[0261]
Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 53.Köln, Sonntag 23. Juli 1848
@typejExpedition
@facs0261
Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.
Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.
@typecontents
@facs0261
Uebersicht.
Deutschland. Köln (die Debatte über den Jakoby'schen Antrag. ‒ Gerichtliche Verfolgung der Neuen Rheinischen Zeitung). Berlin (Kommission wegen Aenderung des Sitzungslokales der Vereinbarungsversammlung. ‒ Gegenerklärung von 36 Bezirksvereinen in Betreff der Bürgerwehr.) Erfurt (Kirchmann und Temme.) Jena (ein „Korps“-Kongreß deutscher Studenten). Giessen (blutige Auftritte in Leihgestern). Frankfurt Nationalversammlung). Aus Rheinhessen (Volksrepräsentant Mohr in Anklagezustand versetzt). Darmstadt (Ministerwechsel. ‒ Reaktion). Karlsruhe (das freie Associationsrecht). Prag (die Deutschen und Juden). Wien (Sitzung des konstitutionellen Reichstags u. d. v. Ausschusses. ‒ Letzterer löst sich nicht auf. ‒ Entgegnung auf die Erklärung des nordamerikanischen Geschäftsträgers). Lübeck (Abschluß des Waffenstillstandes).
Ungarn. Pesth (Unterhausverhandlungen. ‒ Gefecht mit den Raitzen.)
Schweiz. Zürich (Nachgeben der hannover'schen Regierung).
Französische Republik. Paris (Marrast Präsident der Nationalversammlung. ‒ Verhaftungen. ‒ Vermischtes. ‒ Frankreich und England sollen Kriegsschiffe ins schwarze Meer schicken. ‒ Nationalversammlung. ‒ Verwandlung des Maires von Paris in einen Polizeipräfekten. ‒ Cavaignac's Dekret über die Nationalgarde. ‒ Die Mobilgarde. ‒ Philantropische Hausdurchsuchungen. ‒ Gesetzentwurf über die Gerichtsverfassung).
Spanien. (Die Montemolistische Insurrektion).
Portugal. Lissabon (die Ultra-Cabralisten).
Italien. Turin (Säbelcensur in Neapel. ‒ Wunsch der „Concordia.“ ‒ Zwei Deputirte aus Venedig angelangt. ‒ Volksdemonstrationen in Genua. ‒ Kammerverhandlungen ‒ Debatten und Beschlüsse der Deputirten über die Diäten der konst. Verf.). Venedig (Castello's Proklamation an die Venetianer. ‒ Geschenk eines Engländers.) Mozzecane (das italienische Heer gegen Legnano.
Großbritannien. London. (Die Times über Irland. ‒ Die Times über den Belagerungszustand in Irland, über Deutschlands Reichsverwesung u. s. w. Nachrichten aus Waterford). Manchester (Handelsbericht). Dublin. (Verbotener Verkauf des „Irish Felon. “ ‒ Verhaftungen in Cork.
Griechenland. Athen. (Ministerwechsel. ‒ Kassendefekt im Staatsschatz. ‒ Die Kammer).
Deutschland
@xml:id#ar053_001a_c
@typejArticle
@facs0261
Edition: [Friedrich Engels: Die Debatte über den Jacobyschen Antrag. In: MEGA2 I/7. S. 341.]
[**] Köln, 22. Juli.
Die Debatte über den Jacoby'schen Antrag
(Fortsetzung.)
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@typejFeuilleton
@facs0261
@xml:id#ar053_001
@typejArticle
@facs0261
Aus dem Tagebuche eines Heulers.
Kapitel II.
Ein Brief.
Nie werde ich den schrecklichen Abend vergessen, an dem zuerst die Nachricht der französischen Revolution bei uns eintraf. Wir saßen wie gewöhnlich bei .... auf der .... straße, im hintern Zimmer; es mochte 10 Uhr sein. Der Steuerkontrolleur Ehrlich hatte schon seinen dritten Schoppen getrunken und faltete eben die Hände, um für zehn Minuten in Morpheus Arme zu sinken ‒ er nimmt sich prächtig in solchen Augenblicken aus: seine Nase verbirgt sich in der Hemdkrause; tiefe, grollende Töne entringen sich seinem Busen. Der Rentner Dürr saß wie immer steif an der Wand und trommelte den Sehnsuchtswalzer, ‒ er hatte eben seine Portion Häringssalat gegessen. Maler Pinsel rauchte wie der Schlott eines holländischen Schleppschiffes und blickte ernst hinauf in seinen eigenen Dunst, um eine neue höchst interessante Wolkenstudie zu machen. Der Professor Fuchs war nicht weniger mit sich selbst beschäftigt. Auf seiner Stirn konnte ich lesen, daß da drinnen irgend ein erbärmliches Gedicht fabrizirt wurde. Der Quadratfüßler Geyer dachte über die Vergänglichkeit alles Irdischen nach und schaute bisweilen hinüber nach dem reichen Herrn von der Windmühle, der wie ein dünner Spazierstock in der Ecke des Zimmers lehnte. Holzhändler Puff befand sich ausnehmend wohl. Dieser Chimborazzo von einem Mann hatte wie gewöhnlich den ganzen Abend hindurch eine unendliche Menge Neuigkeiten erzählt, da senkte sich die Müdigkeit auf ihn herab und sein Haupt fiel auf die Brust ‒ nun ruhen alle Wälder. ‒ Herr Kreuz und der Advokat Verdammlich waren die einzigen, welche die Konversation noch aufrecht erhielten.
„Es ist herrlich“ ‒ bemerkte Hr. Kreuz ‒ „in was für ruhigen und friedlichen Zeiten wir jetzt leben ‒“ „„Leide!““ erwiederte der Advokat, „„viel zu wenig Prozesse ‒““ da schwiegen auch sie und während mehrerer Minuten lag nun über der ganzen Gruppe jene selige Stille, jene tiefe Sabbatfeier einer an- und festgetrunkenen antiken Wirthshausgesellschaft.
Da öffnet sich plötzlich die Thür und herein tritt der Literat Warze. Sein Erscheinen ist beunruhigend. Man liest in seinen wirren Blicken, daß er nicht ohne Grund noch so spät durch die Wirthshäuser eilt. Seine Kniee schlottern. Dicke, schwere, Tropfen des kostlichsten Schweißes entrieseln seiner göttlichen Stirn; er nimmt den Hut ab ‒ seine Haare stehen zu Berge. Die ganze Gesellschaft erwacht aus ihrer Lethargie.
„Was fehlt Ihnen?“ fragte der alte Ehrlich.
„Sie haben gewiß etwas zu viel!“ setzte der Rentner Dürr hinzu.
„Hat man Sie irgendwo hinausgeschmissen?“ erkundigte sich der Maler Pinsel.
„Gewiß haben Sie ein Manuscript zurück bekommen!“ bemerkt der Professor Fuchs aus Erfahrung und als Menschenkenner.
„Oder ist Ihre Frau niedergekommen?“ wirft der Quadratfüßler Geyer hin.
„Sollten Sie im Landsknecht verloren haben?“ lispelt der Herr von der Windmühle.
„Sprechen Sie Herr Warze!“ donnert da der Chimborazzo Puff.
„Sprechen Sie!“ wiederholt der Herr Kreuz.
„Und in des drei Teufels Namen, sprechen Sie!“ macht der Advokat Verdammlich den Schluß.
Da ist der Literat Warze zu Athem gekommen. „Mitbürger!“ beginnt er. „Es ist ein großes Unglück geschehen; eins der geachtetsten Handlungshäuser hat so eben auf außerordentlichem Umwege den folgenden Brief erhalten und mir zur Veröffentlichung übergeben.
„Lesen Sie, lesen Sie Herr Warze!“ tönt es von allen Seiten. Warze stellt sich auf den Stuhl. Ein Pariser Korrespondent schreibt:
„Ew. Wohlgeboren hab' ich die Ehr'
Einliegend zu remittiren:
Zweitausend Thaler, vista, auf Köln;
Die woll'n sie mir kreditiren.“
Nun, das ist eben kein großes Malheur, murmelt man von allen Seiten. ‒
„Sie sehen hieraus, mein werther Freund:
Ich habe Sie nicht vergessen.
Mit meinem nächsten Briefe send'
Ich anderweit'ge Rimessen.“
Das ist ja sehr erfreulich! brüllt der Herr Puff. Dieser Korrespondent ist ein Ehrenmann.
„Es ist mir lieb, daß Sie bestellt
Noch sechszehn Fässer Bourgogne.
Dagegen wünsch' ich per chemin de fer
Noch etwas Eau de Cologne.“
Aber Herr Warze ‒ unterbricht ihn hier der Rentner Dürr ‒ Sie verstehen das freilich nicht: es kann ja nichts besseres auf der Welt geben, als 2000 Thaler auf Köln, weitere Rimessen versprochen und eine neue Bestellung ‒ ich begreife Sie nicht. ‒ ‒
„Ich bitt' um die beste Qualität,
Sie ist für Export nach China.
Man kauft sie gen'über dem Jülichsplatz
Bei Johann Maria Farina.“
Allerdings! schreit die ganze Gesellschaft. Keine bessere Eau de Cologne als die Farina'sche! der Pariser hat ganz Recht. Aber wo bleibt das Unglück?
„Im Uebrigen hab' ich leider nicht
Viel Gutes zu melden heute:
Paris litt sehr in der letzten Nacht
An einer fatalen Emeute.“
Alles wird plötzlich still. Niemand unterbricht mehr. Dem Maler Pinsel entsinkt die Pfeife.
„Schon frühe mußt' ich schließen die Thür,
Verriegeln Fenster und Laden;
Man baute in jeder Straße schier
Ein halb Dutzend Barrikaden.“
[0262] [Spaltenumbruch]
[Deutschland]
@xml:id#ar053_001b_c
@typejArticle
@facs0262
Edition: [Friedrich Engels: Die Debatte über den Jacobyschen Antrag. In: MEGA2 I/7. S. 341.]
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar053_002
@typejArticle
@facs0262
[*] Köln, 22. Juli.
Heute Morgen war der Redakteur en chef der Neuen Rheinischen Zeitung, Karl Marx, abermals vor den Instruktionsrichter geladen, um wegen des inkriminirten Artikels über die Verhaftung des Hrn. Anneke verhört zu werden. Der Gerant der Zeitung, H. Korff, war diesmal nicht mit geladen.
@xml:id#ar053_003
@typejArticle
@facs0262
[*] Köln, 22. Juli.
Die Briefe und Abendblätter aus Berlin sind gestern Abend nicht hier angekommen. Bloß einige Morgenblätter sind eingetroffen. Wie wir erfahren, hat der Bahnzug von Hannover keine Reisende aus Berlin mitgebracht, und soll der direkte Zug von Berlin überhaupt in Hannover ausgeblieben sein. Wir hören ferner, daß der elektrische Telegraph gemeldet hat, auf der Eisenbahn sei kein Unglück vorgefallen.
@xml:id#ar053_004
@typejArticle
@facs0262
[*] Berlin, 20. Juli:
Die früher auf den Vorschlag von Elsner, Hein und Reichenbach wegen Veränderung des Sitzungssaales niedergesetzte Kommission stellt jetzt einstimmig folgende Anträge: 1)den gegenwärtigen Saal beizubehalten, 2)die Verbesserung der Luft und die Verminderung der Hitze durch Aufstellung zweier Erhaustoren auf dem Boden des Hauses herbeizuführen, 3)den Cäciliensaal in seinem ganzen Umfange zu Zuhörerplätzen einrichten zu lassen, vorbehaltlich der Beschränkung dieser Maßregel, wenn die Akustik leiden sollte, 4)die stenographischen Berichte, getrennt vom Staatsanzeiger, zu den Selbstkosten zu verkaufen und portofrei im Inlande zu befördern.
‒Gegen 36 Bezirksvereine haben in Bezug auf die Erklärung der Stadtverordneten-Versammlung über die Bürgerwehr an den Magistrat eine Gegenerklärung erlassen, die sehr entschieden lautet und mit dem saubern Bürgerwehrgesetz-Entwurf allerdings in keinerlei Harmonie steht.
@xml:id#ar053_005
@typejArticle
@facs0262
[*] Erfurt, 18. Juli.
Die Erfurter Zeitung Nr. 145 enthält eine schlimme Beschuldigung gegen die beiden Berliner Staatsanwälte und Kammermitglieder, v. Kirchmann und Temme, so schlimm, daß, wenn die Beschuldigungen begründetwären, es fraglich sein würde, ob die beiden Beschuldigten im Amte bleiben könnten. Es knüpft die Erfurter Zeitung an das Gerücht, daß die Herren Staatsanwälte auf einige Zeit von ihren Obliegenheiten suspendirt seien, die Behauptung, die genannten Herren hätten, soviel bekannt, diejenigen Mitglieder der Berliner Bürgerwehr, welche bei der Plünderung des Zeughauses von ihren Waffen gegen die Plünderer Gebrauch gemacht haben, zur Untersuchung ziehen wollen. Man ist hier der Meinung, daß dieser Zeitungsartikel aus derjenigen Partei hervorgegangen sei, welche hier aus einigen Mitgliedern der Regierung und des Offizierkorps zusammengesetzt ist. Die Beschuldigten stehen in der Kammer mehr oder weniger bei der Linken. Die Aufregung unter den politischen Parteien wächst bis zur Erbitterung von Tag zu Tag.
@xml:id#ar053_006
@typejArticle
@facs0262
Jena, 19. Juli.
Gestern Mittag wurden hier die Sitzungen eines Corpskongresses der deutschen Universitäten geschlossen, der am 15. Juli seine Sitzungen begonnen hatte. Das Ergebniß war ein herrlicher „Comment“, der nun wohl das deutsche Studentenleben zum Gipfel erheben wird. Er geht vom Grundprincip des „unbedingten Duellzwanges“ aus und sucht die Korps wieder an die Spitze der Universitäten zu stellen. Uebrigens sollen, wie ich höre, die Ergebnisse dieses Kongresses, der von etwa zehn Universitäten beschickt war, in der „Studentenzeitung“, veröffentlicht werden. Dieses Blatt, das in Göttingen als Organ für alle Parteien erscheint, ist trotzdem, das im „Vorparlamente“ zu Eisenach die radicale Partei erklärte, daß eine Studentenzeitung unzeitgemäß, und studentische Sachen viel zu langweilig seyen, dennoch ins Leben getreten.
[(F.D.P.A.Z.)]
@xml:id#ar053_007
@typejArticle
@facs0262
Gießen, 17. Juli.
Gestern ist eine zu Garbenteich abgehaltene Volksversammlung Veranlassung zu blutigen Auftritten geworden. Als die Großenlindner durch Leihgestern ziehen, da öffnet sich ein Thor, es fällt ein Schuß auf die hessische Fahne und nun stürzt eine Rotte aus Leihgestern auf die Großenlindner zu, um ihnen die hessische Fahne zu entreißen, mit Waffen aller Art. Bald ist der Kampf allgemein, die Großenlindner ohne Waffen natürlich im Nachtheile. Es sind sehr schwere Verwundungen vorgefallen, ein Schuß mit Schrot, Hiebe in den Kopf mit Aexten etc. Bald ertönte die Sturmglocke in mehreren Dörfern, aber die Ankommenden, namentlich die Preußen, konnten nicht einschreiten, weil sie die streitenden Parteien nicht kannten. Der Fanatismus in Leihgestern war so groß, daß Weiber fortwährend Steine zutrugen. Abends 11 Uhr noch ging der Landrichter mit Aerzten eilig nach dem Schauplatz des Kampfes.
@xml:id#ar053_008
@typejArticle
@facs0262
[*] Frankfurt, 20. Juli.
National-Versammlung. Nach Verlesung des Protokolls macht der Präsident Gagern der Versammlung folgende Mittheilung: M. H.! Die Schaffung einer Centralgewalt würde die deutsche Nation verpflichten, ihrem Inhaber ein festes Einkommen zu verschaffen; ich bin aber autorisirt zu erklären, daß der Reichsverweser ein solches Einkommen abgelehnt hat. (Großer Jubel).
Schwerin: Die Versammlung hat den Entschluß des Reichsverwesers, die Lasten des Volks nicht zu vermehren, mit großer Befriedigung vernommen; der Ehre des Volks wird es aber angemessen sein; diese Höflichkeit zu erwiedern und dem Reichsverweser eine Wohnung anzuweisen. Der Redner beantragt, die Sorge hierfür dem Präsidium zu überweisen.
Eisenmann: Wenn die National-Versammlung für ihre eignen Lokalitäten und Kanzleibedürfnisse monatlich 25,0000 fl. ausgebe, so wäre es gewiß passend, auch für den Reichsverweser einige 1000 fl. dranzuwenden.
Die Versammlung nimmt den Antrag einstimmig an.
Tagesordnung: Berathung über §. 4. des Art. 1. der Grundrechte:„die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden.“
Wulffen aus Passau beantragt als Amendement:„Vermögenskonfiskation und bürgerlicher Tod, als Verbrechensstrafe, sind unstatthaft.“
Behr von Bamberg stimmt für Zulässigkeit des bürgerlichen Todes, der jedoch nicht auf „schuldlose“ Angehörige des Bestraften ausgedehnt werden solle. Michelsen und Fuchs von Breslau sprechen aus „juristischen Bedenken“ für Streichung des ganzen Paragraphen; andere Redner dagegen.
Berathung über §. 5: „Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen unbeschränkt; Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.“ Ein Minoritätsgutachten des Verfassungsausschusses beantragt als Zusatz: „Die Auswanderung selbst steht unter dem Schutze des Staates.“Antrag des volkswirthschaftlichen Ausschusses: „Jeder Deutsche hat das Recht der Auswanderung, hat bei Ausübung dieses Rechts keine Abzugsgelder zu zahlen und hört auch im Auslande nicht auf, deutscher Bürger zu sein; kein deutscher Bürger kann jedoch Bürger eines andern Staates sein.“
Nach kurzer Diskussion, wobei Bogel aus Dillingen die Hoffnung ausspricht, daß der frühere Spottname: „Deutscher Reichsbürger“ künftig in der ganzen Welt die Achtung des alten Römernamens genießen werde, schreitet die Versammlung zur Abstimmung über die §§. 1 - 3.
Art. 1. §. 1. wird in folgender Fassung angenommen: „Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Ueber das Recht zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, verfügt das Reichswahlgesetz.“
Die Abstimmung über die weitern §§. des ersten Artikels wird ausgesetzt. Ueber die Frage der morgigen Tagesordnung entstehen heftige Debatten. Der Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses über die Posener Frage ist als dringend empfohlen; die Bevollmächtigten der Polen aber haben bei dem Präsidenten am Aussetzung der Verhandlung für Einen Tag gebeten, da sie eine neue Denkschrift zum Druck und zur Vertheilung gegeben. Der Präsident stellt anheim, ob der Bericht Mydenbrugk's über die internationalen Verhältnisse Deutschlands zuerst auf die Tagesordnung kommen soll.
Lichnowsky und der alte Arndt halten eine Eingabe von „Privatpersonen“ für keinen Grund zur Vertagung der Posener Frage.
Reh, Rösler Janiezewski aus Posen sprechen für den Aufschub, damit im Interesse der Gerechtigkeit der nicht vertretene Theil noch gehört werden könne.
Nach längern Debatten macht endlich Schmitt aus Schlesien darauf aufmerksam, daß nach der Geschäftsordnung der Präsident die Tagesordnung zu bestimmen habe. Der Präsident bestimmt den Bericht Mydenbrugks und die Posener Frage für die morgige Sitzung.
@xml:id#ar053_009
@typejArticle
@facs0262
Aus Rheinhessen, 18. Juli.
Der ehemalige Gerichtspräsident C. Mohr aus Ingelheim, Abgeordnete des Wahlbezirks Worms bei dem deutschen Parlamente und einer der kürzlich freiwillig resignirten großh. hess. Landtagsdeputirten, ist „wegen Aufwiegelung“ von der großh. hess. Regierung in Anklagezustand versetzt worden. Die gerichtlichen Verhandlungen sind bereits durch den Untersuchungsrichter Uhler von Mainz eingeleitet und mehrere Zeugenaussagen niedergelegt. Eine persönliche Verhaftung des Ineriminirten kann, seiner Eigenschaft als Parlamentsmitglied wegen, bekanntlich nur durch den Ausspruch des Parlaments selbst befolgen.
[(Rh. U. M.-Z.)]
@xml:id#ar053_010
@typejArticle
@facs0262
[**] Darmstadt, 17. Juli.
Gestern hat der Minister des Innern, Eigenbrodt, die Seele des Ministeriums Zimmermann um seine Entlassung gebeten, und dieselbe erhalten. Ueber die Gründe, welche ihn zu diesem Schritt bewogen, verlautet bis jetzt zwar noch nichts, es ist aber höchst wahrscheinlich, daß der Unwille und die Aufregung, welche das „Manifest, die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung betreffend“ im ganzen Lande hervorgerufen hat, daran Schuld sind. An die Stelle Eigenbrodt's tritt der Staatsrath Jaup, welcher zugleich das Präsidium des Ministeriums übernimmt. Ob wir uns bei diesem Wechsel der Personen besonders verbessern, möchte ich bezweifeln; Jaup gehört mit zur Klasse der politischen Dulder, zu den liberalen Beamten von ehedem, welche jetzt mit den alten Reaktionären in der Unterdrückung der Freiheit wetteifern. Er wurde früher von der Regierung wegen seiner Opposition pensionirt, dann wurde dem Pensionär der Urlaub verweigert, um als Abgeordneter in die zweite Kammer zu treten. Man macht mit seiner Ernennung also der öffentlichen Meinung einige Konzessionen, ohne in der Wirklichkeit etwas nachzugeben. Uebrigens ist bei uns das kühnere oder leisere Auftreten der Reaktion durchaus abhängig von ihren Erfolgen in den größeren Staaten, die Person des Ministers daher viel gleichgültiger als dort. In Heidelberg verbietet man den demokratischen Studentenverein auf Grund eines Paragraphen der Wiener Konferenzbeschlüsse, die längst alle Gültigkeit verloren haben; in Stuttgart schließt man den demokratischen Klub ohne Weiteres, und im Odenwalde versucht man mit Hülfe des Militärs die republikanischen Sympathien auszurotten. In Michelstadt und Umgegend sind bereits zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Doch was noch schlimmer als das ist, man läßt durch das Militär noch die letzten Vorräthe der armen Leute aufzehren, man bestraft sie dafür, daß sie keine Steuern mehr entrichten können, man befürchtet, daß der Hunger nicht früh genug seine Opfer fordern möchte.
Am nächsten Sonntage soll die schon länger angekündigte große Volksversammlung in der Nähe von Darmstadt abgehalten werden. Es heißt, man wolle aus Furcht vor dieser Versammlung die hiesige Garnison, die bereits aus 4000 Mann besteht, noch mit einem Regiment Baiern verstärken. Uebrigens sollen die im badischen Oberlande stationirt gewesenen Baiern von dem republikanischen Geiste mehr angesteckt sein, als der Regierung lieb ist, und darin ein Hauptmotiv zu ihrem Rückzuge mit gelegen haben.
@xml:id#ar053_011
@typejArticle
@facs0262
[*] Karlsruhe, 19. Juli.
Die Deutschen haben „Revolution“ gemacht; so glauben sie; daß sie bloß „Revolution“ gespielt, das werden sie vielleicht gelegentlich einmal begreifen. Wir Deutschen hatten angeblich auch freies „Assoziationsrecht erobert; wir besaßen es so ziemlich 3 Monat 10 Tage 6 Stunden. An die Stelle des „freien“ Assoziationsrechtes ist jetzt das „gesetzliche“ getreten.„Gesetzlich“ heißt es, sobald ein mittelst des „freien“ Assoziationsrechtes gegründeter Verein nur solche Statuten besitzt, solche Verhandlungen führt, solche Anträge stellt, welche z. B. Hr. Mathy, Hr. Welcker oder Hr. Hansemann, Schreckenstein, Pfuel, Camphausen und Konsorten selber stellen oder, wenn sie im Klub wären, stellen würden. Ein Verein, dessen Statuten von denen der Polizei, dessen Bestrebungen von denen der Gendarmerie und der hochlöblichen Säbelzensur abweichen, werden verboten, aufgelöst, mit Strafen bedroht etc. Das ist eine der Errungenschaften der großen Revolution des deutschen Volkes im Jahre des Heils 1848. Einen Beleg hierzu: Von Heidelberg erschien heute eine Deputation des Gemeinderaths und der Bürgerausschüsse, welche die Zurücknahme der Verfügung gegen den demokratischen Studentenverein nachsuchten. Die „bürgerfreundliche“ Antwort des Staatsministeriums lautet: „Daß von der Entschließung vom 16. d. M. nicht abgegangen werden könne, indem, wenn auch die Meinungen der Einzelnen frei sich geltend machen können, doch nicht geduldet werden dürfe, daß durch die Kraft der Assoziation die verfassungsmäßig bestehende Staatsordnung untergraben werde. Wollen Studenten einen andern Verein gründen, so stehe ihnen, wie schon in der Verfügung vom 16.d. M. gesagt sei, Nichts im Wege, vorausgesetzt, daß derselbe nicht gleich dem aufgelösten Verein sich wieder die Aufgabe stelle, für die Einführung einer Republik Propaganda zu machen “.
Moral: Als Einzelne sind wir in unsern Meinungen frei; wir dürfen in ‒s Kopfkissen hinein die demokratische Republik für die beste Staatsform erklären, in Wald und Feld republikanische Ansichten laut werden lassen und propagandiren; thun wir dies aber im Verein und in Gegenwart Mehrerer, so „darf das nicht geduldet werden“;das ginge ja schnurstracks gegen die Ansichten und Geldbeutel und die annehmlichen Positionen der Hrn. Mathy, Welcker, Bassermann etc. Genug, man wird aufgelöst, verboten, eingesperrt etc. Alles „zur größern Ehre“ des „freien“ Assoziationsrechtes.
@xml:id#ar053_012
@typejArticle
@facs0262
[48] Aus Franken, 17. Juli.
Die reaktionäre Thätigkeit der bairischen Regierung nimmt mit jedem Tage zu. Sie beschränkt sich jetzt nicht mehr auf polizeiliche Ausweisungen, sie schreitet zu Verhaftungen, auch wenn sich nicht der Schein eines Grundes auffinden läßt. In Schwabach, einem durchaus republikanischen Städtchen, gab Hr. Sticht seit dem Mai ein demokratisches Volksblatt: Fränkische Volkszeitung heraus. Schon die erste Nummer dieses Blattes war von dem Landrichter in Schwabach, Hrn. v. Hartlieb einem im Denunziren ergrauten Beamten mit Beschlag belegt worden, und als bei den damals noch versammelten Ständen diese Beschlagnahme angeregt wurde, gab der Minister Thon-Dittmer die chevaleristische Aeußerung von sich: „In diesem Blatte ist von Winkelfürsten die Rede, die man 1815 zu mediatisiren vergessen habe. Preßfreiheit haben wir; aber versteht man die Preßfreiheit so?“ worauf die ganze Kammer pflichtschuldigst erwiederte: Nein, nein! Hr. Sticht ließ sich durch diese Beschlagnahme nicht irre machen, sondern fuhr fort, sein Blatt im entschieden demokratischen Sinne zu halten. Außerdem war er Leiter des demokratischen Vereins in Schwabach. Plötzlich erfolgte vor einigen Tagen seine Verhaftung. Vergebens erbot sich sein Vater, ein angesehener Bürger Schwabachs, zur Stellung einer Kaution, welche, da es sich lediglich um Preßvergehen handeln kann, nach dem Gesetze angenommen werden mußte; es blieb beim Verhaft. Allein das Volk war damit nicht zufrieden, befreite den Gefangenen gewaltsam und warf die Fenster des Rathhauses gewaltsam ein. Der wider seinen Willen Befreite, welcher die Folgen des gewaltsamen Schrittes für seine Vaterstadt voraussah, trug augenblicklich darauf an, in ein Gefängniß nach Nürnberg gebracht zu werden. Man willfahrte ihm hierin, dennoch aber rückte, auf Requisition des Landrichters, Militär von Nürnberg nach Schwabach, obwohl die Ruhe vollkommen hergestellt war, und die auf dem Markt versammelte friedliche Volksmenge wurde, ohne den mindesten Grund, auf ein Zeichen des Edlen von Hardlieb von der Kavallerie angegriffen und 7 Personen mehr oder minder schwer verwundet. Nur die entschlossene Haltung der Schwabacher Bürgerwehr, welche nicht undeutlich einen Kampf mit „scharf geladenen Gewehren“ in Aussicht stellte, vermochte die Truppen zum Abmarsch zu bewegen, ohne daß weiteres Blutvergießen Statt fand. Der Angriff der Reiterei erklärt man jetzt für ein „Mißverständniß.“ Von dem Schicksal des Verhafteten erfährt man nichts. ‒ Charakteristisch ist auch das Benehmen der bairischen Behörde in Bamberg. Bekanntlich wurde in Nürnberg ein entschiedener Demokrat, Advokat Titus, in die Nationalversammlung gewählt. Er hatte sich jedoch verpflichtet, nicht eher für die Einführung der republikanischen Staatsform zu stimmen, als bis er von seinen Wählern hiezu speziell ermächtigt worden sei. Dieß konnte ihn aber natürlich nicht abhalten, in Frankfurt mit der äußersten Linke zu stimmen. Als die Abstimmungen über das Gesetz wegen der Centralgewalt bekannt wurden, ließ sofort die Polizei in Bamberg durch den Advokaten Schlesing ein Mißtrauensvotum gegen den Abgeordneten Titus entwerfen, dem man möglichst zahlreiche Unterschriften der Wahlmänner zu verschaffen suchen wollte. So wurde eines Tages ein Wahlmann auf das Landgericht Bamberg vorgeladen. Ein Assessor Degen empfing ihn mit der Frage: Sind Sie Republikaner, oder konstitutionell-monarchisch? Der verblüfte Wahlmann erwiederte: er sei ein Fortschrittsmann, über diese spezielle Frage wolle er sich jetzt nicht entscheiden. Hierauf setzte ihm der Hr. Assessor auseinander, daß Titus sein Mandat verletzt hätte, weil er auf der äußersten Linke bei lauter Republikanern sitze, und [0263] [Spaltenumbruch] verwies den Wahlmann an obengenannten Advokaten, der ihm das Mißtrauensvotum zur Sammlung von Unterschriften unter den Wahlmännern aushändigen werde. Der Wahlmann ließ sich den Entwurf auch geben, lieferte ihn aber, statt Unterschriften dafür zu suchen, der demokratischen Partei aus, die ihn mit den nöthigen Erläuterungen veröffentlichte. ‒ Da das fränkische Landvolk einen ganz andern Geist hat als das altbaierische, und in Franken die Reaktionspartei ihren Rückhalt einzig und allein in der verhältnißmäßig nicht zahlreichen Bourgeoisie der Städte hat, so ist sehr die Frage, ob die bairische Regierung ihr Unwesen in dieser Gegend noch lange so forttreiben kann.
@xml:id#ar053_013
@typejArticle
@facs0263
[19]Prag, 17. Juli.
Die Deutschen und Juden haben in Böhmen dieselbe Rolle übernommen, welche ihre Genossen in Posen bereits mit so vielem Erfolg gespielt. Die nationale Selbstständigkeit des Landes, in welchem sie sich wie auf einer guten Beute in Heuschreckenschwärmen festgenistet, wird seit der Märzrevolution, welche sie aus ihrem friedlichen Wucherdasein aufgeschreckt hat, in systematischer Weise zu einem Kampfe provozirt, der seiner Natur nach nur ein Kampf der deutschen Reaktion gegen die letzte Revolution und die Errungenschaften des Volkes sein kann. In Posen waren es die Deutschen und Juden, welche die Liebesmaßregeln des General Pfuel (von Höllenstein) und Hirschfeld (von Shrappnells) als die ersehnten Boten der alten „Ordnung“ und des „Vertrauens“ begrüßten; in Böhmen sind sie es, welche sich der Säbeldiktatur des Fürsten Windisch-Grätz als eines „ wahren Aktes der Gerechtigkeit und allgemeinen Beruhigung erfreuen.“
Man weiß, wie der General Colomb in Posen, um den christlich-germanischen Schlächtereien ihren „wahren Ausdruck“ zu verschaffen, sich selbst unter die Schriftsteller begab, um durch anonyme Broschüren und Dankadressen, die er den Deutschen und Juden zur Unterzeichnung vorlegte, seinen Ruhm unsterblich zu machen. Der edle Fürst Windisch-Grätz scheint, nach einer Adresse hiesiger Deutschen und Juden zu urtheilen, diese merkwürdige Herablassung des Hrn. Colomb achtungs- und nachachtungswürdig gefunden zu haben.
Das großartige Aktenstück ist von 36 Individuen unterzeichnet, ‒ „Doktoren, Bürger, Hausbesitzer, Kaufleute und Fabrikanten, sich schmeicheln dürfend an Stellung, Besitz, Wirksamkeit, Gesinnung und Einfluß zu den achtbaren Bewohnern Prags gezählt zu werden, “ Und diese 36 achtbaren deutschen und jüdischen Hausbesitzer und Industriellen beabsichtigen mit ihrer Adresse nichts Geringeres, als das Ministerium des Innern darüber aufzuklären, daß der Bericht der Deputation des Wiener Sicherheitsausschusses über die Prager Verhältnisse von einseitiger Auffassung zeuge, daß der Fürst Windisch-Grätz ihre (der 36 Juden und Deutschen) Liebe, Zuneigung und Dankbarkeit besitze, und daß der ganze Wiener Sicherheitsausschuß, „weil in die Befugnisse der gesetzlichen Autoritäten eingreifend,“ eine ‒ ungesetzliche Gewalt sei.
Welche Schmach für den Sicherheitsausschuß, der sich so weit vergessen konnte, die Flucht des Kaisers und die Ohnmacht und Rathlosigkeit der Behörden zur ungesetzlichen, „weil eigenmächtigen“ Handhabung der Ordnung zu benutzen! Warum überließ er die Herstellung der Ruhe nicht den Kartätschen und Brandkugeln des Hrn. Windisch-Grätz, der sich durch diese „ gesetzlichen“ Liebesmaßregeln in Prag die Zuneigung und Dankbarkeit von 36 Juden und Deutschen erworben hat?
Der Wiener Sicherheitsausschuß, belehren die 36 Verpflichteten des Hrn. Windisch-Grätz das Ministerium, steht auf einem unrichtigen Standpunkt. „Während Männer von guter Gesinnung die Ereignisse der Pfingstwoche als verbrecherische Attentate gegen Recht und Ordnung (Chilef) unzweifelhaft anerkennen,“ hat der Wiener Sicherheitsausschuß in dem dortigen Kampf einen Klassenkampf, einen Kampf der ausgesaugten böhmischen Proletarier gegen die fremden profitwüthigen Unterdrücker gesehen. Die 36, „ Doktoren, Hausbesitzer und Industriellen“ wissen, daß der Fürst Windisch-Grätz sich „ wohl verdient gemacht hat um Böh men und die Monarchie“, und der Wiener Sicherheitsausschuß maßt sich die Meinung an, daß die Verdienste des Herrn Windisch-Grätz sehr ersprießlich für die Reaktion und die Vernichtung der Volksrechte gewesen seien. Was aber den „unrichtigen Standpunkt“ des Sicherheits-Ausschusses vollends außer Zweifel setzt, ist seine „centralisationssüchtige Bevormundung rein provinzieller Angelegenheiten“. Was geht die Wiener die Provinzial-Diktatur des Fürsten Windisch-Grätz an, die sich noch dazu der Anerkennung von 36 ihm verpflichteten Hausbesitzern erfreut? Die 36 Juden und Deutschen Prags wollen die „ungesetzlichen“ Bestrebungen des Sicherheitsausschusses zum „Schutz der Volksrechte“ in seinem nächsten Kreise Wien noch gelten lassen, aber sie „protestiren gegen jede centralisirende Einmengung desselben in die Angelegenheiten der Provinz“ und erklären sich einzig für Anerkennung des Fürsten Windisch-Grätz, dessen „Energie, Ausdauer und Mäßigung ihnen ihre Rechte zur größten Beruhigung wahren wird.“
Die Deutschen und Juden haben den Czechischen Namen bisher mit allen erdenklichen Beschuldigungen von „Brudermord in Masse“ und „Verrath an der Reichsintegrität“ verfolgt. In dieser denkwürdigen Adresse aber enthüllen sie uns zum erstenmal selbst ihre eigne eigenthümliche Anschauung von der christlich-germanischen Bruderliebe und der jüdischen Reichseinheit. Ihre Anerkennung der Reichsintegrität ist die Anerkennung des alten Reichsdespotismus, und diese Anerkennung erstreckt sich so weit, als die Entwicklung der Revolution ihnen nicht eine Lossagung profitlicher macht; ihr Abscheu vor „Brudermord in Masse“ aber verwandelt sich in ein Gefühl der „Beruhigung und Sicherheit“, wenn die Kartätschen und Brandkugeln des Fürsten Windisch-Grätz zur „Herstellung der Ordnung“ bloß das ausgeplünderte böhmische Volk niederschlachten. Das deutsche Volk wird durch solche Bekenntnisse schöner Seelen allerdings darüber „aufgeklärt“ werden, für wen es in dem Kampf der Czechen mit der deutsch-jüdischen Reaktion Partei zu nehmen hat.
@xml:id#ar053_014
@typejArticle
@facs0263
[*]Wien, 18. Juli.
Auf die Erklärung des amerikanischen Geschäftsträgers W. H. Stiles veröffentlichet heute Einer der Angegriffenen eine Entgegnung, aus welcher hervorgeht, daß Hr. Stiles besser gethan, zu schweigen. Es findet sich in dieser Gegenerklärung u. A. folgende Stelle: „Ich habe als freier Deutscher Bewohner der Vereinigten Staaten Nord-Amerikas in einem freien Deutschen Lande, und in einer freien Deutschen Stadt gesprochen. Meine Sprache war daher frei; aber keineswegs von der Art, daß es erst einer vorherigen Aufwartung und Verständigung von meiner Seite, oder einer Zustimmung des Herrn Geschäftsträgers bedurft hätte, dessen Erklärung eine so durchaus eigenmächtige, ungegründete und anmassende ist, daß ich nicht einmal auf dieselbe eine Antwort geben würde, wenn dieß nicht den edlen Bewohnern Wiens, und ganz besonders der akademischen Legion gegenüber meine Pflicht wäre.“ Salomon Kohnstamm, Kaufmann aus New-York.
@xml:id#ar053_015
@typejArticle
@facs0263
[*]Wien, 17. Juli.
In der heutigen 5. vorbereitenden Sitzung der konstit. Reichsversammlung wurden wiederum 44 geprüfte Wahlen einstimmig angenommen; so daß jetzt 178 Mitglieder in der Kammer sitzen, deren Wahlen für gültig erklärt worden.
In der gestrigen Sitzung des vereinigten Ausschusses wurde über die Frage: „Fortbestehen oder Auflösen?“ verhandelt. Alle Stimmen (mit Ausnahme von 3) erklärten sich für Fortbestehen. Es wurde beschlossen: „daß der Ausschuß nach wie vor seine ihm am 26. Mai gestellte Aufgabe: die Aufrechthaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit und die Wahrung der Volksrechte, dem Reichstage untergeordnet, verfolgen werde.
Großbritannien.
@xml:id#ar053_016
@typejArticle
@facs0263
[*] London, 20. Juli.
Daß 4 irische Grafschaften nebst mehrern angränzenden Bezirken in die Art von Belagerungszustand versetzt worden, die durch das im vorigen Dezbr. angenommene Gesetz bestimmt wird, darüber wundert sich die Times nicht, blos darüber, daß der Vicekönig diese Maaßregel so lange verschoben habe. Denn Irland ist seit 5 Monaten im ersten Stadium der Insurrektion. Das sah Jedermann. Allein die offenen Herausforderungen waren nur der Mantel für weit schrecklichere geheime Vorbereitungen. Man drang schon lange in den Lord-Lieutenant, den jetzigen Schritt zu thun. Es weigerte es stets. Jetzt war es aber nicht länger aufzuschieben. In der letzten Woche verlautete die Nachricht von einem sofortigen Ausbruche den die Herrn S. O'Brien, Meagher etc. beabsichtigen.“ In dieser Weise geht der Artikel fort, der in der ganzen irischen Bewegung nichts weiter sehen will, als die Folgen des Ehrgeizes, von 4 bis 5 Irländern! Schließlich wird darauf hingewiesen, daß die bisherigen Gesetze noch nicht ausreichen und neue, strengere, nöthig sein würden; daher möge das Parlament nur bald ein recht hübsches fabriziren: denn Vorbeugung sei Gnade und Wohltat! ‒ Das nämliche Blatt ist über die Wahl des Erzherzogs Johann zwar ausnehmend erfreut, auch die 3 Minister scheinen ihm so übel nicht; aber daß man gewagt, auch nur einen gelinden hollunderblüthigen Beschluß gegen den theuern Beafsteak-Esser Ernst August von Hannover zu fassen, das empört die wegen ihrer Freiheits- und Gerechtigkeitsliebe berüchtigte Times über die Maaßen. Zum Schluß beantragt dieses Journal, daß England so schleunig als möglich diplomatische Agenten von Rang und Geschicktheit nach Frankfurt und eben so nach Ungarn sende, das seine nationale Unabhängigkeit vollständig wiedergewonnen; dagegen sei es sehr gut, wenn alle jene diplomatischen Agenten an den kleinen deutschen Höfen, als reine Geldverschwendung und unnütze Tändelei, sofort aufgehoben würden.
@xml:id#ar053_017
@typejArticle
@facs0263
[*] London, 20. Juli.
Nach einem Privatbrief aus Waterford sieht es in letzterer Stadt sehr bedenklich aus. Meagher's Verhaftung hat die Aufregung furchtbar gesteigert. Meagher zog diesen Morgen an der Spitze von 2000 Mann in der Stadt ein. ‒ Der Lordlieutenant hat einen großen Schlag gegen die Klubs vor.
‒ Die Times sagt heute bei Gelegenheit eines längern Artikels über Frankreich: „Vielleicht bedürfen wir in England keiner Lektion. Es mag sein, daß unsre Klugheit, unsre Religion oder unsere Institutionen uns vor Ereignissen schützen, welche Frankreich erstaunen und fürchten machen. Ein Land liegt aber in unsrer Nähe, welches noch in Zeiten gewarnt werden mag ‒ ein Land welches mit ähnlichen Zuständen wie Frankreich auch viel des Verführerischen von ihm hat. In Irland herrscht Armuth, der Fluch und die Folge einer zu dichten Population; so war es und so ist es in Frankreich. Irland ist in kleine Parzellen getheilt ‒ so auch Frankreich. Die Irländer sind leicht empfänglich für irgend einen Eindruck ‒ so die Franzosen. Das celtische Blut das die Pariser Gamins und die Hefe der Vorstadt St. Antoine bis in den Mund der Kanone trieb, kocht auch in den Adern der Iren. Vor Allem geht aber, wie seit Jahren durch Frankreich so auch durch Irland eine systematisch organisirte Verschwörung. Soll die Parallele noch weiter fortgesetzt werden? Soll Smith O'Brien als ein Lafayette figuriren? sollen sich die Februar und die Juni Ereignisse von Paris in Dublin wiederholen? Die Antwort hierauf hängt von der Festigkeit und der Energie des britischen Gouvernements ab.“
@xml:id#ar053_018
@typejArticle
@facs0263
[*] Manchester, 18. Juli.
Die bessere Stimmung die sich seit einer Woche in der Handelswelt zeigte, hat sich auch bei dem gestrigen Marktag erhalten. Das Geschäft war lebendig und der Umsatz in allen Lancashire-Artikeln größer wie seit langer Zeit. Viele Baumwollspinnereien die bisher stillstanden, fangen wieder an zu arbeiten. Die deutschen Häuser scheinen mehr Vertrauen in die Lage der Dinge zu haben und kaufen mit mehr Muth. Die Amerikaner geben bedeutende Bestellungen. Mexiko sendet ebenfalls gute Ordres und das griechische und italienische Geschäft ist recht hübsch. Für das Inland wird noch nicht viel gearbeitet; bei den guten Aussichten für die Aernte ist aber auch nach dieser Seite hin nur günstiges zu hoffen. ‒ Konsols, 87 3/4.
@xml:id#ar053_019
@typejArticle
@facs0263
[*]Dublin, 19. Juli.
In Cork sind gestern 3 Repealer: Varian, Bourke und O'Brien verhaftet worden. Sie sind wegen aufrührerischer Reden angeklagt, haben Bürgschaft gestellt und sind einstweilen wieder in Freiheit gesetzt.
Französische Republik.
@xml:id#ar053_020
@typejArticle
@facs0263
[12]Paris, 19. Juli.
‒ Alles kommt wieder ins alte Geleise; die alten republikanischen Phrasen und die alten republikanischen Dekorationen werden als abgethan beseitigt, und mit ihnen die Männer, welche sie hervorgeholt. Der Bürger Marrast, der Maire von Paris, tritt ab, und mit seinem Abtreten geht der republikanische Name eines „Maire von Paris“ ebenfalls zu Grabe. An seine Stelle kommt ein Präfekt der Seine, wie er früher bestanden, und, Trouvé-Chauvé, der Polizei-Präfekt ist zu dieser Stelle bestimmt. Ducoux, wie die „Patrie“ versichert, wird Polizei-Präfekt werden. Und Marrast? Marrast war nahe daran die Rolle eines Lamartine zu spielen! Wie man weiß, hat er im Institut einen eigenen Cirkel gebildet, der aus lauter „blassen“ Republikanern besteht. Die andern mit Lamartine, Ledrü-Rollin und Flocon halten, wie früher, ihre Zusammenkünfte im Palais-National. Das Institut hat beschlossen, Marrast als Kandidaten zur Präsidentenstelle in der National-Versammlung vorzuschlagen. Das Palais-National, welches zu schwach ist, um einen Kandidaten aus seiner Mitte durchzubringen, unterstützt die Kandidatur des Herrn Marrast. Das Institut, vereint mit dem Palais National, ist einstweilen noch stark genug, um der Rue Poitiers entgegen zu arbeiten, deren Kandidat Dufaure oder Lacrosse ist, aber wie lange noch?
Alles wird bürgerlich gelichtet, sogar die Nationalgarde. Man kann wohl sagen, daß die aufgelößten Legionen und Compagnien die eine Hälfte der ganzen Nationalgarde betragen. Das Decret des Präsidenten Cavaignac, wonach dieselbe reorganisirt werden soll, lautet folgender Maßen:
„In Erwägung, daß die zu den aufgelößten Legionen und Compagnien gehörigen Bürger, durch den thätigen Antheil den sie größtentheils an der Insurrektion vom 23., 24., 25. und 26. Juni genommen, in der Art gehandelt haben, daß die Ausnahmsmaßregeln, die zur Wieder-Constituirung dieser Legionen in Anwendung gebracht werden, sich in jeder Hinsicht gerechtfertigt finden.
„In Erwägung, daß bis zum Zeitpunkte hin, wo ein organisches Dekret die Bildung der Nationalgarde festgesetzt, es nothwendig ist, im 8., 9. und 12. Arrondissements, zur Aufrechthaltung der Ordnung und des öffentlichen Friedens, die Nationalgarde in diesen Stadtvierteln zu rekonstituiren;
„In Erwägung, daß dieselbe Nothwendigkeit hinsichtlich der aufgelößten Compagniern in den andern Stadtvierteln stattfindet;
„Beschließen wir:
1. Der Maire eines jeden der oben bezeichneten Stadtviertel soll einen Musterungsrath bilden, der aus 32 Mitgliedern besteht, und unter dem Vorsitze des Maire's, nach vorläufiger Untersuchung, zur Anfertigung neuer Controllisten schreitet.
2. Nach Anfertigung dieser Controllisten soll die Wahl der Offiziere und Unteroffiziere in den gewöhnlichen Formen stattfinden.
3. Der Commandant en Chef der Nationalgarde der Seine ist beauftragt, die Liste derjenigen Offiziere vorzulegen, die den Generalstaab der Nationalgarde bilden sollen.
4. Der Minister des Innern ist mit der Vollstreckung dieses Beschlusses beauftragt.
Cavaignac.
Der Minister des Innern, Senard.
Die Mobilegarde dagegen kommt immer mehr zu Ehren. Diese wahren „Bohemiens“ von Paris, die früher Schwefelhölzchen verkauften, bekommen jetzt Pistolen mit zu ihrer „Privat-Sicherheit.“ Und so hatte neulich ein fünfzehnjähriger Bursche, dem aus Ungeschicklichkeit die Pistole losging, einen ganzen Zusammenlauf im Walde Romaine-Ville verursacht. Man glaubte, es handele sich wieder von einer Insurgentenjagd. Die wahren Arbeiter dagegen, welche die Februar-Revolution gemacht haben, werden täglich mehr zurückgesetzt. Die Bourgeois zeigen ordentlich, daß sie diese Leute gar nicht kennen, daß dieser Theil der Bevölkerung ihnen ganz fremd geblieben; und sie haben das eigene Talent, sich durch ihre Wohlthaten den Arbeitern noch verhaßter zu machen, als durch ihre feindseligen Maßregeln, der Entwaffnung u. s. w. Bourgeois-Kommissare werden abgeschickt in die verschiedenen Behausungen der Arbeiter, um nach dem Alter des Mannes, der Frau, der Anzahl der Kinder, der Subsistenzmittel, zu fragen, die Möbeln, das Lokal in Anschau zu nehmen etc. Durch dergleichen Untersuchungen, meinen die Debats, welche in die kleinsten Details des Lebens eindringen, könne man die Pflichten der Menschlichkeit mit denen der Sparsamkeit verbinden. Wenn die Bourgeois der Debats von Arbeitern sprechen, so haben sie nur das Lumpen-Proletariat im Auge. Der wahre Arbeiter läßt diese Leute gar nicht eindringen in diese Details seines Lebens, und diese Leute dringen auch nicht ein in Behausungen dieser Arbeiter, und wenn sie eindringen, so geschieht es bloß, um ihnen Waffen wegzunehmen, nicht aber, um ihnen Speise und Trank zu bringen.
@xml:id#ar053_021
@typejArticle
@facs0263
Paris, 20. Juli.
Der Moniteur bringt heute endlich folgende Verordnung:
„Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Bruderschaft. Auf den Bericht des Ministers des Innern und nach Anhörung der Minister beschließt der Konseilpräsident:
Art. 1. Der Bürger Trouvé Chauvel ist zum Präfekten des Seinedepartements ernannt, in Ersetzung, des Bürgers Armand Marrast, dessenAbdankungangenommen ist.
Der Bürger Ducour ist zum Polizeipräfekten ernannt, an die Stelle des für die Seine-Präfektur bestimmten Bürgers Trouvé-Chauvel.
Art. 2. Der Minister des Innern ist mit Ausführung dieses Beschlusses beauftragt.
So geschehen im Präsidentschaftshôtel zu Paris, den 19. Juli 1848.
[(Gez.) E. Cavaignac.]
@xml:id#ar053_022
@typejArticle
@facs0263
‒ Die ganze gestrige Sitzung der Nationalversammlung war fast ausschließlich der Präsidentenwahl gewidmet. Der Kampf war heiß. Jede Partei wollte ihren Kandidaten durchsetzen. Die Rue de Poitiers hatte alle ihre Sprungfedern in Bewegung gesetzt, um die Mehrheit für ihren Kandidaten Lacrosse zu erzielen. Sie ist geschlagen worden. Marrast, der im ersten Skrutinium von 781 Stimmenden 386 erhielt, ließ seinen Konkurrenten Lacrosse mit 341 Stimmen im zweiten Skrutinium weit hinter sich, indem er von 765 Stimmen 411 erhielt und somit zum Präsidenten der Nationalversammlung proklamirt wurde. Der Berg, der sich Anfangs gespalten, indem ein Theil für Lacrosse, ein anderer für Marrast und der Kern mit 37 Stimmen für Bac gestimmt hatte, rächte sich zuletzt an der Thierspartei und stimmte für ihren eifersüchtigsten Gegner, Hrn. Armand Marrast, der auf diese Weise den Sieg errang.
‒Nach der Präsidentenwahl votirte gestern die Nationalversammlung die Summe von 15.000 Franken an Bureaukosten für den Konseilpräsidenten. Diese Bureaukosten verdienen eine spezielle Erwähnung. Man entsinnt sich, daß Ledru Rollin bald nach dem Februarsiege das einst so berüchtigte Bureau de publi cité, oder Bureau de l'Esprit public wieder in das Leben rief. In dieses Bureau wandern bekanntlich alle Journale des In- und Auslandes, und zwei bis drei Menschen sind unaufhörlich beschäftigt, dem Minister in's Ohr zu blasen, was in den Departements und in der übrigen Welt vorgeht. Der Abonnementspreis für auswärtige Blätter beträgt allein 10,200 Franken. Ledru-Rollin hatte diesem Bureau eine recht volksthümliche Einrichtung gegeben, indem er die Herausgabe des berüchtigten Mauer-Journals „der Bülletins des Minister des Innern“ daran knüpfte, das dem Volke die Wahrheit sagte und die einlaufenden Depeschen veröffentlichte. Aber die Journale protestirten gegen diese gefährliche Konkurrenz, sprachen das Monopol der Volksbelehrung für sich allein an, und die Haupthätigkeit des Bureau de publicité erlosch. Obige 15,000 Franken sind daher nur dafür bestimmt, die Herren General Cavaignac und Oberadvokat Senard über die Stimmung in den Departements und der Fremde gegen Sie und die Republik aufzuerklären.
‒ Auch das Schicksal der Mobilgarde zu Fuß und zu Pferd sollte gestern in der Nationalversammlung verhandelt werden. Charoix erinnerte an die Rechenschaft, welche die Versammlung von der vorigen Exekutivgewalt rücksichtlich dieser Garde verlangt hatte und daß sie den Oberst Ambert beauftragt habe, ihr einen vollständigen Bericht über die Bildung und den eigentlichen Zweck derselben, abzustatten. Seit dem Sturz des Vollziehungsausschusses habe sich jene Garde brav geschlagen; sie habe das Meiste zum Junisiege beigetragen, und sei jetzt Gläubigerin des Landes. Bonhier de l'Ecluse und Boulay (Meurthe) nahmen sich der Garde zu Pferd, welche Ambert durchaus aufgelöst zu sehen wünschte, ebenfalls an, und wir werden wohl die Junihelden konservirt sehen. Ob sie aber sich zum zweiten Male mit derselben Ausdauer gegen ihre Brüder hinter den Barrikaden schlagen werden, das ist eine andere Frage. Die Versammlung verschob den Gegenstand.
‒Ein anderes Projekt der provisorischen Regierung wurde ebenfalls zu Grabe getragen. Dieselbe beabsichtigte bekanntlich, in allen Städten und Flecken Provianthäuser zu errichten, in welchen das Arbeitsvolk seine Lebensmittel zu den wohlfeilsten Preisen erhalten könne. Bautier hatte auf jenes Projekt hin einen vollständigen Plan ausgearbeitet und ihn der Nationalversammlung in Form einer motivirten Proposition vorgelegt, in der er ihr haarklein auseinandersetzte, daß, je ärmer der Mensch sei, desto theurer er alles bezahlen müsse.(Dans l'état actuel des choses, plus on est pauvre, plus on paye cher les objets de premiére necessité.)
Die Versammlung fand diesen Grund wenig plausibel und zog es vor, die Sache auf die lange Bank zu schieben, d. h. in's Unendliche zu vertagen. Sie hatte übrigens selbst Hunger, und eilte schon um 6 Uhr zum Provianthause. Ihr eigner Magen konnte sie also nicht einmal von der Wichtigkeit des Bautier'schen Antrages überzeugen.
‒ In der Rue de Charenton und Rue de Montreuil (Faubourg St. Antoine) sind abermals eine Menge Verhaftungen in vergangener Nacht vorgenommen worden. Man hofft indeß, daß [0264] [Spaltenumbruch] die Untersuchungskommission es endlich satt bekommen und nicht länger zögern wird, ihr vaevictis über die Junikämpfer zu fällen. Heute hält sie ihre zweite Plenarsitzung im Justizpalaste, um den Generalbericht ihrer Instruktionsrichter anzuhören. Die Kriegsgerichte sind natürlich aus den Koryphäen der Bürgerwehr, welche das Arbeitervolk am meisten haßt, zusammengesetzt, und an der Urteilsstrenge kein Augenblick zu zweifeln. Wir hörten gestern ein Glied dieser Standgerichte verbissen zu seinem Nachbar sagen: „.... Wir werden doch endlich einmal mit der „Canaille“ fertig werden!“
‒ Ohne ganz vertraute Freunde zu sein, haben sich doch Frankreich und England entschlossen, eine vereinigte Flotte in das schwarze Meervor die Donaumündung zu schicken, um die Schritte Rußlands zu überwachen.
Es frägt sich, was Rußland zu diesem Bruch des Vertrages von Unkiar Skelessy sagen wird, der den französischen und englischen Kriegsschiffen den Eingang in den Bosphor ausdrücklich verbietet.
‒ Die Unterhandlungen zwischen Goudchaur, dem Finanzminister, und der Lyoner Eisenbahndirektion, die so plötzlich abgebrochen wurden, sind wieder angeknüpft. Goudchaux ‒ der honnete Jude, nach Morning Chronicle's eigenem Ausdruck ‒ bietet diesmal nur 7 Frk. 50 Cent. in 5 pCt. Rente für die Umwandlung und resp. Abtretung der von den Aktionären bereits eingezahlten 250 Frk.
‒ General Cavainac heirathet nicht das Fräulein Dubouchet, sondern Dubochet, Tochter des Gasfabrikanten Vinzenz Dubochet, eines alten Freundes und Verwandten des J. J. Dubochet, ehemaligen Geranten des National, und Mitgründer der Illustrirten Zeitung.
‒ Gestern war große Soirée beim General Cavaignac, bei der die alte Mutter desselben, trotz ihrer 70 Jahren, noch die Honneurs machte. Cavaignac bewohnt bekanntlich das Hôtel Baudon (ehemals der Prinzessin Adelaide angehörig) in der Rue de Varennes.
Nationalversammlung. Sitzung vom 20. Juli. Vizepräsident Gorbon eröffnet sie um 2 1/2 Uhr. Nach Vorlesung des Protokolls durch einen der Schreiber, theilt der Präsident der Versammlung einen Brief von A. Marrast mit, worin derselbe ihr für das hohe Vertrauen dankt, daß sie ihm durch seine Wahl zum Präsidenten erwiesen. Er bedauert jedoch, nicht sofort den Präsidentenstuhl einnehmen zu können, indem ihn ein heftiges Fieber im Bett zurück halte. Sobald dieses vorüber, werde er sich beeilen, sein hohes Amt zu erfüllen.
Ein zweiter Brief, den der Präsident verliest, zeigt der Versammlung den Tod ihres Kollegen Dornes, Redakteur des National, offizell an. Der Präsident zieht eine Deputation von 50 Gliedern, die der Beerdigungsfeier beiwohnen soll.
Eine Menge Petitionen wird auf den Büreautisch gelegt.
Der Präsident zeigt an, daß die Stimmzettelzählung über die Wahl eines neuen Vizepräsidenten in den Nebensälen vollendet sei und folgendes Resultat gegeben habe. Zahl der Stimmenden 440, absolute Mehrheit 221.
Bixio hat 328 Stimmen erhalten und wird somit zum Vizepräsidenten proklamirt.
Nach Bixio, der sich so muthig gegen die Insurgenten auf den Barrikaden gezeigt hatte, zählte Trelat, der Exstaatsbauten Dr. und Vivien, der Akademiker, die meisten Stimmen.
Ceyras verlangt das Wort, um seinen Vorschlag rücksichtlich der Versorgung arbeitsunfähig gewordener Landbewohner zu entwickeln. Er beklagte sich, daß man ihm das Wort verweigern wolle, weil sein Antrag mit dem Antrage Waldeck-Rousseau, angeblich derselbe sei und mit ihm zusammenzalle.
Ein Glied des Arbeitsausschusses springt auf die Tribüne und sagt: „Der Ausschuß trägt auf Vertagung des Antrages an.“ Nachdem das geehrte Glied, dessen Namen uns leider entfallen, eine Menge nichtssagender vager Gründe unter allgemeinem Lärmen hergesagt, schließt er: Sie sehen also, meine Herren, daß dieser Antrag neue Ausgaben verursachen würde. Da aber die Versammlung jede neue Ausgaben scheuen, und sich mit neuen Einnahmen beschäftigen muß, so scheint die Vertagung mehr als gerechtfertigt.
v. Luneau, Ex-Deputirter, richtet den Muth des Antragstellers etwas aufrecht, indem er ihm verspricht, daß der Ausschuß ihn morgen anzuhören geruhen werde.
Hiernächst hört die Versammlung den Bericht Vivien's über die Wahl eines Vertreters des Departements von Vacluse an, der an die Stelle Agricole Perdigniers gewählt wurde, weil letzterer für das Seine-Departement angenommen hatte. Der Neugewählte heißt Adolph Gens und ist ein ehemaliger Kommissair der Regierung. Ein halbes Dutzend Protestationen gegen seine Wahl liegen vor. Sie seien mehr oder wenigee begründet, darum der Ausschuß durch sein Organ Vivien auf Einleitung einer Untersuchung antrage.
Der Kampf um diese Wahl war ziemlich heiß. Die Einen, selbst Clemens Thomas schrieen nach Annulation, die Anderen nach Untersuchung. Vivien trotz aller möglichen Rücksicht sah sich genöthigt, einige empörende Zeitungsartikel gegen den Gewählten vorzulesen. Dieses Mittelchen zog und der Bestrittene wird von Neuem vor ein Untersuchungsgericht gestellt werden.
Der Präsident ladet die Versammlung ein, sich von Montag an fleißig mit Prüfung des Verfassungsentwurfs zu beschäftigen, damit dessen öffentliche Berathung bald beginnen könne.
Die Versammlung schreitet bei Postschluß zur Berathung der Glais-Bizoinschen Proposition rücksichtlich der Nebenwege (chemins vicinaux).
Luneau dringt auf Vertagung. Die Diskussion entspinnt sich dennoch ohne erhebliches Interesse.
Italien.
@xml:id#ar053_023_c
@typejArticle
@facs0264
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 23. Juli 1848. In: MEGA2 I/7. S. 392.]
[*] Turin, 14. Juli.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar053_024_c
@typejArticle
@facs0264
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 23. Juli 1848. In: MEGA2 I/7. S. 392.]
[*]Turin, 14. Juli.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar053_025_c
@typejArticle
@facs0264
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 23. Juli 1848. In: MEGA2 I/7. S. 392.]
[*] Turin, 14. Juli.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar053_026_c
@typejArticle
@facs0264
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 23. Juli 1848. In: MEGA2 I/7. S. 392.]
[*] Turin, 13. Juli.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar053_027_c
@typejArticle
@facs0264
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 23. Juli 1848. In: MEGA2 I/7. S. 392.]
[*] Venedig, 9. Juli.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id#ar053_028_c
@typejArticle
@facs0264
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 23. Juli 1848. In: MEGA2 I/7. S. 392.]
Mozzecane, 11.Juli.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Schweiz
@xml:id#ar053_029
@typejArticle
@facs0264
[*] Zürich, 19. Juli.
Deutschland ist durch die löbliche hannöver'sche Regierung wieder einmal blamirt worden. Diese edle Regierung von Hannover hatte, wie bekannt, auf Grund eines Polizeierlasses von 1834, einen Schweizer aus dem Kanton Zürich schnöde zurückgewiesen, als der Schweizer mit einem regelmäßigen Passe versehen, im Hannöverschen für einige Zeit seinen Aufenthalt nehmen und in Arbeit treten wollte. Die Züricher Regierung ergriff die sehr vernünftige Gegenmaßregel, alle im Kanton ohne Niederlassungsrecht sich aufhaltenden Hannoveraner (34 an der Zahl) mit sofortiger Ausweisung zu bedrohen. Dies und die öffentliche Stimme in deutschen und schweizer Blättern, ist nicht ohne Wirkung geblieben. Die hannöversche Regierung ist zu Kreuze gekrochen, hat ihre Polizei-Brutalität eingestanden und bereut, und Zürich hat Gnade für Recht ergehen lassen und erklärt, daß die anfänglich bedrohten Hannoveraner ungestört sich ferner im Kanton aufhalten dürfen.
Spanien.
@xml:id#ar053_030
@typejArticle
@facs0264
Das J. d. Debats von der Grenze Navarras: Die montemolinistische Insurrektion hat in Navarra in der Person mehrerer ihrer Chefs einen harten Schlag erlitten. Die Generale Jlzarbe und Zubire haben sich, verfolgt von den Truppen der Königin auf das französische Gebiet flüchten müssen, ebenso die Obersten Soto, Ennetario und Sebirino, im Ganzen 150 Mann, worunter 54 höhere und niedere Offiziere. Sie sind an der Grenze entwaffnet und nach Bayonne gesandt worden. ‒ General Jlzarbe wäre der Madrider Regierung ein gefährlicher Gegner gewesen. Er ist ein sehr braver Soldat, dabei sehr genau bekannt mit Navarra wo er gebürtig ist. Er hat während des Unabhängigskeitskriege unter dem berühmten Mina gedient, der ihn wie seinen Sohn liebte. Später hat er unter Zumalacarregui und Elio gestanden. Zubire ist ein Schüler von Zumalacarregui. Jung, kriegserfahren und tapfer, mit dem Lande wohl bekannt besitzt er Alles, was zu einem tüchtigen Partheigänger erforderlich ist. Auch Sebirino, Ennetario und Soto waren wegen ihres Muthes und ihrer Thätigkeit zu fürchten. So hat denn die moetemolinistische Parthei ein schwerer Verlust getroffen, den sie nicht ersetzen können wird.
Portugal.
@xml:id#ar053_031
@typejArticle
@facs0264
[*] Lissabon, 13. Juli.
Der jetzige Marineminister wird ab- und für ihn Gomez de Castro interimistisch eintreten. Wie man hier allgemein glaubt, wird bald nach dem Schluß der jetzigen Cortes die Ultra-Cabralistenpartei an's Ruder kommen. Damit wird jedenfalls ein neuer Ausbruch seitens der Septembristen sehr beschleunigt werden.
Griechenland.
@xml:id#ar053_032
@typejArticle
@facs0264
[*] Athen, 7. Juli.
Das Ministerium ist bedeutend verändert worden. Blos Conduriotti, Präsident des Ministerraths und Minister der Marine, und Rhodius, Kriegsminister, haben ihre Posten beibehalten. Die neuen Minister sind: B. Roufos, (Condruiotti's Schwiegersohn), Minister des Innern; Manghinas, (Senator), Finanzen; Colocotroni, Auswärtiges; Rhallis, Justiz; General Mavromichali, Kultus Die neuen Minister gehören der sogenannten englischen Richtung an. ‒ Bei der letzten Revision des Staatsschatzes wurde ein Kassendefekt von 200,000 Drachma's entdeckt. Man verhaftete den Schatzmeister. Die Opposition beschuldigt Coletti, als habe dieser das Geld entnommen und zur Anstiftung des Aufruhrs in Albanien gegen den Sultan verwandt. Die Kammer scheint übrigens mit dem Ministerwechsel keineswegs zufrieden. Sollte sie nun, da ihr Kampf gegen das Ministerium ziemlich wahrscheinlich ist, aufgelöst werden, so dürften ernstliche Unruhen entstehen.
Erklärung.
@xml:id#ar053_033
@typejArticle
@facs0264
Die Heidelberger Studentenschaft erklärt hiermit, um Mißverständnissen und einseitigen Auffassungen ihres Auszuges vorzubeugen, Folgendes:
1) Die ausgezogenen Studenten gehören keineswegs sämmtlich der republikanischen Richtung an, vielmehr eben so gut der konstitutionellen; aber sämmtlich und einstimmig sind sie jeder Willkür und Polizeiherrschaft feind.
2) Sie haben den Auszug in ihrer Pflicht liegend erachtet aus zwei Gründen:
a) weil sie sich als Studenten in ihrer Ehre und dadurch gekränkt fühlten, daß, während andere demokratische Vereine in Baden bis dahin bestanden, gerade der demokratische Studentenverein aufgelöst wurde, worin sie eine politische Unmündigkeits-Erklärung für sich erblicken;
b) weil sie sich als deutsche Männer für verpflichtet halten, jeder Willkür entschieden entgegen zu treten, und so weit es in ihren Kräften steht, zu verhindern, daß wir wieder in die alten Zeiten der Knechtschaft und Bevormundung zurückgedrängt werden.
3) Von einer Rückkehr nach Heidelberg kann nicht eher die Rede sein, als bis das freie Associationsrecht wieder hergestellt, oder überhaupt, nach Ergreifung aller gesetzlichen Mittel vor der letzten Instanz über die Sache entschieden ist.
Im Namen der Heidelberger Studentenschaft
der Ausschuß:
Gravelins. v. Schrenck. Schuler. Rothärmel. D. Kleinpell. Ed. Haas. Böhringer. Bacher. Krummel Leutz. Teuner. Herder. Pietsch. Diehl. V. May. Hirsch. Lautz. Spengler.
(Hierzu eine Beilage.)