[0265]
Beilage zu Nr. 53 der Neuen Rheinisch. Zeitung.
Sonntag 23. Juli.
Französische Republik.
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Paris.
Schluß des in vorgestriger Beilage abgebrochenen Entwurfs einer Strafprozeßordnung.
§ 4. Von der Bildung des Geschworenengerichts.
Art. 71. Alle Franzosen, die der Civil- und politischen Rechte genießen, werden auf die Geschwornenliste gebracht, außer in den Fällen der Unfähigkeit oder Dispensation, welche in den beiden folgenden Artikeln vorgesehen sind.
Art. 72. Auf die Geschwornenliste werden nicht gebracht: 1. Die Bürger, welche gemäß Art. 383 der Strafprozeßordnung Funktionen bekleiden, die mit der Stellung des Geschwornen unverträglich sind, ferner die Militärpersonen im aktiven Dienste. 2. Diejenigen, die noch nicht volle 30 Jahre alt sind. 3. Diejenigen, welche durch körperliche Gebrechen unfähig sind, die Funktionen des Geschwornen zu erfüllen. 4. Diejenigen, die nicht französisch lesen und schreiben können. 5. Dienstboten, die um Lohn dienen. 6. Nicht in ihre Rechte wiedereingesetzte Fallite. 7. Individuen, die zu Leibes- oder entehrenden Strafen oder zu Korrektionnelstrafen verurtheilt sind, wegen Handlungen, die das Gesetz als Verbrechen qualifizirt oder wegen der Vergehen des Diebstahls, der Prellerei, des Vertrauensmißbrauchs, des Angriffs auf die Sitten, der Landstreicherei oder des Bettelns.
Art. 73. Auf die Liste werden nicht gebracht auf ihr Verlangen, 1. Siebzigjährige. 2. Beamte oder Vorgesetzte, die einen öffentlichen Dienst bekleiden. 3. Bürger, die vom Tagelohn leben und die Kosten nicht tragen können, die mit der Stellung des Geschwornen verbunden sind.
Art. 74. Die Geschwornenliste wird in jeder Kommune durch den Maire festgestellt. Er hat dieselbe an die Kirchthüren und das Gemeindehaus anheften zu lassen. Während der acht Tage, die auf diese Veröffentlichung folgen, kann jeder Bürger entweder gegen die Einschreibung oder gegen die Auslassung reklamiren, indem er ein kostenfreies Gesuch an den Maire der Gemeinde richtet, der gehalten ist binnen drei Tagen zu entscheiden. Der Recours gegen diese Entscheidung geschieht beim Friedensrichter, der binnen fünf Tagen und ohne Appel entscheidet. Die Zusätze, die durch die Entscheidungen des Friedensrichters oder des Maire, wenn kein Recours stattfindet, hinzukommen, werden angeschlagen und dem Präfekten übergeben, wie im Art. 75 bestimmt ist.
Art. 75. Am 1. Dezember jedes Jahres stellt der Maire dem Präfekten die Geschwornenliste der Gemeinde zu Der Präfekt fertigt ohne Verzug nach den Gemeindelisten die allgemeine Departementsliste an. Diese letztere wird sodann dem Schreiber des Tribunals übergeben. Hieraus wird eine Liste von Geschwornen jedes Arrondissements ausgezogen und dem Gerichtschreiber des Arrondissementsrichters zum Gebrauch für die Korrektionnell-Assisen mitgetheilt.
Art. 76. Zehn Tage wenigstens vor Eröffnung der Departements-Assisen zieht der Präsident des Tribunals durch das Loos in öffentlicher Sitzung aus der allgemeinen Liste die Namen der 42 Geschwornen, welche die Listen der Session bilden. Er zieht überdem sechs Supplementargeschworne aus den Geschwornen, welche in der Stadt wo die Assisen gehalten werden, wohnen. Wenn an dem für die Verhandlungen einer jeden Sache anberaumten Tage weniger als 36 Geschworne anwesend sind, so wird diese Zahl durch die Supplementargeschwornen ergänzt und reicht das nicht zu, durch Geschworne, die aus den Bewohnern der Stadt in öffentlicher Sitzung durchs Loos gezogen sind.
Art. 77. Alle Bestimmungen der Kriminalprozeßordnung, welche durch die vorstehenden nicht abgeändert werden, bleiben in Anwendung.
Art. 78. Die Bestimmungen des Art. 41 des gegenwärtigen Gesetzes sind anwendbar auf die Urtheils-Geschwornen in Zuchtpolizei- und Kriminalsachen.
Art. 79. Gleich nach der Verkündigung des gegenwärtigen Gesetzes wird zur Anfertigung und Uebersendung der Geschwornenliste geschritten, wie vorstehend gesagt ist. Vom Tage ihrer Ankunft auf der Gerichtschreiberei an verrichten allein die Geschwornen, die aus dieser Liste ausgezogen sind, den Dienst bei den Assisen.
Titel V.
Von der Ernennung der Gerichtsbeamten.
Art. 80. Die Ernennung der Gerichtsbeamten geschieht durch die vollziehende Gewalt, unter den Bedingungen und mit den Unterschieden, die nachstehend angegeben sind.
Art. 81. Niemand kann zum Friedensrichter ernannt werden, wenn er nicht Licentiat in der Jurisprudenz ist, oder wenn er nicht wenigstens fünf Jahre lang das Amt eines Anwalts, Notars oder Gerichtschreibers geführt hat. Diese Bestimmung wird indessen erst mit dem 1. Januar 1850 in Kraft treten.
Art. 82. Niemand kann zum ordentlichen oder Ergänzungs-Richter eines Departementsgerichtes oder eines Appeltribunals ernannt noch zum Amte des öffentlichen Ministeriums befördert werden, wenn er nicht schon Richter gewesen ist, oder zum Advokaten ernannt worden, und wenn er nicht bei einem Appeltribunal oder einem Gerichte erster Instanz seine Stage gemacht hat.
Art. 83. Die Richter werden aus einer Kandidatentabelle genommen, die in folgender Weise angefertigt ist.
Art. 84. Beim Beginn jedes Gerichtsjahres werden die Licentiaten der Jurisprudenz, welche sich zur Stage melden und erklärt haben in die Magistratur eintreten zu wollen, bei jedem Gerichtshof nach der Reihenfolge der Nummern verzeichnet, die sie bei ihrem Austritt aus der juristischen Fakultät erhalten haben. Die Laureaten erhalten die erste Stelle, die Doktoren des Rechtes werden vor den Licentiaten eingetragen.
Art. 85. Beim zweiten und dritten Jahre werden um dieselbe Zeit die stagirenden Advokaten nach dem Fleiße und Talent geordnet, wovon sie im Laufe des verfloßenen Jahres Probe abgelegt haben. Diese Ordnung geschieht gemeinschaftlich durch die Mitglieder des Gerichtshofes, des Parquets und des Rathes der Advokaten.
Art. 86. Die jungen Advokaten ersten Ranges können während ihrer Stage dem Parquet beigegeben und als solche den Instruktionsrichtern und Substituten zugeordnet werden, um ihnen Aushülfe zu leisten.
Art. 87. Bei gleichen Ansprüchen ernennt die Regierung zu diesen Stelen vorzugsweise diejenigen, welche ihre Rechtsstudien mit Hülfe von Stipendien des Staates oder der Departements gemacht haben.
Art. 88. Der Advokat, welcher am Ende seiner Stage, auf der Tabelle des Departementgerichtes die erste Stelle einnimmt, wird auf die definitive Tabelle gebracht, welche von dem Appeltribunal festgesetzt wird.
Art. 89. Das Appeltribunal designirt in derselben Weise jedes Jahr eine Zahl von Kandidaten, welche der Zahl des Departements in seinem Bezirk gleich sein muß.
Art. 90. Diese Designationen nebst denen, welche aus den Klassifizirungstabellen der Tribunale erster Instanz hervorgegangen sind, bilden die definitive Tabelle, welche durch das Appeltribunal in einer General-Versammlung mit den Mitgliedern des Parkets und des Rathes des Barreau, unter den eingesandten Bemerkungen der Präsidenten, der Prokuratoren der Republik und der Batonniers der Advokaten der Tribunale erster Instanz, festgestellt wird.
Art. 91. Diese, von den Tribunalen festgesetzten Kandidatur-Tabellen dienen als Vorlagelisten für alle Stellen von Richtern erster Instanz und Staatsprokuratoren der Republik, welche im Laufe des Jahrs bei den Departement-Tribunalen erledigt.
[Spaltenumbruch]
Art. 92. Bei Gleichheit des Verdienstes und Ranges berücksichtigt die Regierung vorzüglich diejenigen, welche ihre Studien mit Unterstützung der Staats- und Departementsstipendien gemacht haben.
Art. 93. Jedesmal, wenn die Stelle eines Richters erster Instanz erledigt ist, werden zwei Kandidaten vorgeschlagen; der eine wird von dem Tribunal in welchem der Ausfall stattgefunden, in einer General-Versammlung mit den Mitgliedern des Parkets bezeichnet, den anderen erwählen die Mitglieder des Rathes des Barreau und der Disziplinar-Kammer der Anwälte bei demselben Tribunal, in einer gleichen General-Versammlung.
Art. 94. Wenn die Ernennung eines Appel-Richters stattfindet, stellt jedes Tribunal erster Instanz in dem Bezirk einen Kandidaten, der durch das Tribunal in einer General-Versammlung mit den Mitgliedern des Parkets, des Rathes des Barreau und der Disziplinarkammer der Anwälte erwählt wird.
Diese Kandidaturen werden dem Appel-Tribunal in seiner General-Versammlung mit den Mitgliedern des Parkets, des Rathes des Barreau und der Kammer der Anwälte vorgelegt.
Diese Versammlung hat das Recht, entweder ihrerseits einen Kandidaten anzuzeichnen oder ihre Bemerkungen über die von den Tribunalen ihr vorgeschlagenen Kandidaten zu machen, und die Regierung hat unter den dergestalt bezeichneten Kandidaten die Wahl.
Art. 95. Diese Designationen verpflichten keineswegs unbedingt zur Ernennung gerade für das Gericht, in welchem die Stelle erledigt ist. Die Regierung kann auch den Beamten eines anderen Gerichts hierherberufen. Die Ernennung eines Titularen sagt das Tribunal an, welchem er beigeordnet wird. Die Regierung kann indeß die Gerichtsbeamten mit ihrer Einwilligung versetzen.
Art. 96. Die Präsidenten und Vice-Präsidenten der Tribunale erster Instanz, die Kammer-Präsidenten und Vice-Präsidenten der Appeltribunale werden von ihren Kollegen durch absolute Stimmenmehrheit erwählt.
Art. 97. Die Richter des Kassations-Tribunals werden, nach Vorschlag von drei Kandidaten durch die Regierung, von der National-Versammlung ernannt.
Art. 98. Sie wählen und ernennen nach absoluter Stimmenmehrheit die Kammer-Präsidenten.
Art. 99. Der erste Präsident wird von der Regierung im Ministerrathe ernannt; wenn derselbe jedoch nicht aus dem Schoos des Kassationstribunals genommen wird, ist seine Ernennung der National-Versammlung vorzulegen, ohne deren Genehmigung die Ernennung nicht definitiv stattfinden kann.
Art. 100. Die Regierung hat das Recht, die Beamten des öffentlichen Ministeriums zu ernennen und abzusetzen.
Sie wählt dieselben ohne Unterschied aus den Mitgliedern des Kollegiums oder aus den Mitgliedern des Barreau, und kann daher jedesmal, wenn sie es im Interesse des Dienstes für nützlich hält, von den Vorschriften der Kandidatur für den Eintritt in das Kollegium abgehen.
Art. 101. Die Beamten des öffentlichen Ministeriums, welche aus ihren Stellen scheiden und vor ihrem Eintritt in das Parket andere richterliche Stellen bekleidet, können mit gleichem Recht auf die Kandidaten-Tabellen gesetzt und erwählt werden, nämlich:
Die Prokuratoren der Republik und die Staatsprokuratoren zu Richtern bei einem Departements-Tribunal.
Die General-Prokuratoren und General-Advokaten zu Richtern bei einem Appel-Tribunal.
Doch kann dies Recht denjenigen Beamten abgesprochen werden, deren Ausscheiden mit Verlust aller richterlichen Funktionen verbunden ist.
Art. 102. Die Richter aller Tribunale können im Alter von 70 Jahren durch eine einfache Verfügung der Regierung in Ruhestand versetzt werden.
Vor diesem Alter können dieselben nur durch ein Urtheil, auf die nachher bestimmten Gründe und Formen hin abgesetzt werden.
Art. 103. Jeder Richter, dessen Name sich in einem Arrest-, Verwahrungs- oder Verhaftsbefehl oder einer zuchtpolizeilichen Verurtheilung findet, wird vorläufig von seinem Amt suspendirt.
Diese Suspension wird vom Justizminister erlassen.
Art. 104. Jeder Richter, der wegen eines Vergehens, das seiner Natur nach Gefängnißstrafe nach sich zieht, verurtheilt worden, und jeder Richter, der die Pflichten seines Standes vernachlässigt oder durch seine Aufführung, seine Nachlässigkeit oder Unfähigkeit, die Ehre und Würde seines Standes verletzt, wird durch den Justizminister vor den “Kassationshof” gezogen.
Art. 105. Die Kammer, in welcher der erste Präsident sich befindet, verordnet, wenn es nöthig ist, daß der inkulpirte Beamte vor die Barre des Tribunals gefordert werde. In diesem Fall kann das Tribunal, nachdem es in vereinigten Kammern diesen Beamten mit seiner Erklärung und Vertheidigung gehört hat, auf folgende Strafen erkennen: auf einfachen Tadel; auf Tadel mit Verweis; auf Amts-Suspension für eine bestimmte Zeit, die indeß drei Jahre nicht überschreiten darf; auf Entsetzung.
Art. 106. Der Tadel mit Verweis zieht den Verlust des Gehalts für einen Monat nach sich; die Suspension ist mit Verlust des Gehalts während ihrer Dauer verbunden.
Art. 107. Der beschuldigte Beamte kann sich stets einen Vertheidiger nehmen. Die Verhandlungen finden in ordentlicher Sitzung statt, wenn der Beamte es verlangt.
Transitorische Bestimmungen.
Art. 108. Binnen drei Monaten nach Verkündung des gegenwärtigen Gesetzes schreitet die Regierung zu einer neuen Besetzung des Kollegiums; sie sendet ihre Ernennung allen Richtern zu, welche in die neue Organisation der Tribunale eingeschlossen sind.
Die Namen der neu eingesetzten Richter werden nach der Reihe im Moniteur veröffentlicht.
Art. 109. Die aktiven Beamten, welche nach Ablauf der drei Monate keine neue Ernennung erhalten, treten aus ihren Aemtern, und können ihre Ansprüche auf Pension geltend machen.
Art. 110. Alle zur Vervollständigung der neuen Tribunale nöthigen Ernennungen müssen von der Regierung in der durch Art. 108. festgesetzten Frist geschehen.
Art. 111. Nach Ablauf dieser Frist geschehen alle richterlichen Ernennungen nach den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes.
Art. 112. Die Anwälte der aufgehobenen Arrondissements-Tribunale werden den Departements-Tribunalen erster Instanz zugeordnet.
Die Anwälte bei den aufgehobenen Appeltribunalen haben die Wahl, entweder einem der Appeltribunale im Bezirk ihrer früheren Departements, oder dem Tribunal erster Instanz in ihrem Wohnsitz zugeordnet zu werden.
Sie sind gehalten, sich über diese Wahl binnen drei Monaten nach Verkündung des gegenwärtigen Gesetzes zu erklären.
Wenn diese Erklärung nicht geschieht, werden sie dem neuen Appeltribunal zugeordnet, zu dessen Bezirk ihr Wohnort gehört.
Art. 113. Alles was die Gerichtschreiber betrifft, wird durch ein besonderes Gesetz geordnet werden.
Erwiderung des Abgeordneten Krakrügge.
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Eine kleine Partei in Erfurt, von welcher einige hochgestellte Personen offen erklärt haben, daß sie noch immer der früheren absoluten Herrschaft und dem Systeme Metternich ergeben seien und in dieser Richtung für den Rückschritt wirksam sind, verfolgt und verdächtigt unaufhörlich wegen meiner politischen Meinungen mich, und diejenige Partei, welcher ich in der National-Versammlung anzugehören die Ehre habe; es sind dieselben Männer, welche fernerhin auf die Entschließungen des Ministeriums, ja Sr. Maj. des Königs selbst direkt und indirekt Einfluß übten, und welche namentlich auch berichtet haben in der bekannten v. Ehrenberg'schen Angelegenheit. Von dieser kleinen aber noch immer einflußreichen Partei, deren Treiben die Staatsregierung ungestört gewähren läßt, ist auch die Verläumdung hervorgegangen, welche in der 2. Beilage zu 157 der Vossischen Zeitung gegen mich abgedruckt steht. Indem ich es unter meiner Würde halte, auf die darin enthaltenen Beschuldigungen rechtfertigend einzugehen, bemerke ich hier nur, daß die mir beigemessenen Aeußerungen durchaus entstellt und unwahr dargestellt sind, indem sie in der Wirklichkeit weiter nichts waren, als der harmlose Ausdruck einer Meinungsverschiedenheit bei einem gesellschaftlichen Disput über politische Tagesfragen. Noch unbekannt mit dem Urheber der Verläumdung, behalte ich mir vor, auf anderem Wege meine Genugthuung auszuführen, sobald ich meinen Gegner kenne. Inzwischen habe ich bei der verehrlichen Redaktion der Vossischen Zeitung angefragt: ob sie den Verfasser vertreten wolle. Zugleich habe ich den Herrn Herausgeber auf den Grund des Gesetzes vom 17. März veranlaßt, diese meine Entgegnung in das nächste Stück der Vossischen Zeitung kostenfrei aufzunehmen.
Berlin, den 15. Juli 1848.
Krackrügge, Abgeordneter für Erfurt.
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Protest
des Demokratischen Studentenvereins.
Heidelberg, den 17. Juli. Unter den Heidelberger Studenten hat sich vor nicht langer Zeit ein Demokratischer Studenten-Verein gegründet, welcher sich zum Zwecke gestellt hat, zur Verwirklichung der Demokratischen Republik in unserm Vaterlande nach Kräften beizutragen. Der Verein sah recht wohl ein, daß die republikanische Staatsform noch nicht die Mehrheit des deutschen Volkes für sich gewonnen hat, aber gerade dies hat ihn zu seiner Konstituirung bewogen, denn wäre die Mehrheit des deutschen Volkes schon jetzt für die Republik, so würden die Mitglieder des Vereins sich wahrlich nicht mit der Konstituirung eines Vereines begnügt haben, sie würden vielmehr alles aufgeboten haben, daß eine dem Willen der Majorität mit Gewalt widerstrebende Minderheit, mit den Waffen in der Hand gezwungen würde, sich jenem Willen zu unterwerfen; da aber die republikanisch Gesinnten wie gesagt, noch in der Minderheit wenn auch in einer kleinen sich befinden, so wollte der Verein, dem die Volksfreiheit zur Religion geworden ist, eben dahin wirken, so weit es ihm möglich, diese Minderheit in die Mehrheit umwandeln zu helfen, er wollte auf dem Wege der Ueberzeugung die republikanischen Grundsätze im Volke so viel als möglich verbreiten und befestigen, davon zeugen die Mittel, welche er zur Erreichung seines Zweckes sich selbst in den Statuten vorgeschrieben hat, und die in nichts anderem bestehen, als in der Presse, in der möglichst ausgebreiteten Gründung demokratischer Vereine, davon zeigt die entschiedene Offenheit, mit welcher er ‒ im Bewußtsein seines guten Rechts ‒ von Anfang an aufgetreten ist, seine Statuten sind gedruckt und liegen jedem zur Einsicht offen, seine Verhandlungen sind durchaus öffentlich, er erließ endlich eine offene Aufforderung an die gleichgesinnten Studenten Heidelbergs, dem Vereine beizutreten. Dieser Verein ist nun durch Befehl des badenschen Ministeriums des Innern vom 11. Juli für aufgelöst erklärt worden. Unter Bezugnahme auf ein Gesetz vom 26. Okt. 1833 (!) wonach sogenannte staatsgefährliche Vereine unterdrückt werden können. Dieser Erlaß wurde vom Prorektor, der übrigens auch behauptete, „wir lebten Gott sei Dank noch in einem Polizeistaate und würden hoffentlich immer darin leben,“ und Amtmann der Universität den Vereinsmitgliedern mitgetheilt. Auf die Behauptung derselben, daß das Gesetz vom 26. Okt. 1833 durch die neueren Gesetze vom März, wonach durchaus das Associationsrecht dem Volke zugesichert wurde, aufgehoben sei, erklärte der Prorektor, es gebe keine Gesetze des März, die Associationsfreiheit betreffend, es wären nur Meinungsäußerungen der Minister gewesen!! Siehe nun, du deutsches Volk, was du dir im März errungen hast, was du an vielen Orten mit theurem Blut erkauft hast; Rechte? Freiheiten? Nein, Worte, nur Aeußerungen von Ministern! Dafür also sind so viele Männer und Jünglinge gefallen? Ihre Ahanen schreien um Rache! Diese Minister wagen es, frech die ganzen Ereignisse der Revolution des März zu ignoriren und seine Rechte dem Volke verkümmern zu wollen. Höre du deutsches Volk, wie diese Minister, welche deine Diener sind, nun deine mit Blut erkämpften Rechte sichern, deine Minister, welche eben dadurch, daß du die früher bestehende Regierung, den Absolutismus gestürzt hast, ans Ruder gelangt sind, wie diese Minister deine Freiheit verstehen, wie sie ihren Eid auf die Gesetze schmählich brechen! Sagt ihr Badenschen Minister, habt ihr nicht im März geschworen, das Associationsrecht des Volkes wahren und schützen zu wollen? Oder ist das Associationsrecht, wenn eben nur solche Vereine geduldet werden, welche gerade nur recht gefällig sind? „Aber ihr wollt ja den Staat umstoßen!“ O, ihr Heuchler, ja wenn der Staat eben nur in dem Großherzoge, in Euch und in der Regierung bestände! Wißt ihr nicht, daß das Volk der Staat ist. “Aber ihr seid Anarchisten!“ Wer ist Anarchist? Der, welcher auf dem Wege des Gesetzes durch das einzige Mittel der geistigen Ueberzeugung Andre für seine Meinung zu gewinnen sucht, oder der, welcher die Gesetze des Staates, die er beschworen, verletzt und nach Willkür handelt? O, über diese Freiheit der konstitutionellen Monarchie, diese Freiheit, bei der die heiligsten unveräußerlichsten Menschenrechte verletzt werden ‒ das Recht, seine Meinung frei zu äußern, das Recht, daß Gesinnungsgenossen sich vereinigen, um die Andern für ihre Ueberzeugung zu gewinnen! O, über diese Volkssouverainetät der konstitutionellen Monarchie, in welcher der Souverain von seinen eigenen Dienern so väterlich bevormundet wird, damit er ja keine falsche Meinungen bekäme, diese Volkssouverainetät, welche gerade so weit gehen darf, als es ein Paar Ministern gefällt! ‒ Ja, ihr, ihr badenschen Minister, ihr seid die wahren Anarchisten, denn ihr haltet euch an keine Gesetze, ihr seid die Revolutionäre, denn, indem ihr die Reform abschneidet, auf dem Wege der geistigen Ueberzeugung, indem ihr die Minderheit knechtet und ihre unveräußerlichen Menschenrechte mit Füßen tretet, zwingt ihr sie, diese ihre Rechte mit den Waffen in der Hand zu vertheidigen; über Euch kommt das Blut des Bürgerkrieges, welchen ihr hervorruft, über euch der Fluch der Wittwen und Waisen, deren Väter und Männer ihr mordet, über euch die Verachtung der richtenden Nachwelt! Um euch aber zu zeigen, daß ihr mit keinen feigen Knechten zu thun habt, protestiren wir, die Mitglieder des demokratischen Studentenvereins Angesichts des deutschen Volks gegen die willkürliche Verletzung des feierlich zugesicherten Associationsrechtes, erklären wir, daß wir unsern Verein durch den ungesetzlich widerrechtlichen Erlaß des badenschen Ministers keineswegs als aufgelöst betrachten, und daß wir nur der rohen Gewalt weichen werden.
Im Namen sämmtlicher Mitglieder des demokratischen Studenten-Vereins
Der Vorstand:
Hirsch. Tilemann.
Nachschrift. Alle Heidelberger Studenten haben die Sache des demokratischen Studentenvereins zu der ihrigen gemacht und haben beschlossen auszuziehen ‒ und nicht eher zurückzukehren, als bis ihr volles Recht ihnen gewahrt ist!
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