Deutschland.
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Edition: [Karl Marx: Der Bürgerwehrgesetzentwurf. In: MEGA2 I/7. S. 371.]
[**] Köln, 23. Juli.
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[*] Frankfurt.
Sitzung v. 21. Juli. Die Tagesordnung lautet:
1) Fortsetzung der Abstimmung über Artikel 1 der Grundrechte des deutschen
Volkes.
2) Berathung über den Bericht des Abg. Wydenbrugk, Namens des
völkerrechtlichen Ausschusses, die auswärtigen Verhältnisse mit Rußland,
Frankreich und Nordamerika betreffend.
3) Berathung über den Bericht des Abgeordneten Stenzel, Namens des
völkerrechtlichen Ausschusses, die Einverleibung eines Theiles des
Großherzogthums Posen, in den deutschen Bund und die Anerkennung der
Deputirten desselben, so wie die Erhaltung der Nationalität der Polen in
Westpreußen betreffend.
Beseler Berichterstatter des Verfassungsausschusses
spricht über §. 5 der Grundrechte. Ueber die Aufhebung der Beschränkung der
Auswanderungsfreiheit. Die frühere Politik erschwerte die Auswanderung, die
neuere Politik begünstigt dieselbe.
Beseler meint die Auswanderung reicher Leute bringe
dem Staate Nachtheile, die armer lege dem Staate Lasten auf. ‒ Jedenfalls
verlange man zuviel, wenn man vom Staat Schutz für
die Auswanderung verlangt. Wann hört dieser Schutz auf? Bei der Ankunft des
Auswanderers im fremden Lande, oder bei der Erlangung des Staatsbürgerrechts
im Ausland? ‒ Es genüge wenn man Maßregeln träfe, um die Auswanderer vor
Mißbräuchen zu schützen. ‒ DieDiskussionüber Artikel
1. der Grundrechte wird geschlossen und es beginnen die Abstimmungen über §.
2 bis incl. §. 5. der Grundrechte.
§. 1. Art. I., in der Fassung wie er angenommen wurde: §. 1. Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht. Die
ihm kraft dessen, zustehenden Rechte, kann er in jedem deutschen Lande
ausuben. Ueber das Recht zur deutschen Reichsversammlung zu wählen,
verfügt das Reichswahlgesetz.
§. 2. in der Fassung des volkswirthschaftl.
Ausschussesmit einem Amendement von Adams lautet:
Jeder Deutschehat das Recht, an jedem Ort des
Reichsgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegenschaften
jeder Art zu erwerben, (Amend. von Adams) und darüber zu verfügen, jeden Nahrungszweig zu
betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu gewinnen. Die Bedingungen für den
Aufenthalt und Wohnsitz werden durch ein Heimathsgesetz, jene für den
Gewerbetrieb durch eine Gewerbeordnung für ganz Deutschland von der
Reichsgewalt festgesetzt. Bis zur Erlassung der betreffenden Reichsgesetze
steht die Ausübung der gedachten Rechte jedem Deutschen in jedem einzelnen
Staate Deutschlands unter denselben Bedingungen wie den Angehörigen dieses
Staates zu. ‒ (Schülers Amendement:) Kein deutscher
Staat darf zwischen seinen Angehörigen und den Angehörigen eines andern
deutschen Staates Unterschied bezüglich des bürgerlichen-peinlichen oder
Prozeßrechts machen, wodurch die Letzteren als Ausländer zurückgesetzt
werden.
Die Worte des §. 2: ‒ Die Bedingungen für den Aufenthalt und Wohnsitz werden
durch ein Heimathsgesetz, jene für den
Gewerbebetrieb durch eine Gewerbeordnung für ganz
Deutschland von der Reichsgewalt festgesetzt; ‒ begreifen das Beit'sche
Amendement in sich. ‒ Die Abstimmung über das Amendement ist zweifelhaft.
Man beschließt namentliche Abstimmung. Nachdem diese
beiden Abstimmungen ungefähr eine volle Stunde weggenommen erklärt v. Gagern
auch die namentliche Abstimmung gebe kein genügendes Resultat. Die
zweifelhaften Stimmen werden nochmals befragt, was unter großer Unruhe der
Versammlung wieder eine halbe Stunde wegnimmt. ‒ Endlich nach fast 2 Stunden
Resultat von 486 Anwesenden 244 für 242 gegen das Amendement. (Links bravo, rechts Zischen).
Ferner ward zu §. 2 ein von der ganzen Linken unterstütztes Amendement von
Spatz: allen Paßzwang aufzuheben, von der
Versammlung unter großer Verwunderung der Galerien verworfen. (Die Rechte
will einmal mit Pässen reisen!)
§. 3. Art. 1. Der Grundrechte in der Fassung wie er angenommen ward lautet:
Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf an keine andere
Bedingungen geknüpft werden, als welche sich auf die Unbescholtenheit und den genügenden
Unterhalt des Aufzunehmenden für sich und seine Familie
beziehen.
In der Reihenfolge über die zur Abstimmung zu bringenden und zu diesem §. 3.
gehörigen Amendements gerathen v. Gagern und Beseler in einen logischen
Streit, in welchem Beseler den Sieg davon trägt. ‒ v. Dieskaus Amendement zu
diesem §. 3. worin derselbe von einem wesentlichen
Aufenthalt eines Deutschen in einem deutschen Staate spricht, mit
Heiterkeit verworfen. ‒ Lette und Simon von Trier, welche über die Beibehaltung des beruchtigten Wortes: unbescholtenapparte Abstimmung verlangen, dringen nicht durch. Man
behält das Wort unbescholtenunter bravo rechtsund Zischen linksbei.
Das auch zu diesem Paragraph gehörige Amendement des Hrn. Plathneraus Halberstadt, worin derselbe eine
Unbescholtenheits-Definition zu geben sich bemüht hat, wird verworfen. Die
Rechte tobt furchtlos dagegen. Nach Abstimmung über die einzelnen Theile des
§. 3. verlangt Wessendonk nachträgliche Abstimmung über den ganzen
Paragraphen. Bissiger Widerspruch der Rechten und
Einrede des Präsidenten. Juchospricht dagegen. Links schreit einer:So hat die Rechte noch nie
gelärmt. Gagern,man solle sich doch nur beruhigen,
es käme ja doch alles noch einmalvor. Unter rechtsoho! und linksWiderspruch, wird Wessendonks Antrag natürlich beseitigt.
§. 4. Wurde soangenommen: Die
Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden, und da wo sie
ausgesprochen ist, sind deren Wirkungen aufgehoben, so weit dadurch
nicht bestehende Privatrechte verletzt werden.
(Schluß folgt.)
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[103] Berlin, 20. Juli.
Die Minister sind in der größten Verlegenheit, weil sich eine
Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen und der Frankfurter
Reichsverweserschaft, gleich von allem Anfang an, herausstellt. Die erste
Note des neuen deutschen Reichs-Ministeriums ist mit Forderungen
aufgetreten, die das Ministerium Auerswald-Hansemann seinen Grundsätzen
nach, keineswegs erfüllen kann. Es gedachte durch das Organ des Hrn.
Camphausen das vereinigte Deutschland zu beherrschen, aber nicht sich von
Hrn. von Schmerling Befehle vorschreiben zu lassen. Deshalb hatte sich ja
das Ministerium bei der Anerkennung des Reichverwesers gegen alle daraus zu
ziehenden Konsequenzen verwahrt. ‒ Die Nationalversammlung in Frankfurt hat
in ihrer Sitzung vom 14. d. M. bekanntlich beschlossen: „die Centralgewalt
möge die unumwundene Anerkennung der Centralgewalt und des Gesetzes darüber
von der Staats-Regierung des Königsreichs Hannover fordern.“ ‒ Der
Reichsverweser hat in Folge dieses Beschlusses dem hiesigen Ministerium die
Anzeige gemacht, daß er auf der unbedingten Anerkennung Seitens Hannovers
bestehen müsse, und fordert dazu den Beistand Preußens. Unser Ministerium,
gestützt auf die, durch Verwerfung des Jacoby'schen Antrages ausgesprochene
Meinung der Vereinbarer, ist aber viel mehr geneigt, die Hannover'sche
Ansicht in Schutz zu nehmen. ‒ Fernere Differenzpunkte zwischen hier und
Frankfurt sollen die Friedensbedingungen mit Dänemark sein. Das Ministerium
Hansemann, den russischen Einflüssen nachgebend, will den status quo, wie er
beim Beginn dieses Jahres war, wenig abgeändert wissen, während man in
Frankfurt ein rein deutsches, unabhängiges Schleswig-Holstein will. ‒
Endlich soll noch ein sehr wichtiger Punkt von Frankfurt aus zur Sprache
gekommen sein, das deutsche Reichs-Kriegsministerium will, da ihm alle
Truppen der deutschen Regierung zur Verfügung gestellt sind, auch die freie
Disposition über alle deutsche Festungen haben. ‒ Diese drei höchstwichtigen
Punkte werden als Forderungen der deutschen Reichsverweserschaft an das
hiesige Ministerium erzählt. Die Minister sollen sich nicht zu helfen
wissen, da sie sich in der Frankfurter Nationalversammlung so gut wie
geschlagen sehen, denn der gegen Hannover angenommene Beschluß ist ja eben
so gut gegen Preußen gerichtet. Hannover that nichts anderes als Preußen,
nur daß es offen und ehrlich mit der Sprache herausrückte. Man hofft aber,
daß Herr Hansemann auch hier eine Vereinbarung zu Stande bringen wird.
[0268]
Was von dem großen Finanzbericht des großen Finanzministers Hansemann, den er
am 11. d. M. in der Vereinbarungsversammlung mittheilte, zu halten ist, und
wie wenig der Finanzminister einen vollständig wahrhaften Bericht gegeben,
kann mit folgenden Thatsachen bewiesen werden. Bei Eröffnung des 7.
Provinziallandtages der Mark Brandenburg, des erstenunter dem jetzigen Könige, im Februar 1841, wurde ein Königliches Dekret in Betreff eines Steuer-Erlasses,
d. d. 23. Februar 1841, vorgelegt, welches zugleich einen Bericht über die
ganze Lage der preußischen Finanzen enthält. Aus diesem Bericht geht hervor,
daß die Kriegs-Rüstungen der Jahre 1830 bis 1833 ungefähr 35 Millionen
Thaler gekostet haben, im Ganzen aber in den Jahren 1830 bis 1840 über 61
Millionen Thaler für außerordentliche Zwecke
verausgabt wurden, welche „aus den gewöhnlichen Einnahmen
nicht bestritten, und nur allmählig aus den jährlichen Ueberschüssen
ersetzt werden“ konnten, oder mit andern Worten, diese Summen
wurden aus dem Schatze und der Seehandlung entnommen, wo sie durch die
jährlichen Ueberschüsse nach und nach wieder gedeckt werden sollen. Da man
aber in den Jahren 1830-1833 nur 12 Millionen von der Seehandlung,
vermittelst deren Prämienscheingeschäft entnahm, so bleiben für diese drei
Jahre allein ungefähr 23 Millionen Thaler übrig, die jedenfalls aus dem
Staatsschatz entnommen wurden. Wie stimmt aber die Angabe dieser enormen
Summe mit den bescheidenen Zahlenverhältnissen, innerhalb welcher sich die
Hansemann'sche Darstellung der Geschichte des Staatsschatzes bewegt?! Statt
der 61 Millionen, die laut Bericht von 1841 für außerordentliche Zwecke verausgabt wurden, weiß Hr. Hansemann nur
von 12 Millionen, die von 1820-1840 in den Staatsschatz gelegt wurden. Wie
paßt das zusammen? ‒ Drei Fälle sind nur möglich. Entweder die Quellen des
Berichts von 1841 sind Herrn Hansemann entzogen oder dafür andere
untergelegt worden; oder Herr Hansemann hat, in der Meinung, daß noch nie
etwas über den Staatsschatz veröffentlicht worden sei, die Ausgaben gleich
von den Einnahmen des Staatsschatzes abgezogen, um das Land nicht mit den 61
Millionen, die von 1830-1840 verausgabt wurden, zu erschrecken; oder
endlich, Herr Hansemann hat sich verrechnet, indem er nicht die Fähigkeit
besitzt, sich in den labirinthischen Nachweisungen der
Staatsschatzrechnungen zu Recht zu finden.
In den Abtheilungen der Vereinbarungsversammlung ist die Ansicht
durchgedrungen, den letzten Termin für die freiwillige Anleihe, in Betracht
der periodischen Zahlungsfähigkeit der Landleute, auf Ende September
hinauszuschieben. Der Finanzminister hatte den Termin auf den 10. August
festgesetzt. Indeß beeilt man sich jetzt hier seinen Antheil an der
Zwangsanleihe, freiwillig dazubringen, um 5 pCt. statt 3 1/3 pCt. zu
erhalten.
Der jüngere Schloeffel hat seinen Aufenthalt auf der Magdeburger Citadelle
dazu benutzt, seinen, vor dem Kammergericht verhandeltenPreßprozeß, zu bearbeiten. Das in einem hiesigen Verlage unter dem
Titel „Dokumente der Revoluiion der Gegenwart“ erschienene Heftchen enthält
außer den incriminirten Artikel und der Rede des Angeklagten auch das
vollständige Erkenntniß, woraus wir Ihnen einige Mittheilungen machen, um
die Ansichten unserer reaktionären Richter kennen zu lernen.
„Die Deduction des Angeklagten von dem Untergange des preußischen Staats, von
dem Nichtmehrbestehen gesetzlicher Staatsgewalt und des Allgemeinen
Landrechts erscheint als eine gänzliche unhaltbare und hohe Abstraktion, als
ein gänzliches Berkennen der Wirklichkeit. Wie man auch die Vorgänge des 18.
und 19. März und ihre Folgen beurtheilen mag, und welche Veränderung in der
Verfassung und Gesetzgebung sie auch herbeigeführt haben oder herbeiführen
mögen, ‒ kein Unbefangener kann dennoch das nicht blos faktische, sondern
rechtliche Fortbestehen des Staates, seiner Regierungsgewalten und seines
Gesetzbuches im Ernste verkennen. Die bisherigen Gesetze behielten ihre
Kraft, soweit sie nicht ausdrücklich aufgehoben sind. ‒ A. L. R. Einleitung
§ 59. (Gesetze behalten solange ihre Kraft, bis sie von dem Gesetzgeber
ausdrücklich wieder aufgehoben werden.) Die Staatsangehörigen blieben nach
wie vorihrem rechtmäßigen Könige und der Gesetzen
unterthan;und insbesondere machte die erweiterte Volksfreiheit die
Strafgesetze nicht unanwendbar, und Verbrechen, wie das hier zur Anklage
gestellte, des versuchten Aufruhrs nicht straflos, welche vielmehr unter
jeglicher Regierungsform und nach den Gesetzen der ganzen Welt der ahnenden
Gerechtigkeit anheimfallen. In der Sache selbst bedarf es kaum noch der
Ausführung: daß der Angeklagte mehrfach durch Schrift und Rede zu
Gewaltmaßregeln gegen die Regierung angeregt habe, namentlich zu dem Zwecke,
um die Zurücknahme des indirekte Wahlen anordnenden Wahlgesetzes und statt
dessen einen direkten Wahlmodus zu erzwingen, und ebenso um eine noch
allgemeinere Volksbewaffnung, als bisherbewilligt worden, wieder den Willen
der Regierung durchzusetzen. Den ersten Zweck verfolgt der Angeklagte
vornehmlich in seinem Aufsatze:„Die große Wahldemonstration.“Er fordert
durch diesen Artikel seines vorzugsweise für Arbeiter bestimmten Blattes
auf, massenhaft mit‒60,000 Mann‒vor das Königl. Schloß zu rücken, und durch
diese Macht den Minister Camphausen zu verhöhnen und von den
Wahlmännerwahlen abzubringen. Eine solches Einschüchterungssystem wäre schon
an sich eine Art von Gewalt;der Angeklagte redet aber derselben auch gerade
zu das Wort, wenn er gegen Ende des Artikels sagt: “Wir rufen immer:
„Friedlich, friedlich! “ und vergessen ganz, daß es gerade der Krieg und nur
der Krieg war, der uns das Wenige gebracht hat, was wir von Freiheit
besitzen u. s. w. “
Der Abg.Krackrügge,welcher in Erfurt vom General Hedemann beleidigt worden ist und auf
Einleitung einer gerichtlichen Untersuchung drang, mußte sich endlich an den
König wenden, da sich alle Gerichtsbehörden für inkompetent erklärten. Der
Justizminister zeigt jetzt dem Kläger an, daß die Sache in Gemäßheit eines
Allerhöchsten Befehls dem Ober Landesgerichte zu Magdeburg mit dem Auftrage
zugefertigt sei, sich der Führung der Untersuchung zu unterziehen und nach
Abschluß derselben die Akten zur Anordnung eines Kriegsgerichts einzureichen.—Herr Krackrügge
beklagt sich nun darüber, daß heute noch, wo das Prinzip der
Gleichberechtigung aller Staatsbürger vor dem Gesetz faktisch zur Geltung
gekommen, die antiquirte Verordnung behauptet wird, wonach ein Bürger, wenn
er von einem bewaffneten Mitbürger, einem General, an seiner Ehre verletzt
worden, Recht nehmen soll vor einem—Kriegsgericht. Als ob die Ehre des Herrn
Generallieutenants von Hedemann, eine andere wäre als die des Herrn
Krackrügge? ‒
Der Bürgerwehrmann Reinhold Ruge, dem sein Hauptmann gewaltsamer Weise das
Gewehr abfordern und durch Polizei-Exekution wirklich wegnehmen ließ,
beantragte zur Beurtheilung dieses Vorfalls ein Ehrengericht seines Bezirks,
welches gestern Abend statt fand. Als Grund der Verfahrungsweise des
Hauptmanns stellte sich heraus, daß Ruge am Tage nach dem Zeughaussturm im
Privatgespräch geäußert:„So lange der Zustand der ganzen Bürgerwehr und die
von ihr gewählten Offiziere nur als provisorisch anzusehen ist, werde ich in
allen Fällen, wo es sich um Menschenleben handelt, nur meiner Ueberzeugung
und nicht dem Kommando des Hauptmanns folgen; sollte dieser mich jedoch zum
Gebrauch der Feuerwaffe zwingen wollen, so würde ich eher (so ungefähr wären
seine Worte gewesen) das Gewehr auf dem Kopfe des Hauptmanns
entzweischlagen, als auf das Volk schießen.“‒Diese letzte Aeußerung war dem
Hauptmann hinterbracht worden,der in Folge dessen das bekannte Verfahren
gegen Ruge einleitete. ‒ Das Ehrengerich entschied sich für die vollständige
Rehabilitation Ruges unter den einfachen Bedingungen, daß er den letzten
Theil seines Gesprächs als unpassend widerrufe.
Der Justizminister Märker hat in der Kommission für
Rechtspflege erklärt, daß er in einigen Wochen einen Criminal- und
Strafgesetzentwurf vorlegen werde. Derselbe soll im Wesentlichen nach dem
Code d'instruction criminelle und Code penal bearbeitet sein. Man soll damit
umgehen, die Geschwornen so viel wie möglich aus dem Beamtenstande zu
nehmen.
Nachschrift. So eben erzählt man sich aus gut
unterrichteter Quelle, daß Professor Rosenfranz
bereits durch f. Patent zum Minister des Kultus ernannt, gestern nach der
ersten Sitzung im Staatsministerium wieder von seinem hohen Amte
zurückgetreten sei.‒Ebenso unterhält man sich von einem Briefe des Königs
von Hannover an unsern Hof, nach welchem derselbe durchaus nicht gewillt
sein soll, die Frankfurter Beschlüsse anzuerkennen und für den Fall, daß man
versuchen sollte, ihn dazu zu zwingen, mit der Intervention Englands zu
seinen Gunsten droht. ‒
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[103]Berlin, 21. Juli.
Die Vereinbarungsgesellschaft war heute wieder einmal recht muthwillig
gelaunt. Es waren eine Reihe Interpellationen und Anträge an der
Tagesordnung, die sich seit dem 20. Juni angesammelt hatten, weil
dringendere Anträge vorgezogen worden waren. Mehrere, die Angelegenheiten
des Großherzogthums Posen betreffende Interpellationen, gaben den Ministern
und unserer polenfeindlichen Rechte und rechten Centrum Gelegenheit sich in
ihrem wahren Geiste zu entwickeln. Es fehlte heute nicht an Scenen, welche
die' größte Aufregung hervorriefen.
Schon vor Beginn der Tagesordnung verlangte der Abgeordnete D'Ester das Wort,
um von dem Justizminister wegen eines in neuester Zeit in
Posen vorgekommenen Falles Auskunft zu erhalten. Das
Ober-Landesgericht hat eine Verfügung an alle Land- und Stadtgerichte
erlassen, eine Liste aller Personen, welche sich bei der letzten
Insurrektion betheiligt haben, welche verhaftet waren, mit bewaffneter Hand
gefangen genommen, oder auch nur einer Betheiligung verdächtigt seien, laut
einem beigelegten Schema anzufertigen und alsdann zurückzusenden. Das
Ober-Landesgericht begründete sein Verlangen damit, daß es zur Vorbereitung
einer allgemeinen Maßregel einer Liste bedürfe, nicht allein einer Liste
aller Betheiligten, sondern auch aller nur Verdächtigten, und wenn das resp.
Gericht in Zweifel sein sollte, ob Jemand der Theilnahme an der Insurrektion
verdächtig sei oder nicht, so solle man ihn dennoch in der Liste aufnehmen.
Dr. D'Ester frägt nun das Ministerium, ob es Kenntniß von diesen Vorfällen
habe? Die Dringlichkeit dieser Interpellation wird mit genauer Majorität
anerkannt und D'Ester setzt das Verwerfliche dieser Maßregel auseinander.
Man wird einsehen, daß diese Liste eine förmliche Profcriptionsliste ist;
nichts ist wohl mehr geeignet als diese Maßregel neue Erbitterung zwischen
der deutschen und polnischen Bevölkerung in dieser Provinz, die kaum
beruhigt ist, wieder hervorzurufen.
Der Justizminister kann nicht sagen, ob sich die
Angelegenheit in der That so verhält, wenn aber eine solche Liste
eingefordert ist, so bezwecke sie wohl gerade das Gegentheil als das, was
der Interpellant vermuthet, sie wird eine Pacifikation einleiten sollen.
Auch Hr. Kühlwetter, Minister des Innern, glaubt das
Wort ergreifen zu müssen und im spöttischen und höhnenden Ton sagt er, daß
die Einforderung dieser Listen wahrscheinlich zum Zweck einer Amnestie geschehe, da viele Bürger Posens um
Erlassung einer Amnestie eingekommen wären.
D'Ester kann sich mit diesen Antworten keineswegs zufrieden erklären, man
amnestiert nur diejenigen, die angeklagt sind; die einem bloßen Verdacht
unterliegen, brauchen keine Amnestie. Ich fragte das Ministerium, ob es
Kenntniß von diesem Vorfalle habe, und es antwortet mir, daß diese Maßregel
wahrscheinlich eine Pacifikation einleiten solle. Ich frage jetzt, ob die
beiden Minister eine entschiedene Antwort geben können?
Graf Cießkowski zeigt noch auf das Ungesetzliche und
Unrechtmäßige der angeregten Listeneinforderung hin, da mehrere
Bekanntmachungen in Posen erlassen seien, auch eine vom Generallieutenant
Colomb, daß alle Bürger und Landleute, welche an der Insurrektion Theil
genommen hätten, mit einer ferneren Untersuchung verschont bleiben
sollen.
Die Minister lassen sich auf keine weiteren Antworten in dieser Angelegenheit
ein.
Später kommt eine Interpellation des Herrn von Lisiecki
an die Reihe. Durch Verfügung des Ober-Präsidenten des Großherzogthums
Posen ist eine polizeiliche Aufsicht über alle Bewohner polnischer Abkunft,
welche an der letzten nationalen Bewegung irgendwie Theil genommen haben,
eingeleitet und solche selbst auf diejenigen erstreckt worden, die nur
Geldbeiträge oder Naturalien für die polnischen Truppen geliefert haben. Auf
Grund dieser Verfügung haben auch eine große Anzahl Gutsbesitzer einen
Hausarrest in der Art erhalten, daß sie ohne eine besondere Erlaubniß der
Polizeibehörde nicht einmal ihre Kreisstadt besuchen dürfen!-Außerdem, fügt
der Redner hinzu, kommen bis heute noch thätliche Mißhandlungen in der
Provinz Posen vor. Sogar in der neuesten Zeit, am 17. ds.,erlaubte sich das
Militär wieder abscheuliche Excesse. Es sind nicht zufällige Ausbrüche der
Rohheit, sondern ich halte sie für förmlich organisirt. Es bestehet im
Großherzogthum Posen ein Waffendenunciationssystem. Die Waffen sind überall
abgefordert worden. Wird nun jemand denuncirt, daß er noch heimlich im
Besitz von Waffen sei, so wird eine Abtheilung Soldaten hingeschickt, welche
aber vergebens nach Waffen suchen, da keine vorhanden sind. Nun begehen aber
die Soldaten Mißhandlungen, Prügeleien, die sogar schon Todesfälle
herbeigeführt haben, da sie dadurch die Herausgabe der Waffen zu erzwingen
glauben. Unmittelbar mit diesem Denuncirungssystem hängen noch Geldgier,
Rache, beleidigte Eitelkeit zusammen, welche die Soldaten zu solchen
Unthaten bewegen. Ich ersuche das Ministerium, sich hierüber äußern,
eventuell den vielfachen Uebergriffen der Behörden im Großherzogthum Posen
kräftigst steuern zu wollen.
Der Minister-Präsident antwortet, daß mit aller Strenge darauf gehalten wird,
daß die bestehenden Gesetze gehalten werden, und deren Uebertretung, von
welcher Seite sie auch komme, streng geahndet werden soll. Die Berichte der
Behörden werden so schnell als möglich eingefordert werden. Bei Ueberhäufung
der Geschäfte können die Behörden die Untersuchung oft nicht so
beschleunigen, wie es zu wünschen wäre.
Der Minister-Präsident fügt hinzu, daß er es nicht für angemessen halte, wenn
das Ministerium die in Folge der Interpellationen versprochenen
ausführlichen Berichte dem Interpellanten auf seine nochmalige Frage
mittheilt. Dies hält den Geschäftsgang der Versammlung sehr auf. Vielmehr
stellt er es anheim, ob es nicht besser wäre, wenn die von den Behörden
eingehenden Berichte über die durch Interpellationen angeregte Thatsachen
auf dem Büreau niedergelegt und nach Ende der Sitzung verlesen werden.
Hierauf folgen Interpellationen des Abgeordneten Szuman: ob mit Autorisation
oder Vorbewußt der Staatsregierung eine Freischaar im Szubiner Kreise, unter
Führung des von Treskow und des Grafen von Lüttichau aus Russisch-Polen gebildet worden, welche
die Aufgabe gehabt, Waffen aufzusuchen und hierbei körperliche Züchtigung zu
vollstrecken; ob event.Das Staats-Ministerium die Handlungen dieser
Freischaaren-Führer vertreten oder selbigen zur gerichtlichen Untersuchung
und Bestrafung ziehen zu lassen gemeint sei? ob seitens des Ministeriums
gegen diejenigen Civil- und Militär-Beamten im Großherzogthum Posen, welche
die aus der Gefangenschaft entlassenen Eingebornen brandmarken lassen, das
Erforderliche wegen ihrer Bestrafung veranlaßt worden?
Der Minister-Präsident antwortet, daß die Regierung Sr Majestät nie Befehl
gegeben habe die Gesetze zu übertreten und außerordentliche Bestrafungen zu
vollstrecken.
Das Corps, unter Führung des Herrn von Treskow, war übrigens keine
Freischaar, sondern eine unter Schutz der Civilbehörden gebildete Schutz und
Bürgerwehr. Was den Grafen von Lüttichau anbetrifft, so besitzt derselbe
außer in Russisch-Polen auch in dem Großh. Posen Güter.-Was die Brandmarkung
anbetrifft, so ist sie keinesfalls als eine solche zu halten, da man nur bei
dem Aufruhr betheiligte Personen bei ihrer Entlassung durch das Abscheeren
der Kopfhaare oder einen schwarzen Fleck kenntlich machen wollte.
Szuman ging noch unter großen Mißfallbezeugungen der
Rechten auf mehrere Einzelnheiten ein, da er sich durch die Antworten des
Ministerpräsidenten nicht befriedigt hielt. Da betritt ein Abgeordneter der
Provinz Posen, deutscher Abkunft, der hier zur äußersten Rechten gehört, die
Tribüne und nennt die Mittheilungen Szuman's Verleumdungen. Das giebt einen furchtbaren Lärm auf der Linken,
sie will den Redner zur Ordnung gerufen wissen. Er wiederholt den Satz und
nennt das jetzt, unwahre Aeußerungen. Neuer Sturm.
Dadurch findet sich der Minister Kühlwetter veranlaßt zu erklären: man solle
alle die Provinz Posen betreffenden Angelegenheiten der dieserhalb
gebildeter Kommission überlassen. - Herr Schulze aus
Delitzsch, ein treuer Ministerieller, merkt sich das und stellt den Antrag:
daß alle Interpellationen, die einzelnen Verhältnisse des Großherzogthums
Posen betreffend, an die Kommission verwiesen werden müssen. - Die
Dringlichkeit dieses Antrages wird vom ganzen ministeriellen Heerlager
anerkannt und wird daher sogleich zur Berathung gestellt. Der Herr von Berg, der die nun wieder erledigte Stelle des
Kultus-Ministerium wegschnappen möchte, beeilt sich den Antrag zu
unterstützen. Dr. Elsner protestiert gegen ein solches Verfahren, das Recht
der Interpellation steht jedem Volksvertreter zu, unbeschadet seiner
Nationalität. - Die Rechte will nichts davon hören, sie will abstimmen. Da
stellt man von der Linken den Antrag auf namentliche Abstimmung. Furchtbare
Aufregung in der ganzen Versammlung, die Klingel des Präsidenten vermag die
Ruhe nicht herzustellen. - Da Keimem mehr das Wort gegeben werden kann, weil
die Debatte geschlossen ist, sprechen Einige unter dem Vorgeben über die
Fragestellung sprechen zu wollen. - Herr v.
Kraszewski stürzt auf die Tribüne und donnert in die Versammlung
hinein: Wenn die Frage angenommen wird, so werden die polnischen
Abgeordneten gezwungen sein, diese Versammlung zu verlassen, da sie das
Interesse ihrer Provinz nicht mehr vertreten können. - Neue Bewegung, Alles
stürzt zu Schulzehin und fleht um sofortige
Zurücknahme seines Antrages, das einzige Rettungsmittel aus diesem
Sturm.
Der Präsident will abstimmen lassen, er kann aber die Ruhe nicht herstellen,
da endlich entschließt sich Hr. Schulze aus
Delitzsch seinen Antrag zurückzunehmen. Obgleich er von der Rechtmäßigkeit
(?) seines Antrages überzeugt ist, will er dennoch die Verantwortlichkeit
nicht übernehmen, daß ein Theil des Landes seine Abgeordneten zurückziehe.
Diese Worte beruhigen den tobenden Sturm und man geht in der Tagesordnung
weiter.
Ich aber will mit meinem Bericht zum Beginn der heutigen Sitzung
zurückkehren. Eine königl. Botschaft legt der Versammlung einen
Gesetzentwurf, „die Aufhebung der Grundsteuerbefreiung betreffend“ zur
Erklärung vor.
Der Finanzminister Hansemann begründet diesen Gesetzentwurf. Der Regierung
kommt es vor allen Dingen darauf an, den Grundsatz der gleichen Vertheilung
der Steuern in Anwendung zu bringen. Die bisher bestandenen Unterschiede,
welche die frühere Regierung zum Grundsatze hatte, muß aufgehoben werden. Es
ist aber nicht möglich, eine gleichmäßige Grundsteuervertheilung eiligst im
ganzen Lande einzuführen, das erfordert langdauernde Vorbereitung, aber die
Ausgleichung der Steuer, der in einer Provinz zusammenliegenden Güter, ist
schneller anzuordnen. Die Gleichheit der Vertheilung aller Steuern ist unser
Prinzip. Die Regierung beschäftigt sich mit den Maßregeln, welche die
gleichmäßige Besteuerung Aller herbeiführen soll.
Der Hr. v. Kirchmann zeigt in einem Briefe dem
Präsidenten Grabow an, daß er den Justizminister um Zurücknahme seiner
Versetzung aufgefordert hatte, da er diese als einen Tadel seiner bisherigen
Wirksamkeit ansehen müsse. Der Justizminister erwiederte ihn jedoch darauf,
daß das keinesfalls so sei, indem er es als eine Beförderung anzusehen habe.
In Folge dessen hat sich Hr. v. Kirchmann entschlossen, seine neue Stellung
anzunehmen, und zeigt dies dem Präsidenten an, weil er sich nun einer neuen
Wahl unterwerfen müsse. Die Neuwahl ist bereits angeordnet.
Der Bericht der Kommission betreffend ein zu erlassendes Gesetz: „die
Einstellung der schwebenden Verhandlungen, behufs Auseinandersetzung der
bäuerlichen Abgaben, Leistungen und Dienstverhältnisse und Niederschlagung
sämmtlicher schwebenden Prozesse“gibt zu interessanten Verhandlungen
Veranlassung. Der Abgeordnete Dierschkescheint in
diesen Angelegenheiten sehr bewandert zu sein. Er gibt eine vorzügliche
Auseinandersetzung aller betreffenden Gegenstände und Verhältnisse. Ueber
die Dienstleistungen theilt er Folgendes mit. Die Dienstleistungen sind zu
einer früheren Zeit, wo alles einen viel geringeren Werth als jetzt hatte,
zwischen dem Gutsbesitzer und dem Dienstmann abgeschlossen worden. Der
Arbeiter erhielt etwas Bestimmtes an Grund und Boden und für seine
Dienstleistung wurde ein den damaligen Geldverhältnissen angemessener Lohn
von 1 bis 1 1/2 Sgr. täglich festgesetzt. Der Arbeiter hatte zur damaligen
Zeit einen guten Abschluß gemacht, er konnte seine Bedürfnisse mit diesem
Lohn decken. Heute sind aber die Verhältnisse anders. Die Dienstleistung ist
am Grund und Boden kleben geblieben und der arme Mann muß, wenn er sie
ablösen will, eine Rente zahlen, welche die heutige Lohndifferenz deckt. Ein
Tagelohn von 5-6 Sgr. wird jetzt bei den Ablösungen zu Grunde gelegt,
wodurch sie Manchem unerschwinglich werden. Eine naturgetreue Schilderung
der Dekonomiekommissarien, welche diese Auseinandersetzung leiten und wie
schlecht die Landleute von denselben behandelt werden, schließt seinen
Vortrag.
Der Minister der Landwirthschaft, Gierke, läßt sich
auch einmal hören, indem er meint, daß die Ablösungskommissäre keineswegs
eine diktatorische Gewalt ausüben und die Generalkommission die arme
Bevölkerung nicht unterdrücke.
Der Antrag, welchen der Abgeordnete Jung schon vor drei Wochen machte, um
Aufhebung der Paragraphe des Allg. Landrechts, welche die Strafbestimmungen
über frechen, unehrerbietigen Tadel, über Erregung von Mißvergnügen und
Verspottung der Landesgesetze enthalten, kommt endlich heute an die
Tagesordnung. Jung begründet seinen Antrag: „Die Presse ist die Grundlage
unserer Freiheit. Diese Gesetze bedrohen die politische Presse. Die Kritik
der Maßregeln der Regierung ist nicht möglich bei diesen Gesetzen. Ein
Jeder, der die Preßfreiheit wahrhaft will, der einen wahrhaft
konstitutionellen Staat will, der muß für die Aufhebung dieser Paragraphen
sein,„ aber die Majorität wollte die Dringlichkeit der Sache nicht
anerkennen und sogleich darüber debattiren, deshalb nahm Jung seinen Antrag
zurück.
Die Verfassungskommission hat auch die Einsetzung eines Staatsraths beschlossen. Soll der etwa die dritte Kammer bilden?
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[*]Berlin.
In Folge der Aufhebung der Bundestags-Ausnahmsbeschlüsse erleiden die
Regierungsbevollmächtigten an den Universitäten eine Umwandlung. Der Pr.St.
A. schreibt deßwegen:
Das Ministerium der geistlichen, Unterrichts, und Medizinal-Angelegenheiten
hat zu diesem Ende die außerordentlichen Regierungs-Bevollmächtigten an den
diesseitigen Landes-Universitäten veranlaßt, sich der auf dieser Eigenschaft
beruhenden Functionen in Zukunft zu enthalten und sich lediglich auf
diejenige Wirksamkeit zu beschränken, welche bereits die frühere
Gesetzgebung, namentlich die Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der
Provinzial-Polizei-und Finanz-Behörden vom 26. Dezember 1808, deren
Bestimmungen sich in Nr. V. der Instruktion vom 18. November 1819 wiederholt
finden, den Kuratoren an den Universitäten beilegt.
Die bereits eingeleiteten und schnell vorschreitenden Verhandlungen und
Berathungen der Universitäten über deren künftige Gestaltung erstrecken sich
auch auf die etwaigen Abänderungen in der Einrichtung der
Universitäts-Kuratorien. Es wird daher
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[Spaltenumbruch] darüber zu seiner Zeit das Weitere im gesetzlichen Wege
verordnet werden.
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Posen, 16. Juli.
Die Gazeta Polska berichtet: Gestern oder vorgestern sind in Posen zwei
Regierungskommissare von Berlin angelangt, der Kammergerichtsrath Bülow und
Regiegierungsrath Bindemann. Der Zweck ihrer Mission ist vermuthlich, sich
persönlich von den Mißbräuchen und Gewaltthätigkeiten zu überzeugen, welche
bei den letzten Ereignissen sich in unserer Provinz zutrugen. Am Sonnabend
waren sie in der Zitadelle und unterhielten sich mit mehreren
Gefangenen.
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Prag, 17. Juli.
Bei der gestern vorgenommenen Wahl des Reichstagsdeputirten für den
Wahlbezirk der untern Neustadt erschienen 45 Wahlmänner, und fielen bei dem
2. Skrutinium (im ersten hatten sich die Stimmen zersplittert) 25 Stimmen
auf J. U. Dr. Pinkas jun. und 20 auf Andreas Haase. Dr. Pinkas ist mithin an
Riegers Stelle als Prager Reichstagsdeputirter getreten. ‒ In Beneschau
wurde abermals Justizamtmann Pribyl gewählt. ‒ Heute früh passirten die
italienischen Kriegsgefangenen, ungefähr 400 Mann, unsere Stadt. ‒ In den
ersten Morgenstunden sollen 6 Stück Kanonen, mit Kavalleriebegleitung, durch
die Stadt geführt worden sein, wie es heißt auf den Wysehrad.
[(C. B. a. B.)]
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[*] Bozen, 14. Juli.
Wie in Spandau und Neuwied von den preußischen Behörden die rückkehrenden
Schleswig-holsteinischen Freischärler gefangen und unschädlich gemacht
wurden, so läßt der Gouverneur von Tyrol, Graf Brandis den aus Wien nach ihrer Heimath kommenden tyroler
Studenten aufpassen, um, wenn sie „durch Verbreitung ihrer Grundsätze“ als „
gefährliche Subjekte“ sich bemerklich machen sollten, nach „aller Strenge
der Gesetze“ wider sie zu verfahren. „Es ist zu besorgen,“ heißt es indem
betreffenden Erlasse, „ daß sie die (in Wien) eingesogenen revolutionären
Grundsätze und Tendenzen auch in ihrer Heimath und auf dem Wege dahin
überall laut predigen und es sich noch zu einem Verdienste anrechnen, durch
Irreführung des Landvolkes dasselbe für ihre Zwecke zu gewinnen und auf
diesem Wege den fluchwürdigen Umtrieben der revolutionären Propaganda auch
die Bevölkerung unserer friedlich und ruhig gesinnten Provinz in deren
Gewalt zu überliefern. Der gegenwärtige anarchische Zustand in der Haupt-und
Residenzstadt Wien liefert ein trauriges Beispiel, wohin es führt, wenn
Menschen, die von Leidenschaften hingerissen, Religion, Gesetze und
Obrigkeiten mißachtend, in den Provinzen unter dem Landvolke ihre Grundsätze
verbreiten und einen Anklang sich verschaffen oder wohl gar die Oberhand
gewinnen.“ Wir empfehlen diesen ebenso energischen als verständlichen Styl
allen denjenigen, die gegenwärtig mit Ausarbeitung von Verordnungen gegen
die Presse, die Volksversammlungen und Vereine beauftragt sind.
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Wien, 18. Juli.
In der heutigen sechsten vorbereitenden Sitzung der Reichsversammlung erhob
sich eine Debatte über die Wahl eines Prager Abgeordneten. Prestel aus Wien
behauptete, daß Wahlen unter dem Belagerungszustande vorgenommen, keine
Gültigkeit haben könnten. Hiergegen meinte Bocrosch, daß zwischen dem
Belagerungszustande zur Unterdrückung und dem Belagerungszustande zur
Herstellung der gesetzlichen Ordnung ein großer Unterschied sei; unter
Cavaignac′s Diktatur bestehe politische Freiheit!! — Die Versammlung nahm
die beanstandete Wahl an. Hierauf erklärte der Alters-Vizepräsident Weist,
da sich ergeben, daß bereits 202 Abgeordnete anwesend sind, deren Wahl
gültig befunden, die Reichsversammlung als
konstituirt und forderte die Versammlung auf, zur Wahl des
Präsidenten und der Bureaus zu schreiten. Die Versammlung beschloß indeß mit
145 (meist Polen und Czechen, welche die Ankunft der noch nicht
eingetroffenen böhmischen Deputirten abwarten wollen) gegen 135 Stimmen, die
Wahl des Präsidenten morgen nicht vorzunehmen.
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Wien, 19. Juli.
Nach der offizielen „Wien. Ztg“ hat Erz herzog Johann die Zusammensetzung des
Ministeriums in folgender Weise genehmigt: Conseil-Präsident, Minister des
Hauses und des Aeußern, Freiherr v. Wessenburg; Minister des Innern, Freihr.
v. Dobblhoff; Justiz, Dr. Alexander Bach; Krieg, Graf Latour; Finanzen,
Freihr. v. Kraus (provisor.); Unterstaatssekretär im Finanzminist., Freihr.
v. Stift; Handel., Theodor Hornborstel; Unterricht., Freihr. v. Dobblhoff
(provisor.); Unterstaatssekretär im Unterrichtsminist. Freihr. v.
Feuchtersleben; Oeffentliche Arbeiten Ernst v. Schwarzer.
Dasselbe Blatt veröffentlicht das Programm des neuen Ministeriums, dessen
Hauptpunkte in folgenden bestehen: Das Ministerium will die dauerhafte
Begründung der constitutionell-volksthümlichen (?) Monarchie, auf der
Grundlage des gesetzlich ausgesprochenen Gesammtwillens; hofft unter dem
Beistande aller Freunde des gesetzlichen Fortschritts im Stande zu sein, die
Rechte des Volkes und des Thrones gegen alle Angriffe zu schützen. Es wird
mit allen gerechten Wünschen und Ansprüchen des Volkes Hand in Hand gehen,
jedoch auf keine Weise sich irgend etwas abdringen lassen(?), was seiner
Ueberzeugung nach mit der Freiheit und dem Wohle der Gesammtheit
unverträglich wäre, während es zugleich die Stimmung
der öffentlichen Meinung immer in genaue Erwägung ziehen wird. Es wird aufs
kräftigste dahin wirken, die konstitutionelle Freiheit in allen Provinzen
gleichzeitig zur Geltung zu bringen. ‒ Das Ministerium ist von der
Ueberzeugung durchdrungen, daß Oestreich als Gränzwacht der Europäischen
Gesittung im Osten groß, stark und einig bleiben müsse; zu dem Ende will es
nicht blos ein Ministerum der politischen, sondern auch der
durchgreifendsten administrativen Reform sein. ‒ In allen nationalen
Angelegenheiten der Provinzen soll vollkommen unpartheiische Oeffentlichkeit
stattfinden. ‒ Das große Ziel, welches das gesammte Vaterland seit seiner
Erhebung anstrebt, sowie die innige Verbindung Oestreichs mit Deutschland
wird nur durch die Anerkennung der vollen Gleichberechtigung aller
Nationalitäten im Staate erreicht und gewährleistet.
Französische Republik.
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[16] Paris, 21, Juli.
Die glorreichen Ueberwinder fahren mit allen Segeln; zwei tausend fünf
hundert Ausländer, über fünf Jahre in Frankreich ansässig, waren auf
spezielle Empfehlung als gute Demokraten vom provisorischen Gouvernement zu
Bürgern ernannt worden und hatten mitgestimmt. Da die Bota derselben
meist„ultra-sozialistisch“ wie das Blatt des Herrn Thiers meint,
ausgefallen, hat man ihnen provisorisch wieder das
Wahlrecht genommen; siehe den „Moniteur.“ Nächstens kommt ein
Fremdengesetz, das Meister Duchatel Ehre machen würde, zur Vorlage. Deutsche
Ouvriers in St. Antoine fochten auf den Barrikaden rühmlich mit, und ihrer
vier hundert werden brüderlich die Deportation mit den Parisern theilen.
Kein deutscher Flüchtling vom Freischaarenkorps, kein polnischer und
italienischer wird aus der ihm angewiesenen Provinzialortschaft mehr nach
Paris gelassen; als Struve nebst Frau und einigen badischen Studenten
dennoch von Chalons, wo Larmatine und Bastide zehn bis zwölf Sous täglich
den verhungernden Freischärlern zahlten (mitunter auch gar nicht zahlten) zu Fuß hierher gekommen, widerfuhren ihnen alle
mögliche polizeiliche Plackereien bis sie nach Straßburg zurückeilten. Halb
Paris ist jetzt Polizei; die Nationalgardisten spioniren unter sich mit
wahrer Lust, und wer in der Juni-Kampagne nicht Dienst gethan, wird vor dem
Conseil de Discipline gerüffelt und zur Beaufsichtigung oder Ausmerzung
notirt; die zwölfte, neunte und achte Legion, desgleichen einige Bataillone
des Weichbildes, dürfen fortan keinen Stab mehr haben, und 32
gesinnungsvolle Bürger in jeder sind mit Erkundigungen und Anfertigen
„zeitgemäßer Dienstlisten in verjüngtem Maßstabe“ von der Executive
beauftragt. Die polytechnischen Zöglinge werden „der ihrer so unwürdigen und
gefährlichen Nachbarschaft, des St. Jaquesviertels,“ entnommen und ins
Palais Elysee, unfern der National-Assemblee, versetzt; das bisherige
Polytechnicum wird eine fortifizirte Kaserne. Die Nationalkammer wird mit
Graben und Schanzen und Battericen versehen, die den Cours de la reine längs
der Seine bestreichen werden. Die Höhe Trocadero bei Passy, wo schon
Napoleon ein Bombenfort bauen gewollt, wird noch romantischer durch eine
Festung werden. Zur Bequemlichkeit liegen jetzt Munitionsmagazine im Innern
des Louvre und in diversen öffentlichen Gebäuden. Die Mairie von Paris ist
als „eine aus dem historischen Zusammenhang gerissene, an trübe Erihnerungen
mahnende Bezeichnung“ (Styl des Constitutionnel) in die Louis-Philipp'sche
Seinepräfektur verwandelt worden. Marrast soll als Gesandter nach London,
doch ist er krank. „Im Zirkel des Instituts präsidirt er; im Zirkel des
Palais National ist Larmatine, Ledrü-Rollin, Flocon; in der Rue Castilione
der Zirkel der Montagne (nur etwa 40 Repräsentanten), aber die Rue Poitiers
mit Thiers und Berryer strahlt über alle; und wenn diese alten politischen Jünglinge Tusch blasen und die Jugend der
Dynastischen Rechten und des Guizot'schen Centrums auf den Präsidentensessel
erheben wollen, so müssen die drei andern Zirkel demütig zuschauen; pfui
über Euch, Ihr versöhnungssüchtigen Limonadiers vom provisorischen
Gouvernement!“ ruft der „Imparial du Nord.“ Das „Siccle“ ist außer sich über
den Vergleich den irländische Blätter zwischen Irland′s nächstem Aufstand
und dem des Juni machen; der „Conciliateur“ entgegnet: „Allerdings hat Paris
einige Legionen besiegter Irländer in seinem Schooß, und wenn die
Triumphsänger von gestern nicht bald aufhören mit dem sinnlosen Geschwätz,
daß alle Franzosen gleich an Rechten, Pflichten und Glück sind, so waschen wir wenigstens unsere Hände wie Pontius
Pilatus; mehr zu sagen gestattet unser Preßzustand nicht.“ ..„Das
Eigenthum, sagt die „France du XIX Siccle,“ kommt von
Gott, behauptet ihr, und ihr zürnt dem Pedanten Cousin,der da dozirt: es rühre von der ersten Besitznahme. Sehr brav; Herr Cousin ist uns verhaßt aus
alten Zeiten; aber wir rathen den Proprietären von Gottes
Gnaden, nicht mehr mit brockweisen Allmosen oder philanthropischen
Aftermaßregeln ihren göttlichen Segen zu bekunden,
zumal ein einziger unglücklicher Land- oder Seekrieg dieses proprietärischen Frankreichs im Innern sehr teuflische Antiproprietäts- Bewegungen erzeugen
könnte. Wenn der Vesuv ausgespieen, so erholt er sich nur um wieder
anzufangen. Wir kommen vielleicht in dieser bleiernen Preßzeit wegen dieser
Worte vor Gericht. Aber wir schreien so laut daß es schallen möge vom Rhein
bis an die Pyrenäen; warum, sprecht, warum ist heute Arbeit in Uebermasse,
nachdem erst die Nationalwerkstätten mit Kanonen gesprengt werden mußten?
weßhalb war eben diese Arbeitsfülle nicht da als hunderttausend Ouvriers,
worunter einige wenige Tagediebe undsehr, sehr viele Arbeitsmärtyrer, täglich nach
ernster Arbeit seufzten? Warum gabt ihr ihnen vier Monate lang nichts als
lauter läppische, leichtfertige, fast nutzlose Arbeitsobjekte, z. B. Rasen
abstechen im Boulogner Gehölz, Kiesfahren in den Luxemburger Garten, das
Marsfeld ebenen und dgl.? Warum entheiligtet ihr was das Allerheiligste ist
nebst dem wohlorganisirten Familienleben auf Erden,
das Arbeitsleben? Warum thatet ihr gerade das, die
ihr seit lange immer von Arbeit und Familie denjenigen vorpredigt die keins
von beiden haben können? Die deßhalb aus Arbeit Diebstahl, aus Familie
Prostitution machen? Wir verlangen, daß außer der Untersuchung über die Mai-
und Junitragödie, eine andere mit derselben Unerbittlichkeit durchgeführt
werde über diese offenbar muthwillige, von Richtouvriers ausgegangene Verhunzung und Entwerthung (gaspillage
et débauchage) der Arbeitskräfte durch miserable Anwendung der
Nationalateliers; wir wollen eine wo möglich mikroskopische Betrachtung der
mysteriösen, heimtückischen Triebräder und Triebfedern wodurch z. B. kein
Haus-noch Straßenbau monatelang unternommen ward. Jetzt wird die Rue Rivoli,
das Tuilerienschloß, der Kai bis nach Passy vollendet: Dutzende von Straßen
und Palästen entstehen, zumal jedes bis Ende dieses Jahres in dem Grunde
ausgemauerte Gebäude mehre Jahre lang steuerfrei sein wird. War dies
Bedürfniß nach all diesen Entreprisen nicht auch schon im März vorhanden?
Heute scheint das Geld in den Beuteln der Entreprenneurs und Marchandeurs zu
wimmeln; wo steckte es denn vor den Junikanonaden? Hier ist ein dumpfes, wir
fürchten, ein namenloses Etwas im Hinterhalt gewesen, und zwar keine s. g.
ausländische Konspiration…“‒General Eugen Cavaignac′s Mutter wird stündlich
mit hunderten von Briefen der Frauen der Gefangenen bestürmt; sie wohnt bei
ihm in dem Palais der Schwester Louis Philipps, unweit der
Nationalassemblee; im Garten zählte ich neulich ein
hundert Schildwachen. Er ist ein herber stiller Melancholikus;
wenig seinem Bruder Godefroy gleich, der einst schrieb:„ich und Eugen wir
sind wie Castor und Polydeukes, und bereit zum Opfertode für demokratische
Preß-und Vereinsfreiheit in alle Ewigkeit.“ Er scheint sich wenig um das
Sanitätsloos der Eingesperrten gekümmert zu haben; die Kommission, mit dem
Jesuitenzögling Cormenin an der Spitze, mußte ihm erst bemerken, daß noch im
Fort Aubevilliers die Leute ohne Erlaubniß zum Herumgehen und ohne Stroh
gehalten werden; auch hatten diese 1400 Mann 30 Stunden lang weder Brod noch
Wasser zu sehen bekommen.
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Paris.
Nationalversammlung. Sitzung vom 21. Juni. (Nach 4
Uhr.)
Asteuin, ein junger, feuriger Deputirter aus Marseille, ist der Vater dieses
menschenfreundlichen Vorschlages, der in seiner ursprünglichen Form also
lautet: „Einziger Artikel: Der Lohn des Arbeiters ist vor allen Mobiliar und
Immobiliar Gläubigern privilegirt. Im Falle von Bankerotten ist er ganz zu
bezahlen, und zwar im Vorzuge von allen übrigen Posten, selbst der
Gerichtskosten. Die Zahlung erfolgt durch den Konkurs-Massa-Kurator (spedic)
oder durch den Tarationsrichter aus den ersten Einnahmen.“ Der Ausschuß, dem
dieser Vorschlag zur Prüfung überwiesen wurde, hat denselben zu erweitern
und ihn dem Artikel 2101 des Zivilgesetzbuchs beizufügen gesuch
Bavasseur versicherte der Versammlung zwar seine innige Sympatie für die
Arbeiter, hielt aber den Vorschlag für wenig fruchtbar und bekämpfte ihn
deßhalb. Der Vorschlag könne nur dem Kredit, dem Kapitale schaden. Letzteres
bedürfe der größten Sorgfalt.
Astouin, ziemlich ergrimmt, eilte auf die Tribüne und wies nach, daß es hohe
Zeit sei, sich mehr des Arbeiters als des Kapitals anzunehmen. Das letztere
sei schon dergestallt begünstigt, daß man aus Spekulation Bankerott mache
(Ah. Ah!). Für den Arbeiter gebe es keine Gerechtigkeit (Lärm). Er dringe
also auf Privilegirung des Arbeiterlohns auf mindestens drei Monate vor
Ausbruch eines Konkurses.
Dabaud hielt den Artikel 2101 des Zivilgesetzbuchs für völlig hinreichend,
und bekämpfte deshalb den Vorschlag im Interesse des gefährdeten
Kapitals.
Drei Redner betreten gleichzeitig die Bühne. Endlich erhält Bouher (Puys de
Dome) das Wort und sagt: Er sei einer der Urheber des Vorschlages und
vertheidigte ihn deßhalb, weil sich der angezogene Civilcoderartikel nur auf
Dienstbotenlohn beziehe. Er verlange dessen Ausdehnung auch auf alle
Proletarier.
Bravard hält die Maßregel für den Kredit höchst gefährlich, und darum
bekämpft er sie. Uebrigens müsse ein Haus schon sehr schlecht stehen, das
den Kredit seiner Arbeiter auf drei Monate in Anspruch nehme. Er kenne
Fabrikanten, die monatlich 400,000 Franken Arbeitslohn zahlen, sich also ein
Privilegium von 1,200,000 Frk. (3 Monat) gefallen lassen müßten. Eine solche
Maßregel ruinire also den Kredit.
Bouher eilte zwar wiederholt auf die Bühne, um seine Maßregel zu retten;
allein trotzdem hinderte er nicht, daß sie an den Legislationsausschuß
gewiesen, d. h. so gut wie begraben wurde.
Kurz vor 6 Uhr ging die Versammlung auseinander.
[Anzeige]
Schiffahrts-Anzeige. Köln, 23. Juli 1848.
Abgefahren: Jakob Schaaff nach Wesei; N. Bayer nach
der Saar; D. Schlaegel nach Koblenz.
In Ladung: Nach Ruhrort bis Emmerich Wwe. Jak.
Schaaff; nach Düsseldorf bis Mühlheim an der Ruhr A. Meyer; nach Andernach
und Neuwied J. Schilowski; D. Wiebel; nach Koblenz und der Mosel und Saar L.
Tillmann; nach der Mosel, nach Trier und der Saar J. Bayer; nach Mainz Bal.
Pfaff; nach dem Niedermain Fr. Gerling; nach dem Mittel- und Obermain C.
Hegewein; nach Heilbronn Fr. Schmidt; nach Kannstadt und Stuttgart L.
Hermanns; nach Worms und Mannheim W. C. Müller.
Ferner: Nach Rotterdam Kapt. v. Emster, Köln Nr. 26.
Ferner: Nach
Amsterdam Kapt. Kaefs, Köln Nr. 2.
Wasserstand
Köln, am 23. Juli. Rheinhöhe 9′ 6″ Angekommen: L. Ducoffre von Duisburg.
Civilstand der Stadt Köln.
Geburten
20. Juli. Kath., T. v. Georg Fuß, Taglöhner, Kartheuserwall. ‒ Joh., S. v.
Gerh. Doch, Taglöhner, Löhrgasse. ‒ Gottfr. Joh., S. v. Cosmas Keil,
Schenkwirth, gr. Sandkaul. ‒ Ros. Clif, T. v. Karl Bender, Schneider, St.
Agatha. ‒ Jos., S. v. Ant Herzog, Zuckersieder, Katharinengraben. ‒ Franz,
S. v. Aug, Kiepert, Schuster, Bayardsgasse. ‒ Anna Clif., T. v. Ferd.
Möhlau, Kfm., Sternengasse. ‒ Christine, T. v. verstorbenen Karl Heinr.
Raabe, Privatsekretair, Mittelstraße.
21. Juli. Jos. Wilhelmine, T. v. Bernh. Herib. Jos. Harperath, Kfm,
Gigelstein. ‒ Daniel, S. v. Joh. Ehmanns, Buchdrucker, Enggasse. ‒ Anna
Maria, T. v. Heinr. Klein, Tagl, Johannstraße. ‒ Karl Gust. Maria, S. v.
Gust. Hub. Karl Maria Thiery, Privatsekretair, Krebsgasse. ‒ Sophie, T. v.
Heinr. Reiff, Weinwirth, Marienplatz. ‒ Joh., S. v. Pet Hölters,
Stuckaturer, Johannstraße. ‒ Heinr. Georg, S. v. Heinrich Schaaff,
Postkondukteur, gr. Brinkgasse. ‒ Friedr. Hub., S. v. Joh. Pesch,
Tischlermeister, Krebsgasse. ‒ Heinr., S. v. Joh. Delessen, Taglöhner, gr.
Griechenmarkt. ‒ Heinr. Joh., S. v. Heinr. Klammen, Bandweber, Mörsergasse.
‒ Robert, S. v. Jakob Selbach, Notariats-Kandidat, Altenmarkt. ‒ Ein unehel.
Mädchen.
Sterbefälle.
20. Juli. Joh. Jos. Ernst, 10 Jahre alt, Mühlenbach. ‒ Ant. Malzmüller,
Fuhrknecht, 41 J. alt, verh., Entenpf. ‒ Marg. Baer, 2 J. 4 M. alt,
Achterstraße. ‒ Emilie Eug. Paas, 7 M. 3 W. alt, Rheinaustraße ‒ Michel
Penningsfeld, ohne Gesch., 78 J. alt, Wwr., Breitestraße. ‒ Franz Friedr.
Sigism. Wilhelm, Kanonikus des vormal. Kollegiatstiftes zu Essen, 81 J. alt,
Andreaskl. ‒ Pet. Wilh. Reuter, 8 M. alt, gr. Griechenmarkt. ‒ Sib. Hel.
Jansen, geb. Blum, 65 J alt, alten Kapitol. ‒ Joh. Jos. Giesen, 8 M. alt,
Martinstr.
21. Juli. Ein unehelicher Knabe.
Heiratsankündigungen.
23. Juli. Gustav Alb. Herm. Haake, Proviant-Amtskontrolleur zu Wittenberg und
Maria Magd. Adelaide Bogeler, Johannstr. ‒ Theod. Lucas, Dampfschiffsmatrose
auf dem Dampfschiffe „Schiller,“ und Kth. Hermann, Eulengartengasse. ‒
Michel Jos. Bresser, Schneider, Peterstraße, und Gert. Klein, Schafenstr. ‒
Edmund Südbert, Radmacher, Goldarbeiter, Hochstr., und Anna Maria Clementine
Kaiser, Sternengasse. ‒ Maximilian Clemens Ant. Maria Klara v. Bousaben,
Wwr, Rentner, Marzellenstraße, und Johanna Maria Franzisca Karolina Gioline
Zanoli, Hochstraße. ‒ Pet. Iltgen, Weißgerber, Rothgerberbach, und Anna
Maria Müller zu Thurn. ‒ Pet. Leutershausen, Taglöhner, Peterstraße, und
Franzisca Bolkemus, gr. Spitzengasse. ‒ Michael Staubesand, Steinhauer,
Thieboldsgasse, und Anna Marg. Lobore, Domhof. ‒ Heinr. Fasbender,
Spetzereihändler, und Gertrud Müller, beide Gigelstein. ‒ Jakob Gottfr.
Groos, Wwr., Brandweinbrenner, Sternengasse, und Anna Maria Froitzheim zu
Widdig. ‒ Christian Inseph Frechen, Glaser, Lintgasse, und Maria Anna
Stadelmann, Marzellenstraße. ‒ Heinrich Horsch, Wwr., Bandagist zu Delbrück,
und Barbara Waber, Mariengartengasse. ‒ Peter Jakob Mennekes, Wwr., Kfm. zu
Süchteln, und Maria Marg. Kamphausen, gr. Telegraphenstraße. ‒ Pet. Kornel
Hubert Michels, Wwr., Rothgerber, und Maria Kath. Rüphan, Wwr. Langenhövel,
beide Rothgerberbach. ‒ Karl Frdr Leitner, Wwr., Eisenbahn-Depotverwalter zu
Deutz, und Josepha Elis. Jansen, Burgmauer. ‒ Heinr. Herkenrath, Gärtner,
und Sibilla Kentenich, beide Thürmchenswall.
Futter gegen Mäuse, Ratten, Wanzen und Schwaben. Thurnmarkt Nro. 39.
„Neue Rheinische Zeitung.“
Die 3. Einzahlung von 10 pCt. per Aktie, wird bis zum Mittwoch, den 26. d. M.
gegen Interims-Quittung eingezogen werden.
Köln, den 21. Juli 1848.
H. Korff,
Gerant der „Neuen Rheinischen Zeitung.“
Durch Akt des Gerichtsvollziehers Hey vom 22. Juli 1848, hat die zu Köln ohne
besonderes Gewerbe wohnende Anna Maria Ringelchen, Ehefrau des daselbst
wohnenden Maurermeister Johann Hermanns, die Klage auf Gütertrennung gegen
ihren vorgenannten Ehemann angestellt und die Unterzeichneten zu ihren
Sachwaltern beim königlichen Landgerichte zu Köln bestellt.
Füßer,
Advokat-Anwalt.
Laufenberg,
Anwalt.
Antwort auf die Erklärung des 1. Musikchores der Kölner
Bürgerwehr in der gestrigen Nummer d. Bl.
Was nützt uns ein Zeugenbeweis darüber, daß unser Inserat schon eine halbe
Stunde vor Eröffnung des etc. Festzuges in der Druckerei gewesen. Liefern
Sie uns den Beweis, daß das 1 Musikchor beim Festzuge war. Wir wollen nicht
bezweifeln, daß die Mitglieder des Musikchores, exklusive Hrn. Peters, der
guten Sache wegen gerne bereit gewesen wären, den Festzug gratis zu
verherrlichen, wenn man sie mitzuwirken aufgefordert hätte. Kann man aber
einem festordnenden Comite zumuthen, mit Jemand Anderm, als mit dem Haupte
eines Musikchors zu unterhandeln? Daß dieses geschehen, sind wir gerne
bereit zu beweisen; man fordere uns nur hierzu auf und wir werden die
kontrahirenden Personen auf die Bühne bringen.
Wie die Bürgerwehr, so sind auch die Musikchöre ein freiwilliges Institut und
da die Bürgerwehrleute für Zeitverlust und baare Beiträge für die
Kompagnie-Kasse nichts vergütet bekommen, so finden wir es folgerecht in der
Ordnung, daß auch die Musikchöre bei Kompagnie Begleitung nichts verlangen
dürfen, besonders da Letztere vom Dienste mit den Waffen entbunden sind.
Ein tüchtiger Verwaltungssekretair sucht eine entsprechende Stelle. Offerten
werden franco per Adresse Korrespondenzbureau Ulrichgasse 26 erbeten.
M. Goldschmidt,Obermarspforte Nr. 28 vis-à-vis
Hof-Konditor Mosler erhielt eine neue Auswahl in
Reise-Recessaire für Damen und Herren, Arbeitskästchen, Thee- und
Tabakkasten, empfiehlt sich damit zu den billigsten Preisen.
Avis
Kleidermacher-Unterricht.
Die Kunst, zuschneiden zu erlernen, über jeden Wuchs des Menschen, welche bis
in's Unendliche übergeht, und zwar in drei Lexionen. Komödienstraße Nr. 93
erste Etage.
Vivat Christine auf der Ehrenstrasse.
Viele Freuden, keine Sorgen,
Keinen Kummer, keinen Harm,
Trübe
Deines Lebens Morgen
An des Gatten treuen Arm.
B