Deutschland.
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Edition: [Karl Marx: Gerichtliche Untersuchung gegen die Neue Rheinische Zeitung. In: MEGA2 I/7. S. 280.]
[*] Köln, 7. Juli.
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[*] Köln, 7. Juni.
Wir werden gebeten folgenden Bericht des Hrn. J. H. J. Jansen von hier über seine Verhaftung aufzunehmen:
„Am 6. Juli Morgens gegen halb 6 Uhr wurde an meiner Wohnung ungewöhnlich
stark und wiederholt geklingelt. Meine Schwester, die der Ankunft des
Pfarrgeistlichen entgegen sah, der unserer todtkranken Mutter die
Sterbesakramente reichen sollte, öffnete die Thüre, und fand sechs
Gensdarmen und einen Polizeidiener. Die Herren frugen ob ihre beiden Brüder
zu Hause wären und verfügten sich sofort die Treppe hinauf. Sie fanden mich
dort und frugen: ob der Sekretär des Arbeitervereins, Jansen, und sein
Bruder nicht anwesend seien. Meine beiden Brüder waren abwesend; Jansen der
Sekretär war nicht zu Hause, und der andre war schon seit mehreren Wochen
nach Amerika ausgewandert. Der eine Gensdarm hatte zwei Vorführungsbefehle
in der Hand von denen der Eine auf „Jansen, Bruder des Sekretärs Jansen“
lautete. Er erklärte mir: da ich ein Bruder des Sekretärs Jansen sei, so
müsse ich folgen. Der Polizeidiener setzte hinzu, er sei überzeugt ich sei
nicht der rechte Bruder, aber auf den Wortlaut des Vorführungsbefehls hin
müsse ich mitgehen. Ich protestirte, mußte aber folgen. Ich nahm also
Abschied von meiner sterbenden Mutter, (die es dulden mußte, daß die Herren
Gensdarmen in ihr Krankenzimmer traten und jeden Winkel durchstöberten) und
bestieg mit vier Gensdarmen und dem Polizeidiener die unten wartende
Droschke. Wir fuhren zuerst zum Appellhof, wo man vergeblich nach dem
Instruktionsrichter suchte, und von da nach dem Arresthause. Ich wurde hier,
nebst dem Vorführungsbefehl, dem Inspektor übergaben, und zwar mit dem
Bemerken: ich sei zwar nicht der Rechte, aber doch ein Bruder des Sekretärs
Jansen. Nachdem ich die Frage, ob ich mich selbst verpflegen wolle,
verneint, meine Brieftasche, Börse etc. dem Aufseher übergeben hatte, wurde
ich in die Inquisitionszelle Nr. 13 eingeschlossen. Gegen 8 Uhr wurde mir
braune Suppe und Schwarzbrod angeboten, was ich indeß nicht annahm. Darauf
wurde ich vor den Rendanten des Instituts geführt, über die Richtigkeit der
ihm vom Aufseher übergebenen Geldsumme, sowie über Namen, Stand etc. befragt
und am preußischen Maßbaume gemessen. Ich protestirte gegen meine
Verhaftung, jedoch umsonst. Kurz vor zehn Uhr kam der Aufseher, der mich
sehr freundlich behandelte, in meine Zelle, brachte ein Bündelchen
verkringelte Baumwolle und bemert: Wenn ich etwa Langeweile verspüren
sollte, so würde mich das Auseinanderzupfen des Knäuels etwas zerstreuen.
Ich erklärte, ich habe dem Hause noch keine Kosten verursacht und fühle mich
daher nicht verpflichtet, für seine Rechnung zu arbeiten.
„Inzwischen hatten mehrere meiner Freunde bei dem Herrn Staatsprokurator H.
gegen meine Verhaftung protestirt. Dieser fertigte, mit der Erklärung, es
sei ihm bereits zu Ohren gekommen, daß bei der Arrestation ein Mißgriff
geschehen, den Befehl zu meiner Freilassung aus und so wurde ich um zehn Uhr
wieder befreit.“
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[19]Köln, 7. Juli.
Wir haben die neue Theilung Polens, den fanatischen Vertilgungskrieg einer
mit trödelwüthigen Juden verbundenen christlich-germanischen Raçe gegen die
Polen, vom ersten Beginn als den Kampf des Absolutismus und Bureaukratismus
gegen die Demokratie bezeichnet. Die Herrschgelüste der in Polen
eingewanderten und polypenartig an dem Herzen des Landes festgesessenen
deutschen Bevölkerung haben uns eben so wenig wie die Verdächtigungen über
den angeblichen Nationalhaß der Polen gegen die Deutschen rühren können; es
wird auch den Lesern noch in frischer Erinnerung stehen, wie die nicht
minder mit „Vergiftung der Brunnen“ und „Ermordung aller Juden und
Deutschen“ denunzirte Insurrektion von 1846 trotz aller Bemühungen deutscher
Patrioten, in dem Berliner Polenprozeß die Sympathien aller Völker erweckte.
Einen neuen Beweis für die Richtigkeit unserer ersten Beurtheilung erhalten
wir soeben in einer als Manuskript gedruckten, mit authentischen
Aktenstücken belegten polnischen Denkschrift der Herren Brodowski,
Kraszewski und Potworowski, und es wird unsern Lesern nicht unwillkommen
sein, wenn wir ihnen hiernach in kurzen Umrissen eine Schilderung des ganzen
preußischen Reorganisations-Liebeswerkes nachtragen.
Das Drama der neuen polnischen Theilung hat bisher in drei Akten gespielt.
Der erste umfaßte den Zeitraum vom Beginn der nationalen Bewegung bis zu der
Konvention des General Willisen bei Jaroslawiec; der zweite ging bis zum
Bruch der Konvention durch den Angriff der preußischen Soldateska auf die
Stadt Xiax; der dritte enthielt den Durchbruch der wahren preußischen
Pacifikationsideen mit Kartätschen, Shrapnells und Höllenstein, die
Herrschaft des durch Pfuel proklamirten Martialgesetzes. Die Zukunft wird
lehren, ob und unter welcher Beihülfe die Verrathenen in einem vierten und
letzten Akt den Knoten der Intrigue zerhauen werden.
Die nationale Bewegung war zunächst Ergebniß der französischen
Februarrevolution. „Die Polen, sagt die Denkschrift, hatten nie die Hoffnung
auf Herstellung ihres Vaterlandes aufgegeben; aber sie glaubten jetzt um so
mehr ihre Befreiung hoffen zu dürfen, als alle Völker, die ihre eignen
Ketten brachen, die Herstellung Polens als einen Akt der
Gerechtigkeit und als Bedingung des europäischen
Friedens forderten.“ Das Signal, für ihre Selbstständigkeit in die
Schranken zu treten, gab ihnen das Patent des preußischen Königs vom 17.
März, wonach alle Provinzen des preußischen Staates, welche noch nicht zum
deutschen Bunde gehörten, unter Einwilligung ihrer „Vertreter“ demselben
einverleibt werden sollten.
Am 20. März versammelte sich unter dem erregenden Eindruck der damaligen
Begebenheiten, ohne Aufforderung und ohne Führer, das Volk in zahllosen
Schaaren zu Posen. „Wahrung der nationalen Rechte!“ war der allgemeine Ruf
der Massen.
Es wäre nicht zu verwundern gewesen, wenn die seit 70 Jahren unterdrückte und
stets für ihre Freiheit insurgirte Nation in diesem Moment einer allgemeinen
europäischen Revolution, wo das Großherzogthum noch dazu eine sehr geringe
Besatzung hatte und den Behörden alle Oberleitung fehlte, mit bewaffneter
Hand die Unterdrücker ihrer Selbstständigkeit überfallen hätten. Daß sie es
nicht thaten, daß sie sich mit ihren natürlichen Gegnern zu „vereinbaren“
suchten, zeugt nicht so sehr für oder gegen jede Absicht der Feindseligkeit
wider die Deutschen, es zeugt dafür, daß die Polen von dem deutschen
„Vertrauensregime“ bereits germanisirt, daß sie deutsch geworden waren. Es
bedurfte erst der Liebeswerkzeuge der Generale Colomb und Pfuel (von
Höllenstein), um ihr Nationalgefühl wieder zu erwecken.
Das Ergebniß der Posener Volksversammlung war ein durch Akklamation gewähltes
Volkscomité, welches zunächst mit Vorwissen des Oberpräsidenten eine
Deputation an den König sandte, um von ihm eine nationale Reorganisation des
„Großherzogthums“ zu erwirken, ‒ dann aber auch durch Errichtung von
Kreiscomités und einer aus beiden Nationalitäten gebildeten Bürgerwehr Ruhe
und Frieden zu erhalten suchte.
Die Deputation, den Erzbischof von Gnesen und Posen an der Spitze, begab sich
nach Berlin, wo sie die bekannte Kabinetsordre vom 24. März, in welcher der
König eine nationale Reorganisation „anzubahnen“
verhieß, und ein Ministerial-Rescript v. 26. erlangte, welches die Bildung
einer aus Polen bestehenden Reorganisations-Kommission gestattete. Das
Volkscomité that bei der Konstituirung dieser Kommission, um jedem Verdacht
der Deutschen über Gefährdung ihrer Nationalinteressen zu begegnen, mehr als
das Ministerial-Rescript ihnen auferlegte; es zog zu den Berathungen über
den Reorganisations-Entwurf, in welchem beiläufig den Deutschen der Gebrauch
ihrer Muttersprache bei allen öffentlichen Verhandlungen zugesichert war,
zwei deutsche Beamte (Oberbürgermeister Naumann und Landgerichtsrath Bey),
und delegirte einen Ausschuß der Kommission, welcher unter dem Vorsitze des
Oberpräsidenten die vorläufigen Maßregeln der Reorganisation in Vorschlag
bringen sollte. Proklamationen des Comité's sowohl an die Polen wie an die
Deutschen und Juden verkündeten die gerechte Berücksichtigung der
verschiedenen Nationalitäten, und forderten zu einträchtigem Wirken bei dem
gemeinsamen Werk auf.
Es herrschte bis dahin vollkommene Einigkeit unter allen Theilen der
Bevölkerung. Das deutsche Comité in Posen antwortete
den Proklamationen des Nationalcomité's öffentlich mit der Versicherung der
Sympathie und treuer Mitwirkung der deutschen Einwohner, und nahm die
polnischen Farben neben den deutschen an. Die Regierungsbehörden hatten die
Wirksamkeit des Nationalcomité's anerkannt, und u. A. der
Gensdarmerie-Oberst Natzmer der öffentlichen Gewalt den Befehl ertheilt,
stets im Einverständniß mit dem Comité zu handeln.
Diese Lage der Dinge änderte sich bald durch die Agitation jener merkwürdigen
Raçe, die sich überall als der Haupthebel der Reaktion bewährt.
„Die Bureaukratie, unzufrieden mit den Folgen der am
18. und 19. März zu Berlin stattgefundenen Ereignisse, welche der
Beamtenherrschaft ein Ende zu machen drohten, trat gegen die ver-
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@facs | 0187 |
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@facs | 0187 |
Russisches Militär.
Aus einem im Jahre 1844 in London erschienenen Werke: „Enthüllungen über
Rußland und den Kaiser Nikolas“ theilen wir folgende Stellen in Betreff des
russischen Militärs mit:
Ein Gouvernement, sagt der Verfasser, das ohne weiteres eine Million
bewaffneter Männer ins Feld stellen kann, ist wohl geeignet uns in etwa zu
beunruhigen. Glücklicherweise sind indeß die russischen Armeen nicht mehr
das, was sie früher waren. Ihr ganzer Erfolg bestand seiner Zeit in dem
Heroismus der Infanterie, die jetzt nicht mehr von jenem fanatischen
Vertrauen in die Heiligkeit ihrer Sache und von jenem blinden Fatalismus
erfüllt ist, der früher eine edlere Begeisterung bei ihr ersetzte. Der Geist
Souvarow's ist allmälig aus dem Heere verschwunden. Seine letzten Funken
leuchteten in der Schlacht bei Borodino, wo man die noch in ihre grauen
Bauernkittel gekleideten Rekruten den Bajonnetten trotzen und ruhig dem Tode
ihres ersten und letzten Schlachtfeldes entgegengehen sah.
Die russischen Bauern, die, wenn sie einmal disziplinirt sind, eine der
besten europäischen Infanterieen bilden, gehören nichtsdestoweniger zu einer
der ruhigsten und anscheinend am allerwenigsten zu einer kriegerischen
Laufbahn geeigneten Menschenklasse. Furchtsam und schwach wie sie sind,
können sie weder lange Märsche noch große Kampagnen aushalten. Das einzige,
wodurch sie sich auszeichnen, ist der Gehorsam. Die Knechtschaft lehrte
ihnen gehorchen, ohne zu murren.
Ein russisches Regiment, das lange Märsche machen soll, legt nicht mehr als
täglich 25 Verste, oder 162/3 englische Meilen zuruck, wenn es zwei Tage
marschirt und sich den dritten Tag ausruht. Ist die Entfernung größer, so
läßt es eine Menge Leute unterwegs. Immer sieht man indeß diese Truppen
Hunger, Krankheiten und den Verlust aus ihren Reihen ohne eine Klage
erdulden.
Gelangt der russische Soldat, nachdem er alle Schwierigkeiten des Marsches
überwunden hat, in die Nähe des Feindes, da bleibt er voll Angst und Beben
an dem Orte, den ihm die Disziplin anwies; anders wie die Offiziere, die
sich nicht selten aus Mangel an allem Ehrgefühl, hinter der Fronte vor dem
Feuer verbergen.
Man möchte daran zweifeln, daß eine aus so verschiedenen Elementen
zusammengesetzte Armee von Wirkung sein könnte. ‒ Eine Infanterie indeß,
welche mit ihrer Gelassenheit zugleich auch ihre Ordnung behauptet, welche
bei dem Angriff des Feindes ruhig ihr Feuer fortsetzt und zitternd zwar und
voller Schrecken, dennoch nicht vom Flecke weicht, ist nichtsdestoweniger
bei dem jetzigen Zustand europäischer Armeen von entschiedenem Nutzen.
Wenn der gemeine russische Soldat aus irgend einem Motive seine Pflicht thut,
so ist es ganz anders mit den Offizieren, namentlich in den untern
Graden.
Ebenso unempfänglich für die Inspirationen des Patriotismus wie für das
Verführerische des militärischen Ruhmes und eben so wenig von Natur tapfer
wie der gemeine Soldat lassen sich die Offiziere fast nie durch den Ehrgeiz
über jene Furcht hinwegheben, die sie sich durch kein Gefühl der Ehre zu
verheimlichen verleiten lassen. Sie wissen, daß bei den eigenthümlichen
Zuständen Rußlands, die im militärischen wie im bürgerlichen Leben ganz
dieselben bleiben, trotz der persönlichen Anstrengungen des Kaisers die
Feigheit eben so gut wie die Bravour eine der militärischen Tapferkeit
bestimmte Belohnung erringen kann. Bedenkt man außerdem noch, daß bei ihrer
ersten Erziehung und in den Verhältnissen in denen sie früher lebten, Alles
darauf gerichtet war, den wenigen Muth, den sie von Haus aus besaßen, zu
unterdrücken, so begreift man, daß die Offiziere ihren Soldaten auf dem
Schlachtfelde nur zu häufig das Beispiel der vollendetsten Feigheit geben.
Diese, namentlich den Offizieren der Linie geltenden Bemerkungen lassen sich
indeß auch in gewissem Maße auf die Offiziere der Garde ausdehnen.
Obgleich Jeder der nicht zum Adel gehört der Konskription unterworfen ist, so
wird der Soldat, für die Infanterie wie für die Kavallerie, für die Garde
wie für die Linie, dennoch fast stets aus der Klasse der Leibeignen
genommen. Der Freie und der Handelsmann kaufen sich immer los und die dafür
einfließenden Gelder bilden einen Theil der Staatsrevenue. Jeder
Sklaveneigenthümer muß, je nach den Bedürfnissen des Gouvernements, jährlich
gewisse Prozente von der Zahl der Individuen, die er besitzt, ausliefern,
und da man jede Person annimmt, wenn sie nur körperlich gesund ist, so
erhält man gewöhnlich die faulsten und schlechtesten Subjekte, welche der
Besitzer unter seinen Bauern aufzufinden wußte.
Der Rekrut nimmt von seiner Familie Abschied, als ob er sie nie wiedersehen
würde und entfernt sich unter allgemeinem Lamentiren.
Das Gesetz sagt ihm, daß er frei sein wird, sobald er in die Dienste des
Kaisers tritt; nichts desto weniger führt man ihn wie einen Verbrecher, mit
einem andern Unglücklichen zusammengebunden, zu seinem Regimente.
(Forts. f.)
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@type | jArticle |
@facs | 0187 |
Der provisorisch germanische Kaiser und die deutschen
Zeitungen.
„So eben verkündet der Donner der Kanonen, das Geläute aller Glocken ‒“
[(Kölnische Zeitung 1. Juli.)]
„Ein dreimaliges Hoch, Glockengeläute und Kanonendonner ‒“
[(Trier'sche Zeitung 2. Juli.)]
„Dem wiederholten Hochrufen antwortete Glockengeläute und Kanonendonner.“
[(Düsseldorfer Zeitung 2. Juli.)]
„So eben verkündet der Donner der Kanonen, das Geläute aller Glocken ‒“
[(Bremer Zeitung 2. Juli.)]
„Kanonendonner und Glockenklang ertönt ‒“
[(Mainzer Zeitung 1. Juli.)]
„Bravo, Glockengeläute und Kanonendonner.“
[(Preußischer Staats-Anzeiger 2. Juli.)]
„Kanonendonner und Glockengeläute.“
[(Augsburger Allgemeine Zeitung 1. Juli.)]
„Glockengeläute und Kanonendonner.“
[(Deutsche Zeitung 1. Juli.)]
[Deutschland]
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@facs | 0188 |
[Fortsetzung] heißene nationale Reorganisation
auf, weil 1) in ihr alle Beamten an ihrer politischen Souverainität einbüßen
mußten, und weil 2. das Germanisirungssystem, welches sie eingeführt, so
verhaßt geworden, daß die bisherigen Beamten bei der neuen Gestaltung der
Dinge unmöglich im Amt bleiben konnten.“
Es galt, das ganze Land in Feuer und Flammen zu setzen, damit die
Reorganisation unmöglich gemacht und das alte System mit seinen Kreaturen in
der Herrschaft erhalten werde. Einzelne Ueberschreitungen, die vor der allgemeinen Wirksamkeit des polnischen
Nationalkomité's stattgefunden hatten, Absetzungen verhaßter Landräthe und
Distriktskommissäre, Abreißen preußischer Adler und Beschlagnahme von
Kassen, welche das Nationalkomité aus eigenen Mitteln zu ersetzen sich
erbot, gaben den Anlaß, die ganze Nation für solidarisch verantwortlich zu
erklären, die deutsche Bevölkerung über die Zwecke der Polen zu beunruhigen
und gegen die nationale Bewegung aufzubringen, während die Schlächtereien
einzelner Polen durch die preußische Soldateska unbeachtet blieben. Die
Juden, obwohl sonst von den Deutschen selbst wegen ihrer Ueberlegenheit in
gewerblichem Lug und Trug gehaßt, wurden durch die abentheuerlichsten
Gerüchte in blinden Schrecken gejagt, und stimmten im Interesse ihres
stillen Chilef-Handels am lautesten mit in das Geheul nach „Ruhe um jeden
Preis.“ Die deutschen Beamten, welche in Vereinigung mit den Polen das
Reorganisationswerk friedlich vorzubereiten suchten, wurden von jenen wahren
Verfechtern der „Ordnung“ der Lynchjustiz denunzirt, und u. A. der
Landgerichtsrath Boy, als Mitglied der deutsch-polnischen Kommission in
öffentlichen Anschlägen als Verräther bezeichnet.
Endlich verfehlte man nicht, unter den Polen selbst die verschiedenen
Klassen gegen einander zu hetzen; den Bauern wurde die Rückkehr der
Feudallasten und Leibeigenschaft als der wahre Inhalt der „Herstellung
Polens“ geschildert, der Geistliche ward vor seiner Gemeinde, der
Gutsbesitzer vor den Landleuten verdächtigt, und die Städter wurden durch
falsche und erschlichene Proteste der Bauern, in denen die Polen als
Rebellen und das Volk als preußisch-gesinnt bezeichnete Patrioten waren,
gegen das Landvolk aufgeregt.
„Durch Emissäre und bezahlte Zeitungsberichte suchte diese der polnischen
Nationalität wie der jungen deutschen Volksfreiheit feindliche Reaktion den
Polen das schönste und kostbarste Gut: die Achtung der
freien Völker zu rauben; fast die gesammte Presse wurde
hintergangen und half mit, den Polen die allgemeine Sympathie zu entziehen,
die ihnen in der Knechtschaft bisher den einzigen Trost geboten.“ Bei der
deutschen Presse fanden diese Darstellungen um so bereitwilligere
Verbreitung, als dies ganze Institut bisher nur die schweifwedelnde
Ergänzung der Büreaukratie war und den mangelnden Muth durch nationalen
Phrasengeifer überflüssig zu machen glaubte.
So weit waren die Bemühungen dieser deutschen Patrioten gelungen; Mißtrauen
und Haß hatte sich der verschiedenen Nationalitäten bemächtigt, ein
Bürgerkrieg stand vor der Thüre. Aber noch hoffte das Nationalkomité durch
die baldige Reorganisation die Aufregung beschwichtigen und die Besorgnisse
zerstreuen zu können. Die Kommission hatte am 30. März das unter dem Vorsitz
des Oberpräsidenten ausgearbeitete Reorganisationsprojekt an das Ministerium
gesandt, und das Komité sowie die in Berlin anwesenden Landtagsdeputirten,
baten unter Darlegung der dringenden Sachlage um beschleunigte Erledigung
dieses Gegenstandes, vor Allem um die Absendung eines
Reorganisations-Kommissarius, der schon der ersten Deputation zugesagt
worden war.
Da erschien statt der gehofften Reorganisation, statt des verheißenen
Kommissarius die Kabinetsordre vom 14. April, welche die erste Theilung des Großherzogthums aussprach, und einen großen
Theil des Landes von der Reorganisation ausschloß.
(Fortsetzung folgt.)
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@type | jArticle |
@facs | 0188 |
[20] Koblenz, 6. Juli.
Die „Neue Rheinische Zeitung“ hat in einer ihrer letzten Nummern bei Nennung
der Namen der abstimmenden Abgeordneten in der Reichsversammlung zu
Frankfurt, dem Koblenzer Deputirten Adams immer
hinzugesetzt „aus Koblenz,“ gleichsam um anzudeuten,
daß dieser Abgeordnete schon deshalb zur ultramontanen und reaktionären
Fahne selbstredend schwören müsse, weil er grade aus Koblenz sei, so daß der Vorwurf des Ultramontanismus und der
Reaktion nicht allein den Deputirten, sondern die ganze Stadt zu treffen
scheint. Hierin irrt jedoch der Frankfurter Korrespondent der Neuen Rhein.
Ztg., wie folgende Details sehr klar beweisen werden. Adams galt als sehr liberal und hatte sich selbst in der großen
Versammlung in der Reitschule als Anhänger der Volkssouveränität
proklamirt.
Auch Schlink, Abgeordneter für Koblenz für Berlin,
passirte, man weiß nicht recht warum, als Liberaler von reinstem Wasser. Die
Erfahrung hat gelehrt, daß man sich in beiden geirrt hat, ein Irrthum,
welcher bei genauer Kenntniß der Umstände sehr verzeihlich ist und sich oft
in der Rheinprovinz wiederholt hat, die überhaupt erst jetzt den ganzen
Servilismus und die merkwürdige Hohlheit ihres Juristenstandes kennen lernt.
Die Bürgerschaft von Koblenz hat sich sofort gegen die Haltungsweise von
Adams und Schlink ausgesprochen und ihre Ansichten durch projektirte
Adressen und Erklärungen in den Lokalblättern mißbilligt. Sie blieb nicht,
wie so manche düpirten Wähler der Rheinprovinz hierbei stehen, sondern
veranlaßte ihren zweiten Abgeordneten für Berlin Hrn. Werner, welcher sich,
von einem andern Kreise gewählt, als Mitglied der Reichsversammlung in
Frankfurt befindet, auf seine Wahl für Berlin zu resigniren, um wenigstens
durch eine neue Wahl jene des Schlink zu paralisiren. Diese Wahl fand heute
Statt, und man war so vorsichtig, nur bereits erprobte Kandidaten der Linken
aufzustellen. Raffauf und Landrath Caspers; ersterer siegte und wurde zum
Abgeordneten gewählt; letzterer verdankte seine Niederlage nur dem Umstande,
daß er entfernt verdächtig war, sich der sogenannten ultramontanen Partei zu
nähern.
Diese Thatsachen widerlegen die unverdienten Vorurtheile gegen Koblenz, das
vielleicht politisch entschiedener ist als irgend eine Stadt der
Rheinprovinz.
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@facs | 0188 |
[103] Berlin, 5. Juli.
Die Reichsverwesung, diese Diktatur der Impotenz, auch sie ist dem
preußischen Ministerium noch zu viel. Es hält für nöthig, dagegen zu
protestiren, daß das souveräne deutsche Volk ohne die
vorherige Genehmigung des Berliner Ministeriums in Frankfurt Beschlüsse
faßt. „Das Ministerium genehmigt zwar die Wahl des Reichsverwesers,
in der Person des Erzherzogs Johann, und hat nichts dagegen, daß ihm die
Attribute, welche die Frankfurter Nationalversammlung beschloß, beigelegt
werden; nur setzt das Ministerium voraus, daß die Versammlung nicht alle
Beschlüsse über Krieg und Frieden an ihre vorhergehende Berathung knüpfen
werde. Wenn diese Beschlüsse in Frankfurt ohne Mitwirkung der Regierungen
gefaßt worden sind, so erkennt das Ministerium in der großen Dringlichkeit
der Sache hierfür einen genügenden Grund, betrachtet dies aber nur als einen
außerordentlichen Fall, der für die Zukunft durchaus keine Konsequenzen
zuläßt.“ Hr. v. Schreckenstein soll sogar im
Ministerrath die Ansicht ausgesprochen haben, daß die konstituirende
Nationalversammlung aus Unterthanen bestände, deren
Beschlüsse erst durch die Sanktion der souveränen Regierungen Geltung
bekämen und erklärte sich entschieden gegen die
Anerkennung der Wahl des Reichsverwesers. Der größte Theil der
Minister aber verfocht siegreich das Prinzip der Vermittlung, wonach die im
Einverständniß mit den Regierungen gefaßten
Beschlüsse unbedingte Geltung haben müßten, und daß man diesmal, wegen der
Dringlichkeit der Sache, die Zustimmung zur Wahl des Reichsverwesers auch
nachträglich geben wolle. Das Ministerium hat sogar einen Gesandten an den
Erzherzog nach Wien mit einem Gratulations- und Anerkennungsschreiben
geschickt, worin auch gesagt wird, daß dem Reichsverweser die ganze
preußische Armee zur Verfügung gestellt werde. Daneben ließ man aber
durchblicken, daß die Anerkennung des Erzherzogs von Seiten Preußens unter
der Voraussetzung erfolge, daß derselbe den Prinzen von Preußen zum
Generalissimus des Bundes- oder Reichsheeres ernenne, wobei auch zur Bildung
des Reichsministeriums ihm folgende Kandidaten dringend
empfohlen werden; nämlich den Herrn v.
Radowitz zum Kriegsminister, Herrn Mathy
zum Minister des Innern und der Polizei, Hrn. v.
Rönne zum Handelsminister, Hrn. Heckscher
zum Minister des Auswärtigen und Hrn. v. Gagern zum
Ministerpräsidenten. Was wird das souveräne deutsche Volk zu diesem
Generalissimus und zu diesem Ministerium sagen?
Rodbertus war der einzige Minister, der anderer
Ansicht war. Seiner Meinung nach müssen sich die einzelnen deutschen
Staaten, also auch Preußen, den Beschlüssen der konstituirenden
National-Versammlung unbedingt unterwerfen.
Rodbertus erkennt die Souveränetät des Volkes an, er stand einsam
und verlassen im Ministerrath mit seinen Ansichten und mußte als Ehrenmann
seine Entlassung einreichen. Er war dies seinen Gesinnungen schuldig, wie er
das selbst gestern sagte. Aber seinen Gesinnungen ist er es auch schuldig,
in Opposition gegen ein solches Ministerium zu treten und es ferner nicht
mehr zu unterstützen.
Ob es dem Ministerium gelingen wird, die entstandene Lücke, welche durch die
Abdankung Rodbertus entstanden ist, bald wieder auszufüllen, ist, nachdem es
gestern wiederum in einer Minorität von 25 Stimmen blieb, sehr zu
bezweifeln. Alles hängt von der nächsten Sitzung der Vereinbarerversammlung
ab, die übermorgen statt findet. Die Linke hat
gestern Abend einen Protest entworfen, worin die
letzten unrechtmäßigen Abstimmungen der gestrigen Sitzung für ungültig
erklärt werden. Dieser Protest soll von den 195 Abgeordneten, welche die
erste Frage angenommen hatten, unterschrieben werden. Es kommt nun darauf
an, wie sich das Ministerium in dieser Sache verhalten wird. Wie die Sachen
aber jetzt stehen, ist es gewiß, daß das Ministerium bei der nächsten
Kabinetsfrage, die es stellen wird, unterliegen muß. Die Unzufriedenheit mit
dem Ministerium Auerswald-Hansemann wächst
stündlich. Man sieht es allgemein ein, daß Auerswald
nur der Strohmann ist, mit dem Andere spielen. Seine Reden sind ihm vorher
ausgearbeitet, und er liest dieselben jedesmal ab, damit auch nicht ein Wort
davon verloren gehe. Wird er als Minister der auswärtigen Angelegenheiten
interpellirt, so raunt ihm Hansemann einige Worte in's Ohr und weiter weiß
er nichts zu antworten. ‒ Der Minister des Innern Kühlwetter und der Unterstaatssekretär der Justiz Müller suchen die freisinnigen Gesetzvorlagen des
frühern Justizministers Bornemann und des jetzigen
Ministers Märker so viel wie möglich zu
hintertreiben. Wer hätte wohl je geglaubt, daß sogenannte liberale
Rheinländer sich gegen die freien Institutionen, die von Eingebornen der
verrufenen Mark Brandenburg ausgehen, aussprechen und dieselbe unterdrücken
werden.
Um die Unannehmlichkeiten aufzuheben, die bis zur Umgestaltung der
allgemeinen Gerichtsverfassung das jetzt noch bestehende Verfahren
hervorbringt, hat der Justizminister Märker gestern
der Vereinbarer-Versammlung ein Gesetz über „die Aufhebung des eximirten Gerichtsstandes in kriminalischen und
fiskalischen Untersuchungen und in Injuriensachen“, zur schleunigen
Berathung vorlegen lassen.
In der gestern Abend stattgefundenen Versammlung der vereinigten Wahlmänner
Berlins ist folgende Petition für das Einkammersystem einstimmig angenommen worden:
„Hohe Versammlung! Eine der wichtigsten Fragen, welche Sie zu lösen haben,
ist die, ob in Zukunft die Repräsentation des Volkes Einen Körper bilden,
oder aus zwei abgesonderten Körperschaften bestehen soll.
Die unterzeichneten Urwähler und Wahlmänner wollen keine erste Kammer, welche
auf den Vorrechten des Standes, der Geburt oder des Vermögens beruht: die
Geschichte lehrt, daß eine solche Kammer die Freiheit des Volkes stets zu
unterdrücken gestrebt und dadurch selbst die Throne in Gefahr gebracht hat.
Wir wollen keine erste Kammer, hervorgegangen aus der Wahl der einzelnen
Korporationen: ihre Interessen sind vollständig in der Volkskammer vertreten
und können eine doppelte Vertretung nicht beanspruchen. Wir wollen keine
erste Kammer, deren unterscheidendes Merkmal ein höheres Alter bildet: alle
Altersstufen gehen auf in der Einheit des Volkes und müssen daher in der
Volkskammer sich ihre Geltung verschaffen. Wir wollen keine erste Kammer,
beruhend auf den Besonderheiten der Provinzen: diese werden und müssen ihre
genügende Darstellung in der Gemeindeverfassung finden. Wir wollen keine
erste Kammer, auch wenn sie aus denselben Elementen wie die Volkskammer
zusammengesetzt wird: sie würde in Zeiten, wo es vor Allem zu handeln gilt,
nur hemmend einwirken.
Um ein Ueberstürzen zu verhüten, giebt es auch in Einer Kammer der Mittel
genug. Für den äußersten Fall wird es genügen, die vollziehende Gewalt mit
dem Rechte auszustatten, die Volksrepräsentation aufzulösen und durch
sofortige Neuwahlen die Entscheidung des Volkes einzuholen, welches die
Quelle alles Rechts und aller Macht im Staate ist. Wir können daher nur in
einer ungetheilten Körperschaft eine wahre Repräsentation des Volks
erblicken. Wir sind überzeugt, unsere Nationalversammlung wird es
aussprechen: das Eine, ungetheilte Volk wird durch Eine,
untheilbare Versammlung repräsentirt.“
Diese Petition soll eine sogenannte Monsterpetition werden. Sie ist in 500
Exemplaren in der ganzen Stadt zur Einsammlung von Unterschriften vertheilt
und man hofft hundert Tausend Unterschriften zusammenzubringen.
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@facs | 0188 |
[15] Berlin, 5. Juli.
Da war wieder Jemand, der aus dem eitlen Glauben, eine Revolution sei
vollbracht, die thörichte Schluß folgerung zog, man könne nun seine Ansicht
frei äußern, und über den Staat schreiben, was man wolle. Dieser Jemand nun
‒ er heißt Fernbach, und studirte früher in
Heidelberg ‒ wird angeklagt, ein Dings Namens republikanischer Katechismus
geschrieben zu haben, worin er den Leuten weiß machen wollte, der Glaube an
die Republik sei der allein selig machende und zum ewigen Heil führende. Was
geschieht? Ganz sachte, am frühen Morgen überfallen sie den frommen Mann in
seiner Wohnung, nehmen 500 Exemplare, den Rest der Auflage ‒ 8000 waren in
wenigen Tagen abgesetzt worden ‒ in Beschlag, und führen den Verfasser nach
der Stadtvogtei. Eigentlich hatten es die Häscher noch auf einen andern
Vogel mit republikanischem Gefieder abgesehen, der in demselben Nest hauste,
der war aber schon ausgeflogen, und wird wohl durch den ihm nachgesandten
Steckbrief nicht eingeholt werden. Auch Boerner,
Student, der noch nichts geschrieben, aber desto mehr gesprochen, ist
bereits Gegenstand zärtlichster Aufmerksamkeit von Seiten der Polizei,
einstweilen war er nur im Verhör, hoffentlich wird man bald dafür sorgen,
daß er nicht in der Welt fortkomme, sondern hübsch sicher an einem ruhigen
Ort seinen beständigen Aufenthalt nehme. Ferner sind zwei Auskultatoren in
Potsdam wegen hochverrätherischer in dem dortigen politischen Klub gemachten
Aeußerungen vor das hiesige Kammergericht citirt, und sehen ihrem baldigen
Verhör entgegen. Eine allerhöchste, in Potsdam jetzt verweilende Person
soll, wie man mir bestimmt versichert, ausgerufen haben: Schlechter Geist in
Potsdam, schlechter Geist! Wundern Sie sich nicht, wenn nächstens die
ruhigen Blätter mit Beschlag belegt, das Ministerium Eichhorn sammt dem
Obercensurgericht von ihren unfreiwilligen Ferien zurückberufen, sämmtliche
Klubs außer dem Denunciantenklub geschlossen, sämmtliche Comite's derselben
verhaftet, ja sogar der guten Bürgerwehr die Waffen abgenommen worden. ‒
Uebrigens behaupte ich, daß wir keine Revolution gehabt haben.
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@type | jArticle |
@facs | 0188 |
[*] Berlin, 4. Juli.
Der jetzige Justizminister Märker hatte schon früher einen Gesetzentwurf über
die Geschwornengerichte ausgearbeitet, in welchem er die Abschaffung des
Census für das aktive und passive Wahlrecht folgerichtig auf dieses Institut
anwandte und die Bestimmung aufstellte, daß jeder Preuße, welcher 24 Jahre
alt, durch richterliches Erkenntniß den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte
nicht verwirkt habe, zum Amte eines Geschwornen zulässig sei. Jetzt ist
dieser Entwurf im Staatsministerium zur Vorlage gekommen und Herr Hansemann hat sich nach der Berliner Z. H. gegen diesen Entwurf erklärt; der „Anerkenner“ der
Revolution will den Census für das Geschwornengericht
beibehalten wissen.
@xml:id | #ar038_011 |
@type | jArticle |
@facs | 0188 |
[*] Berlin, 5. Juli.
In einem Vereine kam es neulich zur Sprache, daß Hr. v. Arnim sogleich nach
Uebernahme des auswärtigen Ministeriums den Befehl ertheilt habe, alle
Gehälter der Beamten auszuzahlen und für sich selbst sofort 6000 Rthl. aus
der Kasse als halbjähriges Gehalt entnommen habe. Hr. v. Arnim war nur
wenige Wochen Minister und hat sich für diese Zeit vollständig gedeckt. In
der Kasse des auswärtigen Ministeriums befindet sich gegenwärtig kaum so
viel, als zur Deckung der kleinen Bedürfnisse nothwendig ist.
@xml:id | #ar038_012 |
@type | jArticle |
@facs | 0188 |
[14] Berlin, 4. Juli.
Der „Volksklub“ hat gestern die Herren Fr. Hecker und G. Struve zu
Ehrenmitgliedern ernannt, was natürlich die hiesigen Weißbier-Philister
auf's unangenehmste berührte. Seit den letzten Pariser Ereignissen sind
diese guten Leute plötzlich zu Republikanern geworden. Sie schwärmen für die
Trikolore.
Uebrigens fährt man fort, die nächtlichen Versammlungen an der
„Kranzler'schen politischen Ecke“ zu halten; sie werden immer zahlreicher
besucht und die zerlumpten Redner sprechen feuriger als je.
Die Volksspieltische unter den Zelten veranlaßten gestern Nachmittag einen
Konflikt zwischen Volk und Militär. Letzteres wurde endlich von der
Bürgerwehr zur Ruhe gebracht.
@xml:id | #ar038_013 |
@type | jArticle |
@facs | 0188 |
[*]Berlin.
Gestern zirkulirten hier Plakate mit der Ueberschrift: „Dreißig Verhaftungen
und keine Anklage!“
„Was hat er g'sogt: Oestraich'sch solle mer werde? Waih geschrien! !“
„Adresse von 10,000 Todten in Paris an die Lebenden in Berlin!“
„Selbstvertheidigung des Studenten Mohnecke etc. etc.“
Ein Bekannter von mir hat sich eine Sammlung von Plakaten angelegt und zählt
deren bereits über 2000, die ihn zusammen c. 40 Thlr. kosten. ‒ Von der
„Neuen Berliner“ und der „Neuen Preußischen Ztg.“, die vor dem 1. Juli
probeweise auf allen Wirths- und Privattischen lagen, sieht man jetzt kaum
ein einziges Exemplar mehr. Sie haben also die Proben nicht bestanden. Auch
Tante Voß ist an vielen Orten zur Thür hinausgeworfen worden.
@xml:id | #ar038_014 |
@type | jArticle |
@facs | 0188 |
Breslau, 3. Juli.
Am gestrigen Abend sind leider die Reibungen zwischen dem erst vor Kurzem
hier eingerückten Militär und Civil zu einem bedauernswerthen Ausbruche
gekommen. In der Tabagie zum „Oesterreichischen Kaiser“ vor dem Ohlauer Thor
gerieth eine Anzahl Soldaten des 22. und 23. Regiments mit dort anwesenden
Kräuterknechten in Streit. Ohne ein Urtheil zu fällen, wer die Veranlassung
gegeben, ist indeß Alles darüber einig, daß das Militär, das in der Mehrzahl
war, und theils schon mit blanker und geschliffener Waffe eingetreten war,
alsbald von diesen Waffen auf eine beklagenswerthe Weise Gebrauch machte.
Der Streit zog sich bis auf die Straße, wo Arbeiter und andere Civilpersonen
den Kräutern zu Hülfe eilten, und auf beiden Seiten mehrere Verwundungen
vorgekommen sind. So hieb ein Soldat dem andern mit dem Säbel die linke Hand
ab. Derselbe wollte einem Kräuter, welchen der Andere um den Hals gefaßt
hatte, in die Schulter schlagen und schlug fehl, doch war der Hieb noch so
kräftig, daß derselbe den Kräuter noch durch Jacke und Hemde leicht in die
Schulter drang. Ein anderer Soldat ward schwer am Oberarm verwundet, ebenso
erhielten mehrere Civilpersonen Verwundungen. Verfolgt, liefen die Soldaten
mit dem blanken Säbel in der Hand, um sich herumschlagend, durch die
Vorstadt, bedrohten mit scharfer Waffe die beiden Bürger und Lohnkutscher
Lange und Burghart, und sollen einen friedlichen mit seiner Familie vom
Spaziergange heimkehrenden Bürger in den Rücken verwundet und zu Boden
geschlagen haben. Die abgehauene Hand brachte ein junger Mensch auf die
Bürgerwache in der Klosterstraße. Auf die erste Nachricht von diesen
Excessen marschirte das auf dem Fischmarkt konsignirte Bürger-Bataillon
unter Anführung des Major, Schmiedemeister Richter, der sich 20 Mann Militär
von der Hauptwache beigeben ließ, dem Tummelplatz entgegen, und traf die
Excedenten unweit des Stadtgrabens, wo sie sich rechts und links flüchtig
zerstreuten. Einer derselben ward verhaftet. Ein Soldat des 11. Regiments,
bei der Sache gar nicht betheiligt, wurde im Gedränge des Tumults leider
ebenfalls schwer gemißhandelt, und nur dadurch gerettet, daß er in die
Hoffmann'sche Eisengießerei flüchtete. ‒ Die verschiedenartigsten Gerüchte
durchliefen die über den ganzen Vorfall empörte Menge. Man will die Soldaten
gefragt haben, weshalb sie scharf eingehauen, und sie sollen geantwortet
haben, es sei ihnen anbefohlen worden. Im Interesse der Menschlichkeit
wollen wir derartigen Gerüchten keinen Glauben schenken, soviel steht aber
fest, daß solche Scenen zur Zeit unserer früheren Garnison nicht vorgekommen
sind, denn hat es auch kleine Excesse zwischen Civil und Militär gegeben, so
ist doch von scharfen Waffen kein Gebrauch gemacht worden. Möge die
Untersuchung die wahrhaft Schuldigen herausstellen, und mögen dieselben im
Interesse des Friedens der Stadt ihrer gerechten Strafe nicht entgehen!
@xml:id | #ar038_015 |
@type | jArticle |
@facs | 0188 |
Hamburg, 5. Juli.
Ueber das in dem gestrigen Blatte der „Börsen-Halle“ bereits gemeldete
Gerücht, betreffend den Waffenstillstand und die Bedingungen desselben,
enthält der „Lübecker Korresp.“ folgende zwei Berichte, in welchen die
Meldung, daß die Herausgabe der genommenen Schiffe nicht unter den
festgestellten Bedingungen sei, uns unglaublich erscheint und auch die
zugestandene dauernde Besetzung Alsens durch die Dänen befremden darf.
@xml:id | #ar038_016 |
@type | jArticle |
@facs | 0188 |
Hamburg.
Wie die „Hamb. Börsenh.“ meldet, war in Kopenhagen am 3 Morg. ganz allgemein
das Gerücht verbreitet, daß am 2. d. ein Waffenstillstand zwischen
Deutschland und Dänemark auf drei Monate definitiv abgeschlossen worden. Die
Bedingungen desselben, so weit man sie in Kopenhagen kennen wollte, sollten
folgende sein: Räumung Fühnens von Seiten der schwedischen, Schleswigs von
Seiten der deutschen Truppen; Schleswig bleibt völlig unbesetzt; Aufhebung
der Blokade der deutschen Häfen und Freigebung der in Kopenhagen retinirten
deutschen Schiffe. Letzteres, sobald der Geldwerth der von den preußischen
Truppen in Jütland gemachten Requisitionen ermittelt und erstattet ist.
[(B. Z.)]
@xml:id | #ar038_017 |
@type | jArticle |
@facs | 0188 |
Rendsburg, vom 4. Juli.
Bei der Besetzung von Hadersleben durch unsere Truppen sind unter andern
interessanten Aktenstücken auch die beiden folgenden aufgefunden worden,
welche, bis eine ausführlichere Darstellung der dänischen Occupation
erfolgen kann, schon vorläufig einiges Licht über dieselbe zu verbreiten im
Stande sein möchten:
„Requisition“
In Folge Befehles soll in der Stadt Hadersleben Quartier angewiesen werden
für die Avantgarde des nachrückenden schwedischen und norwegischen
Armeekorps. Gedachte Avantgarde, befehligt vom Oberst von Juel, besteht aus
6 bis 7000 Mann, nämlich: Kavallerie 1000 Mann und Pferde, Infanterie 5 bis
6000 Mann. Artillerie 16 bis 20 Kanonen mit Bespannung. Die requirirten
Quartiere müssen zu morgen Mittag im Stande sein. Hadersleben, den 31. Mai
1848.
Benzon, Oberst.
„Vom rechten Flankenkorps“
An den Kammerjunker von Heltzen, Committirten des Justiz- und
Finanzministeriums beim Armeekorps.
In Veranlassung des Schreibens des Herrn Kammerjunkers vom gestrigen Datum
ersuche ich Sie, mit dem Grafen Reventlow-Sandberg zusammen zu treten, und
mit ihm und dem Oberauditeur Glahn als Auditeur eine Untersuchung
anzustellen, in Betreff des Verhaltens der schleswigschen Beamten und
Einwoh-
[0189]
ner während der Insurrektion. Was mich betrifft, so
wünsche ich nur die vorläufige Arretirung kompromittirter Personen so lange,
bis sie wegen des Vorrückens meines Corps den Operationen nicht mehr schaden
können. Zugleich ersuche ich den Hrn. Kammerjunker in Vereinigung mit dem
Grafen Reventlow mir Männer zur Besetzung der vakanten Postrn vorzuschlagen,
damit solchergestalt so gut wie es geht für die unentbehrliche Organisation
Sorge getragen werde. Der Kammerherr v. Scheel wird binnen kurzem hier
eintreffen, um die ganze Civiladministration zu übernehmen. Hauptquartier in
Hadersleben, den 2. Juni 1848. Juel, Kommandeur des rechten
Flankenkorps“.
[(Schl. H. Z.)]
Amtliche Nachrichten.
@xml:id | #ar038_030 |
@type | jArticle |
@facs | 0189 |
Berlin, 4. Juli.
Die heute ausgegebene Nr. 28 der Gesetz-Sammlung enthält die provisorische
Verordnung, die Zoll- und Steuersätze vom ausländischen Zucker und Syrup und
vom inländischen Rübenzucker für den Zeitraum vom 1. September 1848 bis
dahin 1850 betreffend. Vom 18. Juni 1848:
„Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. verordnen,
in Folge der früher bereits mit den Regierungen sämmtlicher übrigen
Zollvereins-Staaten eingegangenen Verabredungen und unter vorbehaltener
Zustimmung der zur Vereinbarung der preußischen Verfassung berufenen
Versammlung, so wie in Verfolg Unseres Erlasses vom 25. Juni 1847
(Gesetz-Sammlung Seite 241), was folgt:
[20]. 1.
Während des zweijährigen Zeitraums, vom Ersten September dieses Jahres bis
dahin 1850 ist an Eingangszoll vom ausländischen Zucker und Syrup zu
erheben, und zwar vom
[20] 2.
Während des im [20] 1 bezeichneten Zeitraums soll
die Steuer von dem im Inlande aus Rüben erzeugten Rohzucker Zwei Thaler für
den Zollcentner betragen und von den zur Zuckerbereitung bestimmten Rüben
mit 3 Silbergroschen von jedem Zollcentner roher Rüben erhoben werden.
[20] 3.
Der Finanzminister ist mit Ausführung der gegenwärtigen Verordnung
beauftragt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem
Königlichen Insiegel.
Gegeben Sanssouci, den 18. Juni 1848.
(L. S.) Friedrich Wilhelm.
Hansemann.
[0190]
@xml:id | #ar038_031 |
@type | jArticle |
@facs | 0190 |
Se. Maj. der König haben allergnädigst geruht:
Dem Regierungspräsidenten Kühlwetter, unter Ernennung desselben zum
Staatsminister, die bisher interimistisch von ihm geführte Leitung des
Ministeriums des Innern definitiv zu übertragen;
Dam Staatsminister Rodberturs die nachgesuchte Dienstentlassung in Gnaden zu
ertheilen; und
Die Leitung des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und
Medizinal-Angelegenheiten interimistisch dem Ministerialdirektor, wirklichen
geheimen Oberregierungsrath von Ladenberg, zu übertrager.
Die Gesetzsammlung Nr. 28 enthält den Allerh. Erlaß vom 24. Juni 1848, die
Verlegung der Gerichtsferien im Bezirke des rheinischen
Appellations-Gerichtshofes zu Köln betreffend.
Da nach Ihrem Berichte vom 12. Juni d. J. die Verlegung der in dem Bezirke
des rheinischen Appellationsgerichtshofes zu Köln stattfindenden
Gerichtsferien angemessen erscheint, so bestimme ich, unter Abänderung des
Artikels 31 des Dekrets vom 6. Juli 1810 und des Artikels 37 des Dekrets vom
18. August 1810, wie folgt:
Die Ferien der Civilkammern des rheinischen
Appellations-Gerichtshofes und der Landgerichte seines Bezirks sollen
künftig vom 1. August bis zum 1. Oktober statthaben.
Diese Bestimmung ist durch die Gesetzsammlung zur öffentlichen Kenntniß zu
bringen.
Sanssouci, den 24. Juni 1848.
Friedrich Wilhelm.
Bornemann.
An den Staats- und Justizminister Bornemann.“
Das Amtsblatt der Königl. Regierung zu Köslin enthält folgende Allerhöchste
Kabinets-Ordre:
Auf Ihren Antrag bestimme Ich hierdurch, unter Aufhebung der wegen des
landesherrlichen Pathengeschenks für Eltern von sieben Söhnen ergangenen
Erlasse, daß dasselbe fernerhin nicht mehr gezahlt werden soll. Sie haben
hiernach das Weitere anzuordnen.
Sanssouci, den 8. Juni 1848.
(gez.) Friedrich Wilhelm..
(contras.) Hansemann.
An den Staats- und Finanzminister Hansemann.
@xml:id | #ar038_032 |
@type | jArticle |
@facs | 0190 |
[*] Köln, 7. Juli.
Von Seiten des hiesigen Arbeiter-Vereins und des Volksklubs in Düsseldorf
ist, wegen des bei Hrn. Annekes' Verhaftung beobachteten brutalen und
ungesetzlichen Verfahrens, Hrn. Nicolovius folgende Zuschrift durch eine
Deputation überreicht worden; sobald Antwort erfolgt ist, wird dieselbe
ebenfalls in unserm Blatt mitgetheilt werden.
„An den Herrn General-Prokurator Nicolovius Hochwohlgeboren hier.“
„Daß die hiesigen Bürger Dr. Gottschalk und Friedrich Anneke am 3. d. Mts.
hier verhaftet und in gerichtliche Untersuchung gezogen worden sind, wird
Ew. Hochwohlgeboren nicht unbekannt geblieben sein.
Wir Unterzeichnete halten uns überzeugt, daß dieselben kein Gesetz verletzt
haben; wir sehen also dem Ergebniß der Untersuchung ohne Sorge entgegen.
Hinsichtlich der Art und Weise, in welcher insbesondere die Verhaftung des
Bürgers Anneke vollzogen worden, und hinsichtlich des schleppenden Ganges,
mit welchem die Strafprozesse im Bezirk des Kölner Landgerichts betrieben
werden, sind wir es uns jedoch schuldig, folgende Eingabe an Ew.
Hochwohlgeboren zu richten.
Die zur Verhaftung des Hrn. Anneke befehligten 6 Gensdarmen drangen mit
rücksichtslosem Ungestüm früh Morgens um 6 Uhr in das Schlafzimmer
desselben, wo dessen Gattin, die mit jedem Tage ihrer Niederkunft
entgegensieht, noch im Bette lag. Ein Dienstmädchen, das aus sehr
naheliegenden Rücksichten den Hrn. Anneke herausrufen wollte, wurde auf
brutale Weise zurückgestoßen. Der letztere wurde mit Hast zum Ankleiden
gedrängt und die Gensdarmen wollten ihm ungeachtet seiner Bitte weder
erlauben, dies in einem andern Zimmer zu thun, noch wollten sie gestatten,
daß er einige nothwendige Worte über häusliche Angelegenheiten mit seiner
tödtlich erschrockenen Gattin wechsele. Er wurde vielmehr im eigentlichen
Sinne zur Thüre hinaus- und die Treppe hinabgestoßen, wobei u. a. einer der
Gensdarmen in seiner Heftigkeit eine Scheibe in der nach dem Korridor
führenden Glasthüre zertrümmerte. Nachdem Hr. Anneke durch 3 Gensdarme
abgeführt worden, blieben die andern 3 noch in seiner Wohnung zurück, um,
wie sie sagten auf höheren Befehl, die Frau Anneke zu beaufsichtigen.
Zwischenzeitlich bemächtigten sich diese Gensdarmen der im Zimmer
befindlichen Privatpapiere, Briefe und dergl. und erfrechten sich, dieselben
durchzulesen, bis endlich erst nach Verlauf von etwa 11/2 Stunden, die
Herren Staatsprokurator Hecker, Instruktionsrichter Geiger und ein Sekretär
eintraten und nun ihrerseits mit Durchforschung der Papiere fortfuhren und
sie zum Theil in Beschlag nahmen.
Wir halten dafür, daß die Vollstreckung gerichtlicher Maßregeln mit aller und
jeder Schonung, die mit Sicherung des Erfolgs irgend vereinbar ist,
geschehen muß. Wir halten aber auch dafür, daß diese in Gesittung und
Humanität begründete Forderung im vorberegten Falle auf brutale Weise
verletzt worden ist. Wir halten endlich dafür, daß die Gensdarmerie durch
die Ergreifung und Durchstöberung der Papiere ihre Amtsbefugnisse gröblich
überschritten hat.
Deshalb tragen wir bei Ew. Hochwohlgeboren darauf an, die betreffenden
Handlanger der Gerechtigkeit zur Verantwortung und zur Bestrafung zu
ziehen.
Was 2. die Beschleunigung der Untersuchung betrifft, so sind leider die
maaßlosen Verschleppungen, welchen die Strafrechtspflege im Bezirke des
hiesigen Landgerichts unterworfen ist, viel zu offenkundig, als daß wir
unterlassen dürften, Ew. Hochwohlgeboren ferner zu ersuchen, den
betreffenden Beamten die möglichste Beschleunigung der gegen die Bürger
Gottschalk und Anneke eingeleiteten Untersuchung aufzugeben, um so mehr, als
es ja schon im März d. J. vorgekommen ist, daß die beiden genannten Bürger
17 Tage festgehalten und nachher als unschuldig des Verbrechens, welches man
ihnen zur Last gelegt, freigegeben wurden. Wir protestiren hiermit schon zum
Voraus nachdrücklich und entschieden gegen jedwede Ueberschreitung der für
die Behandlung der Strafprozesse gesetzlich bestimmten Fristen.
Wir erwarten zuversichtlich, daß Ew. Hochwohlgeboren nicht unterlassen
werden, dieser unserer Eingabe die gewünschte Folge zu geben, damit wir
nicht in die Nothwendigkeit versetzt werden, weitere Schritte zu thun.
Einer baldigen Bescheidung entgegensehend zeichnen wir ergebenst.“
Köln, 6. Juli 1848.
„Mitglieder des Comité's des Kölner Arbeiter-Vereins.“.
„Mitglieder und Abgeordnete des Volksklubs zu Düsseldorf.“ .
(Folgen
die Unterschriften.)
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@type | jArticle |
@facs | 0190 |
Wir Unterzeichneten melden hiermit unsern Commilitonen der deutschen
Universitäten, daß wir in der allgemeinen Studentenversammlung vom 1. Juli
zum
„Centralvorstand der deutschen
Studenten“
ernannt worden sind, und bitten alle amtlichen Schreiben an uns portofrei zu
richten.
Vorort Breslau, den 3. Juli 1848.
Holtze stud. med., Giesecke stud. theol., Ferdinand Kampe
stud. theol., Brehmer stud. phil., Leppmann stud. med., Rothe stud. jur.,
Giese stud. jur.
@type | jAnnouncements |
@facs | 0190 |
Civilstand der Stadt Köln.
Geburten.
3. Juli. Nikol., S. v. Jos. Lejeune, Tagl, Spulmannsg. ‒ Maria Anna, T. v.
Arn. Daubenthal, Tagl., Spulmannsgasse ‒ Peter Adolph August, S. v. Peter
Jakob Becker, Korbm., Bürgerstr. ‒ Wilhelm Hermann, S. v. Johann Friedr.
Wilh. Richter, Hautboist im 25. Regt., Ehrenstr. ‒ Jos., S. v. Philipp
Mauch, Mechanikus, Thieboldsgasse. ‒ Gertrud, T. v. Jakob Brenig, Schuster,
Schemmergasse. ‒ Konrad Wilh., S. v. Joh. Peter Berg, Schneider, Kämmerg. ‒
Maria, T. v. Ludw. Errendell, Schneider, Kupferg. ‒ Pauline, Friedr.
Charlotte, T. v. Aug. Kiel, Fuß-Gendarme, Ehrenstr ‒ Ein unehelicher
Knabe.
4. Juli. Konrad, S. v. Adam Minder, Maurer, Johannstraße. ‒ Maria Amalia, T.
v. Heinr. Samuel Doeckhorn, Feldwebel in der 7. Pion.-Abth., Weidenbachkas.
‒ Theod., S. von Joseph Brambach, Schuster, gr. Griechenm. ‒ Maria Sibilla
Franziska Hubertina, T. v. Corn. Schieffer, Bierbrauer, Breitstr. ‒ Peter
Karl, S. v. Joh. Pet. Wilms, chirurgischer Instrumentenmacher, Ursulastr. ‒
Anna Maria, T. v. Eustach Stephan, Graveur, Lintg. ‒ Henr., T. v. Gerh.
Blum, Faßbinder, gr. Sandkaul. ‒ Zwei uneheliche Knaben.
Sterbefälle.
3. Juli. Helena Kath. Elis. Evertz, geb. Rondorf, 81 J. alt, gr. Neugasse. ‒
Anton Eichholtz, Rentner, 82 J. alt, Wwr., Schnurgasse.
4. Juli. Otto Herm. Stiller, 19 Tage alt, gr. Witschgasse. ‒ Joh. Junghaus,
Drechsler, 51 J. alt, verh., Goldgasse. ‒ Kath. Süder, 48 J alt, unverh.
Apernstraße. ‒ Jos. Stephan, Schneiderges., 21 J. alt, unverh., Hoseng.
Schiffahrts-Anzeige. Köln, 7. Juli 1848.
Angekommen: Joh. Budberg von Duisburg.
Abgefahren: L. Ducoffre nach Duisburg.
In Ladung: Nach Ruhrort bis Emmerich W. Pesch; nach
Düsseldorf bis Mühlheim an der Ruhr C. Königsfeld; nach Andernach und
Neuwied H. Schumacher und P. Gies; nach Koblenz und der Mosel und Saar P. G.
Schlägel; nach der Mosel, nach Trier und der Saar M. Zens; nach Bingen Wb.
Jonas; nach Mainz Val. Pfaff; nach dem Niedermain Philipp Würges; nach dem
Mittel- und Obermain Friedr. Seelig; nach Heilbronn Fr. Kühnle; nach
Kannstadt und Stuttgart L. Hermanns; nach Worms und Mannheim A. L. Müller;
nach Antwerpen M., Lamers.
Ferner: Nach Rotterdam Kapt. Willemsen, Köln Nr. 6.
Ferner: Nach Amsterdam Kapt. Wilson, Köln Nr. 30.
Zur Anfertigung der Auszüge liegt offen die Deklaration des Schiffes
Hartmann.
Wasserstand.
Köln, am 7. Juli. Rheinhöhe 10′ 3″.
Bekanntmachung.
Nach einer amtlichen Mittheilung sind in den Niederlanden strenge Maßregeln
getroffen worden, um alle diejenigen Ausländer sofort über die Gränze
zurückzuweisen, welche entweder nicht mit Pässen versehen oder deren Pässe
bereits abgelaufen sind. Auch mehrere der Rheinprovinz angehörige Personen,
welche theils zum Vergnügen, theils in Geschäften nach den Niederlanden
gereist waren, sind neuerlich dort wegen Mangels an Pässen in Verlegenheit
gerathen.
Ich mache deshalb alle diejenigen, welche nach den Niederlanden zu reisen
beabsichtigen, auf die Nothwendigkeit aufmerksam, sich mit einem Passe zu
versehen.
Koblenz, den 4. Juli 1848.
Der Oberpräsident der Rheinprovinz, A. A. gez. v. Massenbach.
Bekanntmachung.
Durch die allerhöchste Kabinets-Ordre vom 8. April d. J. (Gesetzsmmlung aNr.
14) ist das Porto für Papiergeld (Kassen-Anweisungen etc.) und Staatspapiere
be Versendung mit der Post bedeutend ermäßigt worden. Es ließ sich erwarten,
daß sich in Folge dessen die Versendung, namentlich von Kassen-Anweisungen,
ohne Deklaration aufhören, oder sich doch
vermindern würde, und zwar im eigenen Interesse des Publikums, weil wenn
Briefe mit nicht deklarirten Kassen-Anweisungen verloren gehen, gesetzlich
kein Ersatz gewährt wird. Jene Erwartung hat sich jedoch nicht erfüllt, im
Gegentheil mehren sich die Reklamationen wegen Verlust von dergleichen
undeklarirt abgesandten Papieren. Insoweit bei der Versendung undeklarirten
Papiergeldes nur eine Porto-Ersparniß beabsichtigt wird, scheint ganz
übersehen zu werden, daß der dadurch zu erlangende Vortheil verglichen mit
der geringen Mehrausgabe für deklarirte Geldsendungen fast durchgehends ganz
unerheblich ist, jedenfalls aber mit der Gefahr, bei unterlassener
Deklaration in keinem Verhältnisse steht:
So kostet beispielsweise:
ein Brief von Köln nach
Bonn, mit 50 Thlr. Kassen-Anweisungen, 11/4 Loth schwer, undeklarirt 2
Sgr., deklarirt 21/4 Sgr., mehr 1/4 Sgr.
ein Brief von Köln nach
Minden mit 100 Thlr. Kassen-Anweisungen, 21/2 Loth schwer, undeklarirt 9
Sgr., deklarirt 10 Sgr., mehr 1 Sgr.
ein Brief von Köln nach Berlin
mit 200 Thlr. Kassen-Anweisungen, 2 Loth schwer, undeklarirt 121/2 Sgr.,
deklarirt 161/2 Sgr., mehr 4 Sgr.
Das General-Postamt hält sich für verpflichtet, das Publikum hierauf
aufmerksam zu machen.
Berlin, den 21. Juni 1848.
General-Postamt.
(gez.) v.
Schaper.
Bekanntmachung.
Im Interesse des Publikums erhält die Personenpost zwischen Bergisch-Gladbach
und Mülheim am Rhein vom 6. d. M. ab folgenden Gang:
Aus Bergisch-Gladbach um 7 Uhr früh und 3 Uhr
Nachmittags, zum Anschluß an die um 9 Uhr früh und 4 Uhr 42 Minuten,
Nachmittags von Mülheim nach Köln abfahrenden Dampfzüge.
Aus Mülheim am Rhein um 101/4 Uhr Vormittags und 71/4
Abends, unmittelbar nach Ankunft der Dampfwagenzüge von Deutz in
Mülheim.
Köln, den 5. Juli 1848.
Ober-Postamt Rehfeldt.
Todes-Anzeige.
Am 6. d. M. verschied nach mehrmonatlichem Krankenlager im 52. Lebensjahre
Herr Christoph Schüller, Königl. Kreissekretär.
Verwandten und Freunden widmet diese Anzeige mit der Bitte um stille
Theilnahme.
seine trauernde Wittwe Gertrud
Schüller, geb Badorf.
Das Begräbniß, zu welchem die Freunde des Verstorbenen hiermit ergebenst
eingeladen werden, findet Samstag Morgen, präcise 9 Uhr, statt.
Frankfurter Hof in Köln
Im Mittelpunkt der Stadt gelegen, empfiehlt sich derselbe durch seine
elegante Einrichtung und billige Preise.
Logis und Frühstück 15 Sgr. Diner 1/2 Thlr. Wein 16 Sgr.
Edmund Leonhard.
Heilsame Erfindung.
Hümmerts Pollutions-Verhütungs-Instrument, welches, ohne im geringsten
Unannehmlichkeiten oder nachtheilige Folgen für die Gesundheit
herbeizuführen, durchaus keine Pollution zuläßt. Die Wahrheit dieser Aussage
ist durch vielfache Erfahrungen bestätigt, und durch Zeugnisse von den
berühmtesten Aerzten, als von Herrn Prof. Dr. Braune, Prof. Dr. Cerutti, Prof. Dr. Carus zu Leipzig, Herrn Geh. Med.-Rath Dr. v. Blödau zu Sondershausen und vielen Andern dargethan,
weshalb ich mich jeder weitern Empfehlung enthalte. Da das Instrument in
Holz bei Bewegungen im Schlafe leicht zerbricht, so sind nun auch welche in
Metall zu nachstehenden Preisen zu haben, und erhält man gegen portofreie
Einsendung des Betrages Instrument nebst Gebrauchsanweisung vom
Unterzeichneten zugeschickt.
1 | Instrument | in | feinstem | Neusilber | 4 | Thlr. | Pr. | Cour. |
1 | Instrument | in | feinstem | Messing | 3 | Thlr. | Pr. | Cour. |
1 | Instrument | in | feinstem | Holz | 2 | Thlr. | Pr. | Cour. |
Bleicherode bei Nordhausen, 1848.
K. Frankenheim.
Apfelsinen, billig und schön. St. Agatha 25.
Frische Rheinfische sind zu den billigsten Preisen zu haben bei Joh. Lülsdorff, Lindgasse 21.
Der Beachtung demokratischer Vereine empfohlen!
Der Wächter an der Ostsee.
Demokratisches Organ.
Herausgegeben von W. Lüders.
Alles für das Volk, Alles durch das Volk! Die Souveränität des Volkes werde
eine Wahrheit. Bildung, Freiheit und Wohlstand für Alle durch Humanisirung
unseres Staats- und gesellschaftlichen Lebens.
Das Blatt erscheint in Stettin sechsmal wöchentlich, wird durch die Post
täglich, durch den Buchhandel einmal wöchentlich versandt. Preis
vierteljährlich auf allen preuß. Postämtern 1 Thlr. Probenummern werden
durch die Post gratis geliefert, sind auf dem Ober-Postamte in Köln
vorräthig.
Von heute an erscheint bei mir:
Der Volksfreund.
Eine Wochenschrift für Westphalen.
Redakteur: Rud. Rempel in Bielefeld.
Die Tendenz des Blattes ist entschieden demokratisch.
Dasselbe erscheint jeden Sonnabend in einem Bogen und kostet vierteljährlich
6 Sgr., exclusive Postaufschlag.
Alle Buchhandlungen und Postämter nehmen Bestellungen an.
Bielefeld, 1. Juli 1848.
Aug. Helmich.
Tapeten und Borden eigner Fabrik in reicher Auswahl
zu äußerst billigen Preisen, ordinäre à 3 Sgr., Glanztapeten à 5 Sgr. die
Rolle, empfiehlt
P. J. Krebs, Apernstraße 20-22.
Schützenangelegenheit.
Die Mitglieder der sich unterm 1. Juli neugebildeten Schützenkompagnie werden
auf heute Abend 8 Uhr in der Salzgasse Nro. 7 zur Wahl eines prov. Chefs
eingeladen. Neue Einzeichnungen werden daselbst entgegengenommen; den Listen
sind die Bedingungen der Aufnahme beigefügt.
Das Comite.
Bei Wilh. Greven, Herzopstraße Nro. ‒ 1 in Köln, ist
so eben in Kommission erschienen:
Der Criminalprozeß wider mich wegen Verleitung zum Cassetten-Diebstahl, oder: die Anklage der moralischen Mitschuld.
Ein Tendenz-Prozeß von F. Lassalle.
I. Lieferung. Enthaltend: 1. Vorwort. 2. Den Anklage-Akt wider mich, nebst
Beschluß des rhein. Appell.-Gerichtshofes vom 12. Mai 1848. 3. Mein von
jener Entscheidung vom 12. Mai dem rhein. Appell.-Gerichtshofe eingereichtes
Memoire. (Auf Kosten des Verfassers). gr. 8. broch. Preis 5 Sgr.
Elegantes Zimmer, Frühstück, Mittag-Essen an der table d'hôte nebst 1
Schoppen guten Wein zu 1 Thaler pr. Tag im Pfälzer Hof bei
Friedrich Knipper, Appellhofs-Platz Nro. 17.
Table d'hôte und Abonnements-Tisch um 1 Uhr und zu jeder Stunde vorzügliche
der Saison angemessene billige Speisen à la carte, und einen billigen
Wein.
Ein Schreiber sucht Beschäftigung, sei es auch für halbe Tage oder
stundenweise. Weingartengasse Nr. 6.
Rheingasse Nro. 10 zweite Etage zu vermiethen.
Deutsches Volksfest.
Durch die glücklich getroffene Wahl des Erzherzogs Johann zum Reichsverweser,
wodurch nun wieder die Ruhe und Einigkeit im deutschen Volke hergestellt
wird, auch alle Geschäften neu in's Leben treten werden, haben wir, um
diesen Akt unserer Nationalversammlung zu achten und zu ehren, ein deutsches
Volksfest zu halten beschlossen, welches am Dienstag den 11. Juli bei Herrn
Gasthalter Kost in der Mailust in Deutz, stattfinden
wird.
Das Nähere werden wir in den nächsten Nummern der hiesigen Blätter folgen
lassen.
Köln, den 6. Juli 1848.
Das Comite: M. Themer. Schmitz. Jos. Marul. Franz
Marul. Franz Hartmann. Müller. Dr. Burchardt. C. F. Bauermann. P. Mall.
Hartmann. Weckmann. Hochscheid. Baum. Warburg. Flüggen. Aldenkrück.
Verpachtung der Mineralquelle zu Birresborn.
Diese im Kreise Prüm bei Birresborn gelegene Mineralquelle, deren Wasser in
der ganzen Rheinprovinz vortheilhaft bekannt ist, wird sammt dem dazu
gehörigen Wohnhause und Oekonomie-Gebäuden, Garten und Bering, am Donnerstag
den 20. Juli d. J., des Nachmittags 3 Uhr, in Trier auf
dem Stadthause, entweder auf 1 Jahr, oder auf 3, oder auf 3, 6, 9
Jahre, in Folge Verfügung Königlich Hochlöblicher Regierung dahier, vom 28.
dieses, öffentlich verpachtet.
Der Pacht beginnt am 11. August 1848.
Die Bedingungen sind bei der unterzeichneten Verwaltung einzusehen.
Trier, den 30. Juni 1848.
Die Verwaltungs-Kommission der vereinigten
Hospitien.
Alle schriftliche Aufsätze werden abgefaßt, Vormittags Kasinostraße Nr. 8,
Nachmittags Ulrichgasse Nr. 26.
Eigelstein Nr. 16 ist das Unterhaus mit Keller, Küche und 5 bis 6 Zimmer zu
vermiethen.
Ein starker Aufwartsjunge, eine Köchin und ein zweites Mädchen gesucht, große
Neugasse Nr. 36.