Deutschland.
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@facs | 0297 |
Edition: [Karl Marx: Der Gesetzentwurf über die Zwangsanleihe und seine Motivierung. In: MEGA2 I/7. S. 407.]
[
**
]
Köln, 29. Juli.
(Schluß.) Wie Peel einst für die Getreidezölle, so hat
Hansemann-Pinto für den unfreiwilligigen Patriotismus eine „gleitende Scala“entdeckt.
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@facs | 0297 |
Edition: [Karl Marx: Gesetzentwurf über die Aufhebung der Feudallasten. In: MEGA2 I/7. S. 436.]
[
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]
Köln, 29. Juli.
(Der Gesetzentwurf über die Feudallasten.)
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[0298]
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[
26
] Crefeld, 25. Juli.
Unsere Bürgerwehr hat durch geheimes Serurinium einen Bürger aus ihren Reihen gestoßen,
weil er bei einer gelegentlichen Parade nicht eingestimmt haben soll, in die „Hoch“ auf den
Erzherzog und den König von Preußen. In Folge dieses Ausschlusses wollte ihm ein
Bürger-Offizier sein Gewehr wegnehmen und als er sich diesem Vorhaben widersetzte, requirirte
der Kommandant Hr. Spezial-Eisenbahn-Direktor Schnarr unsere Polizei, die denn auch drei Mann
hoch vorrückte und unter ihrem Inspektor die fragliche Waffe mit Gewalt wegnahm. Auf eine
desfallsige Beschwerde, worin gefragt wurde, ob die Polizei das Recht habe, einen Bürger auf
Requisition eines Bürgerwehr-Kommandanten seiner Waffen zu berauben, die ihm doch die
Revolution zum Schutze seiner Person und seines Eigenthums gegeben, erging folgender Bescheid
des Oberprokurators in Düsseldorf, der wohl verdient in weiten Kreisen bekannt zu werden um zu
zeigen, welche väterliche Theilnahme unsre Polizei an dem Bürgerwehr-Institute nimmt, damit
der gute Geist bei ihr erhalten und gepflegt werde. Das Schreiben des Herrn Prokurators
Schnaase lautet: „Ihre Beschwerde vom 14. d. M. kann ich nicht als begründet anerkennen. Durch
Ihren Beitritt zur Bürgerwehr haben Sie sich der von der Königl. Regierung bestätigten Ordnung
derselben und mithin auch der Bestimmung, welche der Kompagnie das Recht der Ausschließung
beilegt, unterworfen und sind Sie also durch den von derselben gefaßten Beschluß rechtskräftig
ausgeschlossen. Dadurch hatten Sie aber auch die Befugniß verloren, die Ihnen übergebenen
Waffen zurückzubehalten, da dieselben vom Staate nicht sowohl Ihnen persönlich als der
Bürgerwehr anvertraut und Ihnen nur als Mitglied derselben eingehändigt waren. Es stand daher
auch dem Kommandanten der Bürgerwehr das Recht der Ausführung jenes Sie ausschließenden
Beschlusses zu und ist nichts dagegen zu erinnern, wenn er diese Ausführung dem
Polizei-Inspektor überließ und dieser es übernahm. Der Oberprokurator Schnaase.
Wie wir vernehmen, hat der ausgestoßene Bürger sich an den Generalprokurator resp. an das
Ministerium gewandt, um zu erfahren, ob die Ansicht des Herrn Schnaase auch von diesen
Wächtern des Gesetzes getheilt wird. Den erhaltenen Bescheid hoffe ich Ihnen s. Z. mittheilen
zu können.
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*
] Crefeld, 23. Juli.
Unsere, seit der Aufhebung der Censurgesetze hier erscheinende Zeitung bringt in einer
Beilage zu Nro. 62 einen originellen Artikel, der gewiß verdient, der größtmöglichen
Oeffentlichkeit übergeben zu werden. Zur bessern Verständigung nur zwei Worte: Als die Pariser
Revolution abermals die Kette der Sklaverei zerbrochen hatte und den Auferstehungsruf durch
die Länder der Erde sandte, warfen auch unsere elenden Seidenweber ihr hartes Joch ab und
traten auf für ihre unveräußerlichen Rechte. Es war ein schwüler Tag für unser Crefeld, als
nun urplötzlich die lang unterdrückte Stimme so vieler Tausende sich erhob, und wie der Sturm
des jüngsten Gerichts nach Rache rief! Die Fabrikherren mochten fühlen, wie gefährlich es sei,
noch ferner bei den „allerdings großen Mißbräuchen, die sich in manchen
hiesigen Fabriken eingeschlichen hatten,“ zu verbleiben und sie beeilten sich daher,
einen Lohntarif so wie ein Statut zu entwerfen, wodurch jene „großen Mißbräuche“abgeschafft
werden sollten. Der Jubel, den die Verkündigung dieser Gesetze hervorrief, kann nicht
beschrieben werden: unsere Proletarier bekränzten ihre Fabrikherrn mit Eichenlaub und
Lorbeerzweigen und zogen Arm in Arm mit ihren Herrn, im Taumel der
„Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit“ unter Gesang und Musik durch die Straßen. Aber nicht
lange sollte diese Illusion dauern; bald war der Gedanke an diese Lohnlisten nur noch wie der
Traum vom verlorenen Paradiese, wie die verbotene Frucht am Baume der Erkenntniß, die man
sehnsüchtig anschauen durfte, ohne sie zu pflücken! Man erklärte theilweise geradezu, daß die
Fabrikherrn die stipulirten Löhne nicht zahlen könnten und daß diejenigen, welche dieselben
verlangten, keine Arbeit mehr erhalten sollten. Unterdessen war unsere Bürgerwehr organisirt;
die Gewalt hatte sich gefühlt und im Hinblicke auf diese tröstliche Stütze singt ein Jeremia
sein Klagelied wie folgt:
An meine Mitbürger, namentlich die Seidenfabrikanten und Seidenweber. Ein Wort der Wahrheit
und der Mahnung!
Bei den vielen Veränderungen, welche die letztvergangnen fünf Monate über Europas Länder und
Völker gebracht haben, und welche fast in alle Verhältnisse der Gesellschaft eingedrungen
sind, konnte auch unsere Stadt nicht unberührt bleiben. ‒ Sie ist eine Fabrikstadt, und
leider! eine solche, deren Wohl und Wehe fast ausschließlich an einem
Faden hängt ‒nämlich an dem Seidenfaden. ‒ Nichts natürlicher also, als daß die neuen Ideen
von Freiheit, Volkswohl, Erleichterung der arbeitenden Klassen, und wie alle jene Stichwörter
der Neuzeit heißen mögen, auch hier sofort auf diese für uns wichtigste Industrie, und auf die
Verhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern angewandt wurden.
Bis zum Jahr 1845 war Crefelds Zustand ein höchst blühender. ‒ Die Fabriken waren seit
vielen Jahren in mehr oder minder schwunghaftem Betriebe gewesen, die Bevölkerung und mit ihr
die Ausdehnung der Stadt wuchsen riesenhaft, alle Handwerke waren in luftiger Thätigkeit, und
wer alle diese breiten Straßen, die netten wohnlichen Häuser überblickte, mußte glauben, daß
schon ein tüchtiger, solider Wohlstand in denselben eingekehrt sei, und daß auch eine
vorübergehende Unterbrechung der industriellen Thätigkeit ohne tief eingreifende Folgen an uns
vorübergehende werde.
Da kam schwere Zeit über uns und fast ganz Europa, die Hungerjahre von 1846 und 47! ‒ Wäre
es nur der Druck der übermäßig gesteigerten Preise der ersten Lebensbedürfnisse gewesen, der
auf uns gelastet hätte, wir würden ihn verhältnißmäßig leicht ertragen haben. ‒ Allein Handel
und Gewerbe geriethen in's Stocken, Jeder schränkte sich ein, Mancher vielleicht mehr als gut
und nöthig war, und so verminderte sich der Erwerb der arbeitenden Hand bedeutend, während er
hätte wachsen müssen, um dem stark gesteigerten Bedürfnisse zu entsprechen. ‒
Indessen auch diese Zeit ging vorüber. Die Erndten von 1847 fielen
theilweise reichlich
aus, die Preise der Lebensmittel gingen abwärts, während Muth und Lebens- und
Unternehmungslust sich wieder hoben, und man auf die Vergangenheit, wie auf einen schweren
Traum, zurückzublicken anfing. Allerdings war dem Wohlstande eine tiefe Wunde geschlagen, und
daß auch bei uns „nicht alles Gold sei, was glänzt“ hatte sich leider vielfach herausgestellt.
‒ Doch im Januar und Februar dieses Jahres kam wieder Leben in die Geschäfte, man hörte von
den Reisenden, daß sie zufrieden in die Heimath zurückkehrten, Beschäftigung für die
Seidenfabriken mitbringend, und noch bessere Aussichten für die Zukunft. So möchten denn jene
Wunden bald geheilt gewesen sein, mit den Fabriken würden auch die Handwerke sich gehoben
haben, und Mancher hätte vielleicht aus der schweren Zeit die heilsame Lehre mit
hinübergenommen, daß es wohlgethan sei, in der guten einen Sparpfennig für die schlechte
zurückzulegen. ‒ Doch so weit sollte es leider nicht kommen. In Paris brach die
Februarrevolution aus und mit ihr ein Sturm über ganz Europa, wie die Geschichte keinen
gleichen aufzuweisen hat!
Was dieses Weltereigniß in der politischen Welt hervorrief, was es zerstörte, um mit Gott!
Besseres wieder aufzubauen, das wollen wir hier unberührt lassen! Wir haben es zunächst mit
seiner Einwirkung auf die allgemeinen Verhältnisse des Handels und deren Rückwirkung auf
diejenigen unserer Gewerbthätigkeit zu thun, und wollen uns an diese halten.
Mit der Unsicherheit, welche die Februar-Revolution und die Kriege, die sie hervorrief, in
alle Zustände brachte, wurde auch die freundliche Dämmerung, welche in den industriellen
Verhältnissen unsrer Stadt angebrochen war, auf einmal wieder in tiefe Nacht verwandelt. ‒
Gegebne Aufträge wurden zurückgezogen oder ‒ wenn ausgeführt ‒ die Waare zur Verfügung
gestellt, eingegangene Verbindlichkeiten aller Art wurden nicht erfüllt, oder konnten nicht
erfüllt werden, das Wort „Bezahlen“ war aus dem Handelswörterbuche ausgestrichen, an neue
Geschäfte war nirgendwo zu denken und ‒ das Schlimmste von Allem ‒ auch kein Hoffnungsschimmer
einer bald wiederkehrenden, besseren Zukunft leuchtete, kein sterbliches Auge konnte das Ende
des Jammers mit einiger Zuversicht vorhersehen. ‒ Wen traf dieses Unglück zunächst? Die
Fabrikanten ‒ die Arbeitgeber, welche bei den herben Verlusten, von denen sie auf allen Seiten
getroffen wurden, auch noch die schweren Sorgen zu tragen hatten, wie sie ihre Arbeiter, ihr
Geschäft, wie sie ihre kaufmännische Ehre aufrecht erhalten sollten. ‒ Wen traf es zugleich
mit ihnen, und vielleicht in manchen Fällen noch härter als sie? Zunächst einen großen Theil
der Fabrikarbeiter, die außer Brod gesetzt werden mußten, die sich mit ihren Familien dem
Mangel auf's Neue Preis gegeben sahen, den sie schon zwei Jahre lang ertragen hatten, und den
ein kurzes Aufdämmern einer bessern Zeit nur um so fühlbarer machte. ‒ Eben so hart wie
letztere wurden aber auch fast alle Handwerker unsrer Stadt betroffen, denn ihr Wohl und Wehe
geht ja mit demjenigen der Fabriken Hand in Hand, und wenn diese stocken, liegt auch ihr
Erwerb danieder. ‒ Was Wunder also, daß man auf Mittel sann, der Noth abzuhelfen, die sich in
so schrecklicher Gestalt darstellte, daß man einige allerdings große
Mißbräuche, die sich in manchen hiesigen Fabriken eingeschlichen hatten, in ihrer Rückwirkung
auf die Arbeiter noch für weit verderblicher hielt, als sie es wirklich waren, daß man
vergaß, wie vor den Mangel-Jahren unter ganz gleichen Verhältnissen für den Fleißigen Arbeit
und genügender Erwerb in vollem Maaße vorhanden gewesen, und auch der nicht ganz Träge sein
Bestehen fand, und daß man somit, der allgemeinen Verhältnisse vergessend, welche allein die Schuld der hiesigen Noth trugen und noch tragen, in Abänderung
besondere Abhülfe suchte, und auf diese Weise ‒ zum Theil wenigstens ‒ ganz verkehrte Mittel
ergriff, Uebel nur ärger machte, ja! das Wohl unsrer Stadt und Gegend für alle Zeiten in
Gefahr brachte.‒
Ich will von der sogenannten Uebereinkunft reden, die hier zwischen Fabrikanten und
Arbeitern unter großer Aufregung und manchen schwer zu entschuldigenden Umständen, zu Stande
gekommen ist, und die später eine neue Lohnliste zur Folge gehabt hat, die jetzt der Regierung
zur Bestätigung vorliegt, die diese aber wohl nie erlangen wird, weil gedachte hohe Regierung
glücklicherweise weiter sieht, als hier bei Abfassung dieses Werkes gesehen worden ist. ‒
Daß man die schon oben erwähnten, gehässigen Mißbräuche abschaffte, namentlich die
sogenannten Gesellenstühle, die Werkmeisterstühle, diese stets fetten, reichlich milchgebenden
Kühe, wo andere, weniger begünstigte, dem fleißigen Arbeiter kaum für sich und seine Familie
die nöthigen Erhaltungsmittel abgeben; daß man ungebührlichen Abzügen und
Strafen ein Ziel setzte, das war gut, und ist die Abschaffung dieser Mißbräuche einmal
als Ortsstatut festgestellt, was rechtlicherweise geschehen konnte und noch geschehen kann, so
wird dadurch eine wesentliche Verbesserung des Zustandes der Arbeiter herbeigeführt werden.
Daß man aber die Löhne fast aller Artikel erhöhte, ja einige derselben fast ungebührlich
steigerte, war höchst unklug, denn man vergaß dabei einen kleinen Uebelstand, nämlich den ‒
daß wir nicht allein in der Welt sind. ‒
Endlich setzte man dieser Unklugheit noch die Krone auf, indem man feststellte, daß die
hiesigen Fabrikinhaber weder hier noch anderwärts zu niedrigerm Lohne dürften arbeiten lassen,
auch wenn sich bereitwillige Hände genug dazu finden sollten. ‒ Das war nicht nur unklug,
sondern es war auch ungerecht, indem es die hiesigen Fabrikanten nöthigt, entweder ihr
Geschäft niederzulegen, oder in die hiesige Umgegend, nach Elberfeld, Rheydt, Süchteln etc.
etc. überzusiedeln, wo sie sich dieser Beschränkung entziehen können.
Was wird aber für Crefeld, und namentlich für dessen Seidenarbeiter die nächste, die
unausbleibliche Folge dieser beiden letztgenannten Maßregeln sein? ‒ Antwort: nicht nur die
Schweiz, Sachsen und Berlin, auch bei dem frühern, niedrigern Lohne schon unsre
gefährlichsten, kaum zu bekämpfenden Konkurrenten, werden uns alle unsre bis dahin noch der
hiesigen Industrie erhaltnen Artikel, einen nach dem andern abnehmen, sondern in Elberfeld und
in unsrer Umgegend, in der Entfernung von wenigen Stunden, werden sich theils ältere, theils
neuere, theils von Crefeld auswandernde Häuser der Crefelder Seidenfabrikation bemächtigen,
was ihnen bei dem wohlfeilen Lohne, zu dem sie Arbeiter genug finden, ein leichtes sein wird,
und unsern Arbeitern wird nichts übrig bleiben, als dorthin auszuwandern, um für vielleicht
weit niedrigern Lohn zu arbeiten, als der ist, den sie hier verschmähten (denn wir wissen ja,
was z. B. in Süchteln, Rheydt und Viersen für Löhne bezahlt wurden, und noch bezahlt werden!)
oder sie werden in Hunger und Elend umkommen müssen.
Aus sich'rer Quelle vernehmen wir, daß schon jetzt namhafte Aufträge in verschiedenen
Artikeln eingeh'n, die, bei den veränderten Löhnen, hier nicht mehr zu machen sind, und zwar
warfen mehrere dieser Artikel auch vor der Lohnerhöhung reichlichen Erwerb ab, 4, 5, 6 ja 7
Thaler in der Woche. ‒ So geht denn mancher Arbeiter müßig, der jenen schönen Erwerb
verschmäht, oder ihn nicht erlangen kann, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer an die neue
Lohnliste gebunden sind. ‒ Ist es nun aber recht, und von der Stadt zu verlangen, daß sie
solche Unbeschäftigte ernähre, die nur unbeschäftigt sind, weil ein sträflicher Eigensinn das
Unmögliche durchsetzen will?
Schlimmer, weit schlimmer als dies ist es aber, daß mehrere der ersten Häuser in Elberfeld,
denen es an Kenntnissen und Mitteln aller Art wahrlich nicht fehlt, sich jetzt mit Macht auf
die Fabrikation von Crefelder Seidenwaaren werfen, da es ihnen ein Leichtes ist, bei dem
bedeutend niedrigern Arbeitslohn, den sie zu zahlen haben, die hiesigen Fabriken aus dem Felde
zu schlagen. ‒ Dort sind die Arbeiter klüger als hier Sie haben nichts Unmögliches verlangt,
und meinen, daß es besser sei, Etwas und jedenfalls genug zum Lebensunterhalte zu verdienen,
als gar nichts.
Die Elberfelder Häuser ließen bisher zum Theil hier fabriziren, was dem Arbeiter nur
vortheilhaft sein konnte, jetzt tritt das Umgekehrte ein, und sie finden, zum Schaden des
hiesigen Webers, ganz bequem, in der Nähe, und zu bedeutend niedrigerm Lohne, was sie sonst in
der Ferne suchen mußten ‒ Ein Haus hat dort in der letzten Zeit 150 Weber angesetzt, und
mehrere andere werfen sich mit Macht auf Crefelder Artikel. ‒ Dauert dieser Zustand aber nur 6
Monate fort, so ist für Crefeld ‒ man mag nachher auf die alten Löhne zurückgehen oder nicht ‒
ein großer Theil seiner Industrierettungslos verloren, denn was in Elberfeld und in unsrer
Umgegend von Fabriken sich einmal angesiedelt, was dort die Crefelder Artikel zu machen
gelernt, oder die hiesige Industrie dorthin verlegt hat, das führt keine Macht wieder hierher
zurück, es ist und bleibt verloren.
So mag denn Deutschland einig werden, eine bessere, eine schöne Zeit mag für Handel und
Gewerbe aufgehen, wenn das Vertrauen wiederkehrt, und alle Binnenzölle fallen, für uns ist das
alles nicht vorhanden! Crefelds Konkurrenten werden überall unsre Artikel wohlfeiler
ausbieten, sie werden den Abnehmern sagen: Warum wollt ihr in Crefeld bestellen, wo die
Fabrikanten bekanntlich unvernünftig hohe Löhne bezahlen müssen, während wir viel billiger
arbeiten können? Sie werden die Sache noch ärger machen, als sie ist, und so werden wir müßig
liegen und darben, während um uns her Thätigkeit und Wohlstand herrscht.
Und wie, wenn der Winter zu dem Elende kommt?
Mit der Seiden-Industrie aber werden Handwerker, Wirthe, kurz alles, was damit
zusammenhängt, zu Grunde gehen, die Wohlhabenden werden die Stadt verlassen, und in wenigen
Jahren wird in Crefeld's Straßen das Gras wachsen!
Wer mich widerlegen kann, dem werde ich es aufrichtig Dank wissen, denn er wird mir eine
große Sorge für unsere Stadt vom Herzen nehmen.
Wenn man mich aber nicht widerlegen kann, dann eile man zu ändern, was man unüberlegter
Weise und in der Aufregung gethan hat. ‒ Die Arbeiter, und durch ihren Einfluß die Kommission,
haben das Uebel angerichtet, von ihnen möge schleunige Abhülfe ausgehen, damit es nicht
heiße:
Es ist zu spät!
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@facs | 0298 |
[
X
] Bielefeld, 26. Juli.
Wie das Petitions- und Vereinigungsrecht der Soldaten verstanden wird und wie häufig der
Soldat es bitter zu bereuen hat, wenn er glaubt, er besitze auch einen Antheil an der neuen
„konstitutionellen“ Freiheit, möge folgender Vorfall beweisen. Die Kriegsreserve einer hier in
Garnison stehenden Kompagnie des 15. Infanterie-Regiments hatte eine Kollektiv-Petition mit
Umgehung des Instanzenzuges direkt an das Generalkommando gerichtet, worin sie das Verlangen
stellte, „da sie auf dem Kriegsfuß stehe, auch den gesetzlichen Vorschriften gemäß behandelt
zu werden, namentlich die ihr gebührende Feldzulage, die ihr bis jetzt nicht verabreicht
worden, zu empfangen, worin sie ferner auf den Uebelstand aufmerksam machte, daß die
Reservisten, welche einflußreiche Verbindungen hätten, entlassen würden, während der
unbemittelte Reservist, wenn er auch seiner bisherigen Beschäftigung zu seinem größten
Nachtheile entrissen sei, keine Aussicht auf Berücksichtigung habe, worin sie endlich
verlangte, entweder entlassen oder gegen den Feind geführt zu werden, weil sie etwas Besseres
thun könne, als in der Garnison zu faullenzen.“
Kurz nach Abgang dieser Petition kam der Befehl von Münster, die hier stehende Kompagnie
nach Minden zu verlegen. Kaum in Minden angekommen, wurde die Untersuchung gegen die
Reservisten eingeleitet, die „Rädelsführer“ wurden verhaftet und einer derselben, der die
Sache im festen Glauben, daß er auch ein freier
[0299]
Mann geworden und in seinem
guten Rechte sei, angeregt hatte, soll die angenehme Aussicht haben, als Komplotteur zu einer
langjährigen Festungsstrafarbeit verurtheilt zu werden.
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@facs | 0299 |
[
!!!
] Frankfurt, 27. Juli.
National-Versammlung.
Anfang 9 1/4 Uhr. Präsident: v. Gagern. Tagesordnung. ‒ Schluß der Posener-Angelegenheit:
Schon vor Beginn der Sitzung sieht man an der Stimmung Lichnowsky's und seines Schweifs, was
für ein Sieg zu erwarten.
Flottwell hat eine Reklamation gegen das Protokoll. Er sei gestern
bei Erwähnung seines Buches persönlich angegriffen, und der Präsident habe ihm das Wort zur
Zurechtweisung verweigert. ‒ Man soll diese Weigerung zu Protokoll nehmen.
Gagern und v. Soiron weisen ihn zurecht, auch Fuchs.
Präsident: Die Deutschen in Florenz schicken zur deutschen Flotte
103 Fl. (Bravo). ‒ Zeigt ferner Dr. Johann Georg Würth's, des ersten Abgeordneten, Tod an.
(Allgemeine bedauerliche Aufregung in der Versammlung und auf den Tribünen. Ruf hier und da:
„Den haben die Fürsten auch auf dem Gewissen.“) Zum Begräbniß werden die Herren Abgeordneten
kommen, auch die Rechten.
Blum. Meine Herren. Gestern haben drei
Redner für den Ausschuß mehr gesprochen, als gegen; ich bitte Sie im Namen vieler meiner Freunde, noch einen
der unsern Herrn Reh aus Darmstadt sprechen zu lassen.
Diese billige Forderung findet die National-Versammlung nach Abstimmung unbillig:
Präsident. Jordan von Berlin habe ihm zwei dringliche Anträge
übergeben: 1) die National-Versammlung solle aussprechen: es darf kein wegen politischer
Verfolgung nach Deutschland Geflüchteter aus den deutschen Bundesstaaten verwiesen werden. 2)
Die Centralgewalt wird aufgefordert, von den deutschen Regierungen dasselbe zu verlangen für
ihre außerdeutschen Länder (Hr. Jordan will seiner Mißliebigkeit wegen der Polensache ein
Pflaster auflegen). Hierauf spricht Stenzel (der Berichterstatter in
der Posener Angelegenheit). Er sagt zwar selbst, er wolle nicht ermüden, ermüdet aber dennoch
durch einen fürchterlich langen Vortrag, in dem er gar nichts Neues sagt, und der bei aller
Exaltation des Redners, spurlos vorübergeht. ‒ Drei Punkte seien vorzüglich zu bedenken.
1) Die Aufnahme von 1/2 Million Deutschen in den Bund.
2) Die Demarkationslinie. 3) Erhaltung der freien Entwickelung der verschiedenen
Nationalitäten.
Ich wiederhole Ihnen einige Effektpunkte des Hrn. Stenzel, welcher zu glauben scheint, er
spricht vor seinen Breslauer Studenten.
„Waffen, Waffen, ruft er, muß man niemals einem anvertrauen, wenn man sie selbst tragen
kann. (Kein Bravo).“
„Die Juden wollen durchaus Deutsch sein.“ (Ditto).
„Die 500,000 Deutsche strecken an der Gränze ihre Hände aus und schreien: nehmt uns doch
auf! ‒“ (Heiterkeit).
„Ich stehe nicht auf der Höhe der Politik. (Einige Stimmen, sehr wahr) aber mir scheint etc.
etc. “
Das Versprechen des Vorparlaments sei übrigens durch die Ausschußanträge nicht verletzt,
denn dieses hätte bei der Polenfrage, die vollständigste Wahrung der deutschen Interessen sich
vorbehalten. ‒ Zuletzt ruft er mit höchstem Enthusiasmus: „ Sollen wir etwa Polen jetzt
hingeben um es nachher wiederzuerobern? ‒ Nein meine Herren, ha! so wohlfeil ist Deutschlands
Blut nicht! hie Deutschland! (Ungeheure Heiterkeit in der Versammlung). Fassen Sie ihr Herz
an, und fragen sie ob es für Deutschland schlägt, dann beschließen sie!
Gagern verliest jetzt sämmtliche Amendements, die gegen, für und zum Ausschuß eingegeben sind. Ihre Zahl ist
sehr bedeutend.
Zurückgenommen werden Anträge von Reh, Nauwerk, Dietzsch, Löwe (aus Kalbe), Galatzck, weil
den Rednern verweigert worden ist, sie zu motiviren.
Blum. Die Anträge, welche in dieser Sache, aufschiebender Natur sind, müssen zuerst kommen.
Gagern will die am weitesten gehenden zuerst nehmen.
Nachdem in dieser Formdebatte Siemens (für Blum) Dietzsch (für Blum) gesprochen haben, alle Anträge verlesen und noch Trutschler, Rob. Mohl und ein anderer für Blums Ansicht gesprochen haben, beschließt
die Versammlung auf Blums Ansicht einzugehen. ‒ Demnach wird erst für Ruges, dann Blums, dann
Nr. 1. des Ausschusses u. f. f. Anträge gestimmt.
Beschlossen wird ferner namentliche Abstimmung in Blums Antrag und Punkt 1. des
Ausschusses.
Vor Abstimmung betritt Rauwerk die Tribüne, und verlangt namentliche Abstimmung über Schaffraths Antrag
worin es heißt: die National-Versammlung solle erklären diese neue Theilung Polens sei ein
schmähliches Unrecht u. s. w. Roch spricht Ruge, unter Lärmen und Zischen rechts, und will so
viel ich verstehen kann, namentlich Abstimmung für alle Anträge,
Folgt endlich Abstimmung.
1) Ruge's Antrag der einen europäischen Kongreß über diese
europäische Frage will, verworfen, nur die Linke theilweise dafür.
2) Blums Antrag (siehe früher Blum) betreffend die
Untersuchungskommission, bis zu deren Resultat nichts in der Posener Angelegenheit
vorzunehmen. Namentliche Abstimmung. Von 472 Stimmenden haben ihn 333 verworfen, 139
genehmigt.
Nachdem das Resultat verlesen ist, erklärt Blum, er und seine 139
Freunde, werden sich aller weiteren Abstimmungen in dieser Sache in Folge dieses Resultats
enthalten. (Bravo). Sie verlassen fast sämmtlich den Saal. Links ist leer geworden.
3) Schuselkas Antrag wird verworfen.
4) Ein Antrag von Dieringer, Thinnes und Mehreren auch verworfen.
5) Namentliche Abstimmung über den Antrag 1. des Ausschusssberichts ‒ Gestimmt haben 373 und
zwar dafür 342; ‒ 31 dagegen, also angenommen.
(Während der Abstimmung hört man häufig als Antwort auf den Namensaufruf: Ich stimme nicht
mit. ‒)
Verlesen werden die Namen der 139 die Blum's Erklärung beigetreten sind.
Noch einige erklären schriftlich, daß sie gestern gegen den Schluß der Debatte gestimmt, und
deswegen über Antrag 1. des Ausschusses heut nicht abgestimmt haben. Es folgen noch einige
Spezial-Erklärungen betreffs dieser Abstimmungen.
Robert Mohl trägt darauf an, dergleichen spezielle Erklärungen gegen
Abstimmungen nie mehr zu Protokoll zu nehmen.
Nach Annahme der Nr. 1. des Ausschuß-Antrags, (siehe diesen im früheren Bericht) erklärt
Gagern, die Posener 12 Abgeordneten können nun an den weiteren Abstimmungen Theil nehmen, sie
seien legitimisirt; einer rechts versucht einen Applaus der unter
Lachen durchfällt.
Hierauf wieder Debatte, ob nun II. des Ausschuß-Antrags oder Giskras
und mehrer Amendement kommen soll. Beseler für Giskras Ansicht, der
Präsident dagegen. Die Versammlung beschließt zuerst Giskras Amendement vorzunehmen. Also
Abstimmung 6) Giskras Antrag. Derselbe ändert den Antrag II. des Ausschusses: „Die
Demarkationslinie des General Pfuel vorläufig anzuerkennen, die letzte Entscheidung jedoch bis
auf weitere Vorlage der preußischen Regierung vorzubehalten“, dahin: „bis auf weitere Vorlage
der Centralgewalt vorzubehalten!“
Wird angenommen, wonach Punkt II. des Ausschusses wegfällt.
Folgt 7) Abstimmung über den Antrag Senff's (aus Posen): „über III. u. IV. des Ausschusses
(Sicherung der Nationalitäten) zur Tagesordnung überzugehen.“ Da die Abstimmung zweifelhaft,
wird gezählt. Die Stimmen sind ganz gleich, der Antrag also nach der Geschäftsordnung verworfen.
8) Lichnowsky's Antrag über III. zur Tagesordnung überzugehen, verworfen.
9) Lichnowsky's weiterer Antrag an die Stelle des Punkt III. zu setzen: „ Die bestimmte
Erwartung zur preußischen Regierung auszusprechen, daß sie den im polnischen Theile des
Großherzogthums wohnenden Deutschen den Schutz ihrer Nationalität unter allen Umständen
zusichern werde.“ Angenommen; womit Punkt III. des Ausschusses wegfällt.
10) Antrag Hennigs über Antrag IV. des Ausschusses zur unbedingten Tagesordnung überzugehen,
verworfen.
11) Weiterer Antrag Hennigs über IV. zur motivirten Tagesordnung
überzugehen, angenommen.
Endlich noch eine Hauptfrage: Antrag Schaffraths: Die National-Versammlung wolle als
Zusatzpunkt V. zu den Ausschußanträgen erklären, daß die Theilung Posens ein schmachvolles
Unrecht sei; ferner als Zusatzpunkt VI., daß sie es für heilige Pflicht des deutschen Volkes
halte, zur Wiederherstellung eines selbstständigen Polens mitzuwirken.
Während der Antrag verlesen wird, tritt die Linke, die sich draußen erfrischt, in
theatralischem Geräusch wieder in den Saal.
Der Präsident verliest einen Antrag Gumprecht's, Schaffraths Antrag
die Abstimmung zu versagen! (Die Linke dokumentirt ihre revolutionäre
Energie durch ein „Oho!“) Noch ein Herr stellt einen ähnlichen Antrag. Unter dem Skandal
rechts und Getrommel links, welches sich nun erhebt, betritt der komische Hr. Schwetschke aus
Halle die Bühne und stellt, soviel ich verstehen kann den Antrag zu erklären, daß in
Schaffraths Antrag schimpflicher Brüdermord und Landesverrathliege. ‒ Es sprechen noch mehrere andere Redner, darunter der Niersteiner
Wernher (mit Händen und Füßen seine Rede unterstützend). Der Dulder
Eisenmann gleich einem erbosten Quäker trompetend, und der Kneippräses aus der Mainluft Soiron
mit polternden Tönen, gegen die Trennung in zwei Punkte des Schaffrath'schen Antrages. Unter
vielem Toben meint Herr Siemens: Man solle immerhin abstimmen, und
sich nicht durch einen ungefährlichen Versuch der Minorität schrecken lassen.
Wie aber gar noch Hr. Wurm auftritt und gegen die Theilung der Schaffrath'schen Anträge
spricht, entsteht der furchtbarste Tumult.
Der „edle Gagern“ der die Rechte immer ad libitum pfeifen und trommeln läßt, brüllt die
Linke an:
„Meine Herren sie führen sich ganz unwürdig auf.“ Die Linke läßt
sich das gefallen. Hr. Wurm: (nachdem etwas Ruhe geworden) Ich will
nur meinen Antrag motiviren, damit die da draußen (welche Furcht vor den verachteten
Proletariern, Hr. Wurm?) wissen, weshalb wir hier für ja oder nein stimmen!
Der edle Gagern hat sich endlich entschlossen, den Schaffrath'schen Antrag, wie schon vor
drei Tagen bestimmt, zur namentlichen Abstimmung zu bringen. Er fragt nur: ob die Versammlung
in zwei Punkten (wie Schaffrath will) oder auf einmal darüber abstimmen will.
Die Versammlung wünscht schnell damit fertig zu werden, und beschließt die zwei Punkte auf
einmal abzuthun.
Folgt namentliche Abstimmung. Von 458 anwesenden Deputirten haben den Antrag 331 verworfen,
101 ihn genehmigi und 26 sich der Stimme enthalten. Als die Abstimmung zu Hrn. Eisenmann
kömmt, sagt er: in dieser Fassung stimme ich für Nein! Man ruft: Fassung oder nicht Fassung,
hier heißt es ja! oder nein! Worauf Hr. Eisenmann sich für nein
erklärt. Nach verlesenem Resultat wollen mehrere furchtsame Deputirte, z. B. Schreiner,
Möhring, Lübeck, spezielle Erklärungen über die Abstimmungen zu Protokoll geben, daß sie die
Theilung Polens für Unrecht halten, aber doch aus mehrfachen Gründen mit nein gestimmt haben.
Hr. Wernher (aus Nierstein) giebt wegen des etwaigen Mißbrauchs der Presse in dieser
Angelegenheit (woher diese böse Ahnung?) die Motive zu seiner Abstimmung mit nein zu Protokoll. Dies hat Hr. Wernher schriftlich gegeben, und diese
Schrift von Hr. Wernher wird stürmisch von den Herren rechts
unterzeichnet.
Nachdem noch Wesendonk sich gegen alle derartige Erklärungen ausgesprochen, und noch ein
andrer von der Tribüne runt ergetrommelt worden, wird 3 1/4 Uhr die Sitzung in großer
Aufregung geschlossen.
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@facs | 0299 |
[
*
] Frankfurt, 28. Juli.
In der Nationalversammlung wurde heute ein Interpellationsreglement von 5 Paragraphen
angenommen, welches immer noch liberaler ist als das Berliner. Anträge von Simon(Trier) und Schöder über rasche Erledigung der Debatte der
Grundrechte werden verworfen. Ueber Geschäftsordnungsanträge von Lette
und Biedermann wird auf Moritz Rohls Antrag
„zür Tagesordnung, d, h. zum Mittagsessen übergegangen.“ Nächste Sitzung Montag; Tagesordnung:
Präsidentenwahl und Flaggenangelegenheit; Tagesordnung für Dienstag: Fortsetzung der
Grundrechte.
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103
] Berlin, 27. Juli.
Morgen soll die große Frage gelös't werden. In der Abendgesellschaft der Rechten ist ein
Mitglied beauftragt worden, gleich nach Eröffnung der morgenden Plenar-Sitzung der
Vereinbarer, eine dringende Interpellation an das Ministerium zu richten, dahin lautend,
„welche Maßregeln die Regierung zu ergreifen gedenke, um die Selbstständigkeit Preußens
innerhalb des einigen Deutschlands zu sichern?“
Diese Interpellation scheint uns abgekartet und vom Ministerium geradezu befohlen zu sein,
da es sonst keine andere Gelegenheit hat, um die Welt mit dem Resultate einer fortdauernden zehntägigen Berathung, zu der man die Coriphäen der
preußischen Abgeordneten von Frankfurt her beschied, bekannt zu machen. Die reaktionäre sowohl
als die lokalpatriotische Partei haben dem Ministerium durch Proteste und Adressen, welche die
Regierung aufforderten, sich keines ihrer Rechte von der deutschen Nationalversammlung
schmälern zu lassen, genügend vorgearbeitet. Das Ministerium ergriff mit Vergnügen diese
Gelegenheit, die Stimmung dieser Parteien für die des ganzen Landes zu halten, und soll den
Beschluß gefaßt haben, eine selbstbewußte imponirende Stellung den Bestrebungen der
Frankfurter Versammlung gegenüber einzunehmen, um Preußen (nämlich das reaktionäre Preußen)
vom schmachvollen Untergange zu retten. ‒ Wie demnach die Antwort des
Ministeriums morgen ausfallen wird, läßt sich voraussehen. Man wird sich nicht für
verpflichtet halten, sich den Beschlüssen der deutschen Nationalversammlung und des
Reichsministeriums zu unterwerfen. Man wird den bittern Kern, so viel wie möglich, in eine
süße Schale, in viele nichtssagende Worte, einzuhüllen suchen, um damit einen Schein der
deutschen Einheit zu retten.
In Potsdam scheint Alles in dieser Angelegenheit unthätig zu sein, indem der König, die
Minister an ihre Verantwortlichkeit erinnernd, sich mit ihren Beschlüssen, wie sie auch sein
mögen, einverstanden erklärt; aber in der That wirkt man doch von dort aus im Stillen
ungeheuer. Die ganze Armee wird von den Offizieren bearbeitet und die Bureaukratie bekommt
ihre geheimen Ordres.
Unter unsern Bürgern sucht man den altpreußischen Patriotismus, den die Revolution
vernichtet hatte, wieder zu wecken, indem man sie an die großen Siege der preußischen Armee
erinnert und ihnen vorspricht, daß die andern deutschen Stämme Preußen nur demuthigen wollen. Mit Pathos rufen sie: Als Dank für ihre Befreiung vom Joche jenes
Corsen, welche die deutschen Stämme nur Preußen zu verdanken haben,
erfrechen sich jene, Preußen demüthigen zu wollen! Ja wohl, wie Feiglingen eigen,
meuchlings!
Ein bekannter Verfechter dieses Alt-Preußenthums ist der frühere Stadtrath Benda, dessen Wahlspruch ist: „Deutschland ohne
Preußen ist ein Nichts; Preußen aber ist nicht nur ruhmvoll,
selbstständig und groß ohne Deutschland, sondern, wenn es sein muß,
auch im Kampf wider Deutschland! “ dieser Stadtrath Benda hat den
Antrag an die Stadtverordneten-Versammlung gestellt, diese solle sofort bei der
Nationalversammlung, sowie beim Ministerium darauf dringen, offiziell
zu erklären: „daß jeder Preuße als Landesverräther dem Gerichte zur
strengen Bestrafung werde überwiesen werden, der durch Wort oder Schrift die unbedingteste in sich selbst begründete
Selbstständigkeit Preußens als europäische Staatsmacht in
aufwieglerischer Absicht in Abrede stellt, oder gar die Vernichtung
dieser Selbstständigkeit beantragt;“ damit das preußische Volk
endlich, endlich von seiner Regierung offiziell und unzweideutig erfahre, daß dieselbe keineswegs sich selbst zu vernichten und Preußen zu
verrathen beabsichtige, wie Gerüchte verbreiten.
Herr Eichler ist gestern Abend von der Schutzmannschaft verhaftet
worden. Die Constabler hatten nach 11 Uhr den gewöhnlichen „Lindenklub“ auseinandergetrieben
und einige Verhaftungen vorgenommen. Dadurch entstand ein nicht unbedeutender Lärm, wodurch
Dr. Eichler veranlaßt wurde, von seiner in der Nähe befindlichen
Wohnung mit unbedecktem Kopfe auf die Straße zu treten und verlangte von den Schutzmännern die
Freilassung der Verhafteten. Der anwesende Bürgerwehrhauptmann Wolf,
der schon längst einen Groll gegen Eichler hegt, fand sich dadurch veranlaßt, ihn durch die
Constabler ohne Weiteres verhaften zu lassen. Einige unter der Menge befindlichen Abgeordnete,
darunter der Graf Reichenbach, verfügten sich auf die Wache der Schutzmannschaft und nahmen
sich Eichler's an. Eichler war inzwischen nach der Stadtvogtei gebracht worden und scheinen
bis jetzt weder die Vorstellungen des Grafen Reichenbach, noch die ernsthaften Aufforderungen
eines Theils der Bürgerwehr von Erfolg gewesen zu sein, obschon der Polizeipräsident die
sofortige Freilassung Eichler's zusagte.
Das Ministerium wird von der Vereinbarer-Versammlung für das Institut der Schutzmannschaften
die Bewilligung einer Summe von 12,00000 Thlr. verlangen. Man soll sich sogar Seitens der
Rechten dahin erklärt haben, daß man eine so große Summe für ein ganz überflüssiges Institut
nicht bewilligen könne.
Von dem „Preußenverein für konstitutionelles Königthum“ ist eine Entgegnung des Plakats des
konstitutionellen Kongresses erschienen und an allen Ecken angeheftet. Der Verein erklärt in
dieser Entgegnung, daß er die „tiefe Entrüstung“ verschmerze, mit welcher der konstitutionelle
Kongreß seinen „Aufruf an das preußische Volk“ aufgenommen habe; er nehme mit einer noch
„tiefern Entrüstung“ Kenntniß von der Gesinnung, die „preußische Staatsbürger“ als Mitglieder
des konstitutionellen Kongresses in jener Entgegnung ausgesprochen hätten. Man wolle Preußen
mediatisiren, das könne Preußen nicht zugeben. Von den Nichtpreußen aber, die an dem
konstitutionellen Kongresse Theil genommen, sei es eine Anmaßung, über das Schicksal Preußens,
das die Spitze eines einigen Deutschlands sein müsse, bestimmen zu wollen.
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*
] Berlin, 27. Juli.
Der Preuß. Staats-Anzeiger enthält heute in seinem amtlichen Theile folgendes:
Die Verhandlungen über den Abschluß eines Waffenstillstandes, welche zwischen dem
Ober-Befehlshaber der deutschen Truppen in Schleswig und dem dänischen Ober-Befehlshaber
stattfanden, haben zu keinem Resultate geführt. Nachdem die Verhandlungen dänischerseits am
24. d. M. abgebrochen worden, hat die einstweilen eingetretene Waffenruhe am Abend desselben
Tages aufgehört.
Das unterzeichnete Ministerium setzt die preußischen Rheder und den betheiligten
Handelsstand von dieser Lage der Dinge hiermit in Kenntniß.
Berlin, den 27. Juli 1848.
Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten. Die N. Rh. Z. war
ebenso früh, wie der Preuß. St.-Anz. im Stande, diese Nachricht ihren Lesern mitzutheilen.
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15
] Berlin, 27. Juli.
Bis jetzt sind circa 920 Constabler uniformirt und angestellt, noch am Sonnabend, wo sie
auch ihre Dienstinstruktion erhalten werden, soll die Zahl von 2000 vervollständigt sein; der
Gehalt, den sie beziehen, beträgt 15-20 Thlr. monatlich; nehmen wir durchschnittlich 20 Thlr.
an, so haben wir mo natlich für Berlin allein eine Ausgabe von 40,000, jährlich also von
480,000 Thalern! Freilich, wo solche Bedürfnisse zu bestreiten sind, da erscheint eine
Zwangsanleihe als unentbehrlich. ‒ Der Befehl des Reichskriegsministers v. Peucker, daß sämmtliche Truppen dem Reichsverweser zu Ehren am 6. August in Parade
ausziehen, ihm huldigen und ein dreimaliges Hoch ausbringen sollen, hat in den höheren Kreisen
großes Mißfallen erregt; gewiß wird man dem Befehl nur ungern, ja vielleicht gar nicht
nachkommen, und von dem unter dem Militär gegen eine solche Huldigung herrschenden
Widerstreben mit Vergnügen Gebrauch machen. Auch unsere Spießbürger sind gegen ein solches
“Aufgehen Preußens in Deutschland” ausnehmend erbittert; in sämmtliche Börsenmänner und
Agioteurs, bei denen von Patriotismus doch sonst nicht viel zu spüren ist, ist mit einem Male
der Geist des Preußenthums gefahren; gestern haben sie auf der Börse sämmtlich die
schwarz-roth-goldnen Kokarden weggeworfen und dafür die schwarz-weiße aufgesteckt! In allen
Klubs und Bürgerwehrversammlungen wird mit großem Eifer für und wider das „Aufgehen“ Preußens
gesprochen; einige haben sich vorgenommen, am 6. August die deutschen Fahnen zu verhöhnen und
dafür die preußischen aufzupflanzen. In dem aus dem 35. bis 40. Bürgerwehrbezirk bestehenden
Centralbezirksvereine wurde gestern der Gegenstand lebhaft besprochen, viele der enragirtesten
Preußen verließen, als die Debatte einen ihnen mißfälligen Gang annahm, den Saal, und zuletzt
entschied man sich denn doch, und zwar mit großer Majorität, für den unbedingten Anschluß
Preußens an Deutschland.
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[
119
] Berlin, 27. Juli.
Der Entwurf einer neuen Kommunalordnung, welchen Sie schon erhalten haben werden, kam
gestern in einer vertraulichen Konferenz bei dem Minister des Innern Kühlwetter, wo etwa 20
Abgeordnete (u. A. Berends, Baumstark, Dunker, Elsner) zugegen waren, zur Sprache. Gegen die
Bildung der Bürgermeistereien, wie sie im §. 1 des ersten Abschnitts angegeben ist, führte man
an, daß die Stufenfolge von Gemeinden, Bezirken und Kreisen zweckmäßig und genügend sei; die
rheinischen Abgeordneten, deren Meinung sich der Minister-Präsident anschloß, machten in Bezug
auf die rheinische Gemeindeverfassung die entgegengesetzte Ansicht geltend. In Hinsicht auf
die Bildung des Gemeinde-Vorstandes führte der Finanz-Minister an, daß hierbei eine
Vermittelung zwischen der Einrichtung der französischen Präfekturen und der deutschen
Kollegien versucht sei, doch schien sich die Majorität dahin auszusprechen, daß der
Gemeindevorstand aus einem Beamten bestehe. Die Zahl der 20
Gemeinde-Vertreter wurde als zu gering betrachtet, und die Zahl der Vertreter würde wohl die
bisherige bleiben. Als besondere Uebelstände wurden hervorgehoben, daß der Gemeinde-Vorstand
aus dem Gemeinde-Rathe, also aus einer verhältnißmäßig geringen Anzahl Wähler hervorgehen,
sowie daß er zugleich im Gemeinde-Rathe Sitz und Stimme haben sollte. Für die Bezirke
beabsichtigt das Ministerium eine stärkere, für die Kreise eine geringere Vertretung.
Der Minister des Innern bemerkte gleich Anfangs, daß der Entwurf nicht als eine Vorlage der
Regierung zu betrachten sei, sondern als eine Privatarbeit, die als Leitfaden zu einer
ausführlichen Besprechung über den Gegenstand dienen könnte.
Die Fachkommission für allgemeine Organisation der Staatsverwaltung sprach sich in ihrer
letzten Sitzung fast einstimmig dahin aus, daß die Berathung des Verfassungsentwurfs nicht
eher vorgenommen werden dürfe, bis die Gemeindeordnung berathen sei. ‒ Die
Verfassungskommission hat ihre Arbeiten beendigt.
[0300]
[Spaltenumbruch]
Die Tagesordnung für die morgige Sitzung wird wahrscheinlich erst spät oder gar nicht an die
Reihe kommen, da wir von der Rechten (!) eine Interpellation des Ministeriums in Betreff der
deutschen Frage zu erwarten haben, worauf wahrscheinlich die fernere Diskussion über die
Interpellation eröffnet werden wird.
In der Stadt herrscht eine ziemlich bedeutende Aufregung; es handelt sich vorzugsweise um
die deutsche Angelegenheit, besonders wegen des 6. August. Der Lokalpatriotismus zeigt sich im
vollsten Glanze. Man hört sogar einzelne Weißbierpolitiker predigen, daß sich Preußen mit
Rußland verbinden solle, um nicht „östreichisch“ zu werden. An allen Straßenecken findet man
Plakate und Flugschriften, welche offene Empörung gegen den Reichsverweser athmen. Berlin und
die Mark werden sich bald als moderne Vendee konstituiren, wenn nicht die demokratische Partei
einen entschiedenen Sieg davon trägt.
Monecke ist heute nach der Festung abgeführt worden. Das thatkräftige Volk brüllte ihm
Hurrah's zu, und bewarf den Wagen, in dem er sich befand, mit Blumen.
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@facs | 0300 |
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40
] Berlin, 26. Juli.
Der in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ erwähnte Injurien-Prozeß, „Krackrügge gegen Hedemann,“ erregt mit Recht Aufmerksamkeit;
nicht allein wegen der Anomalie, welche darin liegt, daß der klägerische Bürger, weil nur Bürger, gegen den General-Lieutenant, weil
General-Lieutenant, vor einem Kriegsgericht gemäß allerhöchster
Bestimmung Recht nehmen soll, ‒ sondern auch deswegen, weil sich in diesem Falle zeigen muß,
wie die Regierung handelt, wenn ihr der Irrthum nachgewiesen wird.
Früherhin war es unerhört, daß die Regierung dem Privatmann gegenüber zugestand: Wir haben uns
geirrt. Bekanntlich ist Krackrügge nicht sowohl wegen Beleidigung des jetzt überall in der
öffentlichen Meinung geächteten und auf ein Dorf nach Schlesien geflüchteten p. p. von Ehrenberg, sondern vielmehr wegen seiner „Tendenzen“ von der
Regierung Bodelschwingh-Uhden in Folge allerhöchster Kabinetsordre auf das Zuchthaus geschickt worden, nachdem die Regierung mit ihm wegen der Begnadigung nicht
Handelseins werden konnte. Krackrügge hatte als Stadtverordneten-Vorsteher eine
„oppositionelle“ Richtung befolgt, weswegen ihn die Büreaukratie beim König als einen
„Aufwiegler“denuncirte. Mittelst einer fiscalischen Untersuchung, zu welcher der p.p. v.
Ehrenberg diente, wurde er, wegen Beleidigung dieses Menschen zum Zuchthaus verurtheilt, und
der König verlangte von Kr. die „Aenderung seiner Tendenzen,“ wenn er begnadigt werden wolle.
Als Kr. diesen Preis nicht gewähren wollte, verlangte der König von ihm „freiwillige
Verbannung aus Preußen,“ und da Kr. auch diesen Preis nicht bewilligte, so wurde er auf's
Zuchthaus geschickt. Nachdem er nun seine Regierungs-Gesinnungs-Strafe gebüßt, tritt er gegen
den General-Lieutenant v. Hedemann, der damals in Erfurt kommandirte, als Injurienkläger auf,
behauptend und beweisend, der p. Hedemann habe ihn als Aufwiegler beim König und auch bei
anderen Personen angegeben, und es sei dadurch der allerhöchste Unwille über ihn gekommen. Es
fragt sich nun, was die Regierung thun wird, wenn Kr. den Beweis erbringt, daß die gegen ihn
erhobene Denunciation, in Folge welcher er zu so fürchterlicher Strafe verdammt worden, falsch gewesen? ‒ Krackrügge ist vom Zuchthause in die
Vereinbarungsversammlung gegangen, wo er oft bewährt, daß man seinen moderirten Liberalismus
überschätzt hat.
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@facs | 0300 |
Berlin.
Gestern Abend nach 12 Uhr kehrte eine zahlreiche Gesellschaft von Herren, auch einigen
Damen, aus dem Thiergarten in die Stadt zurück. Als an der Ecke der Friedrichsstraße die
Gesellschaft einen Augenblick stehen blieb, um sich dort gegenseitig eine gute Nacht zu
wünschen, kam eine Anzahl von Constablern hinzu und forderte die Gesellschaft auf, „sich
sogleich zu vertheilen.“ Ein junger Mann, in lustiger Laune, stellte sich an die Ecke der
Linden-Barrière und rief: „Gut ich vertheile mich jetzt.“ „Wenn Sie hier noch lange reden
wollen,“ rief einer der Constabler, „so können Sie gleich einmal mit kommen, und packte den
jungen Mann beim Arme. Dies rief natürlich die größte Entrüstung in allen Anwesenden hervor
und man forderte die augenblickliche Freilassung des jungen Mannes. In diesem Augenblicke aber
kam eine ganze Masse von Constablern aus der Friedrichsstraße hinzu und einer der schon
anwesenden Helden hatte nun den Muth, einem andern Herrn, der, im Fortgehen begriffen, einige
Worte sprach, zuzubrüllen: „ Wenn Sie Den noch lange entschuldigen wollen, dann können Sie nur
lieber auch gleich mitkommm.“ In der That wurde auch dieser Herr an den Armen erfaßt und mit
der brutalsten Gewalt fortgerissen.
[(B. Z. H.)]
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@facs | 0300 |
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27
] Breslau, 25. Juli.
Daß wir auch hier beim Zeichen des Krebses angelangt und die Herren vom alten System wieder
mit Wonne und paradiesischer Hoffnung erfüllt sind, das wies ich Ihnen bereits in meinem
letzten Schreiben in einer Menge von Beispielen nach. Zwar so weit ist bis jetzt die
reaktionäre Frechheit noch nicht gediehen, daß man die demokratischen Vereine aufzulösen
wagte, wie es die Herren Reaktionäre im konstitutionellen Centralverein, im vaterländischen
Verein etc. wünschen und beantragen. Wir steuern aber jenem Ziele mit vollen Segeln zu.
Vorläufig beginnt man damit, Polizeikommissarien in die Sitzungen demokratischer Vereine von
Amtswegen abzusenden. So geschah es vorgestern, daß ein Herr v. Zeuner, ein hier mehr als
hinreichend bekannter Polizeikommissär, im Wernitzeschen Lokal, wo die rekonstituirte
„Germania“ eine Sitzung hielt sich einfand. Der Hr. v. Zeuner erkundigte sich so
angelegentlich nach den Prinzipien und sonstigen Verhältnissen des Vereins, daß sich der
Vorsitzende zu der Frage veranlaßt fand, ob er als Gast oder Polizeibeamter erscheine. Herr v.
Zeuner erklärte endlich das Letztere, und fügte hinzu, daß er den Auftrag erhalten habe, den
Verhandlungen der Germania ab und zu beizuwohnen. Sonach sind wir wieder glücklich unter
polizeiliche Aufsicht gestellt und unsere „Grundrechte“ der trauten Obhut loyaler
Polizeikommissarien und Gensdarmen überwiesen!
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@facs | 0300 |
[
127
] Kassel, 26. Juli.
Unsere Bettelaristokratie erfreut sich der schönsten Ruhe. Sie konspirirt mit den
Konstitutionellen und sorgt dafür, daß die Freiheit nicht in den Himmel wächst. Da ihr das
vollkommen zu gelingen scheint, so sind in der letzten Zeit die ständigen Gerüchte über
republikanische Tumulte und Hochverräthereien seltener geworden. Der demokratische Verein
vergrößert sich von Tag zu Tag, so daß es möglich war, bei der letzten Wahl, betreffend den
Vorstand der allgemeinen Volksversammlung, auf eine sehr kräftige Weise mitzuwirken. Stellte
sich dabei auch heraus, daß die Republikaner die Minorität der Stimmen hatten, so war diese
Minorität doch eine solche, welche den Geldsäcken „erschreckend“ vorkommen mußte, und
befürchten ließ, es werde über kurz oder lang noch „Erschreckenderes“ zu Tage treten. Die
Aktien standen so ziemlich gleich.
Dem demokratischen Verein steht der Bürgerverein gegenüber, dessen Mitglieder aus der Klasse
der sogenannten „achtbaren Leute“ d. h. aus Menschen rekrutirt werden, welche irgend ein
Privilegium besitzen, sei es das auf Gescheidtheit oder Dummheit.
Neben beiden Vereinen, in inniger Verbindung aber mit dem demokratischen Verein, steht der
der Arbeiter, welcher seit Kurzem gegründet ist und die Volksbeglückung vermuthlich in anderer
Weise auffaßt als der Bürgerverein. Sein Vorstand, wozu auch Professor Winkelblech und
Schriftsetzer Franz gehört, wird deshalb in gebührender Weise verläumdet und heruntergezogen.
Lauter konstitutionelle Ehrlichkeit.
Ueber all den Vereinen thront in einsamer Glorie der Vorstand der Volksversammlungen. Die
letzteren zeichnen sich durch guten Humor der Republikaner und salbungsvolle Reden der Gegner
aus. Zuweilen verbinden sich Humor und Salbung zu einem furchtbaren Sturme, über dessen Stöße
hinaus nichts mehr gehört wird, als die Stimme eines übergelaufenen Anhängers der Monarchie
mit breitester Grundlage.
Behufs Aufrechthaltung einer wohlthätigen Censur sind hier die Buchhändler, bis auf Herrn
Appel, und ebenso die Buchdrucker, bis auf Hrn. Hofmann zusammengetreten, um der Verbreitung
mißliebiger Schriften etc. entgegenzuwirken. Sie wollen nichts derartiges verlegen, drucken,
verbreiten etc. Ein probates Mittel!
Mir fällt dabei der Vers von Heine ein:
Und wird der ganze Verlag verboten,
So schwindet von selber die Censur.
Ich möchte wissen, ob das Ministerium Eberhard von dieser Koalition weiß, oder ob blos die
Unterthanenseelen ‒ ‒ Wie verlautet, soll der ehemalige Censor und große Geschichtschreiber,
Hr. Archivdirektor v. Rommel die Sache arrangirt haben. Auf plumpere Manier hat man der
Volksbewaffnung den ersten Hieb versetzt, als man das hiesige Freikorps auflöste. Die
Geschichte dieses Freikorps ist ein vollständiger komischer Roman. Im Anfange hätte man es
beinahe vor Liebe erdrückt, im Verlaufe lief man um dasselbe, wie die Katze um den heißen
Brei, suchte ihm bei Gelegenheit einmal einen Schlag beizubringen, indem man es mit guten und
bösen Worten betrog, und endlich faßte man sich ein Herz, beorderte circa 3000 Mann gegen 120,
besetzte die Stadtthore, fuhr Geschütze auf etc. und ‒ löste das Korps natürlich auf. Die
Stadt wurde beruhigt, indem man ihr von Polizei wegen statt des vollständigen Briefes, welcher von Seiten des Korps an den gemeinschaftlichen
Kommandeur der Schutzwache und des Korps geschrieben war, des Inhalts, daß man mit einer
bewaffneten Macht, auf welcher der Verdacht ruhe, Bürgerblut vergossen zu haben, nicht in
einem und demselben Verbande stehen könne, daß man also statt dieses vollständigen Briefes nur
einen Auszug veröffentlichte, welcher die Sache geradezu auf den Kopf
und das Freikorps in die Reihe der Meuterer stellte.
Uebrigens hängt diese Affaire mit der Verhaftung des Rechtsgelehrten Heise zusammen,
welcher, unglücklicherweise, zugleich Vorstand des Freikorpscomité's und Mitglied des
Vorstandes im hiesigen demokratischen Verein war. Beide Eigenschaften qualifizirten denselben
natürlich zum siebenfachen Hochverräther und gaben zugleich Gelegenheit, staatsrechtliche
Erörterungen über das Associationsrecht und Recht der freien Rede zu hören. Dem Reichsverweser
ward in Kassel mit Blut gehuldigt. Der dringende Verdacht des Mordes lag und liegt bis auf
diese Stunde auf der sogenannten Schutzwache, welcher auch das Freikorps beigeordnet war, ohne
daß es indessen an jenem Abend in Thätigkeit gewesen wäre. Den Tag nach der Mordnacht erließ
das Freikorps den früher erwähnten Brief, worin es die Schutzwache angriff und sich bis zur
Reinigung von dem Verdachte, wieder wie in früherer Zeit von ihr trennte. Damit war der Würfel
geworfen. Am folgenden Tage wurde das Freikorps aufgelöst und Heise in einem Gasthause
überfallen, mißhandelt und eingesperrt. Genug, nach 14 Tagen und nachdem man eine Masse Zeugen
vernommen hatte, sah man denn doch ein, daß hohle Denunciationen und elende Verläumdungen
keine Mittel sind, Republikanern die konstitutionelle Monarchie zu empfehlen. Heise wurde
wieder entlassen. Doch die Akten des Vereins sind noch nicht zurück.
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@facs | 0300 |
[
*
] Wien, 23. Juli.
Graf Leo Thun ist gefallen, weil ein solcher Mann sich allzusehr in seiner Stellung als
Reaktionär kompromittirt hatte. Allein er fiel noch gewisser Maaßen ehrenhaft, denn das
Ministerium stellte ihm seine Entlassung zu. In ganz anderer Weise ging es dem Erzreaktionär
Grafen Brandis, Gouverneur von Tirol. Dieser Chef der ganzen tiroler und außertiroler
Sauerteigspartei, bekam in Innsbruck selbst eine so eindringliche Katzenmusik gebracht, daß er
es für angemessen hielt, einer Wiederholung derselben aus dem Wege zu gehen, mit einem Worte,
seinen Posten zu verlassen und Reißaus zu nehmen. So sind wir allerdings 2 Menschen
losgeworden, die viel Unheil angerichtet und die man gleich in den ersten 24 Stunden nach der
Revolution hätte packen und dem Hrn. Metternich zur Gesellschaft nachsenden müssen. Allein was
will die Entfernung zweier Reaktionärs sagen? 4/5 aller höhern und 1/2 aller niedern Beamten
gehören zu den letztern und wirken offen oder geheim der neuen und bessern Gestaltung des
Staatslebens entgegen. Ehe das Ministerium nicht den Augiasstall unseres Beamtenthums rein
ausgemistet hat, so lange bleiben alle Anstrengungen des Volkes vergebens, so lange bleiben
wir von der Kontrerevolution bedroht.
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@facs | 0300 |
[
*
] Wien, 24. Juli.
In der heutigen Sitzung des konstituiren-Reichstages interpellirte der Abg. Rieger das
Ministerium wegen der Säbeldiktatur des Fürsten Windischgrätz in Böhmen; er verlangt zu
erfahren, wie es komme, daß der Belagerungszustand aufgehoben sei und dennoch faktisch
fortbestehe. Minister Dobblhof antwortet, daß nach wiederholten Anordnungen des Ministeriums
Hr. Windischgrätz stets erklärt habe, nach Aufhebung des Belagerungszustandes die Sicherheit
der Personen und des Eigenthms nicht mehr garantiren zu können. Rieger fragt nochmals, was das
Ministerium zu thun gedenke, um die faktische Aufhebung des Belagerungszustandes
durchzusetzen. Minister Bach: das Ministerium hat am 21. d. Mittheilung über Aufhebung des
Belagerungszustandes und zugleich von der Fortdauer desselben erhalten. Es hat sogleich
Berathung gehalten, und in Betracht, daß mit dem Wegfallen des Belagerungszustandes auch jeder
Rechtsgrund der Militärkommissionen wegfalle, noch an demselben Tag eine Depesche zur
Auflösung der Militärkommissionen nach Prag geschickt, mit dem Auftrag, die verhafteten
Personen an die ordentlichen Gerichte zu überweisen und dem Ministerium sofort ausführlichen
Bericht über die bisherigen Ereignisse zuzusenden. Das Ministerium wird sich eine genaue
Untersuchung der Sache angelegen sein lassen, und keine nicht streng gesetzliche Maßregel
aufrecht erhatten. (Beifall.)
Tagesordnung: Berathung der Geschäftsordnung.