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Aus dem Tagebuche eines Heulers. Kapitel I. Die Heuler.
Wohl dem, der des Tages Last und Hitze getragen hat und in den Schenken der
heiligen Stadt Köln seinen kühlen Schoppen Moselwein trinkt!
So dachte ich oft, wenn ich zu Hut und Hausschlüssel griff und die Straße
hinabschritt nach jenen Häusern der Fröhlichkeit, die allen Völkern geöffnet
sind, den Christen wie den Juden, den Heiden wie den Türken, den Egyptern
wie den Chinesen, auf daß Alle ihre Leiden vergessen, ihre Schulden, ihre
bösen Frauen, ihre hungrigen Kinder, ihre langweiligen Vettern, ihre kahlen
Glatzen, ihre Hühneraugen, ihre Zukunft wie ihre Vergangenheit.
Der Gott des Weines ist ein freundlicher Gott. Lächelnd und rebengeschmückt
sitzt er mit seinen nackten und prallen Schenkeln wie ein Reiter flott auf
dem Faß. „Heran! Heran!“ so ruft er und winkt mit gefülltem Römer und
durstige Musikanten nahen, und feiste Küster und lange Regierungsräthe und
krumme Fruchthändler, ja Ritter und Banditen zu des Weingötzendienstes
erhabener Feier.
Der Wein ist billig. Vier Groschen der Schoppen. So trinket denn Wein, auf
daß es Euch wohl gehe.
Ich aber saß gestern Abend wie gewöhnlich bei ....
auf der .... straße und rings um mich her der
Bekannten vertraulicher Kreis.
Zuerst der alte Steuerkontrolleur Ehrlich. Ein Fünfziger. Weiß an Haaren doch
röthlichen Antlitzes. Schon seit zwanzig Jahren kenn ich den Ehrlich. Er hat
noch nie gelacht; er spricht wenig und ist dennoch unterhaltend. Jeden Abend
trinkt er drei Schoppen und zwei halbe. Er ist ein wohlbehäbiger Mann; nicht
zu seinem Nachtheil kontrollirte er sein Leben lang. Der böse Leumund sagt,
daß er nie ein Weib berührt; er ist Junggeselle und hält sich Kanarienvögel
und Goldfische; man sagt, er sei sehr geizig; er nähe sich selbst die
Hosenknöpfe an und stopfe sich selbst die Strümpfe. Weiß nicht, ob es wahr
ist. Ehrlich ist ein höchst achtungswerther Mann; er versteht sich auf's
Wetter wie ein Laubfrosch; er weiß immer, wie viel Grad Wärme oder Kälte wir
haben. Er raucht.
Zweitens der Rentner Dürr. Er ist lang und hager, wie aus seinem Namen
hervorgeht; er gleicht Niemanden, denn er ist einzig in seiner Art. Er trägt
schwarze, kurzgeschorene Haare; Blässe auf den Wangen, keinen Bart und eine
Fastnachtsnase. Immer ist er in sehr weißer Wäsche, namentlich wie alle
andern Menschen, im Anfang der Woche. Im schwarzen Frack sieht er ungefähr
wie ein Gespenst aus, das auf den Ball gehen will. Ich habe ihn nie etwas
anderes essen sehen, als Häringssalat. Er machte Seereisen und legte in der
Bank eine Sammlung seiner Münze an; das letztere war nicht zu seinem
Schaden. Rentner Dürr weiß viel zu erzählen. Er ist in der Geographie
bewandert wie eine Posttaube; er kennt die ganze Erde und sehnt sich daher
bisweilen nach dem Himmel.
Seine Hauptbeschäftigung besteht darin, daß er sich entsetzlich langweilt. Er
schnupft.
Drittens der Maler Pinsel. Dieser gute Freund ging immer mit dem festen
Vorsatze um ein großer Mann zu werden, und wurde deshalb keiner.
Ursprünglich Landschafter, machte er dreißig Jahre Wolkenstudien. Er vergaß
darüber die Erde und sich selbst und malt nuu Portraits, die sich alle
gleichen. Selber kein Genie, begnügt er sich damit alle Genie's gekannt zu
haben. Er ist ein wunderlicher Kauz. Vierzehn Tage lang stierte er einst in
ein Holzfeuer um einen Kopf rothflammender Haare zu malen; auch goß er schon
Rowlands Macassar-Oel in die Farben und meinte, die Locken seiner Portraits
würden besser danach wachsen ‒ half aber Alles nichts. Seinen eignen Namen
malt er immer am schönsten. In vertraulicher Stunde sagte er mir neulich;
die Menschen ennuyrten ihn allmählig; er werde sich auf die Thiere legen; es
sei dies der beste Uebergang vom Menschen aus, der richtigste Fortschritt.
Von Löwen und Tigern wird er sich zunächst auf das Pferd werfen; vom Pferd
kommt er ohne Zweifel auf den Esel ‒ schließlich auf den Hund. Hiermit wird
er wahrscheinlich seine Laufbahn beschließen.
Maler Pinsel ist ein Vierziger. Er ist ein großer, schöner Mann, mit
ungeheuerm Barte. Seine Figur und sein Barthaar haben es übernommen, der
Welt für den ganzen Kerl Respekt abzutrotzen. Er raucht und schnupft.
Der Vierte in unserm Bunde ist der Professor Fuchs. Wie alle Schulmeister hat
er dünne Beine und noch jämmerlichere Arme. Er sitzt in den Schultern; seine
Haare hängen ihm pastoralisch glatt an den Schläfen hinunter. Auf seinem
Nasenbein reitet eine große silberne Brille. Er macht lateinische Verse, die
Niemand lesen kann und deutsche die Niemand lesen will. Er citirt alle
Augenblick die Griechen und die Römer. Niemand sieht einem Griechen oder
einem Römer weniger ähnlich als der Herrn Professor Fuchs.
Als fünften Freund haben wir den Herrn Salomon Geyer. Er ist eben so breit
wie lang. Er spekulirte in Quadratfüßen, ohne dabei auf den Strumpf zu
kommen. Er sieht deswegen seit einem halben Jahre so böse aus, wie der
Domkrahnen bei Regenwetter. Mit aller Welt ist er zerfallen. Er fürchtet
sich vor seiner Frau. Trinkt sehr viel.
Der sechste Bekannte ist der Herr von der Windmühle. Ohne Haar, ohne Zahn,
ohne Fleisch, ohne Blut, ohne Stimme, ohne Verstand, ohne Geschäft, ohne
Liebhaberei, ohne Willen, ohne Leidenschaft ‒ ein Waschlappen von einem Mann
‒ reich wie Krösus.
Der siebte: Herr Puff, ist ein Mann von einnehmendem Aeußern. Rund wie die
Welt und stark wie ein Elephant. In seiner Jugend fraß er zum Schmerz oft
ein Branntweinglas, in seinem Alter zog er Kapaunen vor und Enten in
Trüffeln. Er wuchs mit Eichen und Buchen auf und wurde ein Holzhändler.
Jetzt lebt er vom Fett seiner Jugend. Er kennt nur reiche und dicke Leute.
Alle übrigen Menschen sind unter seiner Würde. „Ich heiße Puff!“ pflegt er
zu sagen, wenn man nach seinem Namen fragt. Die Fenster klirren vom Ton
seiner Stimme.
[Deutschland]
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@facs | 0252 |
Der Minister des Innern, Kühlwetter, erklärt hierauf
wegen Erlassung eines Kommunalgesetzes, daß von
allen Seiten des Landes ein großes Drängen danach erfolge; dieses Gesetz
wäre aber von zu großer Wichtigkeit, um einer gründlichen Berathung
entbehren zu können. Es hat sich das Gerede verbreitet, daß bereits vom
vorigen Ministerium ein Gesetzentwurf ausgearbeitet gewesen, welcher aber
vom jetzigen, als zu freisinnig zurückgenommen sei. Der Minister des Innern
weiß nicht woher es kommt, daß das jetzige Ministerium weniger freisinnig
sein solle, als das abgegangene. Das Gesetz wird eifrig berathen und nähert
sich seinem Schlusse und es sollen sogar mehrere Mitglieder der Versammlung
zu einer Vorberathung desselben eingeladen werden. Endlich wurde in heutiger
Sitzung die beabsichtigte Adresse als Antwort auf die kön. Thronrede zu
Grabe getragen. Der Bericht der Adreß-Kommission, welcher auch schon vom 2.
Juli datirt wurde, ist ohne alle Debatte einstimmig angenommen, nachdem der
Ministerpräsident erklärt hatte, daß Seitens des Ministeriums kein Grund
vorliege, auf die Debattirung der Adresse einzugehen.
Auf den Antrag von 24 Abgeordneten war eine Kommission ernannt, welche heute
ein Gesetz vorlegte, daß die bisherigen Befugnisse der Kreisstände, Auflagen
und Steuern zu beschließen, welche alle Kreiseingesessenen verpflichten,
aufgehoben ist.
Der Minister des Innern erklärt sich dagegen und
glaubt, daß es hinreichend sei, wenn das Ministerium den Regierungen den
Befehl zukommen läßt, von jetzt an bis zur Erlassung der neuen Gesetze, die
Steuerausschreibungen nicht zu genehmigen. Dieses wird aber von vielen
Rednern für ungenügend gehalten und die Versammlung beschließt, trotz der
Einreden des Ministers des Innern, mit großer Majorität die Annahme des von
der Kommission vorgelegten Gesetzentwurfs.
Der Abgeordnete Wenzelius aus Trier, hatte schon am
24. Juni nach Annahme des Gesetzes über Unverantwortlichkeit der
Abgeordneten, einen Antrag auf sofortige Einberufung des Abg. Victor Valdenaire gestellt. Die Kommission stattete
heute Bericht darüber ab. Sie hat mit 6 gegen 2 Stimmen beschlossen, da sie
nach aktenmäßiger Untersuchung der Sachlage, von der
Unschuld des Valdenaire überzeugt sei, die Suspendirung der Untersuchung
gegen den Angeklagten, während der Dauer der Session auszusprechen und
dessen sofortige Einberufung zn veranlassen. Der Abg.
Reichensperger mußte als Berichterstatter den Kommissionsantrag motiviren.
Die Abgeordneten Simon und Stupp, die beiden Mitglieder der Minorität der Kommission, sowie
Prof. Bauerband sprachen gegen den Antrag der
sofortigen Einberufung und wollten in den Gang der Gerechtigkeit nicht
eingreifen.
Obgleich sich diese drei rheinischen Juristen bemühten, die Versammlung zu
überzeugen, daß sie nicht vom Code Napoleon abweichen dürfe, und obgleich
sich der geb. Justizrath Simons sogar bemühte, die
Zeugenaussagen zu Gunsten Valdenaire′s zu verdächtigen, wurde die
Versammlung doch durch die Reden des Abgeordneten Borchardt aus Köln und Reichensperger aus
Koblenz überzeugt.
Die Versammlung beschloß hierauf mit großer Majorität dem Gutachten der
Kommission beizutreten und der Präsident verfügte sogleich die Einberufung
des Abgeordneten Victor Valdenaire in Trier.
Auf Antrag des Abg. Borchardt wurde alsdann
beschlossen, daß die dazu zusammengesetzte Kommission das Gesetz wegen
Abschaffung der Todesstrafe binnen acht Tagen vorzulegen habe. Das
Ministerium erklärt, daß es die Suspension der Vollstreckung sämmtlicher
Todesurtheile, bis zur Erlassung dieses Gesetzes, angeordnet habe.
Der Abg. Hildenhagen stellt den Antrag, die
Versammlung möge den Hrn. Präsidenten ersuchen, am Schlusse jeder Sitzung
öffentlich zu erklären, daß sich das Ministerium mit der Vorlage des
Kommunalgesetzes beeilen möge.
Der Abgeordnete Bredt aus Elberfeld, interpellirt das
Staats-Ministerium:
1) ob und welche Schritte Seitens der preußischen Staatsregierung, im Vereine
mit den übrigen Zollvereinsregierungen geschehen sind, um den Beitritt
Oestreichs, Hannovers, Oldenburgs, Mecklenburgs und der Hansestädte zum
Zollverein zu bewirken und hierdurch die Bildung eines Allgemeinen Deutschen
Zollvereins herbeizuführen?
2) ob und inwieweit neben der Bildung eines Allgemeinen Deutschen
Zollvereins, darauf Bedacht genommen worden, mit den genannten Regierungen,
namentlich denjenigen der deutschen Nordseestaaten, gleichzeitig einen
Deutschen Handels-Schifffahrtsbund zu Stande zu bringen, welcher gestützt
auf ein gemeinsames Differenzialzollsystem, die Aufgabe hat, die bisherige
fremde Vermittlung des deutsch- transatlantischen Handels zu beseitigen,
dagegen den direkten Deutschlands mit den überseeischen Ländern zu
befördern?
3) und ob mit Rücksicht darauf, daß der gegenwärtige Zollvereinstarif bereits
mit Ablauf dieses Jahres ausser Kraft tritt, eine schleunige vorläufige
Revision desselben durch Zusammenberufung eines Abgeordneten-Kongresses der
bisherigen Zollvereins-Staaten unter Zuziehung von Sachverständigen
beabsichtigt, oder welche Maßregeln in dieser Beziehung provisorisch
angeordnet werden sollen?
Diese letzte Maaßregel würde noch dringlicher durch den am 10. Juli, von der
provisorischen Executivgewalt in Frankreich gefaßten Beschluß, zur Hebung
der französischen Industrie, den Ausfuhrzoll auf Seide und Seidenwaaren,
Leinen und Leinengarn, um 4 1/2 pCt. vom Werth zu erhöhen. Der inländischen
Industrie wird durch diese Anordnung der französischen Regierung ein harter
Schlag beigebracht und es ist nothwendig, daß so schnell wie möglich,
geeignete Abwehrmittel ergriffen werden.
Der Handelsminister Milde beantwortet diese Frage
dahin, ad 1) daß bereits seit dem Monat April eine Kommission in Frankfurt
damit beschäftigt sei, um eine gemeinsame deutsche Zollgesetzgebung zu
Stande zu bringen; ad 2) daß man bereits im vorigen Jahre mit den deutschen
Seestaaten behufs eines deutschen Schifffahrtsbundes und gemeinsamen
Differenzial-Zoll-Systems in Verbindung getreten, daß aber namentlich
Hamburg und Mecklenburg sich dagegen erklärt. Er erinnere an die
weitläufigen Zeitungsartikel, die sich im Laufe des vorigen Jahres, wie ein
rother Faden durch alle deutschen Zeitungen gewunden und daß die
Zweckmäßigkeit der beregten Maßregeln sehr in Frage gestellt wurde. Der
Handelsminister muß daher diese Frage noch als eine offene betrachten. ‒ ad
3) Die in Aussicht stehende Zollvereinigung aller deutschen Staaten, hat
bereits im Monat April die preußische Regierung veranlaßt, bei allen
Zoll-Vereins-Regierungen anzufragen, ob es nicht besser sei, den
vorschriftsmäßigen Kongreß der Zoll-Vereins-Staaten in diesem Jahre zu
unterlassen und sich im Wege der Korrespondenz über das Fortbestehen des
Zolltarifs und dessen nothwendigen Modifikationen zu vereinigen. Diese
Korrespondenz findet gegenwärtig noch statt. ‒ Was die Maßregeln der
französischen Regierung anbetrifft, so wird jetzt im Handelsministerium
darüber berathen, ob und welche Gegenmaßregeln dagegen anzuwenden seien, vor
Beendigung dieser Berathungen müsse er sich seines Urtheils darüber
enthalten.
Zum Schluß verlangt noch der Abgeordnete Gladbach in
einer persönlichen Angelegenheit das Wort: „Der Abg. Schütze habe zwar seinen Antrag zurückgenommen, womit er anträgt,
daß mir das Mißfallen der Versammlung und der preußischen Nation durch den
Herrn Präsidenten öffentlich zu erkennen gegeben und ich aufgefordert werde,
mich in Zukunft solcher Aeußerungen zu enthalten, welche das Nationalgefühl
jedes ächten Preußen verletzen und eines preußischen Nationalvertreters
unwürdig sind, weil ich die Worte aussprach: ein Theil der Freischaaren in
Schleswig-Holstein hat sich aufgelöst, weil er sich nicht von der
preußischen Militär-Disciplin hat knechten lassen wollen.“ Gladbach will
näher auf die Erläuterungen dieser Worte eingehen und das Knechten der
Militär-Disciplin, wie es thatsächlich vorfiel, erzählen, das gefällt aber
der Rechten nicht und sie äußern ihre Mißbilligung, da der Redner die
Tribüne nicht verlassen will, dadurch, daß sie größtentheils den Saal
verlassen. Gladbach beendet aber seinen Vortrag ungestört.
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@facs | 0252 |
[*] Berlin, 17. Juli.
Wie Pilze über Nacht aus der Erde schießen, so wachsen jetzt auf dem Boden
der Reaktion politische Prozesse mit einer Schnelligkeit und in solcher Zahl
empor, daß man nicht länger über unser Einlaufen in den sichern und
gemeinschaftlichen Hafen des Polizeistaats und der „christlich
germanischen“Politik, unter den geschickten Lootsen: Camphausen, Hansemann,
Pfuel, Schreckenstein & Comp. zweifeln darf. Auf dem restaurirten
„Rechts- und Vertrauensboden“ wird nun zwischen männlichen und weiblichen
Verbrechern kein Unterschied mehr gemacht. Fährt der revolutionäre Geist
erst in die Frauenwelt: so könnte es den Reaktionshelden am Ende schlimm
ergehen. Dem muß man vorbeugen. Hier heißts:„bange machen gilt. Sogar die
Bäckermeisterinnen werden gegenwärtig vor die heilige Justiz gestellt. So
ist dieser Tage die Bäckermeisterin Janetzka wegen Majestätsbeleidigung zu 2
Jahren Zuchthausstrafe verurtheilt worden. Sie hielt sich seit einiger Zeit
wegen eines schon über 10 Jahre schwebenden Prozesses hier auf, hatte beim
Könige und beim Justizminister Audienz, ohne ihre Hoffnung erfüllt zu sehen
und äußerte sich nachher über die gedachten Personen in beleidigender Weise.
Daher der Prozeß gegen sie, der bei verschlossenen Thüren stattfand.
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@facs | 0252 |
[*] Berlin, 18. Juli.
Ueber den im Zustand der Mythe befindlichen Trinkspruch des reichsverwesenden
Johannes treffen wir in der „Voss. Z.“ eine Aufklärung. Hr. General-Major a.
D., v. Flotow, hat damals in Brühl ganz nahe bei dem Toastausbringer
gesessen und hat aus dessen Munde folgende Worte vernommen: „ Fortan also:
Ein Preußen! Ein Oestreich! Ein einiges Deutschland! Gott segne Eure
Majestät!“ Einheit Preußens‒ Einheit Oestreichs‒ Einheit Deutschlands: drei
Einheiten statt Einer! Was will man mehr? Wer indeß noch mehr will, dem
stehen noch circa 3 Dutzend andere ähnliche Einheiten und Einigkeiten in
Deutschland zu Gebote.
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@type | jArticle |
@facs | 0252 |
[*] Berlin, 18. Juli.
Die Buchdruckereibesitzer hiesiger Stadt haben „an sämmtliche Gehülfen der
Buchdruckerschaft“ Berlins in einem Circular erklärt, daß sie auf die
gestellten Forderungen nicht eingehen können, und wenn auf denselben
bestanden würde, die„bedauerliche“ Spaltung sich zu einer unübersteiglichen
Kluft erweitern müßte. Sie schlagen dagegen die Erwählung einer Kommission
von Vertrauensmännern vor, welche über die gedachten Forderungen entscheiden
soll. Hierauf haben die Gehülfen in einer am Sonntag gehaltenen Versammlung
beschlossen, den gütlichen Vorschlag bezüglich der Schiedsrichter
anzunehmen, jedoch unter der Bedingung, daß letztere nur zwischen den
Minimum-Sätzen der Mainzer Versammlung und den höheren, welche die hiesigen
Gehülfen fordern, zu entscheiden haben. In der Sitzung des „Vereins für
Volksrechte“ vom 14. d. kam das Verfahren der Regierung in diplomatischen
Beziehungen zur Sprache. Die diplomatischen Verhandlungen würden selbst,
nachdem sie zu Ende geführt seien, kaum den Resultaten nach dem Volke
mitgetheilt, der Gang derselben sei und bleibe Geheimniß der Regierung. Die
Zeit dieses Geheimthuns sei vorüber, das Volk habe ein Recht, Alles zu
erfahren. Der Verein verlangt deshalb daß die Regierungen die diplomatischen
Verhandlungen, nachdem sie zu Ende geführt, vollständig in kürzester Frist
veröffentlichen. Es ward zugleich das Bedauern ausgesprochen, daß die
Deputirten, welche die freiere Richtung vertreten, von der Regierung bisher
noch nicht verlangt hätten, daß sie die diplomatische Korrespondenz der
Kammer mittheile. Es sei dazu namentlich in der russischen Angelegenheit
Veranlassung vorhanden gewesen und solche biete sich auch jetzt wieder in
der schleswigschen dar. Vielleicht könnte noch jetzt die Vorlegung der
russischen Noten verlangt werden. Es wird beschlossen, ein Anschreiben in
diesem Sinne an den Deputirten Berends zu erlassen.
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@facs | 0252 |
[15] Breslau, 17. Juli
Als Fortsetzung meines gestrigen Briefes folgendes: Die Vormittagssitzung
dauerte bis 1 Uhr und begann auf's Neue um 5 Uhr. Zunächst wurde über die
Funktionen des zu ernennenden Provinzial-Comités debattirt. Man einigte sich
dahin: das Comité hat seinen Sitz in Breslau und besteht aus 9 Mitgliedern,
welche der Kongreß selbst erwählt, ohne jedoch bei der Wahl nur an die
Deputirten selbst gebunden zu sein. Gewählt wurden: Hoyoll, Stahlschmidt,
Brehmer, Held, Rühl, Engelmann, Dellbrück, Vogtherr und Rosenhain. Ihre
Aufgabe ist die Verwaltung der Provinzialkasse; ferner haben sie für
Drucksachen zu sorgen, sobald irgend etwas im Sinne der Demokratie zu
veröffentlichen ist. Sodann liegt ihnen ob, fortwährend in Korrespondenz mit
den Kreisvereinen zu bleiben, um über den Stand der Demokratie in der
Provinz stets unterrichtet zu sein, und dem Central-Comité in Berlin
monatlich Bericht erstatten, so wie die Mittheilungen dieses Comités den
Kreisvereinen übermachen zu können. Zur lebhaftern Verständigung mit der
Provinz sollen sie außerdem jedes Vierteljahr einen Kongreß ausschreiben.
Bei wichtigen Gelegenheiten haben sie einen außerordentlichen Kongreß zu
berufen. Hierauf ging man zur Debatte über soziale Verhältnisse über. Es
waren folgende Anträge gestellt worden: der Staat garantirt Jedem den
nothwendigen Lebensunterhalt; die Domänen sollen kolonisirt werden; der
demokratische Kongreß möge den Wunsch aussprechen, daß sämmtliche
demokratischen Vereine die soziale Frage diskutiren; endlich, es möge eine
Kommission niedergesetzt werden zur Untersuchung der Verhältnisse des
städtischen und ländlichen Proletariats. Es wurde lange hin und her
gestritten; man wollte den Arbeitern zeigen, daß der Vorwurf, die Demokratie
beschäftige sich nicht mit der socialen Frage, ungegründet sei. Wie
vorauszusehen, gelangte man zu keinem andern Resultat, als daß beschlossen
wurde, die demokratischen Vereine mögen sämmtlich an die Berathung über die
soziale Frage gehen, und dann ihre Mittheilungen an das Provinzial-Comité
gelangen lassen; letzteres solle dann für die Ausarbeitung einer Denkschrift
über die soziale Frage sorgen, und zur Berathung dieser Frage allein einen neuen Kongreß ausschreiben. Vorher jedoch
erklärte die Versammlung durch Aufstehen: die Lösung der sozialen Frage ist
die erste und letzte Aufgabe der Demokratie. Es gibt keine andere Demokratie
als die soziale. Die nun folgende Frage rief ebenfalls eine interessante und
lebhafte Debatte hervor. Sie betraf die schreckenerregende Noth im
Eulengebirge. Die Deputirten aus jener Gegend gaben die umfassendsten
Details. Schon viele Jahre vor der Revolution begann dort die Noth. Männer,
die unter dem gestürzten System durch Schilderung und Aufdeckung des
grausigen Elends zur Hülfe anregen wollten, scheiterten an dem schönen
Institut der Censur. Der Censor Ebertz, Schönfeldt und wie die Herren weiter
heißen, wußten mit dem Rothstift alle Uebel so viel wie möglich zu
vertilgen. Nach den Märztagen konnte das Unterstützungs-Comité seine
Thätigkeit erweitern. Es wandte sich an die Regierung. Die Antwort lautete:
sie könne für jene Leute nichts thun, auch müsse man sich daran gewöhnen,
nicht Alles von der Regierung zu verlangen, sondern sich mehr auf seine
eigene selbstständige Thätigkeit verlassen. Es wurde am Ende der Beschluß
gefaßt, durch die Deputirten schleunigst in allen Städten Comité's zur
Unterstützung zu bilden und durch Plakate die Mitbürger zu Beiträgen
aufzufordern und eine Petition an die Nationalversammlung zu erlassen.
Fast hätte ich noch einen wichtigen Beschluß vergessen. Er lautet dahin: Die
Deputirten sollen sich eine möglichst genaue Einsicht in die Administration
verschaffen, um bei Reorganisation der Behörden die Absetzung mißliebiger
und reaktionärer Beamten und die
[0253]
Ersetzung derselben durch
volksthümliche Männer bewerkstelligen zu können. Damit wurde der Kongreß um
10 Uhr geschlossen.
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@facs | 0253 |
Königsberg, 13. Juli.
Es sind hier in der letztern Zeit einige Fälle von Erkrankungen an der
Brechruhr vorgekommen, ja ein Paar Personen, bei welchen diese Krankheit
einen sehr bösartigen Charakter annahm, der von der eigentlichen Cholera
nicht viel zu unterscheiden war, sind an derselben sogar gestorben.
Nachrichten aus Memel zufolge, bestätigt es sich, daß die Cholera bereits in
Riga ausgebrochen, und herrscht dieselbe auch schon an einigen Orten auf 30
bis 40 Meilen diesseits Petersburg; überall soll sie sich sehr bösartig
zeigen.
[(V. Z.)]
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@facs | 0253 |
Frankfurt, 18. Juli.
41.
Sitzung der National-Versammlung. Schader beantragt,
dem Verfassungsausschuß die Beschleunigung des Berichtes über seinen Antrag
auf Verminderung der Civillisten zu empfehlen. Die Versammlung tritt dem
Antrage bei. Ruge verlangt die Dringlichkeit eines
Antrags zu begründen, wonach die hannoversche Regierung veranlaßt werden
soll, dem Kanton Zürich wegen Ausweisung eines Kantonbürgers Genugthuung zu
geben. Die Dringlichkeit wird nicht erkannt, ebenso wenig die eines Antrags
mehrer Abgeordneter, daß diejenigen Bestimmungen der Grundrechte, welche
sich auf persönliche Sicherheit, Vereinsrecht, Unverletzlichkeit des
Briefgeheimnisses, Unabhängigkeit der Justiz u. s. w. beziehen, vor allen
andern berathen und als provisorisches Gesetz verkündigt werden. Hierauf
bringt Schmitt eine in seiner Wohnung zu
Kaiserslautern vorgenommene Haussuchung zur Sprache; er erzählt, wie die
pfälzische Staatsbehörde wegen eines Aufrufs zur Bildung eines
demokratischen Vereins sofort eine Untersuchung angestellt und bei ihm eine
Haussuchung gehalten, weil einer seiner Schreiber bei der Sache betheiligt
gewesen. Er beklagt den blinden Amtseifer Prokuratur und beantragt, daß die
Versammlung ihre Mißbillung über den Vorfall ausspreche und den
Prioritätsausschuß anweise, unverzüglich Bericht zu erstatten über die
Anträge wegen der Sicherheit der Reichstagsmitglieder. Tagesordnung.
Vogt kündet Interpellationen an den Minister des
Innern und Aeußern an wegen einer Reihe reaktionärer Thatsachen, Verhaftung
eines Zeitungs-Redakteurs in Schwabach (Baiern), Verbot für die baierischen
Offiziere, an politischen Vereinen sich zu betheiligen, Unterdrückung der
demokratischen Vereine in Stuttgart und Heidelberg, Gewaltthätigkeiten
baierischer Soldaten in Mannheim, militärische Maßregeln in Hessen,
Arrestationen in Michelstadt und Oberingelheim, ferner eine Interpellation
wegen Anerkennung der französischen Republik; Nauwerk will eine Anfrage stellen über die deutschen Bundestruppen
in Oberitalien. Die Dringlichkeit eines Antrags, daß der Reichsverweser in
einer Bekanntmachung des Volks zur Bezahlung der Abgaben und zum Gehorsam
ermahne, (!) wird nicht erkannt; ebenso wenig die eines Antrags, von Schuselka wegen Gleichstellung der Juden mit den
Christen. Sodann werden einige Petitionen durch Tagesordnung beseitigt, u.
die Versammlung schreitet zur Berathung mehrerer Anträge in Betreff der
Geschäftsordnung. Ueber den Antrag Bassermanns und
64 anderer Abgeordneten auf Beschränkung der namentlichen Abstimmung wird
nach längerer Debatte die Tagesordnung beschlossen. Dann folgen wieder
Berichte über eine Reihe Petitionen. Eine Eingabe der Bürger von Oggersheim
wegen Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit wird an den
Gesetzgebungsausschuß, ein Antrag von Wagern und Möhring wegen Bildung des
Bundesgeneralstabs an die Centralgewalt verwiesen.
[(Fr. Bl.)]
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@type | jArticle |
@facs | 0253 |
Frankfurt, 20. Juli.
Durch Befehl vom 16. d. M. hat das Reichs-Kriegsministerium den
Landes-Kriegsministerien eröffnet, daß der Erzherzog-Reichsverweser die
Oberleitung der gesammten deutschen bewaffneten Macht übernommen habe. Es
hätten die Kriegsministerien am Sonntag den 6. August 1848 alle deutschen
Bundestruppen in ihren Garnisonen in Parade ausrücken, ihnen die Uebernahme
der Oberleitung, unter Vorlesung des Aufrufs: „An das deutsche Volk“, zur
Kunde bringen, zum Ausdrucke der Huldigung ein dreimaliges Hoch dem
Reichsverweser ausbringen und dies, wo es die Umstände erlauben, durch
dreimalige Geschützsalven begleiten zu lassen. Von diesem Tage an seien dann
da, wo es bisher noch nicht geschehen, die deutschen Farben anzulegen, und
zwar in Kokarden an den Kopfbedeckungen und in Bändern an den Fahnen.
[(F.-O.-P.-Z.)]
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@facs | 0253 |
Frankfurt, 19. Juli.
Die Nationalversammlung hat soeben nach kurzer Diskussion in Betreff der
Limburger Frage den Beschluß gefaßt:
„1) daß die bisherige Vereinigung des zum deutschen Bunde gehörigen
Herzogthums Limburg mit dem Königreich der Niederlande unter einer
Verfassung und Verwaltung als unvereinbar mit der deutschen
Bundes-Verfassung zu betrachten; 2) daß es sich von selbst verstehe, daß der
in der 8. Sitzung vom 27. Mai d. J. gefaßte Beschluß der
Nationalversammlung, wonach alle Bestimmungen einzelner deutscher
Verfassungen, welche mit dem von ihr zu gründenden allgemeinen
Verfassungswerke nicht übereinstimmen, nur nach Maßgabe der Letztern (ihrer
bis dahin bestandenen Wirksamkeit unbeschadet) als gültig zu betrachten sind
‒auch für das Herzogthum Limburg verpflichtend sey; 3) daß die Frage über
die Verpflichtung des Herzogthums Limburg zur Theilnahme an der
holländischen Staatsschuld der provisorischen Centralgewalt zur Vermittlung
und einer die Rechte Limburgs wahrenden definitiven Regulirung, deren
Ratification der Nationalversammlung vorbehalten wird, überwiesen werde. ‒
Zugleich fordert die Nationalversammlung die Centralgewalt auf, diesen
Beschlüssen eine, der Dringlichkeit der Umstände entsprechende, möglichst
schleunige und wirksame Folge zu geben.“ ‒ Hierauf Berathung über §. 4 der
Grundrechte.
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@facs | 0253 |
[*] Wiesbaden, 18. Juli.
Ueber die hiesigen Vorfälle erfahren wir Folgendes:
In Folge einer Deputation, die vom „Arbeiterverein“ an den Artillerieoberst
von Hadeln geschickt war, um bei diesem die Befreiung von 26 verhafteten
Artilleristen zu verlangen, wurde am Sonntag Abend um 9 Uhr Generalmarsch
geschlagen, in Folge dessen alsbald die ganze Bürgerwehr unter Waffen stand.
Der Bürgerobrist Gödecke hatte den Befehl, die Deputation unter welcher
namentlich der Hauptmann Dietz von der ersten Kompagnie, zu verhaften. Als
er nun seinem Befehl auf dem Friedrichsplatze nachkommen wollte, wo die 1.,
2. und 3. Kompagnie aufgestellt waren, widersetzen sich diese mit Gewalt
dieser Verhaftung. Der Obrist ging, kam aber gleich darauf mit der 6., 7.
Und 8. Kompagnie wieder, um die sich widersetzenden Kompagnien zu
entwaffnen. Jetzt entstand ein furchtbarer Lärm. Die Leute wollten sich
nicht entwaffnen lassen, die Hülfsmannschaft sollte angreifen, that es auch
theilweise, worauf die angegriffenen Kompagnien sich zur Wehr setzten,
theils auch nach allen Seiten hin fortliefen. Die Meisten luden ihre Gewehre
und man wußte nicht, was es daraus noch werden sollte. Der Obrist gab nach,
Dietz wurde nicht verhaftet und man rückte wieder ein. Gestern Morgen nun
erschien eine Verfügung, daß in Folge der Widersetzlichkeit die 1., 2. und
3. Kompagnie sofort ihre Waffen auf dem Stadthause abzuliefern hätten. Es
war eine Frist bis 9 Uhr Morgens festgesetzt, die später auf dringendes
Bitten mehrerer Deputationen auf 3 Uhr Nachmittags verlängert wurde. Die
Sache sollte untersucht und dann die Kompagnie reorganisirt werden. Nur
Wenige leisteten dieser Aufforderung Genüge und diese Wenigen wurden vom
Volke ausgelacht und ausgepfiffen. Die Meisten erklärten sich fest
entschlossen, keine Waffen abzugeben, sondern sich mit Gewalt dieser
Verfügung zu widersetzen, dagegen aber sich der Untersuchung ruhig zu
unterwerfen. Das Volk aber sprengte die Thore des Kriminalgerichts, um die
inzwischen verhafteten Führer Dietz und Gräfe, die sich schon so sehr kompromotirt haben, zu
befreien, und trug dieselben auf den Schultern im Triumph von dannen.
Gestern Abend war Alles ruhig. Das Militär stand gestern den ganzen Tag
unter den Waffen, und dieses sowohl als die Bürger patrouillirten bis zum
heutigen Morgen, wo plötzlich durch Verfügung des Kriegsministers zu
Frankfurt 2000 Preußen und Oestreicher von Mainz (Infanterie, Artillerie und
Kavallerie) hier einrückten. Die Bürgerwehr mußte ihre Waffen abliefern, bis
sie neu organisirt sein würde und ihre Führer wurden und werden gegenwärtig
noch aufgesucht und verhaftet. Viele, namentlich Dietz, Gräfe, Werren und
Böhning haben sich geflüchtet, viele Andere füllen bereits die
Gefängnisse.
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@facs | 0253 |
Hannover, 17. Juli.
Folgende Nachricht findet sich in der neusten Depesche des General Halkett.
Höckerup, vom 15. Juli. Im Verfolg der vorläufigen
Waffenstillstands-Unterhandlungen ist zwischen dem Oberbefehlshaber der
Armee, General Wrangel, und dem dänischen kommandirenden General Hedemann
eine dreitägige Waffenruhe, welche am 15. Juli Abends 10 Uhr anfangen soll,
abgeschlossen worden.
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@facs | 0253 |
Hamburg, 16. Juli.
Aus Rendsburg langt hier die Nachricht an, daß die Friedensbedingungen in
Kopenhagen zurückgewiesen sind und der Krieg mit Dänemark fortgeführt werden
wird.
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@facs | 0253 |
Rendsburg, 15. Juli.
In Folge der gestern Abend auf dem hiesigen Paradeplatz stattgefundenen
Reibungen zwischen dem preußischen und hannoverschen Militär, wobei es so
arg soll hergegangen sein, daß der hannoversche Major Wilk, welcher
herbeigeeilt war, um seine Soldaten zu besänftigen, von den Letztern dafür
mit Steinwürfen begrüßt wurde, ist heute der Befehl ergangen, daß sämmtliche
hier in Garnison liegende Soldaten bei schärfster Strafe nach 9 Uhr ihr
Quartier nicht verlassen dürfen.
[(H. C.)]
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@facs | 0253 |
[*] Ratzeburg, 14. Juli.
Das Herzogthum Lauenburg ist nun interimistisch einer im Namen des deutschen
Bundes vom Dr. Welcker eingesetzten Landes-Administration übergeben, jede
Verbindung mit Dänemark vorläufig aufgehoben und die Bewohner des
Herzogthums sind ihres Eides gegen den König-Herzog entbunden worden.
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@type | jArticle |
@facs | 0253 |
Prag, 16. Juli.
Das hiesige Stadtverordneten-Collegium hat am 11. d. dem Fürsten
Windischgrätz eine Adresse überreicht, womit es mit Hinweisung auf die
Erfüllung der an die Stadt Prag gestellten Forderungen auf die völlige
Herstellung der öffentlichen Ruhe u. s. w. angelegentlichst um gänzliche
Aufhebung des Belagerungszustandes bittet.
[(C. B. a. B.)]
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@facs | 0253 |
[*] Wien, 15. Juli.
Die hier anwesenden istrianischen Deputirten veröffentlichen einen Protest
gegen die Aufnahme des ex-venetianischen Istrien in den deutschen Bund. Sie
sagen am Schluß ihres Protestes:
„Istrien wünscht vor Allem, daß man wisse, daß es, lieber als seine
italienische Nationalität gefährden zu lassen, auf jeden versprochenen und
factischen, materiellen Vortheil verzichtet, der ihm von Deutschland kommen
sollte; ‒ es wünscht, daß Deutschland von den Istrianernn nicht das
verlange, wessen es selbst sich gewiß nicht, selbst nicht um ein Haar breit,
zu Gunsten der Istrianer entäußern würde; ‒ es wünscht, daß man wisse, daß
es überzeugt ist, daß, so wie es leicht ist, die Aufrechthaltung der Sprache
und Nationalität zu versprechen, es nicht minder leicht ist, sowohl die
eine, als die andere in Frage zu stellen und zu verletzten, wenn es sich um
eine kleine, und daher der größeren Macht untergeordnete Provinz
handelt.“
Wien, am 12. Juli 1848.
[Fachinetti. Madoniza. Defranceschi. Istrianer Deputirte.]
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@facs | 0253 |
Wien, 18. Juli.
In der heutigen vierten vorbereitenden Sitzung der konstituirenden
Reichsversammlung statteten die neun Abtheilungen zur Prüfung der Wahlakten
ihre Berichte ab, es ergab sich, daß sich bis jetzt 130 Abgeordnete mit
gültig befundener Wahl in der Kammer befinden. Hierauf beschloß die
Versammlung auf den Antrag des galizischen Abgeordneten Michalski, welcher
die Eigenmächtigkeit der Regierungsbehörde rügte, das Ministerium anzugehen,
daß es die Landesbehörden beauftrage, alle Wahlakten
einzusenden, auch diejenigen, deren Resultat für ungültig erklärt worden.
Ueber einen Antrag Straßers aus Tyrol, der auf schleunige Berathung eines
neuen Rekrutirungsgesetzes lautet, wird zur Tagesordnung übergegangen.
Französische Republik.
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@facs | 0253 |
Paris, 18. Juli.
Der Moniteur enthält folgende ministerielle Modifikation:
1) Marie, bisheriger Präsident der Nationalversammlung, ist zum
Justizminister an Bethmont's Stelle ernannt.
2) Bastide, seit den Junitagen Marineminister, aber das Portefeuille des
Auswärtigen interimistisch verwaltend, tritt wieder als definitiver Minister
des Auswärtigen an die Stelle des Generals Bedeau, den seine Wunden noch vom
Staatsdienste zurückhalten.
3) Verninac, Schiffskapitain, ist zum Marineminister ernannt. Das
Cavaignac'sche Dekret ist von Goudchaux, Finanzminister,
gegengezeichnet.
Hr. Garnier Pagès soll Präsident der National-Versammlung werden. Er hat
sich, wie man hört, in die Arme der Thierspartei in der Rue Poitiers
geworfen.
‒ Die Veröffentlichung der Lamartineschen Rede über die auswärtige Politik
Frankreichs im Ausschusse der Nationalversammlung ruft eine wahre Fluth von
Protestationen hervor. Drouyn de Lhuys, Präsident jenes Ausschusses, richtet
heute ein
[0254]
[Spaltenumbruch] Schreiben an alle Blätter, worin er ihnen erklärt, daß jener
Ausschuß ein geheimer sei, und daß kein Glied das Recht habe, seine Vorträge
zu veröffentlichen. Dieß sei zwischen ihnen von vornherein ausgemacht
worden. Lamartine wohne indeß erst seit Kurzem den Verhandlungen bei, und
habe wahrscheinlich von diesem Gebrauch keine Kenntniß gehabt. Der edle
Mauguin erklärt ebenfalls in mehreren Blättern, daß ihm leider jenes
freiwillige Gesetz den Mund schließe, sonst würde er die Lamartinesche
öffentlich in denjenigen Punkten widerlegen, welche Meinungen aussprächen,
die er nicht theile. Das diplomatische Korps ist in großer Verwunderung über
einzelne Stellen in der Lamartineschen Rede.
‒ La Presse und die übrige Schaar der durch Cavaignac unterdrückten Blätter
sollen morgen wieder erscheinen. Wir sind neugierig zu sehen, wie ihnen die
Kerkerluft bekommen haben wird. Wie wird die Assemblée Nationale Gift
speien! Der Belagerungsstand soll übermorgen aufhören.
‒ Dornés, der verwundete Redakteur des National und Glied der
Nationalversammlung, ist gestern Nachmittags gestorben.
‒ In Orleans befinden sich 21 Polen, die letzten Trümmer der
Mieroslawski'schen Legion in so fürchterlichem Elende, daß das Journal du
Loiret einen öffentlichen Aufruf zur Wohlthätigkeit in seiner neuesten
Nummer ergehen läßt.
‒ Börse vom 18. Juli. Die Furcht vor einer förmlichen
Ueberschwemmung von Titeln stockt unsere Preise und drückt sie herunter.
3proz. 46 1/2, 4proz 58 1/2, 4 1/2 67. 5proz. 75 1/4. Tresorbons 17 pCt.
Verlust. Bank 1640
Orleans 675. Rouen 475. Basel 98 3/4. Nord 363 3/4 baar und Zeit. Lyon 325
baar 327 1/2 pro ultimo. Straßburg 357 1/2.
‒ National-Versammlung. Sitzung vom 18. Juli. Anfang
2 1/2 Uhr. Vicepräsident Portalis führt den Vorsitz, da Marie zum
Justizminister ernannt worden.
Deludre überreicht der Versammlung den Bericht über
den Gesetzentwurf, welcher die Mobilisirung von 300 Bataillonen Bürgerwehr
durch ganz Frankreich vorschreibt.
De Tredern erhält dann das Wort über den an der
Tagesordnung befindlichen Vorschlag; der Unterricht in der Ecole
Polytechnique u. Ecole militaire, sowohl in Paris als in den Departements
gratis zu gestatten. Zweck der Regierung ist,
die Erziehung so leicht als möglich zu machen, während bisher der Besuch
dieser beiden Institute nur den reichen Familien ausführbar war. Dieser Plan
datirt noch von der vorigen Regierung. Der Ausschuß schien demselben eben
nicht günstig zu sein. Mit großer Bedenklichkeit zählte Tredern die
Geldposten her, welche dem Staate der durchaus freie Besuch jener Institute
kosten würde. Man müsse nämlich bedenken, daß Wohnung, Nahrung und Kleidung
mitbegriffen sind im Plane der Regierung.
De Kerdrel trägt auf Vertagung an. Ihm zufolge sei
der Zeitpunkt, Jedermann auf Staatskosten zu erziehen, noch nicht gekommen.
Man möge erst die Verfassungsdiskussion abwarten, die allein über die
Unterrichtsfrage zu entscheidenhabe; er dringe also auf Vertagung bis nach
Verfassungsannahme.
Charras, dessen Verhaftung man jüngst irrthümlich
angezeigt hatte, suchte die Bedenklichkeiten des Vorredners zu
beschwichtigen.
Delongraise theilt dieselben ökonomischen
Bedenklichkeiten und meint: die Gratiszulassung solle laut des Entwurfs erst
am 1. Oktober beginnen, bis dahin sei die Verfassungsfrage jedenfalls
erledigt, darum unterstützt er den Antrag auf Vertagung.
Lamoricière bekämpft die Vertagung. Er beweist der
Versammlung, daß viele Zöglinge der niedern Schulen, deren Talente zu den
größten Hoffnungen berechtigten, aus Mangel an Geldmitteln ihre Laufbahn oft
aufgeben müßten; es sei daher Pflicht des Staates, den Genuß des
Spezialunterrichts kostenfrei zu gewähren. Daß sich der Staat vielleicht in
der Unmöglichkeit befinde, die Kostenfreiheit sofort zu gewähren, sei nur
augenblicklich, hoffentlich bald vorübergehend. Die Regierung habe die
Berathung des Gesetzentwurfs deshalb aber jetzt schon hervorgerufen, damit
sie ihre Maßregeln für die Zukunft treffe.
Baraguay d'Hilliers, unterstützte die Vertagung.
Jedenfalls sollten aber im Falle sofortiger Annahme des Gesetzes nur die
anerkannt Armen gratis aufgenommen werden.
Richard erhob sich gegen jede Verzögerung. Die
Republik könne nicht Eile genug in Erweiterung ihrer demokratischen
Einrichtung zeigen.
Cavaignac unterbrach hier die Berathung, indem er auf
die Bühne stieg und der Versammlung die diesen Morgen durch den Moniteur
bereits veröffentlichte Modifikation des Ministeriums anzeigt. „Aus Deferenz
für die Versammlung, sagte er, habe er geglaubt, ihren Präsidenten Marie zum
Justizminister ernennen zu müssen.“ Seine Rede war sonst eine wörtliche
Wiederholung des Dekrets im Moniteur. Schließlich ersuchte er die
Versammlung, zur Wahl eines neuen Präsidenten zu schreiten.
Diese Wahl wird auf morgen festgesetzt. Dann kehrt die Versammlung zur
unterbrochenen Berathung des Militärschulbesuchs zurück.
Brunet bekämpft den Antrag als revolutionär und
tödtlich für die Staatskasse.
Charras widerlegte ihn. Der Präsident schritt zur
Abstimmung. Zwei Proben waren zweifelhaft. Man verlangt das Skrutin per
Division. Dasselbe wird über den Antrag auf Vertagung eröffnet und fällt zu
Gunsten des Ministeriums aus. Der Paragraph wird angenommen. Der
unentgeldliche Schulbesuch ist gerettet.
(Postschluß.)
‒ Das Präfekt der Rhône hat folgende Proklamation ergehen lassen.
Bürger!
Um die an mich ergangenen Befehle zu vollstrecken, habe ich die Auflösung und
Entwaffnung der Lyoner Nationalgarde aussprechen müssen.
Diese Maßregel, die Alle ohne Unterschied trifft, kann den Einzelnen in
keiner Art verletzen. Es ist dies eine Rückkehr zum Gesetze nach den Tagen
des Sturmes, wo es vielleicht nicht gestattet war, das Gesetz so zu
vollstrecken, wie es hätte geschehen müssen. Es ist dies für die Zukunft
eine Bürgschaft der Ordnung und der Sicherheit; denn vor allem thut es Noth,
daß die Stadt Vertrauen haben kann zu denjenigen, die sie zu vertheidigen
berufen sind.
Nur so können die Quellen des Kredits von Neuem sich eröffnen, und die
Produktion fördern. Nur so können die Arbeiter eine nützliche, ihrer würdige
Beschäftigung erhalten.
„Ja, die Ordnung heute, daß ist die Arbeit, das ist der Friede der Familien.
Die Ordnung wird bald der Reichthum sein, und nicht das Elend, sie ist die
Freiheit, sie ist die Republick.
„Republikaner, seid die Freunde der Ordnung, und das Vaterland wird Euch
dankbar sein.“
Der Text des Dekrets lautet folgender Maaßen:
In Erwägung, daß nach der Revolution vom 24. Februar, und den darauf
folgenden Agitationen die Bewaffnung und Organisirung der National-Garde
Lyons und der benachbarten Gemeinden ohne Ordnung und Regelmäßigkeit Statt
gefunden hat, und es Noth thut, daß die bewaffnete Macht, die zur
Beschützung des Gesetzes berufen, auf eine den Bestimmungen des Gesetzes
selbst angemessene Weise organisirt werde,
beschließt der Präfekt der Rhône, gemäß den Instruktionen des Ministers des
Innern, folgendes:
1) Die National-Garde von Lyon und die der Gemeinden Vaise, Croir-Rousse und
Guillotiere sind aufgelößt, um unmittelbar wieder organisirt zu werden.
2) Die Auslieferung der Waffen soll Freitag morgen um 6 Uhr anfangen, und
Samstag um 6 Uhr Abends müssen alle Waffen ausgeliefert sein.
3) Derjenige, bei welchem nach Verlauf dieser Zeit Waffen oder Munitionen
gefunden werden, wird verfolgt und nach den Bestimmungen des Gesetzes
bestraft werden.(Ein Monat bis zwei Jahre Gefängnißstrafe, und 300 bis 1000
fr. Geldbuße.)
‒ Man liest in Girardin's „Journal eines Journalisten
au Secret“: Erst Montag den 26. erfuhr ich, daß ich mich au Secret befinde.
Von diesem Augenblick an zweifelte ich nicht mehr über den Ort, von wo der
Schlag ausgegangen war. Er war ausgegangen von einer Butike. Es war der National, der die erste günstige Gelegenheit benutzt
hatte, um 12 Jahren des Hasses, der Verläumdungen, der Verfolgungen die
Krone aufzusetzen. Die Ohnmacht ist unerbittlich. Mein Zweifel verschwand
vollends, als gegen 5 Uhr desselben Tags mein Wächter mir ankünden kam, daß
ich mein Gefängniß wechseln müsse, und man führte mich in der That in einen
der unterirdischen feuchten Gefängnißkeller, die den schwärzesten
Verbrechern oder den unzähmbarsten Gefangenen vorbehalten sind.“
‒[*] Nach der bisherigen Gesetzgebung hatten bei
Schuldforderungen wegen geleisteter Dienste nur die Dienstboten das
allgemeine Vorzugsrecht. Der Art. 2101 des bürgerlichen Gesetzbuches giebt
ihnen dieses Recht, für den Lohn des verflossenen Jahres und für das, was
sie im laufenden verdient haben, allen andern selbst Hypothekar-Gläubigern
voranzugehen und zwar in allgemeiner Ausdehnung auf Mobilien wie Immobilien.
Alle andere Arbeiter hatten ein solches Vorzugsrecht entweder gar nicht oder
nur in beschränktem Maße. So die Feldarbeiter auf die Erndten, die sie
gemacht und die Ackergeräthschaften, die sie verfertigt hatten. Die
Tagelöhner, die auf Stück oder monatweise beschäftigten Arbeiter waren bei
jedem Falliment, bei jedem bedeutenden Verluste ihrer Arbeitgeber in Gefahr,
das Wenige zu verlieren, was sie sich erspart hatten was sie in Zeiten der
Arbeitslosigkeit und Krankheit vor Elend bewahren soll. Diesem Unrecht
suchte das Gesetz über die Fallimente vom Jahr 1838 zu begegnen. Der Artikel
549 des Handelsgesetzbuches ertheilt das allgemeine Vorzugsrecht zu Gunsten
des Lohnes, den die vom Falliten direkt beschäftigten Arbeiter während des
Monats vor dem Ausbruch des Falliments verdient haben. Die Mangelhaftigkeit
dieser ganzen Gesetzgebung hat nun den Hr. Astouin veranlaßt, der
National-Versammlung neue Vorschläge in dieser Beziehung zu machen. Das
Comité für die Arbeiter hat hierauf folgendes Dekret entworfen und der
National-Versammlung zur Annahme vorgelegt:
Art. 1. Das Vorzugsrecht auf Mobilien und Immobilien erstreckt sich auf alle
Forderungen von Arbeitern, die bei einem Kaufmanne oder Nichtkaufmanne
tageweise, monatweise oder auf Stück direkt beschäftigt waren und zwar für
den Betrag des Lohnes, den sie in den letzten drei Monaten verdient haben.
Dieses Privilegium ist demjenigen gleichgestellt, welches durch Art. 2101,
§. 4. des bürgerl. G. B. festgestellt ist. Es ist ebenso der Förmlichkeit
der Inscription überhoben.
Art. 2. Die Bezahlung dieser Forderungen kann verfügt werden durch eine
Dringlichkeits-Ordonnanz von den befugten Gerichtspersonen oder im Falle
eines Falliments von dem Richterkommissar, selbst bevor die zur Verifikation
der Schulden oder zu einer provisorischen Regulirung erforderlichen
Formalitäten erfüllt sind. Diese Ordonanzen werden auf eine einfache Requete
erlassen ohne daß es nöthig wäre die interessirten Parteien zuzuziehen. ‒
Die provisorische Vollstreckbarkeit kann mit oder ohne Kaution ausgesprochen
werden.
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@facs | 0254 |
[17] Paris, 18. Juli.
Der Commerce erklärt: „Der Socialismus hat in dem gottlosen Brudermorden der
Junitage sein Waterloo
[Spaltenumbruch]
terloo gefunden; wir sind froh, ihm dies Todesattest ausstellen zu können;
die Bartholomäusnacht, die Septembrisaden, sie waren nicht von so glänzendem
Erfolge gekrönt. Die tugendhafte, honette Bevölkerung des Landes hat diesmal
der ruchlosen Hydra die Köpfe zerschmettert, wie Herkules, der auf die
Wunden der Schlange Feuerbrände drückte. Wir können Triumphe feiern, wie
noch nie eine Civilisation Europas“ u. s. w. Der „Avenir“ ruft: „Wir trauen
unserm Ohr nicht, einzelne Narren oder an Herzenserweichung kränkelnde
Personen verlangen Amnestie für die reißenden Bestien des Juni! Ist das
Ironie? oder steckt etwas Besondres dahinter? wenn man die, welche Amnestie
proponiren, als verdächtig ansähe, sie könnten sich
im Grunde nicht beklagen“ u. s. w. Der Herr Abbé Genoude druckt in der
„Gazette de France“, „die wahre Republik verträgt
sich gut mit dem wahren Königthum. Je mehr die
Nation sich civilisirt, desto mehr begreift sie das Gehorchen inmitten
voller Freiheit und die Brüderlichkeit inmitten der Regel des Gesetzes und
der Erblichkeit; selbst Napoleon, selbst die Cäsaren des heidnischen Rom
nannten sich die Kaiser der Republik. Auch der
treffliche Chateaubriand prophezeite dies. Ja, unser Land ist auserkoren von
Gott, eine Republik mit einem erblichen Throne zu werden, eine
republikanische Monarchie mit allgemeinem Stimmrecht unter dem Segensscepter
der Bourbons“ u. s. w. „Was uns so heftig verketzerte Bourgeois am meisten
kränkt, krächzt das „Siécle“, ist das Mißtrauen, welches man teuflisch in
das reine Gemüth des Ouvrier's und Manufakturarbeiters eingeimpft hat. Er
betrachtet die geldhabende Klasse als eine ihm feindliche; eine Ansicht, die
ganz gegen die Moral Jesu stößt und gegen das Motto der Republikaner. Ah, wie schmerzlich ist
es, von seinen Mitmenschen verkannt zu sein! Aber das sind die Folgen von
den Schriften der Herren Proudhon, Lerour u. s. w.“Der „Conciliateur“ dringt
auf Beschleunigung des Prozesses, Annahme des Konstitutionsplans mit Einer
Kammer, und möglichst baldige Neuwahlen, „um die verschimmelten und fauligen
Stoffe durch lebensgesunde zu ersetzen.“
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@type | jArticle |
@facs | 0254 |
Paris, 18. Juli.
Wir geben hier den Gesetzentwurf über die Gerichtsverfassung, welchen die
durch die provisorische Regierung am 2. März niedergesetzte Kommission dem
Justizminister überreicht hat. In der Kommission waren Martin (von
Straßburg) Vorsitzender, Cormenin, Isambert, Rath am Kassationshof, Jules
Favre, Advokat, Nachet, erster Generaladvokat am Kassationshof, Portalie,
Ex-Generalprokurator, Landrin, Ex-Prokurator der Republik, Baroche,
Batonnier des Barreau, Lionville, Rath des Barreau, Faustin Helie, Direktor
im Justizministerium, Valette, Professor an der Rechtsschule, Peauger,
Requetenmeister, Sekretär.
Der Entwurf selbst unterdrückt zehn Appellhöfe, von Agne, Amiens, Bastia,
Caen, Colmar Grenoble, Limoges, Metz, Montpellier und Orleans und kreirt
einen neuen zu Straßburg. Statt der Bezeichnung „Hof“ substituirt er den
Titel „Tribunal.“
Ueber den Inhalt werden wir später in einem besondern Artikel eingehen.
Titel 1.
Institution der Tribunale.
Art. 1. In jedem Kanton ist ein Friedensgericht.
Art. 2. Jedes Departement hat ein Tribunal erster Instanz, unbeschadet der
Fälle, wo sich die Einsetzung mehrerer als nothwendig erweist.
Art. 3. Die Arrondissements-Tribunale sind unterdrückt.
Art. 4. In jedem Arrondissement ist ein von dem Departements-Tribunal
delegirter Richter, ein Staatsprokurator der Republik und ein
Ergänzungsrichter.
Art. 5. Frankreich mit Einschluß Algeriens hat 19 Appellations-Tribunale:
Air, Angers, Besancon, Bordeaux, Bourges, Dijon, Douai, Lyon, Nancy, Nimes,
Paris, Pau, Poitiers, Rennes, Riom, Rouen, Straßburg, Toulouse, Algier.
Art. 6. Für die ganze Republik besteht ein Kassations-Tribunal.
Titel II.
Zusammensetzung der Tribunale.
Kap. 1. Friedensgerichte.
Art. 7, Jedes Friedensgericht hat einen Friedensrichter und zwei
Ergänzungsrichter.
Kap. 2. Tribunale erster Instanz.
Art. 8. Jedes Departements-Tribunal besteht aus einem Präsidenten, einem
Vicepräsidenten, wenigstens acht Richtern, abgerechnet die delegirten
Richter, und vier Ergänzungsrichtern.
Art. 9. Jedes Departements-Tribunal ist in zwei Kammern getheilt, welche in
der bestimmten Zahl von drei Richtern erkennen.
Art. 10. In den Departements, wo die Zahl der Gegenstände mehr als zwei
Kammern erfordert, wird das Tribunal um einen Vicepräsidenten, drei Richter
und zwei Ergänzungsrichter für jede neue Kammer vermehrt.
Art. 11. Bei jedem Departements-Tribunal befindet sich ein Prokurator der
Republik und eben so viele Staatsprokuratoren, als Kammern des Tribunals und
Arrondissements des Departements sind.
Art. 12. Die Delegation der Arrodissements-Richter geschieht in
Plenarversammlungen nach Mehrheit der Stimmen.
Art. 13. Die Delegation geschieht auf 3 Jahre, nach deren Ablauf die
delegirten Richter durch andere ersetzt werden, und ihr Amt bei dem
Deparments-Tribunal wieder antreten.
Sie können ohne ihre Einwilligung nicht von neuem delegirt werden, so lange
nicht die übrigen Mitglieder des Tribunals das Amt ebenfalls schon verwaltet
haben, es sei denn im Fall einer Verhinderung, deren Prüfung dem Kollegium
zusteht.
Art. 14. Die delegirten Richter haben ein Recht auf die Gehalterhöhung,
welche das Gesetz den Instruktionsrichtern zugesteht.
Art. 15. Der Prokurator der Republik bezeichnet die Staatsprokuratoren,
welche den Arondissements-Richtern beigegeben werden.
Kap. 3. Appellations-Tribunale.
Art. 16. Jedes Appel-Tribunal besteht aus einem Präsidenten, zwei
Kammerpräsidenten und 12 Richtern.
Art. 17. Jedes Appel-Tribunal ist in zwei Kammern getheilt, die unter der
bestimmten Zahl von 5 Richtern erkennen.
Art. 18. In den Appel-Tribunalen, wo die Errichtung mehrerer Kammern
nothwendig wird, wird die bestimmte Zahl des Amt-Personals nach Art. 15 um
einen Kammerpräsidenten und sechs Richter für jede neue Kammer vermehrt.
Art. 19. Bei jedem Appel-Tribunal befindet sich ein Geralprokurator und eben
so viele Generaladvokaten wie Kammern.
Kap. 4. Kassations-Tribunal.
Art. 20. Das Kassations-Tribunal besteht aus einem ersten Präsidenten, drei
Kammerpräsidenten, 37 Räthen, einem Generalprokurator und sechs
Generaladvokaten.
Art. 21. Das Kassations-Tribunal ist in drei Kammern getheilt, zwei Civil-
und eine Kriminal-Kammer.
Jede derselben besteht aus einem Präsidenten und 12 Richtern, ausgenommen
diejenige, welcher der doyen zugeordnet ist, und die aus 13 Richtern
besteht.
Die Urtheile werden durch wenigstens 9 Richter erlassen.
Art. 22. Jede der Civilkammern erkennt über die Gegenstände, die ihr nach
einem besondern Reglement des Kassations-Tribunals, welches von der
Regierung genehmigt wird, zufallen.
Art. 23. Die Rekurs-Formen und die Art des Verfahrens vor dem
Kassations-Tribunal werden durch ein besonderes Gesetz bestimmt.
Titel III.
Civil-Justiz.
Art. 24. Die Friedensgerichte erkennen immer in den Civilstreitsachen, welche
ihnen durch die gegenwärtig in Kraft stehende Gesetzgebung zufallen.
Sie erkennen in letzter Instanz in rein persönlichen und sächlichen Fragen
bis zum Werth von 150 Fr. und unter Berufung bis zum Werth von 1500 Fr.
Art. 25. Die Berufung gegen ihre Urtheile gehören vor das
Departements-Tribunal.
Art. 26. Die Departement-Tribunale erkennen in erster Instanz über alle
Civilsachen, die nicht zur Kompetenz der Friedensgerichte gehören.
Art. 27. Die Berufung gegen die von ihnen erlassenen Urtheile gehört vor das
Appel-Tribunal ihres Bezirks.
Art. 28. Jeder Prozeß mit seinen Instanzen soll stets einem Vergleichsversuch
unterworfen werden, dessen Regeln durch die Civilprozeßordnung
vorgeschrieben sind.
Art. 29. In jeder Sache sind die Friedensrichter, die Departement-Tribunale
und die Appel-Tribunale gehalten, die thatsächlichen und rechtlichen Fragen
zu trennen; sie erkennen über die einen und die andern in zwei bestimmten
und getrennten Dispositionen, jedoch in einem und demselben Urtheil.
Art. 30. Die Dispositionen der Prozeßordnung und des Handelsgesetzbuches über
die Schiedsgerichte, und die Gesetze, welche die richterlichen Verhältnisse
der Handelsgerichte, Sachverständigen und Geschworenen bei den im
öffentlichen Interesse verlangten Expropriationen ordnen, bleiben
unverändert.
Titel IV.
Kriminal-Justiz.
Kap. 1. Von der Instruktion.
§ 1. Von der Versetzung in Untersuchungsstand.
Art. 31. Der delegirte Richter jedes Arrondissements versieht die Funktionen
des Instruktionsrichters.
Er ist gehalten, der Rathskammer des Departement-Tribunals durch schriftliche
Berichte von jeder Sache, die er instruirt hat, Rechenschaft zu geben.
Diese Berichte werden mit den Aktenstücken dem Prokurator der Republik
übergeben, der danach seine Anträge macht.
Art. 32. Ueber die Anträge entscheidet die Rathskammer nach Einsicht der
Aktenstücke und des Berichts. Doch kann dieselbe ebensowohl die Fortführung
der Untersuchung verordnen, wie auch den delegirten Richter zur Anhörung
seiner Erklärungen über den Prozeß einberufen.
Art. 33. Wenn die Rathskammer nach dem Bericht des Instruktionsrichters
erkennt, daß sich die Handlung zur Anwendung von Leibes- oder entehrenden
Strafen eigne, und die Untersuchung hinreichend festgestellt sei, erläßt sie
gegen den Angeklagten einen Verhaftsbefehl.
Dieser Befehl wird mit den Aktenstücken dem Prokurator der Republik
mitgetheilt, der die Sache somit in Stand zu setzen hat, daß sie den
nächsten Assisen überwiesen werden kann.
Art. 34. Vierundzwanzig Stunden nach Verkündigung dieses Befehls wird der
Verhaftete, sofern er sich an dem Hauptort befindet, von einem der Richter
der Rathskammer zur Wahl eines Vertheidigers aufgefor-