudhon lachen!
‒ Nationalversammlung. Sitzung vom 28. Juli. Marrast präsidirt.
Berard überreicht eine Bittschrift eine Abonnenten der „Presse,“ die 1) auf Entsiegelung dieses Blattes und 2) auf Freilassung
Abdelkader's anträgt. (Gelächter.) Eine Menge Bittschriften werden überreicht. Denis liest seinen Bericht über Waldeck Rousseau's Antrag auf Errichtung
von Approvisionements der Kolonieen vor. Die Diskussion wird verschoben. Lagache trägt seinen
Bericht: rücksichtlich der Anträge von Anleihen für das Euredepartement, St. Omer u. s. w.
vor, damit sie ihre brodlosen Arbeiter beschäftigen können. Der
Ausschuß trug auf Bewilligung an. Die Versammlung trat den Ausschußanträgen ohne Weiteres
bei.
Senard, Minister des Innern, legt ähnliche Verlangen im Namen Straßburg's und Havre's vor.
Die Zahl der zu unterstützenden Arbeiter sei dort enorm.
An den Ausschuß verwiesen.
Die Versammlung nimmt dann das Klubgesetz wieder hervor. Sie war gestern bis zum 16. Artikel
vorgerückt, der von der Kompetenz der Gerichte handelt.
Jouin schlägt ein Amendement vor. Isambert bekämpft dasselbe.
Dupont (Bussac) sucht sie wieder ins Reine zu bringen und macht sich nunmehr über das ganze
Gesetz lustig.
Base bewundert den Geist und die Ironie des Vorredners, aber auch dessen Blindheit, in
welcher er die Gefahr nicht sehe, welche Frankreich laufe, wenn das Klubgesetz nicht
durchgeht.
Die Artikel 16., 17. und 18, die von den Strafen handeln, gaben zu neuen Kämpfen
Veranlassung.
Mit 370 gegen 362 Stimmen wurde entschieden: daß die Polizeiübertretungen und gewisse kleine
Vergehen von den Zuchtpolizeigerichten, dagegen die eigentlichen Vergehen (delits) von den Geschworenen gerichtet werden sollen.
Dieses Votum war vom Berge hervorgerufen und durchgesetzt worden.
Antony Thouret macht den Schlußantrag: Das Gesetz als ein transistorisches durch den
nächsten gesetzgebenden Körper revidiren zu lassen.
Senard, Minister, protestirt dagegen. Ein solcher Anhang werfe Mißachtung auf die
Maßregel.
X. Durrier bekämpft das Gesetz von Neuem und erklärt, mit demselben würde nicht einmal ein
Bankett à la Chateau rouge mehr möglich sein.
Senard erwidert, daß das Klubgesetz nie gegen eine zufällige Versammlung angewendet werden
könne. Es beziehe sich nur auf förmlich gebildete Gesellschaften (reunions fondèes).
Die Versammlung schreitet zur Abstimmung. Zwanzig Mitglieder verlangen namentliche
Abstimmung durch Stimmzettel. Unter allgemeiner Aufmerksamkeit verkündet Präsident Marrast
folgendes Resultat: Zahl der Stimmenden 729. Majorität: 329. Für Annahme stimmen 629, dagegen
100.
Das vier Tage lang angefochtene Klubgesetz ist also endlich angenommen. De Latouche erklärt
der Versammlung, daß er den General Cavaignac und den Minister rücksichtlich seiner Maßregeln
gegen die seit dem vorigen Monat unterdrückten Journale zur Rede stellen wolle.
Diese Interpellationen werden auf morgen anberaumt. Die Proudhonsche Diskussion auf Montag
verschoben.
[Anzeige]
Schiffahrts-Anzeige.Köln, 30. Juli 1848.
Abgefahren:L. Tillmann nach Koblenz; J. Bayer nach der Saar; L.
Hermann nach Kannstadt; A. Adams nach Mannheim; J. A. Orts nach Wesel.
In Ladung: Nach Ruhrort bis Emmerich H. Lübbers; nach Düsseldorf bis
Mühlheim an der Ruhr L. Ducoffre; nach Koblenz, der Mosel und Saar J. Tillmann; nach der
Mosel, Trier und der Saar P. Kohlbecher; nach Mainz Joh. Acker; nach dem Niedermain C. Nees;
nach dem Mittel- und Obermain Val. Ebert; nach Heilbronn G. A. Klee; nach Kannstadt und
Stuttgart H. Klee; nach Worms und Mannheim And. Rauth;
Ferner: Nach Rotterdam Kapt. Willms Köln Nr. 20
Ferner: Nach Amsterdam Kapt. Berns Köln
Nr. 4
Wasserstand.
Köln, am 30. Juli. Rheinhöhe 8′
Civilstand der Stadt Köln.
Geburten.
27. Juli. Heinr. Hub. Jos., S. v. Joh. Jos. Schmitz, Buchdrucker, Salzgasse. ‒ Anna Maria
Francisca, T v. Lambert Schieffer, Handlungsgehülfe, kl. Bubengasse. ‒ Elis., T. v. Franz
Engels, Schuster, Johannstraße. ‒ Karl Jak. Per., S. v. Karl Jak. Leger, Viehhändler,
Telegraphenstraße. ‒ Laura, T. v. Heinr. Stern, Goldarbeiter, Schildergasse.
28 Juli. Karl Martin, S. v. Theodor Müller, Essigfabrikarbeiter, Röhrergasse. ‒ Nik., S. v.
Nik. Lutz, Steinhauer, gr. Neugasse. ‒ Ferd. Pet., S. v. Eduard Klöckner, Strumpfwirker,
Filzengraben. ‒ Anna Maria, T. v. Arnold Paffrath, Taglöhner, Thieboldsgasse. ‒ Gertr., T. v.
Peter Lauterborn, Schuster, Brand, Càcilia, T. v. Joh. Oster, Gärtner, Mauritiuswall. ‒ Ein
uneheliches Mädchen.
Sterbefälle
27. Juli. Joh. Fried. Hub. Froitzheim, 1 1/2 J. alt, am Hof. ‒ Joh. Heinr. Christ. Franz
Moll, Rentner, 75 J. alt, verh, gr. Budengasse. ‒ Jos. Apol. Hub. Velten, 9 M. 12 T. alt,
Breitstraße. ‒ Johanna Josepha Walb. Müller, 14 M. 3 W. alt, Wollküche. ‒ Marg. Schumacher,
geb. Fasbender, 78 J. alt, Thürmchenswall. ‒ Sib. Wind, geb. Simons, 52 J. alt,
Minoritenspital.
28. Juli. Elis. Kaspers, 17 Tage alt, Spulmannsgasse. ‒ Pauline Christine Dietz, 8 J 3 M.
alt, Pantaleonstraße. ‒ Wilh. Müller, 2 J. 18 T. alt, Ulrichsgasse.
Heirathsankündigungen.
30. Juli. Joh. Friedr. Wilh. Schuhmacher, Kfm., Follerstraße, mit Anna Maria Marg. Hub.
Petronelle Pauline Massen, Breitstraße. ‒ Joh. Jakob Creuzberg, Färber, Eulengartengasse, und
Helene Katharina Frechen, Severinstraße. ‒ Wilh. Heinr. Pescher, Dachdeckermeister,
Klobengasse, und Anna Helena Stangier, Altenmarkt. ‒ Pet. Gustav Bertram, Wwr,
Dekorationsmaler, Komödienstraße, und Anna Kath. Bärenstein, Breitstraße. ‒ Heinr. Kres,
Taglöhner, und Anna Katharina Brenig, beide Tempelstraße. ‒ Ferd. Hoffsümmer, Taglöhner,
Severinstraße, und Kath. Charlotta Zehnpfennig, Severinswall. ‒ Christ. Rueff, Posament.
Ulrichsgasse, und Barbara Friederika Cinsle, kl. Griechenmarkt. ‒ Winand Bornhart, Taglöhner,
Schemmergasse, und Marg. Schrödter, Löhrgasse. ‒ Herm. Jos. Christian von der Decken.
Amtsmann, zu Borgholzhausen, und Anna Kath. Hubert. Norrenberg, kl. Budengasse. ‒ Kasper
Kirchner, Wwr., Zuckerfiedermeister, Stolkgasse, und Susanna Francisca Stein, gr.
Griechenmarkt. ‒ Heinrich Uber, Fuhrknecht, und Anna Kath. Kölsbach beide Weiherstraße. ‒ Pet.
Jos. Rosowe, Strumpfwirker, Peterstraße, und Anna Conrads, Lungengasse. ‒ Johann Riemann,
Taglöhner, Kreuzgasse, und Anna Christine Bendel., Hunnenrücken. ‒ Karl Lambert Bruner,
Bierbrauergeselle, Lungengasse, und Magdalena Breuer, alten Mauer an Aposteln.
Eine große Auswahl von Häusern sind zu billigen Preisen zu verkaufen und zu vermiethen.
Kapitalien gegen erste Hypotheke werden gesucht. Näheres bei J P. Spendeck, gr. Neugasse
18.
„Neue Rheinische Zeitung.“
Unseren auswärtigen Herren Aktionairen zeigen wir hiermit an, daß gestern der
Gesellschafts-Vertrag der „Neuen Rheinischen Zeitungs-Gesellschaft“ vor dem Notar Herrn Krahe
abgeschlossen wurde, und daß die Herren H. Korff als Gerant, L. Schulz und St. Naut als
Cogeranten von nun an definitiv fungiren und alle Geschäfte der Gesellschaft verwalten.
Das Statut wird gedruckt und binnen einigen Tagen den Herren Aktionairen zugesandt
werden.
Köln, den 30. Juli 1848.
Das provisorische Comite.
Bekanntmachung.
Die nach meiner Bekanntmachung vom 13. April c. zwischen Siegburg und Overath angelegte
tägliche Botenpost wird vom 1. August c. ab versuchsweise in eine Cariolpost, mit welcher 4
Personen à 5 Sgr. per Meile befördert werden können, verwandelt.
Der Abgang dieser Post erfolgt:
Aus Overath Morgens 6 Uhr,
zum Anschluß in Siegburg nach Köln und
Bonn,
- aus Siegburg im Sommer 5 Uhr
- im Winter 4 Uhr
Nachmittags nach
Ankunft der Post von Köln nach Frankfurt.
Die Fahrt zwischen Siegburg und Overath wird, mit Einschluß von 10 Minuten in Stolzenbach,
in 2 1/2 Stunden verrichtet.
Köln, den 28. Juli 1848.
Der Ober-Post-Direktor, gez. Rehfeldt.
Bekanntmachung.
Vom 1. August c. ab wird die zweite tägliche Personenpost zwischen Köln und Crefeld, welche
Mittags 1 Uhr aus Crefeld und Abends 10 Uhr aus Köln abging, aufgehoben. Die weitere
Regulirung der Posten zwischen Köln und Neuß bleibt vorbehalten.
Die Korrespondenz und Gegenstände nach und über Crefeld, welche bisher mit der aufgehobenen
Post befördert wurden, werden von obiger Zeit ab per Eisenbahn über Düsseldorf geleitet.
Köln, den 28. Juli 1848.
Der Ober-Post-Direktor, Rehfeld.
Gerichtlicher Verkauf.
Am Dienstag, den 1. August c, Vormittags 10 Uhr, sollen auf dem Apostelmarkte zu Köln,
mehrere Stücke Orleans und Merinos, mehrere Umschlagtücher, Tischdecken, Bettspreiten etc.
öffentlich gegen gleich baare Zahlung versteigert werden.
Wambach, Gerichtsvollzieher.
Ein ausgezeichnetes Lager-Bier Buttermarkt Nro. 20.
Ein Uhrmacher-Lehrling gesucht bei J. Koch, Breitstraße 96.