[0173]
Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No. 35. Köln, Mittwoch 5. Juli 1848.
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Uebersicht.
Deutschland. Köln (Verhaftungen. ‒ Vereinbarungsdebatten. ‒ Posensche Soldaten kommen an den Rhein). Berlin. (Minutoli). Hamburg (englische Note gegen die russische Ostseeflotte). Weimar. (Allgemeine Entwaffnung). Ulm. (Untersuchung über die Soldatenexzesse). Wien (Reichstagswahlen).
Schweiz. Bern. (Schluß der Tagsatzung).
Italien. Florenz. (Eröffnung der Kammern. ‒ L'Alba über die Vergrößerungspläne Sardiniens. ‒ Der politische Eid. ‒ Menotti). Turin. Aufregung wegen der Nachrichten im Venetianischen. ‒ „La Concordia“ über die unfähigen Generale Garibaldi und Anziani. ‒ Die Plünderungen Radetzky's in Mantua und Verletzung der Kapitulation Seitens der Oestreicher). Rom. (Kammerdebatten. ‒ Die Sonderbundpartei und ihre Intriguen. ‒ Der Papst bei übler Laune). Neapel. (Ausfall der Wahlen. ‒ Die Forts. ‒ Kalabrien. ‒ Jesuiten. ‒ Aussichten auf neue Plünderung).
Französische Republik. Paris (das neue Munizipalgesetz. ‒ Korrespondenz. ‒ Vermischtes).
Großbritannien. London. (Die Times über die französischen Deportationen. ‒ Harney über die Chartistenbewegung).
Handelsnachrichten.
Amtliche Nachrichten.
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Berlin, 2. Juli.
Das Militärwochenblatt vom 1. Juli meldet: Graf v. Kanitz, General-Lieutenant und Kriegsminister, ist auf seinen Antrag mit Pension der Abschied bewilligt. ‒ Der frühere Justizminister Herr Bornemann wird die Stellung eines Vizepräsidenten des Geheimen Obertribunals einnehmen, an Statt des Herrn v. Kleist.
Der Justiz-Kommissarius Borchert in Kummin ist auch zur Praxis für den usedom-wolliner Kreis verstattet und zugleich widerruflich zum Notar im Bezirke des Ober-Landesgerichts; und
Der Ober-Landesgerichts-Assessor Schurig zu Strasburg in Westpreußen vom 1. Juli d. J. ab zum Justiz-Kommissarius bei den Gerichten der Kreise Usedom, Wollin und Kammin, mit Anweisung seines Wohnsitzes in Wollin, und zugleich widerruflich zum Notar im Bezirk des Ober-Landesgerichts zu Stettin ernannt worden.
Deutschland.
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Edition: [Karl Marx/Friedrich Engels: Verhaftungen. In: MEGA2 I/7. S. 251.]
[**] Köln, 4. Juli.
Wir haben unsern Lesern gestern versprochen, auf die Verhaftung der Herren Dr. Gottschalk und Anneke zurückzukommen.
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@facs0173
Edition: [Friedrich Engels: Vereinbarungsdebatten vom 28. Juni 1848. In: MEGA2 I/7. S. 254.]
[**] Köln, 4. Juli.
Wir kommen heute zur Vereinbarungs-Sitzung vom 28. Juni.
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[0174]
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[*] Köln, 4. Juli.
Folgender Anschlag stand gestern Abend an unsern Straßenecken:
Mitglieder des Arbeiter-Vereins! Bürger!
Man hat heute zwei Eurer Führer verhaftet, Euren Präsidenten Dr. Gottschalk und den Bürger Anneke.
Laßt Euch aber nicht zu Gewaltstreichen hinreißen, wie man es wünscht. Ich ermahne und rufe euch zu: Behaltet euere Ruhe, wie bisher, laßt es nicht dahin kommen, daß Bürgerblut fließe. Wir streiten nicht für Personen, sondern für unsere Sache, für unser heiliges Recht, und das wird siegen, trotz aller brutalen Gewalt.
Köln, den 3. Juli 1848.
Der stellvertretende Präsident:
Jansen.
Wir fügen hinzu, daß der Abend ohne die geringste Ruhestörung vorüber ging.
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@facs0174
[*] Köln, 4. Juli.
Nach einer Privatmittheilung in der Voss. Zeitung, sollen 1. das 18. Infanterie-Regiment, welches seit lange in Posen garnisonirt und den Posenern „liebgeworden“ ist, 2. eine 6pfündige Fußbatterie von dort weg und über Berlin zum Rheine marschiren, vielleicht selbst die preußische Garnison in Mainz ablösen. ‒ Unsere rheinischen Truppen sind also noch immer nicht auserlesen genug, um die Ordnung in der Provinz aufrecht zu erhalten und die Regierung in ihren stets offner hervortretenden Plänen zu unterstützen. Wir bedürfen dazu jener Soldateska, die gegen die unglücklichen Polen so entsetzlich gewüthet hat, daß sie sich selbst den Abscheu der russischen Soldaten zuzog. Es muß aber höchst dringend sein, daß diese Helden unter uns kommen, denn man scheut es nicht, wie die oben angeführte Korrespondenz sagt, die Posensche Garnison so zu schwächen, daß dieselbe einem ernsthaften Angriff kaum Widerstand leisten könnte. Die braven Posener „trösten“ sich damit, „daß die Russen als Freunde kommen werden.“
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@facs0174
[103] Berlin, 2. Juli.
Zur Vorbereitung der Wahl eines Bürgerwehr-Kommandanten fand heute die letzte vorberathende Versammlung statt. Es waren wieder mehrere vorgeschlagene Kandidaten anwesend, welche in längeren Reden ihr Glaubensbekenntniß und ihre Grundsätze darlegten. Hierauf folgten gewöhnlich Interpellationen, ganz nach Art der Wahl eines Volksvertreters. Herr v. Minutoli, der freiwillig abgegangene Polizeipräsident, scheint die meisten Aussichten zur Wahl zu haben. Das Volk ist gut, ehrlich und sittlich, sagte er, ich hatte Gelegenheit es kennen zu lernen, indem ich besonders die verhältnißmäßig kleine Zahl desselben ermittelte, die es nicht waren. Von oben herab habe man oft das Volk der Unsittlichkeit und Schlechtigkeit beschuldigt, aber er sei bereit das Gegentheil zu beweisen und nach diesen Grundsätzen wolle er auch als Bürgergeneral in vorkommenden Fällen als Vermittler aller Parteien handeln. Großer Beifall unterbrach mehrmals die Rede des Herrn v. Minutoli, der durchblicken ließ, daß das, was er als Polizeipräsident gegen die demokratischen Grundsätze that, ihm von oben befohlen war, und daß dies die Ursache seiner freiwilligen Abdankung gewesen. Uebrigens hat Herr von Minutoli die Annahme seiner Wahl davon abhängig gemacht, daß er mit großer Majorität gewählt werde, und daß das zu erwartende Gesetz über die Volksbewaffnung im wahrhaft freien Sinne erlassen würde, so daß er als General sich keinem andern Willen zu unterwerfen habe, als dem allgemeinen aus dem Organ der Bürgerwehr hervorgehenden.
Bei dieser Gelegenheit theilte Minutoli auch mit, daß er im höheren Auftrage mit einer auswärtigen Mission beauftragt, die nächsten vierzehn Tage hier nicht anwesend sein könne. Man erzählt hier, daß Herr v. Minutoli mit dem Abschluß des Friedens mit Dänemark beauftragt sei.
Die Kandidaten, welche neben Herrn v. Minutoli die meisten Aussichten zur Wahl des Bürgergenerals haben, sind: Held, Redakteur der Lokomotive und der jetzige interimistische Kommandant Rimpler. Die Wahl selbst ist eine direkte, bei der die ganze, über 30,000 Mann zählende Bürgerwehr ihre Stimmen abgibt.
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@facs0174
Hamburg, 29. Juni.
Ein englischer Kurier, der hier durchgekommen und auch hier Depeschen abgegeben zu haben scheint, hat nach Petersburg energische Vorstellungen gegen die Einmischung Rußlands in die schleswig-holsteinische Frage und gegen die weitere Bedrohung des Friedenszustandes durch die Einschiffnung der in Petersburg gerüstet stehenden Truppen auf die Flotte überbracht. Diese Flotte, gegen deren Absegeln die englische Note gerichtet ist, bildet die zweite Abtheilung der russischen Ostseeflotte; sie ist noch nicht in See, wenn gleich sie gerüstet wird. Die erste Abtheilung oder das Revalgeschwader, das bisher unter Reval kreuzte, ist 15 Segel stark, (6 Linienschiffe und 9 Fregatten) am 14. bei Ystadt gesehen worden.
[(D. A. Z.)]
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@facs0174
[*] Weimar, 30. Juni.
Auch in unserem Miniatur-Musterländchen beginnt die Reaktion bereits ihre in der ersten Furcht der Revolution gemachten Konzessionen unter beliebigen Vorwänden aufzuheben. Nach Berka hat man unlängst 400 Mann Soldaten gesendet, angeblich um dem Kriminalgericht bei Untersuchung früherer unbedeutender Exzesse mehr „Nachdruck“ zu verschaffen; in der That bewährte sich auch die Expedition als wirklicher Nachdruck, als ein Nachdruck der bekannten Mainzer und Mannheimer Entwaffnungsprozeduren. Die Bürger wurden bei Ankunft der Soldaten aufgefordert, ihre Waffen abzuliefern. Ein Theil leistete der Aufforderung Folge; die Schützenkompagnie aber weigerte sich dessen und zog sich nach dem Schießhaus zurück, wo sie von den Truppen umringt und eingeschlossen wurde. Als die Soldateska wirklich zur Beschießung sich anschickte, ergaben sich indeß die Schützen, um einem unnützen Blutvergießen vorzubeugen. In Tannroda und Thangelstedt rief die Nachricht von diesem Vorfall die wüthendste Erbitterung hervor und das Volk machte sich in großem Zug auf den Marsch, um den Bewohnern von Berka zu Hülfe zu ziehen. Unterwegs aber wurden sie in einem Wald von den Truppen umzingelt, und nach kurzem Widerstand überwältigt und ihrer Waffen beraubt. Tags darauf fand in den benachbarten Orten überall allgemeine Entwaffnung statt. ‒ Das sind die Errungenschaften der Revolution, die Errungenschaft des liberalen Ministers Wydenbrugk, von dessen Thätigkeit in Frankfurt man beiläufig hier nichts Anderes hört, als
‒ was ihm passirt,
Bei schönen Frauenzimmern.
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@facs0174
Ulm, 30. Juni.
Die Untersuchung, in Anwesenheit eines außerordentlichen Commissärs, nimmt einen raschen Verlauf; verhaftet wurden gegen dreißig Reiter des dritten Regiments. Auch der Polizeiobmann Stämpfle ist in's Criminalgefängniß gebracht worden. Die Soldaten der Wiblinger Besatzung haben in einer Zuschrift den Einwohnern Ulms ihr Bedauern und ihren Abscheu an dem Vorgefallenen ausgedrückt.
[(U. Kr.)]
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@facs0174
[*] Dresden, 29. Juni.
Die zweite Kammer hat nach zweitägiger Debatte den Antrag ihrer Kommission auf Annahme des Einkammersystems mit 42 gegen 31 Stimmen verworfen.
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@facs0174
Wien, 28. Juni.
Von den Reichstagswahlen in den Provinzen sind nun über ein Drittheil (139) angezeigt. Mißtrauen gegen den Adel, die Beamtenwelt und die Geistlichkeit hat sich in der großen Mehrzahl der Wahldistrikte deutlich ausgesprochen, und weder Personen dieser Klassen, noch Advokaten, Schriftsteller, Studenten etc., konnten sich eines Erfolges erfreuen. Die Abgeordneten bestehen in der Hauptsache aus kleineren Grundbesitzern und Bürgern. Tyrol macht hierin eine etwas bedeutendere Ausnahme. Die Wünsche des Volkes finden sich deutlich ausgesprochen, nämlich Aufhebung der drückenden Unterthansverhältnisse gegenüber dem adeligen Besitzthume, Beschränkung der Beamtenherrschaft und eine der Art geordnete Stellung der Geistlichkeit, daß ihr Beruf und Reich mehr von jener als von dieser Welt sei. Eine Ausnahme in letzterer Beziehung hat bei den mehrfachen Wahlen griechischer Geistlichen in Galizien stattgefunden, die mit dem Volke enger verwachsen sind. Auch Fabrikbesitzer befinden sich wenige unter den bisherigen Abgeordneten.
[(N. C.)]
Schweiz.
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@facs0174
Bern, 28. Juni.
Am 27. Juni wurde die Tagsatzung geschlossen, nachdem sie die Berathung der Bundesreform vollendet hatte. Bis zum 1. Sept. haben nun die Kantone über Annahme oder Verwerfung sich auszusprechen.
[(A. A. Z.)]
Italien.
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Edition: [Friedrich Engels: Italien. 5. Juli 1848. In: MEGA2 I/7. S. 260.]
[*] Turin, 26. Juni.
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[123] Rom, 22. Juni.
Es droht ein gewaltiger Sturm loszubrechen, eine jener Revolutionen, durch welche das Geschick eines Staates geändert wird. Jedermann weiß, wie tiefe Wurzeln hier der „Sonderbund“ hat, wie er sich stets zu seinen imfamen Plänen und Intriguen der Reactionäre und des unwissendsten Theils im Volke zu bedienen verstand. Die Vorfälle im Venetianischen haben der „Sonderbund-Partei“ neue Hoffnungen eingeflößt. Sie glaubt schon die Oestreicher vor den Thoren Roms zu erblicken, sie schnaubt bereits Wuth und Rache gegen die Liberalen (und die Rache der Pfaffen ist, wie bekannt, schrecklich). Pius IX. wird von diesen Leuten umgarnt; sie wirken darauf hin, daß er die Fortsetzung des Krieges, die Rüstungen etc. verhindere. Sie überreden ihn, er möge erklären, daß er von dem Unabhängigkeitskampfe nichts wissen wolle. Gestern rief der Pabst das im Quirinal auf der Wache befindliche 4te Bataillon der Bürchewache zu sich und erklärte ihm: er wolle keine weitere Theilnahme am Kriege; nur die Exaltirten wollten und führten ihn. Er werde einer deshalb etwa zu machenden Anleihe seine Zustimmung versagen etc. Genug, der Pabst ist bei schlechter Laune und das untere Volk wird gegen die Liberalen von den Anhängern des alten Systems auf jede Weise aufgehetzt. Allein die Bürger sind auf ihrer Hut und man wird uns nicht das Schicksal der Neapolitaner bereiten zu können. Der Pabst gab auch dem Präsidenten des hohen Raths (der ersten Kammer) sein Mißfallen über Annahme der Deputirtenbeschlüsse wegen Fortsetzung des Krieges in ziemlich herben Ausdrücken zu erkennen. Künftigen Montag soll ein Konsistorium gehalten werden und man ist wegen des Resultates in Spannung. Aus jenen Intriguen ist zu erklären, daß ein Mitglied der ersten Kammer vorschlug, die eben erst im Einverständnisse mit den Deputirten wegen des Kriegs gefaßten Beschlüsse wieder umzustoßen. Die Mehrzahl besaß aber doch zu viel Schaamgefühl, um darauf einzugehen. Der Präsident Muzarelli hat übrigens seine Entlassung eingereicht, wohl hauptsächlich wegen der oben erwähnten Anrede des Pabstes.
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@facs0174
[14] Rom, 22. Juni.
In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer war fast noch mehr Spannung und Andrang von Zuhörern, als an andern Tagen. Denn man erwartete die Vorschläge der Minister zu hören in Betreff der Fortsetzung des Krieges und der neuen Rüstungen. Es waren 57 Deputirte anwesend. Nach einer Interpellation an das Ministerium wegen einer angeblich von Venedig bei Frankreich nachgesuchten Hülfe und nach der Antwort des Ministers, daß Venedig vielmehr bei allen übrigen Staaten Italiens um Hülfe nachgesucht: besteigt der Kriegsminister die Tribune und legt der Kammer folgende Gesetzentwürfe vor: „Es sollen alle in den Provinzen vereinzelte Truppen, 4000 Mann an der Zahl, zusammengezogen und ihnen durch Anwerbung von Freiwilligen noch 3000 Mann hinzugefügt werden. Sie bilden dann mit den schon bereit stehenden 6000 M. ein Korps von 13,000 M., das sofort in's Feld rücken kann. Die Dienstzeit, für welche die Anwerbung geschieht, wird von 6 auf 3 Jahre vermindert. Nach Ablauf der in der Kapitulation bedungenen 3 Monate werden 24,000 M. verwendbar. Ferner müssen sofort 2 Batterien vollzählig gemacht, 6 neue Kanonen angeschafft, Gewehre und Munition angekauft werden. Es sind sodann fremde Offiziere zur Instruktion der Truppen herbeigerufen und mit einem Theil der in Venedig befindlichen Mannschaften Ravenna zu besetzen. Der zur Ausführung geforderte Kredit geht bis 4 Mill. Scudi. Die Kammer theilt sich in 5 Sektionen, überweist obige Gesetzvorschläge an eine derselben und vertagt sich.
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@facs0174
[*] Neapel, 21. Juni.
Die Wahl der Deputirten ist da, wo man überhaupt eine solche vorgenommen, auf die vorigen Deputirten gefallen. Daß die letzteren nicht so thöricht sein werden, unter den jetzigen Umständen hieher zu kommen und sich unnützer Weise Preis zu geben, versteht sich von selbst. Der „Bombardirer“ hat bereits erklärt, daß er solche Deputirte nie zulassen werde. Man sagt, es werde ein neuer Staatsstreich vorbereitet. Ferdinand will wahrscheinlich nochmals „auch eine Demonstration“ machen. St. Elmo und die übrigen Forts um Neapel werden täglich fester, angriffs- und vertheidigungsfähiger gemacht. Im Fort St. Elmo sind dieser Tage mehrere Batterien auf der Nordseite angebracht worden, wo es am schwächsten war, und auf den andern Seiten ist der Vorrath an Bomben, Brandraketen etc. ungeheuer vermehrt worden, damit Ferdinand seinen „geliebten Neapolitanern“ seine „väterliche“ Zuneigung darthun könne. Gleiche Vorbereitungen in den Forts zu Posilippo, Bagnoli und Pozzuoli. Ueber die Ereignisse in Calabrien deckt die Regierung einen dichten Schleier. Trotzdem weiß man, daß der 19. Juni von den Calabresen und Sizilianern zum Angriff gegen Nunziante bestimmt war. Der General Busacca ist mit seiner Kolonne von den Cilentinern und Cosentinern unter Carducci's Anführung vollständig geschlagen worden. Jetzt kann ich Ihnen erst einen genauen authentischen Aufschluß über die Verluste am 15. Mai geben. Die Truppen verloren 1354 Todte, darunter 891 Schweizer. Die Zahl der nach den verschiedenen Militär-Spitälern gebrachten Verwundeten, von denen seitdem Viele gestorben sind, belief sich auf 1207 Personen. Der hiesige Klerus ist fortwährend den Liberalen feindlich; aber nirgends sind auch die Priester unwissender, als hier. Ein guter Theil der verjagten Jesuiten sind von Malta wieder nach Neapel gekommen und wirken im Geheimen für den theuern Ferdinand. Man versichert, daß der berüchtigte Pater Cocle mit seinem Beichtkinde in fortwährender Korrespondenz ist und das „unschuldige“ Gewissen desselben leitet. Endlich muß ich des Gerüchts erwähnen, wonach der bekannte Merenda eine scheinbare republikanische Demonstration mittelst 3 bis 400 bezahlter und als vornehme Bürger gekleideter Lazzaroni's organisirt hat, welche zwischen dem 24. bis 30. [0175] d. stattfinden soll. Man sucht dadurch einen Vorwand, um den Truppen abermals die Stadt zur Plünderung zu überlassen.
N. S. Eine aus Calabrien angelangte Estaffette meldet, daß Runziante bei Montollone vollständig geschlagen worden ist.
Französische Republik.
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@facs0175
[16] Paris, 2. Juli.
Die Haussuchungen dauern fort. Im Quartier des Luxemburg zählte man am gestrigen Tage allein zwölf. Man visitirte Küche, Abtritt, Betten, Schränke, Koffer. Ein Detaschement von 20 Infanteristen mit zwei modernen Polizeisergeanten (Wächter von Paris) und einem Gendarm postiren vor den Hausthüren neben einem Handwagen und Stunde nach Stunde rollt er schwerbelastet weiter.
Verhaftungen sind an der Tagesordnung; in der Rue Notredame de Nazareth ist buchstäblich die Hälfte eines Hauses arretirt, vom Portier ab (der ein blindes Mädchen und eine kranke Frau hinterläßt, die von dem Hauptmiether des Hauses fortgejagt wird) durch alle vier Etagen bis zu den Dachstübchen. In den Faubourgs stehen kleinere Häuser ganz leer; auch Frauen müssen oft mit. ‒ Auf der Straße halten die Nationalgarden in Uniform Wache bei ihren Almosenkisten, worauf: „für die armen Verwundeten“ geschrieben ist; ich habe aber unendlich viel weniger Personen spenden gesehen, als im Februar. Oft hält die Wache Omnibus und Privatwagen an und bittet um Beiträge. ‒ Die frechen Lügen des „Corsaire“ fangen an in's Possierliche umzuschlagen: „in den Taschen der zum St. Louishospital gebrachten „Insurgenten habe man 150,000 Fr. entdeckt, und eine Kugel „sei ausgeschnitten worden, die in einem besondern Apparat Blau-„säure enthalte,“ wobei er die Kühnheit hat, den Namen des Arztes zu nennen. Wenn dies auch gerade nicht zum Todschießen war, so ist es wenigstens zum Todlachen. Glaublich dagegen ist die Anekdote von dem zerlumpten Gefangenen, der eine ziemliche Summe in der Blouse genäht trug und auf Befragen spöttisch antwortete: „damit wollte ich meinen Schneider bezahlen, ihr Herren Bourgeois.“ ‒ Erzbischof Affre ist durch die Kugel eines Mobilen getödtet worden. Bekanntlich trugen ihn die St. Antoiner sogleich über die Barrikadenmauer, während das Gefecht plötzlich, man weiß nicht weßhalb, mit ungeheurer Hitze entbrannte und pflegten ihn auf's Beste; Aerzte und ein Pfarrer des Faubourg sind als Zeugen vorhanden. Der begleitende Vikar des Erzbischofs bekam mehrere Kugeln in die Sutane, und sein Dienstbote eine in den Fuß; wie denn überhaupt auf dem Bastillenplatz diese Ordnungsvertheidiger, vorher und nachher, mehrmals trotz Waffenstillständen eingestandenermaßen gefeuert haben.
Die Julisäule hat keinen Schaden erlitten, obschon die Achtzehnpfünder und die Haubitzen mit glühenden Kugeln rüstig auf die drei Eckhäuser am Kanal, an der Rue Charonne und an der Rue St. Antoine losdonnerten. Ein Repräsentant hatte die Ehre, die rothe Fahne von der Säule herunterzureißen.
Ich hatte Gelegenheit, zwei französische junge Damen zu sprechen, die, obschon dem Aufstand von ganzer Seele feind, dennoch über die anständige, fast chevalereske Weise der Insurgenten nicht Lob genug spenden konnten. Ein seltsamer Zufall hatte gewollt, daß sie am Samstag einen Haupttheil des insurgirten Paris zu Fuß zweimal durchwandern mußten. Bei einigen Dutzend Barrikaden angelangt, rief man ihnen zu, sie sollten sich bücken und die Kugeln sausten vorbei; danach halfen ihnen die Ouoriers hinüberklettern. Kein arges Wort, geschweige denn eine unziemliche Geberde; „laßt die Damen vorbei“ schrie man sich zu, „gebt ihnen den Arm, wenn sie es wünschen,“ oder: „zeigt ihnen den besten Weg.“ Bourgeoisfrauen wollen freilich dergleichen Thatsachen nicht glauben; la blouse c'est une brute (die Blouse ist ein Vieh) sagte mir gestern ein junges Mädchen, vor deren Fenster ein müder Barrikadenmann umfiel. Die Umstände der Ermordung des Generals Bréa und seines Adjudanten sind, so scheint es, jetzt am Tage; es herrschte auf der Barrikade an der Barriere Fontainebleau keine Disziplin, und während ein Weib den Ge neral mit ihrem Körper zu decken suchte und der Chef der Barrikade wüthend die Ungehorsamen zurecht wies, schoß ein junger Bursche von der Seite mit den Worten: „wartet, ich will unsern Herrn Chef ein Bischen ärgern“ dem Adjudanten ins Gesicht, hierauf riß man den Gefangenen die Epauletten ab und tödtete beide. Die Thäter sind eingezogen; man hat die Epauletten und Degen in einem Hofraum verscharrt gefunden. Das ist ein ausnahmsweises Faktum.
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@facs0175
Paris, 2. Juli.
Das Gesetz über die Wahl der Bürgermeister und ihrer Adjunkten bestimmt im Prinzip, daß diese Wahlen von der Regierung unabhängig sind und nur von dem Munizipalrath ausgehn, unter der Bedingung, daß er aus seinem eignen Schooße wählt. Aber im ersten Paragraphen das Prinzip und in den folgenden die Anwendung des Prinzips. Sprechen und thun sind zweierlei und ihr Unterschied findet geräumigen Platz in den Paragraphen eines und desselben Gesetzes. Das Prinzip ist schon bornirt genug, indem es die Stadtwahlen zum Privilegium einer Korporation macht und wer kennt nicht den Geist der Korporationen! Aber die Anwendung zeigt erst die Falle des engen Prinzips. Die Anwendung, wie die Nationalversammlung vom 1. Juli sie dekretirt hat, verläuft sich dahin, daß die exekutive Gewalt die Bürgermeister und ihre Adjunkten ernennt. Das ist die Regel, die den ersten Paragraphen des Gesetzes nach die Ausnahme bilden mußte. Das Prinzip dagegen bildet in der Praxis die Ausnahme und zwar so, daß der Munizipalrath den Bürgermeister und seine Adjunkten ernennt nur in folgenden Fällen: 1) In den Kommunen, die weder Hauptkreis- noch Hauptdepartementssitze sind, 2) in denen, deren Bevölkerung nicht 6000 Seelen beträgt. Das heißt in andern Worten die Wahl der Bürgermeister und ihrer Adjunkten hängt überall von dem Belieben der Regierung ab, mit Ausnahme der Orte, deren städtische Verwaltung der Regierung gleichgültig, wo sie also den respektiven Stadträthen die Einbildung kühn überlassen kann, ihre Stimmen in die Wagschaale der Schicksale der französischen Republik zu werfen. Aber im Abgrund des Brunnens, sagt Democrit, liegt die Wahrheit. Und die Wahrheit, die im Abgrund dieses Gesetzes liegt, ist die, daß die Partei Thiers Hrn. Marrast von seiner Stelle als Maire von Paris beseitigen wird, sobald Einfälle von Selbstständigkeit den Ritter von der „Phrase“, den „Gentilhomme vom Tricolor“, den „Ceremonienmeister der Republik“ lästig machen würden.
‒ Heute, Sonntag, weder Börse noch Nationalversammlung.
Die Nationalversammlung hat am Schluß ihrer gestrigen Sitzung endlich entschieden: daß die Bürgermeister (Maires) und ihre Gehülfen (Adjoints) in allen Städten über 6000 Seelen von der Regierung gewählt werden sollen. Nur die Gemeinderäthe von Flecken unter dieser Seelenzahl können sich ihre Bürgermeister oder Schulzen selbstwählen.
‒ Der Moniteur bringt die Ernennung des Generals Cavaignac, bisherigen Gouverneur von Algerien, zum Oberbefehlshaber der Bürgerwehr des Seinedepartements. Cavaignac hat die Tuilerien bereits bezogen.
‒ Die Junirevolution kostete folgende Generäle: 1) Negrier, 2) Brea, 3) François, 4) Reynaud, 5) Bourgon. Verwundet liegen noch darnieder: 1) Korte, 2) Damesme, 3) Duvivier, 4) Foucher, 5) Bedeau, 6) Lafontaine, 7) der sogenannte Bürgergeneral Clement Thomas. General Lamoricière wurde nicht getroffen, aber zwei Pferde wurden unter ihm erschossen.
‒ Cavaignac will unter Foucher's Oberbefehl bei Versailles ein Lager von 30,000 Mann errichten.
‒ Thoré zeigt in der Reforme an, daß seine Vraie Republique fort erscheint, sobald der Belagerungsstand gehoben ist.
‒ Proudhon's Blatt „le Représentant“ erklärt den sozialistischen Auswanderungsversuch Pierre Leroux's, Lagrange's und Proudhon's als die Erfindung eines müßigen Redakteurs der ehemaligen Epoque, der jetzt per Zeile bezahlt wird.
‒ Goudchaux's erste Handlung als Finanzminister war gegen die Idee der Eisenbahn-Expropriation gerichtet. Zum nicht geringen Erstaunen eines großen Theils der Nationalversammlung ist das Duclerc'sche Projekt, das morgen zur Diskussion kommen sollte, von der Tagesordnung wie durch Zauber verschwunden.
‒ Carnot, Minister des Unterrichts, hat der National-Versammlung den Plan vorgelegt, nach welchem das Volksschulwesen in Frankreich geschaffen oder umgeschaffen werden soll. Demselben liegt das ABC-Reglement der preußischen Monarchie zum Grunde. Die Kinder der armen Leute sollen, statt auf's Feld oder in die Fabrik, künftig in die Schule geschickt werden, wo man sie lesen, schreiben, etwas rechnen und vielleicht einige Bocksprünge lehren wird. Für diese Lappalie verlangt der Herr Minister jährlich die Bagatelle von 47,420,350 Franken. Das heißt man die glorreichen Versprechungen der Februar-Revolution erfüllen.
Großbritannien.
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@typejArticle
@facs0175
London, 2. Juni.
Schluß des Berichtes des Hrn. George Julian Harney, Redakteur des „Northern Star“ an die „Neue Rheinische Zeitung“.
Die Mittelklasse sehnte sich nach Reformen. Es war, als ob ihr gleichzeitig einfiele, daß der Bewegung der alten Radikalen doch etwas Wahres zum Grunde liege und wenn sie sich bisher gefürchtet hatte, Hand in Hand mit der revolutionären Masse zu gehen, so suchte sie sich jetzt an die Spitze derselben zu stellen. Vergebens bemühte sich Hr. Hunt, seine Gewalt auf die Menge geltend zu machen; ein neues Geschlecht war inzwischen emporgewachsen und er hatte nicht mehr jenen Einfluß auf die Söhne, den er einst auf die Väter gehabt hatte. Mogte er noch so energisch den Ruf für Allgemeine Wahl erheben ‒ die ganze „liberale“ Presse heulte ihn zu Boden und irregeleitet von einer Menge glattzüngiger „Redner“, die plötzlich auf der politischen Bühne erschienen, stimmte bald der ganze große Haufen der Arbeiter den Schrei für die Russell'sche Reform-Bill an, „für die Bill, die ganze Bill und für nichts als die Bill.“
Man bekam diese nur die Mittelklasse begünstigende Bill. In der That aber auch nichts weiteres an Reformen. Wohl aber manches an Grausamkeit und Tyrannei. Sobald sie zur Herrschaft gekommen war, änderte die Mittelklasse ihren Ton, ihr ganzes Benehmen. Unwillig stieß sie die Leiter zurück auf der sie emporgestiegen war, indem das erste unter der Reform-Bill gewählte Parlament Zwangsmaßregeln gegen Irland und Strafgesetze für die Armuth englischer Arbeiter passiren ließ. Außerdem denunzirte man die politischen Verbindungen der Proletarier und wandte Alles an um die sogenannten Trades-Unions, die Vereine der verschiedenen Gewerke, zu unterdrücken. Rathlos stand das Volk da. Burdett war zu den Tory's übergegangen, Cobbett starb und auch Hunt ging endlich den Weg alles Irdischen.
Eine starke Agitation gegen das neue Armengesetz, in der sich namentlich Richard Oastler, der Vertheidiger der Fabrikkinder, auszeichnete, veranlaßte zunächst ein abermaliges Erheben der Massen. An ihrer Spitze sehen wir jetzt zuerst den Irländer Feargus O'Connor. In der Grafschaft Cork hatte man ihn für das „Reform“-Parlament gewählt; da er indeß nicht die nöthige Summe des Einkommens hatte, so mußte er auf seinen Sitz verzichten und warf sich nun in die Bewegung der Arbeiter, indem er nicht nur gegen das neue Armengesetz agitirte, sondern auch als Nachfolger Hunt's für die Sache der radikalen Reform auftrat.
Die große Energie, welche er bei der Vertheidigung der wegen politischer Umtriebe angeklagten Dorchester-Arbeiter und der Glasgow-Baumwollspinner entwickelte, machte ihn bei der arbeitenden Klasse schnell bekannt und verschaffte ihm viele Anhänger. Sein Einfluß erlangte indeß erst ein entscheidendes Gewicht, als er im November 1837 den „Northern Star“ gründete, jenes Journal, welches nun schon seit mehr als zehn Jahren die Demokratie und die sozialen und politischen Rechte des Volkes vertheidigt hat. Der „Northern Star“ erschien zuerst in Leeds, dem Hauptorte der Grafschaft Yorkshire. Im November 1844 verlegte man das Blatt nach London. Freunde und Feinde erkennen es als das Organ der Chartistenbewegung an; sein Einfluß auf die arbeitende Klasse ist enorm.
Die Partei der Chartisten, welche hinfort eine so bedeutende Rolle in der englischen Geschichte spielt, erhielt ihren Namen von der „Charter“, von jenem Dokument, welches im Mai 1838 von einem Comité von sechs Männern der Arbeiter-Association und von eben so viel Parlamentsmitgliedern entworfen wurde.
Unter letztern war auch Daniel O'Connell, jener unsterbliche „Humbug,“ jener größeste aller politischen Schwindler. Dieser Aufschneider unterschrieb die Charte mit dem Bemerken, daß sich Jeder dafür erklären werde, Schurken ausgenommen, die dabei interessirt wären ein schlechtes Staatssystem aufrecht zu erhalten und Narren, auf die weder Thatsachen noch Argumente Eindruck machen könnten. Wenige Monate nachher denunzirte indeß dieser Schuft die Chartisten und bot den Whigs „fünfmalhundertausend Tipperary Jungens“ an, um damit der chartistischen Bewegung ein Ende zu machen.
Bis zu seinem letzten Lebenstage verläumdete der unselige Mann die Chartisten in der niederträchtigsten Weise und rühmte sich sogar noch bei Gelegenheit der durch das Ministerium Peel gegen ihn erhobenen Untersuchung, mit der Heldenthat, sein meistes und bestes gethan zu haben, um die Unternehmungen der Chartisten zu vereiteln. Er gab dies als Beweis seiner Loyalität gegenüber dem britischen Gouvernement an! War er nicht ein unvergleichlicher Schuft? Und dennoch verehrten ihn zehn Tausende von Narren in seinem eigenen Lande. Befriedigend ist es indeß, wenn man bedenkt, daß er seine Popularität überlebte. Seiner betrogenen Schafe waren freilich zuletzt noch viele; gering war aber ihre Zahl in Vergleich mit der ersten Masse seiner Partei. Der alte Heuchler starb gerade zu rechter Zeit; hätte er ein wenig damit gewartet, so würde er es selbst noch mit erlebt haben, wie seine Macht gebrochen, seine Partei auseinandergejagt und seine Popularität so bald erloschen war.
Die Charte vereinigte nur in parlamentarischer Form, was Fox, Grey, Erskine, Macintosh, Cartwright, Burdett, Hunt und andere so viele Jahre lang als die Prinzipien der Radikalreform vertheidigt hatten. Ihr Hauptpunkt ist die allgemeine Wahl, oder die Ausdehnung des Wahlrechtes auf einen Jeden, der 21 Jahre und darüber alt ist, Verbrecher und Verrückte ausgenommen. Ferner: Das Votiren durch Ballotage, oder geheimes Abstimmen. Drittens: Jährliche Parlamente oder jährliche Wahl der Volks-Repräsentanten. Viertens: Keine Eigenthumsqualifikation oder Zulassung aller für das Unterhaus durch die Majorität bestimmten Mitglieder, unabhängig von irgend einer Restriktion, wie sie jetzt besteht, wo Jeder (wirklich oder nur nominell) ein reines, durch Landbesitz vertretenes Einkommen von jährlich 300 Pfd. haben muß, wenn er einen Flecken, oder 500 Pfd., wenn er eine Grafschaft vertritt. Fünftens: Bezahlung der Parlamentsmitglieder, damit Unbemittelte die Wahl anzunehmen im Stande sind. Sechstens endlich: Gleiche Wahldistrikte, um der Ungleichheit des jetzigen Repräsentativsystems ein Ende zu machen, welches manchen Distrikten mit nicht mehr als 2 bis 300 Wählern erlaubt, dieselbe Anzahl Mitglieder ins Parlament zu senden, wie andern Gegenden welche mehrere Tausend Wähler zählen.
Dies, mit den nöthigen Details, ist die Charte. Es wird hinreichen um zu zeigen, was Chartismus ist.
Im Herbst 1838 wurde bei einem immensen Meeting in Birmingham eine „National-Petition“ in Betreff der sechs Punkte der Charter angenommen. Andre Versammlungen folgten in London und in den Manufaktur-Distrikten Englands und Schottlands, welche zunächst „einen Konvent von Abgeordneten der arbeitenden Klasse“ zum Resultat hatten, der in London im Februar 1839 zusammentrat und außer der Leitung der Agitation auch die Ueberreichung der von einer und einer viertel Million Unterschriften bedeckten Petition übernahm. Der „Konvent“ war aus weit mehr zweifelhaften als ehrlichen Leuten zusammengesetzt; aus Leuten, die ein gutes Geschäft mit ihrer Popularität zu machen und nur von den Fonds der Verbindung zu leben suchten. Die Frage, ob man „moralische“ oder „physische Gewalt“ zur Durchsetzung der verschiedenen Pläne anwenden solle, verursachte stürmische Debatten. Die Agitation nahm ihren Fortgang, und den ganzen Sommer hindurch herrschte die größeste Aufregung im ganzen Lande. In Birmingham und an mehreren andern Orten fanden Emeuten statt, bei denen eine Menge Agitatoren verhaftet wurden. Der Konvent lößte sich indeß auf, und nur in Newport in Wales kam es unter Anführung John Frost's zum Treffen. Mehrere Chartisten wurden dabei erschossen; da der ganze Aufstand aber sehr schlecht vorbereitet war, so blieb er ohne entscheidenden Erfolg. Außer Frost wurden auch noch Williams und Jones als Haupträdelsführer verhaftet und zum Tode verurtheilt, später indeß in so weit begnadigt, als man die Todesstrafe in lebenslängliche Verbannung nach van Diemeus Land verwandelte. Obgleich man an andern Orten mehrere Emeuten im Entstehen erstickte, so fuhr man doch mit Verhaftungen fort, und verurtheilte auch Feargus O'Connor wegen einiger Artikel des „Northern Star,“ zu 18 Monat Gefängniß in York Castle, von denen er 16 Monate absitzen mußte.
So verfolgt und gequält von den Whigs, hießen die Chartisten die endlich herankommenden Wahlen von 1841 auf's freudigste willkommen, indem sie sich überall zusammenrotteten und die Whigs zu strafen, den Tories so sehr in ihrem Kampfe halfen, daß erstere das Feld räumen mußten und Sir Robert Peel siegreich auf den Schild erhoben wurde. Unter seiner Verwaltung hatte 1842 jener große „Turn-out“, jene Arbeitseinstellung der Fabrikproletarier, statt, welche für einen Augenblick alle gesellschaftlichen Einrichtungen Englands wahrhaft mit dem Untergang bedrohte; die Chartisten hatten diese Revolte nicht hervorgerufen; ‒ sie wurden aber verantwortlich dafür gemacht, indem man neun und fünfzig ihrer Führer arretirte; darunter O'Connor, William Hill, Dr. M'. Donall, Leach, Beesley, West u. s. w.; ich selbst gehörte ebenfalls zu den Verhafteten. Die Vertheidigung der Gefangenen schadete indeß den Verfolgern so sehr, daß auf das Verdikt gegen die Chartisten nie eine Strafe folgte.
Auf's Neue aufgehalten, nahm die Agitation nichts destoweniger ihren Fortgang, und im Frühjahr 1842 brachte man abermals eine Petition in Betreff der Charter vor das Unterhaus, einen Akt mit drei Millionen Unterschriften. Natürlich wurde er wieder voll Verachtung entgegengenommen. Eine Verbindung der Whigs mit den betrogenen Protektionisten brachte dann Sir Robert Peel zum Sturz, und die Whigs von Neuem in's Amt. Sie versprachen, gemäßigte aber fortschreitende Reformer zu sein, und heuchelten große Sympathieen für Irland, indem sie jeden Versuch, dieses unglückliche Land durch Zwangsmaßregeln zu regieren, für falsch und infam erklärten. ‒ ‒ Jedermann weiß, was sie seitdem gethan haben!
In Juli-August 1847 geschahen die letzten großen Wahlen, die ein Parlament aus Whigs, Protektionisten, heuchlerischen Radikalen und andern bis zu einem gewissen Punkte ehrlichen und entschiedenen Leuten, welche wohl die Prinzipien der Charter, aber nicht ihren Namen adoptiren, und jener von den Chartisten verabscheuten Partei der Freihandelsmänner dienstbar sind, zum Resultate hatten. Einige Ultra-Chartisten traten ebenfalls bei dieser Gelegenheit als Kandidaten auf; unter ihnen Feargus O'Connor in Nottingham, Philipp M' Grath in Derby, Ernest Jones in Halifax, Thomas Clark in Sheffield, John West in Stockport, Samuel Kydd in Greenwich, John M' Crae in Greenock, ich selbst in Tiverton.
Feargus O'Connor siegte vollkommen und wurde gewählt, indem er seine beiden Konkurrenten, Sir John Cam Hobhouse, ein reiches Mitglied des Whig-Ministeriums und Gisborne, einen Whig von vielem lokalen Einfluß aus dem Felde schlug. Dies war ein wahrer Triumph für die Chartisten. Andere, wie Jones, Clark, Mc. Grath, obgleich sie bei der offiziellen Abstimmung durchfielen, hatten nichtsdestoweniger eine große Anzahl Votirender für sich. Ich selbst, indem ich Lord Palmerston zum Kampfe herausforderte, that es mit keiner Hoffnung auf Erfolg, sondern blos, um einmal die Heucheleien der Whigs an's Licht heraufzuzerren. Alle chartistischen Kandidaten wurden indeß bei der, dem offiziellen Votiren vorhergehenden Abstimmung, durch Aufheben der Hände gewählt, was den deutlichsten Beweis giebt, welches Resultat erfolgt sein würde, wenn alle Erwachsenen auch das Recht der offiziellen Abstimmung ausüben dürften.
Schließen wir hiermit. Ich habe versucht, Ihnen mit wenigen Strichen das Bild von wenigstens sechszig, achtzig Jahren zu zeichnen. Was Wunder, wenn da meine Darstellung hin und wieder nicht klar und verständlich genug ist! Ich suchte Ihnen jene Bewegung zu schildern, die in den letzten Dezennien des vorigen Jahrhunderts ihren Anfang nimmt, und sich unaufhaltsam fortentwickelt hat bis zur heutigen Stunde. Hob ich nur das politische Moment derselben hervor, so geschah es einzig und allein, weil es unmöglich ist, in so wenigen Worten eine Kette von Ereignissen auch nach der interessanteren, nach der sozialen Seite hin zu beleuchten. Wie jede politische Bewegung, so entwickelte sich auch die englische zu gleicher Zeit mit einer totalen Umgestaltung der meisten gesellschaftlichen Zustände. Das Aufhören der alten Gilden vernichtet das Verhältniß, indem der ganze Handwerkerstand mit Meistern und Gesellen bisher der Gesellschaft gegenüberstand. Ein patriarchalisches Zusammenwirken ändert sich zu einem feindlichen Gegenüberstehen der Arbeitgebenden und der Arbeiter, und zu einem Konkurriren der Arbeiter untereinander. Eine entschiedenere Umwälzung bringen indeß die großen Erfindungen der achtziger Jahre mit sich.
Der Anfang der modernen Industrie ist ein Schlag, der tausend Verhältnisse über den Haufen wirft. Massen von Menschen, die bisher handarbeitend eine große Strecke Landes und einzelne zerstreut bewohnten, werden aus ihren Schlupfwinkeln emporgejagt, um zusammengedrängt in neuen, wie im Fluge entstandenen Städten, die Sklaven derselben Maschine zu werden, welche sie im Kampfe der Konkurrenz zu Boden rang. Zu dem Lumpenproletariate, mit dem sich England seit den Zeiten der Elisabeth durch eine jährliche Armentaxe abzufinden suchte, gesellt sich das industrielle Proletariat, dessen Werth mit dem Werthe der Fabrikate von der Nachfrage und Zufuhr abhängt, und hin- und hergewürfelt von allen Konsequenzen der industriellen Entwicklung, bald jene kolossale revolutionäre Masse bildet, welche sich endlich erhebt um auf dem Wege politischer Umwälzungen eine Besserung ihrer sozialen Lage durchzusetzen.
Abwechselnd unter dem Einfluß der radikalen Aristokratie und [0176] der liberalen Bourgeoisie, sehen wir diese anfangs unbewußte Masse nach vielen Täuschungen, nach vielen Niederlagen allmählig in der Bewegung der Chartisten zur klaren Erkenntniß seiner Stellung kommen und jede Führung seiner liberalen Betrüger abschüttelnd, der eignen Kraft vertrauen, der eignen unwiderstehlichen Gewalt. Mit jedem Siege, den die Bourgeoisie über die alte Aristokratie des Landes davonträgt, siegt auch die Masse der Arbeiter, indem sie sich abgesonderter und kompakter der siegenden Mittelklasse gegenüber stellt. Mit jedem Augenblicke wird der Kampf der Zukunft einfacher und faßlicher. Drohend stehen zuletzt die Repräsentanten des Kapitals und die Söhne der Arbeit einander gegenüber.
Doch genug. In meinem nächsten Artikel werde ich Ihnen die Lage der Bewegung seit der Revolution von 1848 zu schildern suchen.
‒ Die Engländer, die mit ihrem Armenwesen, mit der Emanzipation der Sklaven u. s. w. so viele Experimente für andere Leute gemacht haben, scheinen sich darneben zu freuen, daß jetzt auch einmal die Reihe an andere Nationen gekommen ist. Aus einem längern Artikel der Times über die französischen Ereignisse geht dies ziemlich deutlich hervor. „Es scheint unsern Nachbarn, den Franzosen, kaum eingefallen zu sein,“ sagt die Times, „daß es ein ziemlich schwieriges und sehr kostspieliges Unternehmen ist, viele Tausende von Personen mit Weibern und Kindern nach den Antipoden transportiren und auf unbebauten Inseln versorgen zu wollen. Wir sind wirklich neugierig, die Mittel nennen zu hören, mit denen man eine so massenhafte Verbannung zu betreiben gedenkt.“ Es ist möglich, daß die Times mit ihren leisen Zweifeln recht hat. Das englische Gouvernement sah sich bisher noch nicht im Stande, die Besorgung der Emigration übernehmen zu können. Wir müssen abwarten, in wie weit es der honetten Republik mit ihren blühenden Finanzen möglich ist, das Experiment durchzuführen.
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An das deutsche Volk.
Endlich ist die provisorische Centralgewalt für das gesammte Deutschland durch die Nationalversammlung zu Frankfurt geschaffen. Aber mit Schmerz müssen wir es bekennen: das von der Nationalversammlung gegebene Gesetz, welches die Centralgewalt in's Leben rief, befriedigt nicht unsere Erwartungen, befriedigt nicht die Erwartungen, welche das deutsche Volk mit Recht sich davon versprochen hatte. Vielmehr sind dadurch fast alle Errungenschaften der jüngsten großartigen Erhebung des deutschen Volkes in Frage gestellt, und die alte verwerfliche Politik scheint, nur unter anderem Namen, in unserem Vaterlande wieder Platz greifen zu wollen. Durch dieses Gesetz ist ein Reichsverweser ernannt ‒ über vier Fünftheile der Versammlung wählten dazu einen deutschen Fürsten, den Erzherzog Johann von Oestreich ‒ und dieser Reichsverweser ist unverantwortlich, ja, er ist nicht einmal verpflichtet, die Beschlüsse der Nationalversammlung zu verkündigen und zu vollziehen; dagegen ist er gehalten, über Alles, was er thut, sich vorher mit den Bevollmächtigten der deutschen Regierungen in Einvernehmen zu setzen! ‒ Deutsches Volk! Als du deine Vertreter zu der konstituirenden Versammlung hierher sandtest, der du die höchste Gewalt, die Souveränität des Volkes, anvertrautest, da war es dein Wille, daß von uns Beschlüsse gefaßt und Einrichtungen getroffen würden, welche unsere höchsten Güter, die Freiheit und die Einheit sicher stellten, welche uns, dieser zerstückelten, zerrissenen und zertretenen Nation, einen einigen, freien, selbstbewußten Gesammtstaat bildeten und auf den Trümmern eines unheilvollen, freiheitsmörderischen Systems ein neues, glanzvolles Gebäude der Volksfreiheit errichteten. Die Versammlung selber hat bei mehreren Gelegenheiten die einzige Quelle ihrer Gewalt, die Volkssouveränität, entschieden ausgesprochen. Nur dadurch war es möglich, daß aus dem Verfassungswerke etwas Großes und Befriedigendes würde. Aber durch das neue Gesetz über die Centralgewalt ist dieser Grundsatz erschüttert, unsere ganze politische Zukunft ist dadurch in Frage gestellt.
Die Versammlung hat ein unverantwortliches Oberhaupt für Deutschland erwählt. Hierdurch hat sie sich des Rechtes entäußert, welches das Volk ihr anvertraut: sie hat die Volkssouveränität preis gegeben; sie hat sich einen Herrn gesetzt welcher nicht unmittelbar aus dem Volke seine Gewalt herleitet, sondern welcher, wie das bisherige Fürstenthum, außer dem Volke steht.
Dies erhält erst sein Gewicht durch die zweite Bestimmung, daß der Reichsverweser nicht verpflichtet ist, die Beschlüsse der Nationalversammlung zu verkündigen und zu vollziehen. Er ist dadurch gesetzlich unabhängig von der Nationalversammlung, und lediglich von seinem Willen hängt es ab, ob er die Beschlüsse derselben vollziehen will oder nicht. Also der Wille der Nation, welcher in der Versammlung repräsentirt sein soll, ist nicht geachtet: er soll kein Organ haben. Dagegen soll sich der Reichsverweser bei seinen Handlungen mit den Bevollmächtigten der deutschen Regierungen in Einklang setzen! Was heißt dies anders, als daß das von der Nation verworfene System der Zersplitterung wieder ins Leben gerufen werde? Denn diese Repräsentanten der Regierungen sind doch nichts weiter, als der alte Bundestag, der zwar ausdrücklich aufgehoben wurde, aber neu, blos unter anderm Namen dennoch fortbesteht? Also noch einmal soll sich das alte Spiel erneuern? noch einmal das Volk um seine Hoffnungen betrogen werden? noch einmal soll die Zersplitterung und arglistige Fürstenpolitik siegen über die Einheit und Freiheit des deutschen Volkes?!
Dieses Spiel konnte man bereits bei der Wahl des Reichsverwesers durchschauen. Der Bundestag hat offen erklärt, daß schon vor Schluß der Berathung über die schwebende Frage die einzelnen deutschen Regierungen ihre Zustimmung zu der getroffenen Wahl gegeben hätten! Gewinnt es nicht dadurch den Anschein, als ob die ganze Berathung und Entscheidung im Schooße der Nationalversammlung nur ein leeres Spiel gewesen, indem vorher die Diplomaten bereits Alles mit einander ausgemacht, und darnach die Fäden gesponnen hatten? Wahrlich, in diesem Falle müssen die Männer, welche dabei ehrlich verfuhren, sich schamroth gestehen, daß sie abermals mißbraucht worden sind, um statt der Freiheit dem Interesse der Dynastieen zu dienen!
Die Minderheit hat in dem Kampfe um die Centralgewalt Alles aufgeboten, um dem Volke seine Rechte zu bewahren. Aber sie ist erlegen vor der Mehrheit. Nachdem sie nun aber in diesem ungleichen Kampfe vor dem numerischen Uebergewichte hatte weichen müssen, hielt sie es für ihre Pflicht, gegen das ganze Gesetz über die Centralgewalt zu stimmen, und ein Theil der Minderheit ‒ 25 an der Zahl ‒ konnte es auch nicht über sich bringen, an der Wahl eines unverantwortlichen Reichsverwesers Theil zu nehmen, der nicht einmal die Verpflichtung hat, die Beschlüsse der Nationalversammlung zu vollziehen. Sie hat sich daher der Wahl enthalten, und dadurch, so weit in ihren Kräften stand, die Rechte des Volkes zu wahren gesucht. Dies hält die radikal-demokratische Partei der National-Versammlung für ihre Pflicht, zur Kunde des deutschen Volkes zu bringen. Einmal, um vor demselben ihre Handlungsweise zu erklären und zu rechtfertigen, und dann um das Volk über den Stand der Dinge zu unterrichten. Wie gesagt, Angesichts der deutschen Nation und ihrer Rechte, welche zu wahren ihre Aufgabe ist, konnte sich die Minderheit nicht entschließen, dem Gesetze über die Centralgewalt ihre Zustimmung zu geben, einen Reichsverweser zu wählen, dessen Befugnisse und Verbindlichkeiten im Widerspruche mit der Souveränetät des Volkes stehen. Sie hat aber auch die Ueberzeugung, daß das deutsche Volk in seiner Mehrheit die Handlungsweise der Minderheit in der Nationalversammlung billigt, und daß der entschieden ausgesprochene Wille des Volkes bald eine Wendung der Dinge herbeiführen wird, mächtig genug, die Interessen unseres großen Vaterlandes und der Freiheit zu wahren.
Frankfurt a. M, den 1. Juli 1848.
Die radikal-demokratische Partei der deutschen konstituirenden Nationalversammlung.
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Köln, 1. Juli.
Es läßt sich denken, daß das Militär, welches seit Einführung der Bürgerwehren fast ganz auf den widerwärtigen innern Kamaschendienst beschränkt ist, mit Freuden jede Gelegenheit ergreift, den Bürgern seinen Muth und seine Tapferkeit in der Erinnerung zu halten. Es ist aber auch ebenso begreiflich, daß die Bürger um den Beistand dieser Nothhelfer nicht sehr verlegen sind. Denn einmal muß die Annahme solcher Hülfe Mißtrauen in ihre eigene Fähigkeit erwecken, Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, und dann sind sie selber viel zu erpicht, Bürgerkronen gegen die Kanaillen zu verdienen, als daß sie diese noble Rolle Andern überlassen sollten. Freilich, wenn es wirklich einmal Ernst werden sollte ‒ dann ist ja immer noch Zeit die Militärdisziplin herbeizuholen. Aber dazu ist vor der Hand noch keine Aussicht vorhanden. So erklärt es sich denn, daß das unbefugte Einschreiten unserer Militärbehörde am Abend des 29. Juni, wo ein unbedeutender Auflauf vor dem Hause Camphausens stattfand und einige Gamins sich das Vergnügen machten, eine spaßhafte Barrikade zu errichten, von unserer Bürgerschaft mit großer Entrüstung aufgenommen wurde. Dieses Einschreiten war wirklich höchst unbefugt und hätte leicht für unsern Bürgerwehrkommandanten, der bekanntlich zugleich Regierungspräsident ist, kompromittirend werden können. Sobald nämlich die Lärmtrompete erschollen war, rückte ein Piquet Soldaten vor das Haus des Genannten, um sich ihm zur Disposition zu stellen; die Zeughauswache besetzte den Zugang zum Regierungsgebäude, mehrere starken Patrouillen durchzogen die Straßen; ja die Stadtthore wurden einige Stunden lang gesperrt, als ob der Belagerungszustand schon erklärt wäre.
Alle diese Veranstaltungen hatten unglücklicher Weise keinen Erfolg; es kam zu keinen Konflikten. Der tapfere Festungskommandant, statt Dank einzuerndten für seine wohlmeinende Aufdringlichkeit, mußte zu seinem Schmerze am andern Tage hören, wie der Regierungspräsident vor der versammelten Bürgerwehr seine sämmtlichen Maßregeln desavouirte; er mußte durch sein Stillschweigen zugeben, daß er die in Folge der famosen Pfingstmontagvorkehrungen getroffene Uebereinkunft gebrochen habe, wonach das Militär nur auf Requisition der Bürgerwehr in der Stadt verwandt werden darf.
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Aufforderung
an die arbeitenden Klassen Deutschlands zur Beschickung eines in Berlin vom 20. bis zum 26. August abzuhaltenden Arbeiter-Parlamentes.
Arbeiter und Brüder!
Die unterzeichneten Deputirten des vom Berliner Handwerkervereine zusammenberufenen Handwerker- und Arbeiterkongresses, nicht zufriedengestellt mit den Resultaten dieses Kongresses in Bezug auf die sociale Frage der Gegenwart, wenn auch das Segensreiche seiner Wirksamkeit vollständig anerkennend, sind darin übereingekommen, die arbeitenden Klassen aus allen Städten, Fabrik- und Ackerbau-Distrikten des gesammten Vaterlandes zur Beschickung eines gemeinsamen Arbeiter-Parlamentes aufzufordern, welches zum ausschließlichen Zweck die Besprechung der materiellen Interessen der arbeitenden Klassen haben soll.
(Das Weitere dieses Aufrufs hat die Neue Rh. Zeitung bereits in Nr. 31 vom 1. Juli Hauptblatt, mitgetheilt, worauf wir hier zur Eesparung des Raumes verweisen.)
Berlin, den 26. Juni 1848.
Friedr. Crüger, Deputirter des Königsberger Arbeitervereins. Ernst Krause, Deputirter des Maschinenbauarbeitervereins in Berlin. C. Bühring, Deputirter des Arbeitervereins in Hamburg. Born, für das Central-Comite für Arbeiter in Berlin. F. E. Steinhauer, Deputirter des Bildungsvereins für Arbeiter in Hamburg. A. Lucht und Eichel, Deputirte des Maschinenbauvereins.
Allgemeine Bemerkungen.
1. Alle Arbeitervereine, welche von obiger Aufforderung Kenntniß nehmen, werden ersucht, dieselbe den Vereinen ihrer Gegend mitzutheilen. Ebenso werden die Redaktionen volksthümlicher Blätter gebeten, unsere Aufforderung durch die Presse zu verbreiten.
2. Die einzelnen Vereine werden ersucht, ihre Deputirten für das Arbeiter-Parlament mit Beglaubigungsschreiben zu versehen.
3. Das Central-Comite für Arbeiter in Berlin (Adresse: Born, Rosmarienstraße 5) wird bis fum Zusammentritt des Parlaments die einstweilige Geschäftsführung übernehmen. Der Versammlungsort wird seiner Zeit durch öffentliche Blätter bekannt gemacht werden.
Berlin, den 26. Juni 1848.
An alle Arbeiter-, Handwerker- und Bildungsvereine Deutschlands, an die deutschen Vereins in der Schweiz, in Paris, Brüssel und London.
Handels-Nachrichten.
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Civilstand der Stadt Köln.
Geburten.
29. Juni. Marg., T. v. Joh. Mertens, Korbm., Hoferg.
30. Juni. Ferd. August, S. v. Jakob Pick, Schneider, kl. Griechenm.
1. Juli. Martin, S. v. Kaspar Bernards, Tagl., Entenpfuhl. ‒ Maria Elis., T. v. Johann Jakob Dahlem, Steinhauer, Johannstr. ‒ Franz Jos. Hub., S v. Franz Rein. Schmitz, Vergoldermeister, Blindg. ‒ Peter, S. v. Peter Bernards, Formstecher, Aar. ‒ Anton, S. v. Christ. Wichterich, Tagl., kl. Griechenm. ‒ Hubert Joh. Pet., S. v. Joh. Pet. Olck, Tagl., Entenpf. ‒ Jos., S. v. Corn. Thelen, Eisenbahnarbeiter, Ursulapl. Eisenbahnarb., Ursulapl. ‒ Louise, T. v. Ludw. Koch, Eisenbahn-Calculator, Heum. ‒ Ein unehel. Mädchen.
Sterbefälle.
1. Juli Martin Düring, 7 M. alt, Bachemstr. ‒ Anna Maria Kath. Moll, 7 M. 8 T. alt, gr. Griechenmarkt. ‒ Jak. Schultz, 5 J 5 M. alt, Kaygasse. ‒ Viktor Heymann, 4 M. alt, Breitstr. ‒ Kath. Gertr. Heuser, geb. Schüller, 20 J. alt, Eulengarteng. ‒ Ludwig Brückmann, ohne Gewerbe, 70 J. alt, verh., Eigelstein ‒ Marg. Düring, 1 J. 10 M. alt, Altengr. ‒ Ant. Berschel, 5 M. alt, Katharinengr.
Heirathen.
1. Juli. Aug. Friedr. Ferd. Kramer, Sergeant im 28. Reg., von Spandau, und Anna Maria Just. Gert. Möller von Schildesche. ‒ Christ. Schumacher, Schreiner von Wesseling, und Maria Jos. Block, von Bonenburg. ‒ Joh. Saarbourg, Kaufm. von Koblenz, und Sib. Kath. Jos. Schmidt von hier. ‒ Andr. Rorich, Schreiner und Maria Sib. Werner, Wwe. Weiler, beide v. hier. ‒ Joh. Georg Rhede, Tagl., Wwr. und Elis. Klausen, beide von hier.
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Schiffahrts-Anzeige. Köln, 4. Juli 1848.
Abgefahren: J. Kirschmann nach Mainz.
In Ladung: Nach Ruhrort bis Emmerich Joh. Linkewitz; nach Düsseldorf bis Mühlheim an der Ruhr C. Königsfeld; nach Andernach und Neuwied H. Schumacher und P. Gies; nach Koblenz und der Mosel und Saar P. G. Schlägel; nach der Mosel, nach Trier und der Saar M. Zens; nach Bingen Wb. Jonas; nach Mainz Val. Pfaff; nach dem Niedermain Philipp Würges; nach dem Mittel- und Obermain Seb. Seelig; nach Heilbronn Fr. Kühnle; nach Kannstadt und Stuttgart L. Hermanns; nach Worms und Mannheim A. L. Müller; nach Antwerpen M. Lamers.
Ferner: Nach Rotterdam Kapt. Willemsen, Köln Nr. 6.
Ferner: Nach Amsterdam Kapt. Wilson, Köln Nr. 30.
Zur Anfertigung der Auszüge liegt offen die Deklaration des Schiffes Hartmann.
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Wasserstand.
Köln, am 4. Juli. Rheinhöhe 8′ 8″.
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Es empfiehlt sich in allen Arten gemalter Fenster-Rouleaux (nach Muster) von 1 bis 5 Thlr., in farbigen und gemalten Drath-Jalousien, im Anfertigen aller Arten Schilder zu billigen Preisen.
Gleichzeitig wird bei mir alles zerbrochene Glas, Porzellan, Marmor, Alabaster, Gyps etc. gekittet, wofür garantirt wird.
Adolph Winkel, Maler, Schildergasse Nro. 75 in Köln.
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Ein unverheiratheter Mann, im Alter von 35 Jahren, welcher Garten und Hausarbeit versteht, und gutes Zeugniß über Fleiß und Treue besitzt, sucht Dienst; 3 bis 5 Zimmer mit oder ohne Möbeln, billig zu vermiethen. Bescheid gibt J. P. Spendeck, gr. Neugasse Nro. 18.
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Verpachtung der Mineralquelle zu Birresborn.
Diese im Kreise Prüm bei Birresborn gelegene Mineralquelle, deren Wasser in der ganzen Rheinprovinz vortheilhaft bekannt ist, wird sammt dem dazu gehörigen Wohnhause und Oekonomie-Gebäuden, Garten und Bering, am Donnerstag den 20. Juli d. J., des Nachmittags 3 Uhr, in Trier auf dem Stadthause, entweder auf 1 Jahr, oder auf 3, oder auf 3, 6, 9 Jahre, in Folge Verfügung Königlich Hochlöblicher Regierung dahier, vom 28. dieses, öffentlich verpachtet.
Der Pacht beginnt am 11. August 1848.
Die Bedingungen sind bei der unterzeichneten Verwaltung einzusehen.
Trier, den 30. Juni 1848.
Die Verwaltungs-Kommission der vereinigten Hospitien.
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Ein Mädchen, welches die Küche, so wie fein Nähen versteht, und mehrjährige gute Zeugnisse hat, sucht Dienst als Köchin oder zweite Magd. Bescheid gr. Neugasse 18.
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Der Beachtung demokratischer Vereine empfohlen!
Der Wächter an der Ostsee.
Demokratisches Organ.
Herausgegeben von W. Lüders.
Alles für das Volk, Alles durch das Volk! Die Souveränität des Volkes werde eine Wahrheit. Bildung, Freiheit und Wohlstand für Alle durch Humanisirung unseres Staats- und gesellschaftlichen Lebens.
Das Blatt erscheint in Stettin sechsmal wöchentlich, wird durch die Post täglich, durch den Buchhandel einmal wöchentlich versandt. Preis vierteljährlich auf allen preuß. Postämtern 1 Thlr. Probenummern werden durch die Post gratis geliefert, sind auf dem Ober-Postamte in Köln vorräthig.
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Von heute an erscheint bei mir:
Der Volksfreund.
Eine Wochenschrift für Westphalen.
Redakteur: Rud. Rempel in Bielefeld.
Die Tendenz des Blattes ist entschieden demokratisch. Dasselbe erscheint jeden Sonnabend in einem Bogen und kostet vierteljährlich 6 Sgr., exclusive Postaufschlag.
Alle Buchhandlungen und Postämter nehmen Bestellungen an.
Bielefeld, 1. Juli 1848.
Aug. Helmich.
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„Neue Rheinische Zeitung.“
Das Expeditions-Büreau der Zeitung ist täglich von Morgens 8-1 Uhr und Nachmittags von 2-7 Uhr geöffnet; an Sonn- und Festtagen nur von Morgens 8-1 Uhr. Inserate zur Aufnahme in die nächste Nummer werden bis 1 Uhr entgegen genommen.
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Antwort. Die Chefs des Bürgerwehr-Freikorps auf der Apernstraße sind die aus einer gewissen Kompagnie ausgeschlossenen Zugführer.
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Kontrolleur K…n auf dem Neumarkt mit dat Söhnchen nemmt üech in Aach, man küt üech sicherlich up dat Daach. Worum? Dorum!
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Rheingasse Nr. 10 zweite Etage zu vermiethen.
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Ein Mädchen mit empfehlenswerthen Zeugnissen versehen sucht in einer stillen Haushaltung eine Stelle zur Besorgung aller Hausarbeiten. Wo das Nähere zu erfahren sagt die Expedition.
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Der Gerant, Korff.
Druck von W. Clouth, St. Agatha Nro. 12.