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Das Dekret lautet, wie folgt:
Art. 1. Der Finanzminister ist bevollmächtigt, eine
Anleihe von 150 Millionen bei der Bank zu machen, unter den Klauseln und
Bedingungen, die in dem angeschlossnen, zwischen dem Finanzminister und dem
Gouverneur eingegangnen Vertrag enthalten sind.
Art. 2. Um die in dem Vertrag verabredeten Garantien
leisten zu können, wird der Finanzminister bevollmächtigt: I) der Bank die
Summe von Renten zu übertragen, die von der Amortissement-Kasse herrührt und
nöthig ist, um unter den durch die Ordonanz vom 15. Mai 1839 bestimmten
Bedingungen einen Vorschuß von 75 Millionen decken zu können II) der Bank
die in der dem Vertrag anliegenden Register bestimmten Staatswaldungen zu
verkaufen, die für die Summe von andern 75 Millionen cedirt sind.
H. Favre schlägt das Amendement vor, die Erlaubniß
zum Verkauf der Wälder bis zum ersten Januar 1850 aufzuschieben. (Mit
starker Majorität verworfen.)
Art. 3. Alle Derogationen, sei es der Statuten der
Bank von Frankreich, sei es der Verfügungen der bestehenden Gesetzgebung,
die sich aus den Klauseln und Bedingungen des erwähnten Ertrags ergeben,
sind bestätigt.
Das ganze Dekret wird adoptirt.
Raynal: Ehe die Nationalversammlung in ihrer
Diskussion fortfährt, wünsche ich, sei es an den Chef der Exekutivgewalt,
sei es an das Ministerium, eine Interpellation zu richten. Es handelt sich
von der Unverletzlichkeit der Mitglieder der Nationalversammlung. (Hört,
hört!) Ein ungeheurer Exceß ist gegen einen Eurer Kollegen begangen worden.
(Allgemeine Spannung.) Diese Nacht um zwei Uhr erschien ein Polizeikommissär
bei mir, um eine Haussuchung anzustellen. Ich stellte ihm meine Eigenschaft
als Volksrepräsentant entgegen. Er zog sich sofort zurück. Um 5 1/2 Uhr
wurde meine Wohnung von neuem überschwemmt durch Wächter von Paris und
Mobilgarden, begleitet von einem Polizeikommissär, der, ohne den Befehl,
dessen Träger er war, mir vorzeigen zu wollen, zu einer Vernehmung überging,
auf die ich mich einzulassen verweigerte. (Murren in einem Theil der
Nationalversammlung, Beistimmung auf der äußersten Linken.) Ich zeigte ihm
meine Medaille vor und fragte ihn von neuem, auf welchen Rechtstitel hin er
sich bei mir einfände. Er antwortete darauf, er hätte nicht gewußt, daß ich
Volksrepräsentant sei, und darin hat er gelogen. Ich verlange Genugthuung.
Bevollmächtigt der Belagerungszustand einen Polizeikommissär das Hausrecht,
und gar das eines Volksrepräsentanten, zu verletzen? In diesem Fall würde
ich mit aller Kraft protestiren und alle in meiner Macht befindlichen Mittel
anwenden, um es zu verhindern. (Auf der Linken: Sehr gut! ‒ Lärm.) Ich stehe
nicht an, es zu sagen, ich würde Gewalt durch Gewalt zurückstoßen. (Murren
auf mehreren Bänken.) An dem Titel, den uns das Volk übertragen hat, der
Souverän, müssen alle Illegalitäten zerschellen, alle die gräulichen
Machtübergriffe.
Falatien: Auch bei mir ist wiederholt und mehrere
Tage nach einander Haussuchung gehalten worden. Bald fand sie Statt durch
Mobil- bald durch Nationalgarden. Man hat mir ein Jagdgewehr, einen Säbel,
und außerdem ein kleines Möbel weggenommen. Ich konnte sie nur zurückhalten
durch Dazwischenkunft eines Bataillonschefs, der mit mir dasselbe Haus
bewohnt.
Senard, Minister des Innern, erklärt, unter vielen
Unterbrechungen der äußersten Linken, jeder müsse sich unter den
gegenwärtigen Umständen beliebigen Unannehmlichkeiten aussetzen, verspricht
übrigens, das Betragen des Polizeikommissärs streng zu untersuchen. Die
gefällige Kammer geht zur Tagesordnung über, nämlich zur Diskussion des
Dekretentwurfs, der einen Kredit von 3 Millionen Francs eröffnet, bestimmt,
als Darlehn vertheilt zu werden unter die freien Associationen, sei es der
Arbeiter unter sich, sei es der Arbeiter und Arbeitgeber.
Charles Dupin: Man müsse diese Darlehn besonders den
leidenden Industriezweigen zu gut kommen lassen, denen, wo die isolirte
individuelle Arbeit keine genügenden Resultate liefere. Namentlich müsse man
sich hüthen, die Koalitionen zu unterstützen. Eine Jury, bestehend aus Herrn
vom Institut, dem Conservatoire, der Gesellschaft zur Ermunterung der
nationalen Industrie, solle alles entscheiden. Zu Artikel 3 schlägt er das
Amendement vor, daß die jährliche Rechnung über die Vertheilung des Kredits
der Nationalversammlung vorgelegt werde mit einem raisonnirenden Bericht des
Comité's über die erlangten Resultate.
Das Dekret wird mit seinem Amendement angenommen.
Der Berichterstatter des 5. Büreaus stattet dann Bericht ab über die
angefochtene Wahl von Quatre Barbes im Departement de Finistère.
Die Zulassung von Quatre Barbes wird mit einer starken Majorität
verworfen.
Auf der Tagesordnung steht endlich die Diskussion eines Gesetzentwurfs, der
eine Million dem Minister des Unterrichts zuweist, zur Vertheilung unter die
Lehrer der Primärschulen, deren Gehalt nach dem Gesetz von 1833 unter 600
Francs steht.
Bonjean heilige Pflicht sei es, die Lehrer nicht
verhungern zu lassen. Vor allem aber komme es an auf die obere Leitung
dieses wichtigsten öffentlichen Dienstes. Ihr habt fast alle die
Instruktionen des Unterrichtsministers (Carnot) gelesen. ‒ Ihr habt sie alle
beurtheilt. Aber, was Ihr vielleicht nicht wißt, man hat im Namen,
vielleicht im Auftrag des Unterrichtsministers so verabscheuungswürdige, so
gefährliche Schriften vertheilt, daß ich, ehe ich die verlangten Fonds
votire, wissen muß, ob der Minister diese Schriften au, torisirt hat. Eine
dieser Schriften ist betitelt: „Republikanisches Handbuch des Menschen und
des Bürgers, veröffentlicht unter den Auspicien des Ministers des
öffentlichen Unterrichts.“ Es verkauft sich bei Pagnerre, verfaßt von
Charles Renouvier. Da findet sich z. B. Kapitel VII über die
Eigenthumsfrage:
„Schüler: Giebt es wenigstens Mittel, die die Reichen
verhindern, müßig zu sein und die Armen von den
Reichen verspeist zu werden? (Exclamationen.)
(Unglaublich! schallt es von mehreren Seiten.) Lehrer: Ja, sie existiren und zwar vortreffliche Mittel. Die
Lenker der Republik werden diese Mittel finden, sobald sie ernsthaft die
Brüderlichkeit verwirklichen wollen. (Bewegung in verschiedenem Sinne.) Es
verhält sich mit dem Eigenthum und der freien Verwendung des Kapitals, wie
mit allen andern Freiheiten, das Gesetz, das sie anerkennt, kann und muß sie
in gewisse Grenzen beschränken. Ohne das Erbrecht abzuschaffen, kann man es
im allgemeinen Interesse begrenzen; ohne den Zins des Kapitals zu
vernichten, kann man Maßregeln ergreifen, um ihn zu vermindern. Dann wird
dem Reichen der Müssiggang erschwert und der Arme findet leicht Mittel, sich
zu bereichern. (Lebhafte Exclamationen. Eine Stimme: Kredit durch Plündern.)
Das Gesetz kann jede Bedingung dem Grundbesitz auferlegen, ihn selbst
expropriiren mit Entschädigung, wenn schlechter Gebrauch davon gemacht wird.
Was die großen Grundeigenthümer betrifft, die ihr mit Recht fürchtet, wißt,
daß wenn sie der Republik eine passende Steuer zahlten und ihren Arbeitern
den gebührenden Lohn, sie ihre Ländereien meist an Bürger verkaufen müßten,
die einen bessern Gebrauch davon machen würden. Man wird hierüber Gesetze
machen, sobald man wollen wird. (Mehre Stimmen: das ist baarer Kommunismus.)
Solche Moral, fährt Bougean fort, predigt man den Kindern in den Schulen.
Schlagen wir Kap. VIII. über die Organisation der Arbeit nach.“
„Schüler: Die Freiheit der Industrie hat also große
Uebel verursacht?“
„Lehrer: In ihrem Gefolg befand sich die zügellose
Konkurrenz; diese hat den erbitterten Krieg der Arbeiter natürlich
hervorgebracht, die Herabdrückung der Salaire, den Betrug im Handel, endlich
den Ruin der Armen und die Bereicherung der Reichen, die mehr Mittel hatten,
diesen Kampf zu bestehen, so sehr, daß im Augenblick, wo Paris seinen
letzten König verjagte, die Freiheit der Industrie nur noch eine Phrase war
und das triumphirende Monopol Frankreich eine neue Aristokratie gab,
gefährlicher als die erstere. (Neue Exclamationen. Zur Linken: Es ist die
Wahrheit.)“
„Schüler: Die Republik hat also das Recht, sich in
die Bedingungen der Arbeit einzumischen, in die Regulirung der Presse und
der Salaire?“
„Lehrer: Zweifelsohne, sie hat dies Recht. Was wäre,
was könnte er sein, ein Industrieller- oder ein Geschäftsmann ohne die
Arbeit des Volks und ohne den Schutz der Republik? Indem die Republik dem
Handel und der Industrie die Freiheit versichert, erwirbt sie eben hierdurch
das Recht, diese Freiheit allen aus dem Gesammtinteresse hervorgehenden
Bedingungen zu unterwerfen. Das ist es, was man Organisation der Arbeit
nennt. (Gelächter und Gemurre. Ein Mitglied: Sagt vielmehr Desorganisation!)
In einem der Kapitel handelt es sich von der Lage der Frauen, von Ehe und
Ehescheidung, z. B. p. 34 lese ich: Was die Gesetze über Ehe und Testamente
betrifft, so wird die Versammlung nie ohne große Vorsicht und sehr legitimer
Skrupel an denselben rütteln. Aber untersuchen könnte sie, ob das
republikanische Regime der Gleichheit und Freiheit nicht den Rechten der
Frauen in der Familie etwas hinzufügen muß, ob im Interesse der Ehe selbst
die Wiederherstellung der Ehescheidung wie zur Zeit des Kaiserreichs nicht
gut ist, ob endlich die Steuer, welche die Uebertragung der Güter trifft,
nicht billiger im Interesse der Republik und der Familie zu regeln wäre. Der
Minister antworte mit Ja oder Nein, ob er derartige Doktrinen adoptirt.
(Großer Eindruck.)
Carnot, Minister des öffentlichen Unterrichts: Der
Gesetzentwurf zur Unterstützung der Elementarlehrer, der hier keinen
Widerspruch zu finden scheint, wird als Vorwand zu Angriffen gegen meine
Administrationen benutzt. Mein Ministerium ging aus den Barrikaden des
Februar hervor. (Abläugnen auf verschiedenen Bänken. Auf der Linken:
verharren Sie bei dem Ausdrucke.) Dieser Ursprung ist die Ursache gewisser
Rancunen. (Heftiges Murren in mehren Reihen der Versammlung.) Während meine
Kollegen durch Dringlichkeitsmaßregeln die oft fürchterlichen Bedürfnisse
des Augenblicks zu befriedigen hatten, mußte ich neue Bürger für die neuen
Institutionen vorzubereiten suchen, für ein Volk noch unerfahren in der
Ausübung der ungeheuren Rechte, die es so eben erobert hatte. Die Einführung
des allgemeinen Wahlrechts legte mir die Pflicht auf, mich schleunigst mit
der Entwicklung des Elementarunterrichts zu beschäftigen.
Ich umgab mich mit einer zahlreichen Kommission, zusammengesetzt aus Männern,
die in allen Zweigen der Administration, des öffentlichen und des
Privatunterrichts gewählt waren. Diese Kommission arbeitete zwei Monate mit
größtem Eifer. Der Gesetzentwurf über den Elementarunterricht, den ich vor
einigen Tagen niedergelegt habe, ist die Frucht dieser Kommission.
Unentgeldlicher öffentlicher Elementar-Unterricht, Lehrfreiheit zur Seite
eines so umfassend und kräftig als möglich konstituirten
National-Unterrichts, ‒ auf diesen Prinzipien beruht der Entwurf. Für den
Elementar-Unterricht trat ich als hastiger Neuerer auf, für den höheren
Unterricht als Conservativer. ‒ Um das Volk für das allgemeine Wahlrecht zu
bilden, mußte ich namenlich auf dem Land zwei Männer hauptsächlich in's Auge
fassen, den Pfarrer und den Schulmeister. Ich schickte ihnen Circulaire zu,
worin ich ihnen sagte: Neben euren Pflichten gegen die Kinder legen euch die
Umstände eine Dringlichkeitspflicht auf, die, den Erwachsenen zum
politischen Leben, das ihnen eröffnet ist, vorzubereiten; euch gehört es an,
ihnen den wahren Sinn der neuen Republik begreiflich zu machen. Carnot vertheidigt sich unter vielem Tumult und
Unterbrechungen gegen den alten Vorwurf: Ignoranten und Barbaren als
besonders passende Kandidaten für die N.-V. in seinen Circulairen empfohlen
zu haben und geht dann direkt zur Antwort auf Bonjeans Angriff über.
Carnot. Sobald das Prinzip des allgemeinen Wahlrechts
festgestellt war, richtete ich ein Circulair an die Rektoren aller
Akademien, worin ich sie einlud Republikanische
Handbücher zu entwerfen, keineswegs für die Kinder, wie man
vorgegeben hat, sondern für die Wähler, um ihnen anzuzeigen, wie sie ihre
Pflichten zu erfüllen hätten. (Agitation.) So sind mehre sehr
bemerkenswerthe Werke entstanden. Zu Paris haben zwei, durch ihre
historischen und philosophischen Werke sehr ausgezeichneten Schviftsteller,
Henri Martin und Charles Renouvier zwei dieser Handbücher entworfen. Sie
haben sie nicht unter meinen Auspicien veröffentlicht, aber mit meiner
Zustimmung und meiner Erlaubniß, was nur heißt, daß ich sie gelesen und
nichts tadelnswerthes in ihnen gefunden habe. (Geschrei zur Rechten. Einer:
Köstliches Geständniß! Nehmen wir es zu Protokoll.)
Nach einem furchtbaren Redespektakel, worin für und gegen Renouviers Buch,
für und gegen seine Art, das Eigenthum zu behandeln mehr gepoltert und
geschrieen als gesagt wird, giebt Herr Bonjean die Moral der Fabel, indem er
das Amendement stellt, den verlangten Kredit für das Ministerium des
öffentlichen Unterrichts von Einer Million auf 5000 Fr. zu reduziren, d. h.
ihm gar keinen Kredit zu geben.
Eine Stimme. Das reduzirt die Debatte auf ein
Vertrauensvotum, auf eine ministerielle Frage. (Furchtbarer Lärm.) Herr
Bonjean vertheidigt sein Amendement unter stets steigendem Lärm und
beständigen Unterbrechungen. Man räth von verschiedenen Seiten dem
Präsidenten sich zu bedenken. Mehre Mitglieder gruppiren sich vor und neben
die Tribüne und interpelliren Bonjean.
Der Präsident. Ich rufe alle Unterbrecher zur
Ordnung, aber mitten in diesem Kreuzfeuer von Unterbrechungen ist es
unmöglich auch nur zu sagen, wer unterbricht.
Bonjean. „Ich mußte eine Ziffer vorschlagen, ich habe
5000 Fr. festgesetzt, meinetwegen kann man die Summe noch tiefer
herabdrücken. Ich verlange, daß die Abstimmung ein Ausdruck des Tadels für
jene unannehmbaren Doktrinen sei.“ ‒ Endlich kommt es zur Abstimmung und
zwar auf Verlangen von mehr als 20 Stimmen zum Stimmen durch Theilung. Für
die Annahme des Amendements sind 314 Stimmen, gegen die Annahme 303. Das
Amendement des Herrn Bonjean ist also adoptirt. (Große Aufregung. Schluß der
Sitzung ein viertel vor 7 Uhr.)
‒ Wegen der Todtenfeier hält heute die Nationalversammlung keine Sitzung.
Auch bleiben die Börse und alle übrigen Behörden geschlossen. Es ist ein
offizieller Festtag.
‒ Das Dekret, das die Demission Carnots annimmt und Vaulabelle an seine
Stelle setzt, lautet also: „Der Präsident des mit Ausübung der
Vollziehungsgewalt beauftragten Ausschusses beschließt nach Anhörung der
Minister: der Bürger Vaulabelle ist zum Unterrichtsminister ernannt in
Ersetzung des Bürgers Carnot, dessen Entlassung angenommen.“
[(Moniteur v. 6. Juli.)]
‒ General Bedeau nimmt das ihm zugedachte Portefeuille des Auswärtigen nicht an. Man sagt daher, Bastide, der für die
Marine bestimmt war, werde das Auswärtige behalten und man sich nach einem
andern Marine-Minister umsehen.
‒ Die letzte Handlung des Unterrichts- und Kultus-Ministers Carnot war ein
Rundschreiben an sämmtliche Erzbischöfe, Bischöfe und Bisthumsverwalter
Frankreichs, um sie aufzufordern, öffentliche Gebete und Gottesdienste für
die Märtyrer des bürgerlichen Junisieges in allen Kirchen ihres Sprengels
anstellen zu lassen. Und man klagt ihn an, Ultrarevolutionär zu sein!
‒ Der Spectateur Francais, Guizots Londoner Blatt, bringt einen Artikel, der
für das rührende Einverständniß zwischen gewissen Mitgliedern der
Nationalversammlung und den Stützen des untergegangenen Regimes zeugt.
Dieser Artikel schließt: „In der Nationalversammlung sind es die alten
Deputirten, welche Ordnung in die Arbeiten der Kammer hineinbringen, welche
mit einem Wort, die neuen Repräsentanten leiten und dennoch drängt man die
alten Deputirten von der Führung der öffentlichen Angelegenheiten zurück,
man nimmt im Geheimen ihre Unterstützung an, man will sie nicht öffentlich
gestehn. Es ist wahr, daß wir uns noch am Morgen einer gegen die alten
Mandatare des Landes vollbrachten Revolution befinden. Das Mißtrauen wird
sich zerstreuen, wenigstens muß man es hoffen, und die Dienste der erprobten
politischen Männer in der Versammlung werden nicht für das Land verloren
gehn. Die alten Deputirten fühlen überdem, daß ihr Augenblick noch nicht
gekommen ist; das was sich seit 4 Monaten mit den neuen Männern zugetragen
hat, was sich noch zuträgt, wird die Stunde ihrer Ankunft an die Regierung
vielleicht rascher herbeiführen als sie wünschen.“ Die Parole ist
ausgetheilt. Die Bürger Leon Faucher, Odillon
Barrot, Vivien, Billault, Dufaure und ihr Anführer, der Bürger Thiers mögen es sich merken. Man bereitet in London ihre
Gelangung zur Regierung vor.
[(République.)]
Girardin, Redakteur der „Presse,“ ist am Morgen des
5. Juli in Freiheit gesetzt worden. Er begab sich in das Büreau seines
Journals, wo er noch die Siegel angelegt fand.
‒ Seit einigen Tagen spricht man nur noch von einem Plan des Kriegsministers,
die Rückkehr der Barrikadenemeute unmöglich zu machen. Man dachte zuerst an
ein neues Pflastersystem, aber das würde eine kolossale Ausgabe sein, woran
man in diesem Augenblick nicht denken kann. Zudem ist das Pflaster nicht das
einzige Element der Barrikaden. General Lamoricière schlägt ein
homöopathisches System vor, nämlich gegenüber den Barrikaden der
Insurrektion, Barrikaden der Ordnung aufzuwerfen. Von der Höhe ihrer Fenster
herab, würden die Nationalgarden auf die Insurgenten tirailliren.
Nach einem bisher unverbürgten Gerücht, soll die provisorische Regierung den
16. März bei Gelegenheit der Demonstration der pelzbemüzten Nationalgarden
sich bedroht gewähnt und sich zu einem Kampf gegen die Nationalgarde
vorbereitet haben. Man bildete heimlich ein Barrikadenbataillon, dessen
Mitglieder als Lehrer in allen Stadtvierteln dienen und ihnen theoretisch
die angemessenste Art des Barrikadenbau beibringen sollten.. Die Barrikaden
waren verzeichnet auf einem Plan von Paris. Man hatte hier die Häuser
angezeigt, die Monumente, die als Centralpunkte zu befestigen seien. Jene
Lehrer hießen Barrikadenprofessoren. ‒ In Frankreich glaubt man das Uebel in
der Wurzel zu fassen, indem man in ferne Kolonien Tausende von Individuen
deportirt, denen das Elend die Waffen in die Hand gedrückt hat. Das heißt
den Kranken, der schreit, nicht heilen, sondern ihn schwächen, ihm den Mund
verstopfen. Wahrhaft heitres Mittel, den Reklamationen dadurch ein Ende zu
machen, daß man die entfernt, die reklamiren! Um gut zu sein, müßte die
Maßregel vollständig sein. Man müßte alle Armen,
womit das Land übersäet ist, expulsiren, d. h. die
gesammte Arbeiterbevölkerung.
[
(L'Organisation sociale.)
]