Deutschland.
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Edition: [Friedrich Engels: Vereinbarungsdebatten vom 26. Juni 1848. In: MEGA2 I/7. S. 244.]
[**]
Köln, 2. Juli.
Nach der Tragödie die Idylle,
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Edition: [Karl Marx/Friedrich Engels: Verhaftungen. In: MEGA2 I/7. S. 250.]
[*] Köln, 3. Juli.
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[19] Frankfurt, 30. Juni.
Als Nachtrag zu den Debatten über die provisorische Centralgewalt, theile ich
Ihnen in kurzer Uebersicht folgende Stimmzettel der rheinischen und
westphälischen Abgeordneten mit. Die Wähler mögen sich daraus selbst ein
Urtheil bilden, in wie weit die Stimmen derselben wirklich die Ueberzeugung
und den Willen ihrer Abordner „vertreten“ haben.
Bei der Frage, ob die provisorische Centralgewalt auch die Beschlüsse der
Nationalversammlung zu verkünden und zu vollziehen habe, handelte es sich
darum, ob die Nationalversammlung überhaupt noch „Beschlüsse“ fassen sollte,
oder ob das einfache Veto der Centralgewalt den Willen der Nation und ihrer
Vertreter umstoßen darf. Für das Recht der
Nationalversammlung stimmten in allen Banken, selbst bekannte Herren der
Rechten und der Centren, wie von Auersperg, Biedermann, Minister Lindenau,
Leue, Mittermaier, Fürst Waldburg-Zeil-Trauchburg. Dagegen, also für die vollständige Entäußerung der
Volkssouverainität an die fürstliche Centralgewalt stimmten von Rheinländern
und Westphalen:
Adams aus Coblenz, Arndt aus Bonn, Beckerath, Blömer, Braun aus Bonn, Bresgen
aus Ahrweiler, Dahlmann, Deiters, Ebmeier, Flottwell, Hülsmann, Knoodt,
Melchers, Bischof Müller, Pagenstecher, Reichensperger, Schlüter, Scholten,
Schreiber, Smets, Stedtmann aus Coblenz, Versen, Vincke.
Es folgte die Frage, ob die Centralgewalt bei Beschlüssen über Krieg und
Frieden und über Verträge mit auswärtigen Mächten sich des Einverständnisses
der Nationalversammlung zu versichern habe. Diese Frage ist bejaht worden,
da auch viele Mitglieder der Rechten dafür stimmen, wie Andrian aus Wien,
Beckerath, Dahlmann, Knoodt, Mevissen, Raumer, Saucken-Tarputschen und Fürst
Walburg-Zeil-Trauchburg. Bei der Abstimmung haben dagegen von Rheinländern
und Westphalen auf Nein geantwortet, und also auch hier für vollständige
Entäußerung der Volkssouveränität an die fürstliche Centraldiktatur
gestimmt:
Adams aus Coblenz, Arndt, Blömer, Böcking aus Trarbach, Deiters, Ebmeier,
Flottwell, Hülsmann, Bischof Müller, Schlüter, Schreiber von Bielefeld,
Versen, Vincke.
Bei der Frage, ob die provisorische Centralgewalt einem Präsidenten oder
einem Reichsverweser übertragen werden solle, stimmten für die Wahl eines
Präsidenten wiederum zahlreiche Mitglieder der Rechten und der Centren, wie
v. Auersperg, Biederman, Oberst v. Blumröder, Hildebrand von Marburg, Fürst
Waldburg-Zeil-Trauchburg, und sogar der Hofrath und Bundestagstagsgesandte
Welcker. Für einen Reichsverweser, den provisorischen Uebergang zu einem
erblichen Kaiser, dessen Diktatur die vollständige Entäußerung der
Volkssouverainität bedingt, stimmten von Rheinländern und Westphalen:
Adams aus Coblenz, Arndt, Beckerath, Blömer, Bresgen, Breuning von Aachen,
Breusing, Bürgers, Clemens aus Bonn, Compes, Dahlmann, Deiters, Dieringer,
Ebmeier, Flottwell, Hülsmann, Junckmann, Knoodt, Melchers, Mevissen, Bischof
Müller, Reichensperger, Schlüter, Scholten, Schreiber, Smets, Stedtmann aus
Coblenz, Versen, v. Vincke, Werner aus Coblenz, Widenmann, Ziegert.
Ueberall also finden wir in den ersten Reihen der Reaktion den alten
deutschen Freiheitssänger und Nationalfranzosenfresser Arndt, den
schönrednerischen Banquier Beckerath, die Liberalen des „gestrigen Abends“
Stedtmann, Mevissen, Compes, und den Kern des volksfreundlichen
Ultramontanismus und juristischen Ka-
[0168]
maschendienstes, Adams
und
Reichensperger nebst Consorten. Der „freie
deutsche Rhein“ wird unter dem Schutz solcher Männer keinen Einfall der
Russen zu fürchten haben.
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@facs | 0168 |
[S] Frankfurt, 1. Juli.
Ueber den Inhalt der heutigen Debatten schwiege ich lieber. Der alte E. M. Arndt gab redselige Mittheilungen aus
seinem Leben und wäre ein liebenswürdiger alter Schwätzer gewesen, hätte er
nicht auf der Rednerbühne der Paulskirche gestanden. Ueber die Wahl des Abg.
für Thiengen geriethen einige Herrn in Hitze. Obgleich die überwiegende
Mehrheit daselbst Fr. Hecker gewählt, will ihn die badische Regierung doch
nicht über die Gränze zurückkehren lassen, beschuldigt sogar außer ihm die
sämmtlichen Urwähler des Hochverraths. Einer nach dem andern betritt die
Tribüne, man möge die Sache an den Legitimationsausschuß geben, eine
Separat-Kommission mit der Untersuchung beauftragen, die Aktenstücke vorher
drucken lassen, die Formalien gehörig ins Auge fassen etc. Der Fürst Lichnowski, der edle Ritter, erklärte, es sei viel
zu viel „Ehre“ für einen Hochverräther, wenn eine Separat-Kommission um ihn
gewählt werde. Ein Sturm des Unwillens unterbrach seine Worte und rauschte
von der Linken empor über die Gallerien. Das fürstliche Bewußtsein, mit den
Händen in der Hose, schwieg großartig, nur als der Abg. Zitz entgegnete, Hecker sei kein
Hochverräther, wie der Fürst Lichnowski behaupte, da
er nur gegen Fürstenwillkühr, nicht gegen die
Volkssouveränität in den Waffen gestanden habe, empörte sich der moderne Carabella und sandte dem Bürger Zitz seine ‒ Karte.
Durch den Berliner Abg. Nauwerk wurde der Streit von
dem rechten Gesichtspunkte beleuchtet, die Entscheidung sei wichtig genug,
um einer besondern Kommission übergeben zu werden, die Wahlfreiheit des
deutschen Volkes dürfe nicht durch das Ermessen einer Separatregierung in
Frage gestellt werden und übrigens sei auch durch eine faktische Revolution in ganz Deutschland der Begriff des Wortes
„Hochverrath“ faktisch ein anderer geworden. W. Jordan erklärte sich mit ihm
einverstanden, Lichnowski sei voreilig gewesen. Hr. Lichtfreund Schwetschke
benutzte die Gelegenheit, mit dem Herrn Fürsten übereinzustimmen, um vor
allen Augen kräftiglichst die Rechte des Fürsten drücken zu können. Viele
lächelten über diesen schwachen Versuch. ‒ Die folgende Debatte über die
slawische Frage wurde in bekannter Weise breitgetreten statt gelöst zu
werden. Wir bemerken nur, daß Hr. Giskra, um ein großer Redner zu sein,
nicht so vieler Worte bedurft hätte. Hartmann beantragte am Schluß, Ungarn
möge wegen seiner Vorpostenstellung gegen Rußland der Exekutiv-Centralgewalt
besonders empfohlen werden. Mag es. Diese Empfehlung wird Ungarn eben so
wenig retten, wie das ganze Parlament Deutschland.
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@facs | 0168 |
[103] Berlin, 1. Juli.
Der demokratische Klub will folgende Petition, welche bereits mit vielen
tausend Unterschriften versehen ist, an die Vereinbarer-Versammlung abgehen
lassen.
Hohe Versammlung! Die Unterzeichneten, in Erwägung: daß trotz des 19. Märzes
häufig, namentlich in neuerer Zeit, Verhaftungen vorgekommen sind, ohne daß
gegen die Angeklagten eine bestimmte Anklage vorlag;
in Erwägung, daß Staatsbürger sechs Wochen und länger in Haft gehalten
wurden, ohne daß gegen sie eine bestimmte Anklage erhoben wurde: ersuchen
Eine hohe Versammlung, dieselbe möge schleunigst eine provisorische
Habeas-Corpus-Akte erlassen, des Inhalts, daß kein Staatsbürger anders
verhaftet werden darf, als wenn eine bestimmte
Anklage gegen ihn vorliegt.
In Folge des Beschlusses der Plenarversammlung vom 26. Juni, daß der
Adreßentwurf an die Adreßkommission zurückzuweisen sei, sind dieser
Kommission vom Staatsministerium verschiedene Erklärungen, namentlich in
Betreff der äußern Politik, gegeben worden. Dessenungeachtet hat die
Kommission einstimmig beschlossen, einer hohen Versammlung vorzuschlagen:
„von der Berathung einer Adresse abzustehen.“
Die Umstände, unter denen gegenwärtig in dieselbe eingetreten werden würde,
sind wesentlich verschieden von denen, unter welchen früher der Erlaß einer
Adresse beliebt wurde. Das vorige Kabinet wollte die Erlassung einer
Adresse, um das Urtheil der Versammlung über seine Verwaltung zu vernehmen;
es wollte in der Adreßdebatte die Prinzipien entwickeln, von denen aus es
die Geschäfte geleitet hatte. Für das gegenwärtige Ministerium liegt ein
solches Bedürfniß nicht vor. Seine Verwaltung hat so eben erst begonnen, die
Versammlung hat daher ein Vergangenes nicht zu beurtheilen.
Wie das neue Ministerium die Geschäfte leitet, das wird die Versammlung
beurtheilen können aus den Vorlagen, die derselben in Aussicht gestellt
sind. Auf die bloße Ankündigung derselben bei einer Adreßdebatte Rücksicht
zu nehmen, scheint weder an und für sich thunlich noch nothwendig, wenn die
Berathung der Vorlagen, selbst in kürzester Frist, bevorsteht, noch
angemessen in Erwiderung auf eine Thronrede, welche von dem gegenwärtigen
Ministerio nicht abgefaßt ist. ‒ Diesen Gründen wird wohl auch die Mehrheit
der Versammlung beistimmen; wie wird sich aber das Ministerium alsdann aus
der Klemme herausziehen, da es doch durchaus auf einer Adreßdebatte bestand?
Es wird schwerlich diesmal eine Kabinetsfrage daraus machen, das wäre zu
gefährlich.
In der heutigen Sitzung nahm die Vereinbarungsversammlung den Antrag des Abgeordneten Windhorft fast einstimmig an, „daß
diejenigen Abgeordnete, welche einen besoldeten Staatsdienst oder eine
Beförderung auf eine höhere Stelle annehmen, sich einer Neuwahl unterwerfen
müssen.“ ‒ Der Antragsteller hatte seinen Antrag sehr gut motivirt und hob
besonders hervor, daß die Versammlung namentlich dazu gewählt sei, um eine
freie Verfassung zu entwerfen, daß die Wähler
glauben, frcie Männer gewählt zu haben, welche aber durch die Annahme eines
besoldeten Amtes oder einer Beförderung nicht mehr für frei und ungebunden
anzusehen seien. Deshalb erfordere es die Nothwendigkeit, daß sich solche
Abgeordnete einer Neuwahl unterwerfen, um zu sehen, ob sie das Vertrauen
ihrer Wähler noch besitzen.
Vor dem Sitzungssaale der Versammlung, der Sing-Akademie, waren heute viele
hundert Arbeiter versammelt, welche vorgestern von ihren Arbeiten entlassen
worden und nun beschäftigungslos den Minister des Handels und der Arbeiten
abwarteten, um Beschäftigung von ihm zu erbitten. Der Minister wurde darüber
in heutiger Sitzung interpellirt und erklärte: Bei den Arbeiten zur
Herstellung eines Kanals zwischen Berlin und Spandau, am Plötzensee, haben
sich seit einigen Wochen viele Arbeiter, über die ursprünglich festgestellte
Anzahl von 1600 bis 1800, hinzugedrängt. Die Arbeiten sind dort zweierlei.
Erstens die Ausgrabung des Bettes zum Kanal, welche den Arbeitern in Akkord
gegeben wird, wobei über 1400 beschäftigt sind, welche einen besondern
Arbeiterverein gebildet und bisher 18, 20-24 Silbergroschen täglich verdient
haben. ‒ Zweitens bestehen die Arbeiten in Ausrodungen von Bäumen, wofür ein
Tagelohn von 15 Silbergroschen gezahlt wurde. Diese Tagelohn-Arbeiter
schritten aber langsam vorwärts, und die Arbeiter leisteten so wenig, daß
man diesem Unfug steuern mußte, denn man kann die Gelder des Staats nicht
auf solche Weise vergeuden. Es wurde daher beschlossen, diesen 1200
Tagelohn-Arbeitern ihre bisherigen Arbeiten zu kündigen, den Verheiratheten
davon freizustellen, in den Verein der Akkordarbeiter einzutreten, die
jungen und ledigen Arbeiter aber zu den Arbeiten nach der Ostbahn zu senden,
da sie nicht alle am Kanalbau beschäftigt werden könnten. Noch bevor den
Arbeitern dieser Beschluß publicirt wurde, mußten sie davon auf anderm Wege
Nachricht erhalten haben. Da sie nun die Schuld ihrer Entlassung dem
Aufseher zuschrieben, so mißhandelten sie denselben, und geriethen mit den
Akkordarbeitern in Streit. ‒ Das Staatsministerium kann übrigens nicht
anerkennen, daß es verpflichtet sei, für alle Arbeitslosen in den großen
Städten zu sorgen, indem dies vielmehr den Kommunalbehörden zusteht, da die
Staatsgelder nicht allein für die Arbeiter in den Städten ausgegeben werden
können.
Der Abgeordnete Rehnsch, dessen Wahl für ungültig
wurde, ist in seinem Kreise Neu-Stettin, Regierungsbezirk Küstrin, zum
zweiten Mal gewählt worden. Er gehört zur demokratischen Partei und deshalb
wurde vom Wahlkommissarius, dem dortigen Landrath, gegen seine Wahl
bedeutend agitirt. Dieser Landrath schlug sogar mit seinem, mit Eisen
beschlagenen Stock auf Hrn. Rehnsch, welcher nun in heutiger Versammlung das
ganze reaktionäre Verfahren des Landraths, den er
auch des versuchten Todtschlags beschuldigt, mittheilte. Der Justiz-Minister
verspricht die Untersuchung einzuleiten. Es ist derselbe Landrath, welcher
in der von ihm geleiteten Schullehrer-Konferenz, die Aeßerung machte, daß es
in der Berliner Versammlung eine anarchische Partei gäbe, die man mit
Kartätschen niederschießen müsse.
Unter dem Vorsitz solcher Landräthe mußten sich die preußischen
Volks-Schullehrer im ganzen Lande versammeln, um ihre Wünsche zu erkennen zu
geben. Da nun heute der Antrag gestellt wurde, daß, da die Lehrer unter dem
Vorsitz der Landräthe und geistlichen Schulinspektoren ihre Gesinnungen und
Wünsche nicht frei aussprechen könnten, die Kreisversammlungen der Lehrer
ohne alle Bevormundung nochmals stattfinden sollte, erklärte sich der neue
Kultus-Minister Rodbertus dagegen und billigte die
Anordnungen seines Vorgängers. Der Antrag fiel auch wirklich durch.
Man sieht hier jetzt täglich dem Friedensabschluß mit Dänemark entgegen. An
eine Abschaffung des Sundzolls, dieses mittelalterlichen Ueberrestes des
Raubstaatensystems, ist nicht zu denken. Unsere Ostseehäfen werden noch
ferner unter diesem Drucke leiden müssen. Das starke Preußen muß dem kleinen
Dänemark jährlich Millionen Tribut entrichten; dies Dänemark sperrt seit
Monaten unsere Häfen und dabei thut das Ministerium nichts: es zieht sogar
die Truppen von Jütland aus „strategischen“ Rücksichten zurück. Die Folgen
einer solchen Politik liegen auf der Hand.
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@facs | 0168 |
Berlin, 2. Juli.
Die Sache wird gut. Kaum, daß Hr. Monecke verurtheilt
ist, oder vielmehr noch vorher, wird schon ein Anderer unter ähnlicher
Anschuldigung eingekerkert. Heute früh um 7 Uhr ist Hr. Fernbach früher Student in Heidelberg, wie wir hören, wegen des
ihm zugeschriebenen republikanischen Katechismus, in seiner Wohnung
verhaftet, 500 daselbst vorgefundene Exemplare dieser Flugschrift
eingezogen, und er selbst nach der Stadtvogtei gebracht worden.
[(B. Z. H.)]
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@type | jArticle |
@facs | 0168 |
[*] Berlin, 1. Juli.
Die Polizei des Hrn. Bardeleben hat das öffentliche Feilhalten von Schnaps
und Viktualien verboten, wie es heißt, um dadurch „Zusammenrottirungen“ vor
der Singakademie zu verhindern. Die s. g. Revolution ist demnach auf ihre
wahre Bedeutung zurückgeführt; es ist offenbar, daß die „Zusammenrottungen“
des Volks lediglich den Zweck hatten, auf offner Straße statt in dumpfigen
Kellern Schnaps zu trinken, und die Einsicht der Polizei hat durch diese
Maßregel alle bedenklichen „Menschenanhäufungen“ für die Zukunft zerstreut.
Den Bürgern, welche den Posten an der „Neuen Börse“ beziehen, ist der
Auftrag ertheilt, die menschenanhäufenden Marketenderinnen zu verjagen.
Bereits haben hier und in Spandau wegen dieser Maßregel kolossale Prügeleien
stattgefunden.
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@type | jArticle |
@facs | 0168 |
Berlin, 1. Juli.
Die Kommission zur Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs hat in Betreff der
Presse den Beschluß gefaßt, daß dieselbe künftig unter dem allgemeinen
Gesetz, also Preßvergehen unter den gewöhnlichen strafrechtlichen
Bestimmungen stehen sollten. Da dies aber eine besondere Berücksichtigung im
Strafrecht nöthig macht, so soll bis zu der bevorstehenden Revision
desselben ein transitorisches Preßgesetz erlassen werden. Mit der
Ausarbeitung desselben ist der Abg. Geh. Finanzrath Hesse beauftragt,
derselbe, der schon früher mit der Preßgesetzgebung viel beschäftigt war und
ein bekanntes Werk darüber schrieb.
[(Voss. Ztg.)]
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@facs | 0168 |
‒ Nachfolgenden Artikel hat die Redaktion der Vossischen Zeitung auch gegen
Insertionsgebühren nicht annehmen wollen:
Die Gazeta Polska Nr. 76 enthält Folgendes: In dem, dem Hrn. Mosczenski
gehörigen, im Wongrowiecer Kreise belegenen Dorfe Stempuchowo wurde das
Wohnhaus des benannten Herrn dreimal geplündert, auf fliehende Menschen
geschossen, Mehrere geprügelt, Alles, was irgend von Werth war, geraubt und
endlich, da nichts mehr zu rauben war ‒ Frauen geschändet. ‒ So ergriff man
ein 17jähriges, unschuldiges Mädchen, Marianna Sagodzinska, und während
dieselbe von 4 Soldaten festgehalten wurde, befriedigten andere sieben an
ihr der Reihe nach ihre thierische Lust! ‒ Der hinzugekommene Offizier,
welcher die Arme blutbefleckt sah, gab ihr, um sie zu beruhigen, einen
Thaler (!), sie warf ihn natürlich dem Offizier in's Gesicht, die Welt
verfluchend. ‒ In Folge dieser mehr wie thierischen Behandlung ist das arme
Opfer erkrankt. Zeugen des Vorfalls waren: der Wirth Joseph Galewicz und der
Vogt Andreas Lipinski, die die Wahrheit des Erzählten eidlich bestätigen
können. ‒ Obigen Vorfall bestätigt außerdem noch ein anderer Brief, unter
Namhaftmachung mehrerer Zeugen.
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@type | jArticle |
@facs | 0168 |
[27] Breslau, 30. Juni.
Mehrere Soldaten des 10. Infant. Reg. hatten vor mehreren Wochen in der
hiesigen Oderzeitung erklärt: Sie könnten Addressen, welche die Offiziere
fertig in der Tasche auf den Appel brächten, nicht unterschreiben, wie
andere Regimenter es thun, da ihnen ja das Versammlungsrecht entzogen sei.
Sie wüßten ebenfalls was ihre Pflicht sei, sie wüßten aber auch, daß sie aus
dem Volke stammen.
Auf diesen Artikel hin ließ der Lieut. Baron von Kottwitz die in Breslau
befindlichen Soldaten des 10. Regiments darauf vereidigen, daß sie jene
Erklärung nicht abgegeben hätten, sondern daß sie die Erklärung der andern
Regimenter billigten. Dieses Faktum wurde dem Deputirten Nees v. Esenbeck
zur Interpellation an den Kriegsminister mitgetheilt. Auf seine am 2. d. M.
in sehr energischen Worten gestellte schriftliche Anfrage erhielt er am 22.
d. M. vom Kriegsminister v. Schreckenstein folgendes Rescript:
„Daß auf Grund einer Requisition des Kommandeurs des 10. Infanterie
Regiments, Obersten Kunkel v. Löwenstein, der untersuchungsführende Offizier
des 11. Infanterie Regiments, Lieutn. Baron v. Kottwitz beauftragt worden
ist, die in Breslau als kommandirt und krank zurückgebliebnen Mannschaften
des Regiments darüber protokollarisch zu vernehmen,
ob der anliegende Zeitungsartikel wirklich von Soldaten des
10. Infanterie Regiments ausgegangen sei, und, wenn dieß der Fall gewesen,
ob die Vorgesetzten darum gewußt haben.
Der v. Kottwitz hat sich indeß in Folge einer unrichtigen Auffassung des ihm
ertheilten Auftrages nicht darauf beschränkt, die Antworten der Mannschaften
auf jene Frage zu Protokoll zu nehmen, sondern die Vernommenen auch über
ihre Zustimmung zu der Adresse des 11. Inf. Reg. befragt und dieselben
sodann auf ihre Erklärungen vereidigt.
Diese Ueberschreitung des dem v. Kottwitz ertheilten Auftrages kann ich nur
mißbilligen und habe deshalb das königl. General Kommando des 6. Armee Corps
ersucht, bei der competenten Behörde die
Bestrafung des v. Kottwitz zu veranlassen.
Ich selbst aber habe weder die Einleitung einer Untersuchung noch die
disziplinarische Bestrafung dieses Offiziers anordnen können, weil dies nach
den bestehenden Gesetzen nicht zu meinen Befugnissen gehört.“
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@type | jArticle |
@facs | 0168 |
[**] Breslau, 29. Juni.
Binnen 4 Wochen sollen die unbeschäftigten Arbeiter aus unserer Stadt
entfernt werden. Wohin? Das weiß man nicht. Ob und wie man sie etwa in der
hiesigen oder in einer andern Provinz zu beschäftigen gedenkt; darüber
verlautet eben so wenig. Wird die Maaßregel ausgeführt, so wird sie große
Erbitterung und Aufregung zur Folge haben. Im demokratischen Klub giebt es
jetzt lebhafte Debatten. Es handelt sich um ein Manifest an die slavischen
Völkerstämme, in welchem die gleiche Berechtigung der deutschen wie der
Slaven ausgesprochen werden soll. Die Demokraten beabsichtigen damit zu
gleicher Zeit, den unaufhörlich von den Reaktionärs gegen die Czechen und
Polen verbreiteten Lügen und Verleumdungen und der unablässigen Hetzerei
entgegen zu treten. Die Beschlußnahme ist auf nächste Sitzung vertagt. Es
ist erfreulich, wie zahlreich auch Damen an den Verhandlungen des Klubs die
oft bis spät in die Nacht hinein dauern, mit gespannter Aufmerksamkeit Theil
nehmen. In Oberschlesien macht die Demokratie unerwartete Fortschritte. Der
konstitutionelle Central-Verein strengt sich vergeblich an, durch
Austheilung von Kartoffeln Propaganda zu machen. Am 15. d. M. tritt ein
Kongreß von Abgeordneten sämmtlicher Demokraten Schlesiens zusammen, um die
Parthei fest zu organisiren.
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@type | jArticle |
@facs | 0168 |
[*] Königsberg, 27. Juni.
Der hiesige Arbeiterverein, der täglich an Zahl wächst, verhandelte gestern
den Antrag: es möge sich der Verein bewaffnen und ein abgesondertes
fliegendes Korps bilden. Die Beschlußnahme darüber wurde auf die nächste
Sitzung vertagt. Es machten sich dann von allen Seiten Klagen laut, daß das
königl. Haus so wenig zur freiwilligen Staatsanleihe beigesteuert. Das Land,
meinte man, habe mit Recht erwarten dürfen, daß der hohe Patriotismus der
königl. Prinzen einige Millionen baar und nächstdem ihr sämmtliches
Silbergeschirr auf den Altar des Vaterlandes niederlegen würden. Auch wurde
ein Antrag an Stadtverordnete und Magistrat auf Abschaffung der jetzt ganz
unnützen und müßigen königlichen Polizei und
Einrichtung einer rein städtischen beschlossen.
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@type | jArticle |
@facs | 0168 |
[X] Aus dem schlesischen Mittelgebirge,
28. Juni.
I den jüngsten Tagen hat der Oberpräsident der Provinz, Herr Pinder, eine
Inspektionsreise durch unsere Gebirgskreise gemacht, wo in Wiese, Feld und
Wald der Segen der Natur in reichster Fülle prangt, in den zahlreichen
Weberhütten an den kargen Berglehnen aber der nachhaltige Fluch des alten
Systems sich in der erschreckendsten Elendsfülle offenbart. Der
Oberpräsident hat die leeren Webstühle, die reinlichen leeren Schüsseln, die
nackten großen Kinder gesehen, denen ihr einziges
Hemde gewaschen wurde. Er hat endlich die hohläugigen verhungerten Männer
und Weiber dieses geistig und leiblich verkommenen Webergeschlechts selbst
kennen gelernt, die vorzugsweise die Kreuzträger unserer verrotteten
gewerblichen Zustände, die Sündenböcke des alten selbstsüchtigen
Verwaltungssystems geworden sind, wobei kein anderes Prinzip als das der
Steuererhebung mit eiserner Konsequenz und göttlicher Sorglosigkeit befolgt
wurde. Pinder hat versichert, daß eine Kommission diese tiefgewurzelten
Elendszustände zu untersuchen bereits beauftragt sei und die Seehandlung
ausländische längst verlorene Absatzmärkte für die schlesischen Leinenwaaren
wieder zu gewinnen suchen werde, wie es bei dem Ministerio Hansemann und
Patow durch eine Weberdeputation vor einigen Wochen beantragt worden. Die
längst versprochene Hülfe wird „in Aussicht gestellt.“ In den Fabrikdörfern
am Eulengebirge ist die Hungerpest ausgebrochen.
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@type | jArticle |
@facs | 0168 |
[19] Mannheim, 28. Juni.
Ueber die Behandlung der verhafteten Freischärler in dem Zellengefängniß zu
Bruchsal vernimmt man fortwährend die lautesten Klagen. Die Gefangenen
liegen in kleinen, dumpfigen Zellen, deren Athmosphäre in der
nachtheiligsten Weise auf ihre Gesundheit wirkt; bereits zählt man eine
Menge Kranke, darunter besonders an der Brust Leidende. Zu freier Bewegung
vergönnt man ihnen alle 1 oder 2 Tage zehn Minuten lang im Hofe spazieren zu
gehen. Die Kost ist über alle Maßen dürftig zugemessen, und mitunter so
ekelhaft, daß selbst die Hungrigsten dieselbe nicht berühren. Hr. v.
Bornstedt, den man für den Fall einer nochmaligen öffentlichen Erklärung
über seine Behandlung mit Entziehung von Schreibmaterialien und Einsperrung
in eine dunkle Strafzelle (Cachot) bedrohte, veröffentlicht in der hiesigen
Abendzeitung weitere Beschwerden, und klagt namentlich, daß die Gefangenen,
die kein Geld besitzen, nicht einmal ein Reinigungsbad erhalten, was doch in
allen „wohlorganisirten Gefängnissen“ gleich beim Eintritt geschehe. Alles
Geld, welches für die Gefangenen ankömmt, bleibt bei der Verwaltung
deponirt, und es währt oft 3 bis 4 Tage, bis sie Auszahlungen für die
nothwendigsten Bedürfnisse erhalten. Beim Spaziergang ist es den Gefangenen
streng untersagt, sich miteinander zu unterhalten; Besuche werden nur
ausnahmsweise und höchst spärlich zugelassen, dagegen aber erlaubt die
Gefängnißverwaltung einer Menge von Beamten, Offizieren, Fähndrichs u. s. w.
mit Weibern und Kindern den Einlaß, um die Gefangenen beim Spaziergang
gleich einer interessanten Menagerie zu besichtigen, und ihre Glossen dazu
zu machen. ‒ Unter den Gefangenen selbst befinden sich zahlreiche
Familienväter, Geschäftsleute, Bauern, Arbeiter, Advokaten, deren
Verhältnisse durch die lange Haft gänzlich ruinirt werden, und die man trotz
aller Reklamationen weder verhört noch in Freiheit setzt. Wo ist nun die
Versicherung des Ministers Bekk geblieben, der in der Mitte des vorigen
Monats in der Kammer erklärte, daß alle die, welche nicht Anführer oder
besonders gravirt seien, alsbald aus der Untersuchungshaft entlassen werden
sollten? Aber die christlich-germanische Staatspolizei kann kein besseres
Mittel zur Vernichtung der „Mißliebigen“ und „Rebellen“ finden, als
dieselben in die Käfige der Gerechtigkeit zu sperren, bis ihre Körperkräfte
gebrochen und ihre Familien an den Bettelstab gebracht sind!
@xml:id | #ar034_015 |
@type | jArticle |
@facs | 0168 |
Ulm, 28. Juni.
Unsere heutige „Schnellpost“ berichtet: ‒ Herr Schiffterling hatte auf
gestern Abend in die Wirthschaft „zum Schiff“ eine Versammlung
ausgeschrieben, in welcher im Beisein des Polizei-Kommissärs und
Oberamtsaktuars die Gründung eines demokratischen Vereins in größter Ruhe
und Ordnung besprochen wurde. Die Versammlung war kaum beendet und man
wollte eben zu der Unterzeichnung schreiten, als eine Anzahl Cavalleristen,
(wie man sagt Unteroffiziere), in den Saal stürzte und ohne alle
Veranlassung mit scharfer Waffe über die Anwesenden herfiel. Die wehrlosen
Bürger mußten aus den Fenstern flüchten, aber auch außerhalb des Gebäudes
wurden sie wieder überfallen und Viele mehr oder weniger bedeutend
verwundet. Der Bäcker Haag, Sohn, welchem durch einen Hieb der Schädel
zerhauen wurde, liegt ohne Hoffnung darnieder. Die blinde Wuth, mit welcher
die wilde Horde in dem Saal gehaust und unter den Anwesenden gemetzelt,
steht beinahe ohne Beispiel da.
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@type | jArticle |
@facs | 0168 |
[*] Dresden, 28. Juni.
Heute begann in der 2. Kammer die Berathung des Wahlgesetzes. Der
Kommissionsantrag stellt den Satz auf: „ohne
Einkammersystem keine wahre Volksvertretung.
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@type | jArticle |
@facs | 0168 |
[*] Kassel, 30. Juni.
In der Kammer stellte gestern Hr. Bredemeier die Frage, ob der seit der
Revolution verschwundene Staatsrath Scheffer seine Entlassung erhalten habe
oder sein Gehalt fortbeziehe. Der Landtagskommissar erwiederte, daß er von
einer Entlassung Scheffer's „nichts wisse“; und daß Scheffer seinen Gehalt
fortwährend erhalte. Einige Mitglieder wollten wissen, ob Hr. Scheffer, der
bekanntlich in Betten versteckt aus Kassel entfloh, mit oder ohne Urlaub
sich entfernt habe, und verlangten, daß im letztern Fall die
Gehaltsauszahlung aufhöre; Herr Henkel aber bat die Versammlung den
Gegenstand mit Stillschweigen zu übergehen, und die Kammer sprach sich für
die Bemerkung Pfeiffers aus: „Man möge in Gottes Namen Hrn. Scheffer seinen
Gehalt im Ausland verzehren lassen.“ ‒ In der heutigen Sitzung diskutirte
die Kammer die Frage wegen Verfolgung der Civilansprüche des Staats gegen
den früheren Finanzministers Motz, wobei vornehmlich das mit Rothschild
negocirte Lotterieanlehen zur Sprache kam. Der Ausschuß hatte die Ansicht
ausgesprochen, daß eine kriminalrechtliche Verfolgung durch das
Amnestiegesetz abgeschnitten sei und der Civilrechtsweg ohne Erfolg sein
würde, weshalb man diese „traurige Geschichte“ der Vergessenheit anheim
geben solle. Die Versammlung beschloß jedoch auf den Antrag Lederers, den
Rechtsausschuß mit einer Begutachtung zu beauftragen.
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@facs | 0168 |
Hamburg, 28. Juni.
Als ich am letzten Sonntag, 25. J [#], per Eisenbahn von Hannover nach
Harburg fuhr, traf ich im Waggon mit einem reisenden Handwerker zusammen,
dessen Na-
[0169]
men ich vorläufig verschweige und der mir allen
Ernstes erzählte daß ihm das Wandern in die Schweiz verboten sei. Ich
glaubte anfänglich, einen Menschen vor mir zu haben, der von dem Sturm der
Revolution nichts verspürt und in Gedanken noch auf dem alten Rechtsboden
stehe. Als ich ihm dies jedoch zu verstehen gab, holte er sein Wanderbuch
hervor, und, wie groß war mein Erstaunen, da ich in demselben Folgendes
las:
Im Auftrage Königl. Hochlöbl. Regierung hier ausgefertigt.
Dem Inhaber ist das Auswandern nach der Schweiz und der Aufenthalt in
derselben bei Vermeidung einer Gefängnißstrafe bis zu 6 Wochen, oder einer
Geldbuße bis zu 50 Thlrn. untersagt. Magdeburg, den 23. Juni 1848.
Bodelschwingh.
Ich wollte meinen Augen nicht trauen und war genöthigt, um mich von der
Wirklichkeit zu überzeugen, das Ding noch einmal zu lesen; darauf schrieb
ich es buchstäblich ab, und doch vermochte ich noch nicht, es zu glauben und
ich sah mir noch ein paar Mal das Datum genau an; aber es half nichts, es
blieb dabei: diese Verfügung war ganz neu gebacken, vom 23. Juni, im ersten
Jahre der Freiheit, und hatte somit für den Träger volle Gültigkeit.
Die Entwaffnung der aus Holstein rückkehrenden Freischärler, die
Preßprozesse, die Beschränkung des Wanderrechtes ‒ o, der edeln Früchte
unserer Revolution! o, der herrlichen Freiheit, die ihr uns erkämpft habt,
ihr Begrabenen im Friedrichshaine! Nun, wir haben ja verantwortliche
Minister. Nur Schade, daß wir kein Volk haben, das sie zur Verantwortung zu
ziehen versteht. Wie heißt es in der Schrift? „Wir haben euch gepfiffen und
ihr wolltet nicht tanzen!“
[(B. Z.-H.)]
@xml:id | #ar034_019 |
@type | jArticle |
@facs | 0169 |
Von der Schlei, 28. Juni.
Die Bundeskontingente des 10. Armeekorps ziehen seit der vorigen Woche nach
dem Norden durch unsere Stadt. Mecklenburger meherer Waffengattungen,
Braunschweiger mit dem Liede Schleswig-Holstein meerumschlungen, zogen in
Schleswig ein und verließen es eben so wieder. Am Sonntag Abend traf
plötzlich Marschordre an das hier seit 4 Wochen garnisonirende dritte
schleswig-holsteinische Linienbataillon ein, das uns am Montag Morgen
verließ. Am Nachmittage begrüßten uns sofort die Hanseaten, die, nachdem sie
mehrere Wochen in Rendsburg gelegen, den lebendigen Wunsch geäußert haben
sollen, an dem bevorstehenden Kampfe mit Theil zu nehmen. Heute trifft die
Division des Generals Bonin in Apenrade ein, das von den Freischaaren nach
Hadersleben hin überall aufs Vortrefflichste barrikadirt ist. Wir können
also jetzt mit Gewißheit den ernsten kriegerischen Ereignissen in den
nächsten Tagen entgegensehen, da die Dänen hinter Hadersleben mit einer
bedeutenden Truppenmacht (17,000 Mann sagt man) feste Position eingenommen
haben sollen.
[(Brm. Ztg.)]
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@type | jArticle |
@facs | 0169 |
Kiel, 1. Juli.
Wir schweben hier zwischen Krieg und Frieden Gerüchte über beides
durchkreuzen sich und wenn man auch mit Gewißheit annehmen darf, daß nach
langer, langer Waffenruhe die deutsche Armee endlich vorzurücken anfängt, so
fragt es sich doch noch sehr, ob sie diesseits der Königsau noch Feinde
treffen und, wo nicht, dieselbe überschreiten wird. Auch die Gerüchte von
einer Ministerialveränderung in Kopenhagen lassen eine vorläufige Anknüpfung
von Unterhandlungen vermuthen, wenn auch die Persönlichkeit Algreen
Ussing's, der an Orla Lehmann's Stelle getreten sein soll, uns noch nicht
viel Nachgiebigkeit von dänischer Seite in Aussicht stellt. Das scheint aber
gewiß zu sein, daß wenigstens das Herzogthum Lauenburg an dem etwa noch zu
hoffenden Ruhm deutscher Waffen keinen Theil haben wird, da das
lauenburgische Kontingent den Gehorsam verweigert und nach Rendsburg
remittirt ist.
Ein zuverlässiges Schreiben aus Apenrade vom 30. Juni meldet Folgendes: Bei Hadersleben hat eine
Rencontre zwischen dem v. d. Tann'schen Corps und dänischen Truppen
stattgehabt, worin Letztere geschlagen worden sind. Das v. d. Tann'sche
Corps ist am 30. Morgens in Hadersleben eingerückt, die Dänen sind auf dem
Marsch nach Fünen.
[(B. H.)]
@xml:id | #ar034_021 |
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@facs | 0169 |
Wien.
Das k. k. Hauptzollamt hat eine geheime Korrespondenz zwischen dem Fürsten
Metternich in London und einer Reihe hiesiger Aristokraten entdeckt, welche
durch Hrn. Herz, Associé des Bankhauses Arnstein und Eskeles, vermittelt
ward. Das Hauptzollamt faßte die Sache lediglich als eine Beeinträchtigung
des Postgefälls auf und folgte die mit Beschlag belegten Briefe nach
Erlegung der Strafgelder unbedenklich aus.
@xml:id | #ar034_022 |
@type | jArticle |
@facs | 0169 |
Prag, 26. Juni.
Ruhig ist es jetzt überall in der Stadt; aber sie ist menschenleer, denn
außer dem Adel, der vor dem blutigen Drama floh, sind viele reiche oder
bemittelte Familien während und nach demselben geflohen; Gewerbe und Handel
stocken. ‒ Auf dem Flachlande soll die Bewegung hier und da außerordentlich
sein; in Jungbunzlau ist das Standrecht proklamirt worden und alle
Kreischefs haben den Auftrag erhalten, dasselbe bei den geringsten Anlässen
in ihren Kreisen zu publiziren. So eben langt aus Schlan die Nachricht ein,
daß es dort zu Aufständen gekommen.
[(F. O. Z)]
@xml:id | #ar034_023 |
@type | jArticle |
@facs | 0169 |
Innsbruck, 26. Juni.
Unser Gouverneur hat die Tiroler Akademiker, die von der Wiener Hochschule
zur Vertheidigung ihres gefährdeten Vaterlandes herbeieilten, und mit
rühmlichen Zeugnissen über ihre bewiesene Tapferkeit und sittliche Haltung
nunmehr nach Hause kehrten, durch Präsidialerlaß unter Polizeiaufsicht
gestellt. Es werden ihnen darin wühlerische Ideen Schuld gegeben, und außer
den politischen Behörden auch die Seelsorger zu ihrer Ueberwachung
aufgefordert. „Wühlerisch“ ist ein vom Grafen Brandis öfters beliebter
Ausdruck, was dessen Verständniß namhaft erleichtert. So warnte er jüngst
unsern schüchternen Tiroler Boten aus Anlaß eines sehr mäßig gehaltenen
Aufsatzes über unsern neuen Congreß vor der Aufnahme ähnlicher „wühlerischer
Artikel,“ und befahl der Redaktion dagegen eine Erwiederung in reaktionärer
Tendenz aufzunehmen. „Wühlerisch“ scheint daher dem Herrn Grafen namentlich
das zu sein, was dem Fortschritt, d. i. der Entwickelung des
konstitutionellen Systems huldigt, gemäßigt hingegen allenfalls die vom
katholischkonstitutionellen Verein, dem auch er angehört, ausgegangene
Petition gegen Glaubens- und Kultusfreiheit, wodurch man das Volk gegen die
Regierung aufhetzt. Sie sehen Graf Brandis gouvernirt uns noch im besten
Geiste Sedlnitzky's, der jeden freisinnigen Menschen als gefährlich
überwachen ließ, und das Wohl des Staates durch ein Heer von Auflaurern
geborgen hielt, wozu sein würdiger Nachfolger aus besonderer Vorliebe den
Klerus erkor. Wenn die Verantwortlichkeit der Beamten im konstitutionellen
Oestreich nicht blos leerer Schall ist, dürfte sich der Sicherheitsausschuß
in Wien veranlaßt finden, den Gouverneur von Tirol über ein solches Vergehen
gegen die Akademiker der Wiener Hochschule zur Rede zu setzen.
@xml:id | #ar034_024 |
@type | jArticle |
@facs | 0169 |
Von der galizischen Grenze, 24. Juni.
Soeben fangen die Abgeordneten zum wiener Reichstag aus der Bukowina und den
fernsten Kreisen Galiziens nach Wien durchzureisen an; es sind dies zumeist
Bauern in der Kleidung, wie wir solche gewöhnlich an den Ochsentreibern
sehen. Ein runder Strohhut mit einem schwarzen Band, ein leinenes Hemd und
derlei Hose und über den Rücken eine Gunia, das ist ein brauner grobwollener
Ueberwurf. Wie man auf dem Reichstage mit diesen Abgeordneten, die blos
polnisch und dazu noch in verschiedenen schwer zu verstehenden Dialecten
sprechen, auskommen wird, weiß der Himmel. Doch auch in Schlesien sind die
Wahlen nicht sehr entsprechend ausgefallen; die Wähler, zumeist Bauern, da
die Städte zu wenig volkreich sind, um eigne Abgeordnete zu wählen, äußerten
ganz unumwunden, von Beamten, Adeligen, ja selbst von Städtern nichts wissen
zu wollen, und waren überhaupt voll des größten Mißtrauens. Das sind die
fürchterlichen Nachwehen der frühern Bedrückungen, der systematisch
betriebenen Verknechtung. Von Unterschriften, Protokollen, Patenten wollen
die Landleute nichts wissen.
[(D. A. Z.)]
@xml:id | #ar034_025 |
@type | jArticle |
@facs | 0169 |
Aus Mähren.
Zum Präsidenten des mährischen Landtags, der in Brünn seine Sitzungen hält,
ist der Magistratsrath Streit, ein noch junger Mann, der nicht allein der
slawischen Landessprache und des Deutschen vollkommen mächtig ist, sondern
auch eine genaue Kenntniß der Rechts- und politischen Verhältnisse des
Landes besitzt, Eigenschaften, welche die Stellung eines mährischen
Landtagspräsidenten durchaus erheischt. Außerdem ist Streit slawischer
Patriot, und hat am 14. April, als über die Antwort auf die Petition der
Prager, betreffend einen vereinigten Landtag Böhmens und Mährens, debattirt
wurde, mit dem Grafen Taroucca auf das Ersprießliche einer solchen
Vereinigung hingewiesen. Der Landtag soll aus 300 Mitgliedern bestehen, doch
fehlen noch mehrere Mitglieder, da an manchen Orten die Wahlen nicht zu
Stande kamen, weil man über Hals und Kopf das Wahlgeschäft vornahm. Es
befinden sich gegen 80 slawische Landleute unter den Mitgliedern des
Landtages. Diese erklärten sich gleich bei Eröffnung des Landtages, gegen
das pedantische Formwesen und unnütze Zeitverlieren. Die Robotfrage wird
verhandelt. Da giebt es einen harten Kampf zwischen Gutsherrn und Bauern.
Letztere wollen Aufhebung der Robot ohne jegliche Entschädigung, die
Gutsherrn hingegen wollrn, daß man ihnen eine mäßige Entschädigung gebe. Die
Bauern verlangen, daß die Robot mit Anfang Juli aufhöre. Auch auf der
Tribüne befanden sich viele Landleute, die den Verhandlungen über die Robot
mit vieler Aufmerksamkeit zuhörten. Da die Landleute, des Deutschen
unkundig, in ihrer slawischen Muttersprache reden und ihnen auch die
deutschen Reden nicht verständlich sind, so nimmt das Verdollmetschen,
zumal, da kein tüchtiger Translateur angestellt ist, viel Zeit weg. Im
Allgemeinen wird eben so viel Deutsch als Slawisch auf dem Landtage
gesprochen.
[(A. O.-Z).]
Französische Republik.
@xml:id | #ar034_026 |
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@facs | 0169 |
Paris, 30. Juni.
Daß so viele Bürgerbataillone von außen her nach Paris zusammenströmten, hat
hauptsächlich ein Erlaß des Chefs der Vollziehungsgewalt bewirkt, der
folgenden Inhalts war: „25. Juni 41/2 Uhr. Die Sache der Ordnung und der
Republik triumphirt. Die Ankunft zahlreicher Nationalgarden aus den
Departements ist von einem ungeheuren Einfluß gewesen. Der Zuzug in Paris
darf in keiner Weise eingehalten werden.“ ‒ So langten denn jetzt noch ohne
Unterlaß zahlreiche Abtheilungen Nationalgarden aus allen Theilen von
Frankreich an. Man giebt die Zahl derselben, denen heute auf Befehl des
Präsidenten der National-Versammlung Rationen ausgetheilt wurden, auf 91,000
an.
‒ Die Opferstöcke, die in fast allen Hauptstraßen für die Verwundeten und die
Familien der Gefallenen ‒ aus der Nationalgarde ‒ aufgestellt sind, liefern
keinen Ertrag; man schreibt dies der übeln Lage
aller Börsen und der Abwesenheit der Reichen zu. (!)
‒ Ein schweres Unglück ist gestern auf dem Konkordiaplatz vorgefallen. Hr.
Lemansois-Duprey, Sekretär bei der Quästur der N-.V., kehrte gegen
Mitternacht zum Pallast der Gesetzgeber zurück, als auf dem Konkordiaplatz
ein Dragoner auf Posten, der auf seinen Zuruf keine Antwort vernahm, seine
Waffe auf Lemansois abfeuerte; er ist gefährlich am Schenkel verwundet.
‒ Nach der Einnahme der Barrikade an der Estrapade, wo ein Bataillon Linie
und die Nationalgarde so viel Menschen verloren haben, ist Gornet, der
ehemalige Maire, Arzt und Freund von Barbes, durch dessen Einfluß er einige
Tage lang nach der Februarrevolution an der Spitze der Verwaltung stand,
militärisch hingerichtet worden. Gornet hatte die 12. Legion errichtet, ihre
Bewaffnung und ihre Wahlen geleitet und war hierin von Bocquet, der seit dem
15. Mai in Vincennes gefangen sitzt, unterstützt worden.
‒ Thoré, der Hauptredakteur der „Vraie Republique“, ist in Verhaft genommen
worden.
‒ Fünf Maßregeln, die bereits in Vollzug gesetzt worden, sind von dem Klub
der Thiersparthei ausgegangen. Es versteht sich, daß sie durchaus im Sinne
der „Ordnung“ sind. 1. Anwesenheit einer Militärmacht von wenigstens 60,000
Mann in Paris mit 100 Kanonen. 2. Unnachsichtliche Entwaffnung jedes
Nationalgardisten, der in den letzten Tagen nicht zur Vertheidigung des
Landes beigetragen hat. 3. Unverzügliche Auflösung der Nationalwerkstätten.
4. Schließung aller Klubs bis die Konstitution das Associationsrecht
geregelt hat. 5. Zeitweilige Beschränkung der Preßfreiheit.
‒ Einzelne Züge schildern die Stimmung der Geister unter den Siegern.
Nationalgardisten der 2. Legion hatten beschlossen, heute einen Besuch in
den Bureaux der „Demokratie pacifique“ zu machen, eines Journals, dessen
Redaktion ihnen nicht gefällt. Die Redakteure der Demokratie mußten beim
General Cavaignac Hülfe nachsuchen, der ihnen ein Piquet Soldaten zu ihrem
Schutze sandte.
‒ Gemäß Dekret des Chefs der vollziehenden Gewalt, welches die Insurrektion
von 23-27. Juni an die Militärgerichtsbarkeit verweist, hat der Kommandant
der ersten Division den Kommandanten Courtois d'Hurbal, Berichterstatter
beim ersten Kriegsgericht von Paris, beauftragt, unmittelbar zur Instruktion
gegen alle Beschuldigte zu schreiten, deren Zahl sich auf nahe an 6000
beläuft. Der Berichterstatter hat das Verhör begonnen mit den Gefangenen,
die in den Kellern der Tuilerien und dem Souterrain, welches sich bis zum
Konkordiaplatz hinzieht, eingesperrt sind. Ungefähr 1000 Gefangene befanden
sich in den Kellern; es war dringend sich zunächst mit ihnen zu
beschäftigen; denn man hatte zu fürchten daß der Typhes
unter ihnen ausbreche und sich in die obern Räume verbreite welche die
Nationalgarde einnimmt. Derselbe Tagesbefehl, der den
Berichterstatter ernennt, hat zu Substituten desselben die Eskadronschefs
vom Generalsstab Bourguignoe, Constantin und Tissenil bestimmt. Ebenso sind
ihm 3 Substitute vom Kapitainsgarde beigegeben. Von Civilrichtern sind mit
der Instruktion, die gemeinschaftlich mit der Militärbehörde geführt wird,
Broussais und Berriat-Saint-Prix beauftragt. Beigegeben ist diesen Beiden
der Substitut des Prokurators der Republik, Isambert.
Heute um fünf Uhr waren nur noch ungefähr hundert Gefangne in den Kellern.
Sobald ein Hundert derselben von den Berichterstattern und
Instruktionsrichtern vernommen war, wurden sie, die Hände auf den Rücken
gebunden, einer starken Abtheilung Infantrie und Kavallerie übergeben, die
zur Hälfte aus Linie, zur Hälfte aus Nationalgarde bestand. Die Eskorte, der
eine Avantgarde mit dem Karabiner in der Hand voraufzog, brachte die
Gefangnen in die Militärschule auf dem Marsfeld, wo sie einstweilen
verbleiben, bis die Justiz über jeden Einzelen nähere Untersuchung
angestellt hat.
‒ In Lyon liegen 20,000 Arbeiter auf dem Pflaster. Um tnun einen ähnlichen
fürchterlichen Zusammenstoß zwischen Arbeiterthum und Bürgerthum, wie er in
Paris statt fand, zu verhüten, wird heute die Nationalversammlung in aller
Eile 6,000,000 Fr. votiren, welche jene brodlose Arbeiterarmee an der von
Lyon nach Paris führenden Eisenbahn beschäftigen soll. Deslongrais will
diesen neuen Kredit zwar bekämpfen, weil er es für unlogisch hält, sich für
irgend eine Linie früher zu interessiren, als die große Frage der
Expropriation entschieden ist.
‒ Der Moniteur brachte gestern die langen Zolltabellen über Ein- und Ausfuhr.
Daraus ergibt sich, daß der Verlust der Staatskassen nicht so groß ist, als
es die ernsten Ereignisse während der ersten fünf Monate voraussetzen
ließen. Während der Monate Januar, Februar, März, April und Mai 1848 betrug
die Einnahme 32,260,220 Fr., während sie in der gleichen Periode von 1847
allerdings 54,776,512 Fr. und 1846 sogar 62,064,171 Fr. erreichte.
@xml:id | #ar034_027 |
@type | jArticle |
@facs | 0169 |
[*] Paris.
Wir finden in der „Ere nouvelle“ folgende
interessante Nachweisungen über die Schilderhebung der Thierspartei. Im 11.
Bureau erhob sich ein lebhafter Streit zwischen Herrn Thiers und Herrn
Martin von Straßburg über den für die Untersuchungskommission zu ernennenden
Kommissär, der die Ursachen und Urheber der Insurrektion vom 23. Juni zu
erforschen und dabei bis zum 15. Mai zurückzugehn hat. Man ließ den Namen
des Herrn Bauchard circuliren, den Namen eines gemäßigten Republikaners,
dessen Republikanismus ein älteres Dasein hat als die Februarrevolution. Er
sollte eben ernannt werden ohne weitere Diskussion, als Thiers und einige
seiner Freunde hereintraten. Herr Thiers sagte mit lauter Stimme in seiner
Gruppe, aber in der Weise der Conversation, man verfahre nicht in dem Sinne
von Frankreich. Diese Worte, die auf die schon halb beschlossene Ernennung
sich bezogen, denn die Mehrzahl der Mitglieder hatte gestimmt, wurden von
verschiedenen Repräsentanten aufgenommen. Thiers sprach von Kommunismus. Man
antwortete ihm, man sei auf der Spur schuldiger Umtriebe, worin man die Hand
von Prätendenten und ihrer Freunde erblicke. Martin von Straßburg nahm das
Wort und verlangte die Eröffnung der Diskussion, damit laut gesagt werden
könne, was so eben ganz leise an seiner Seite gemurmelt worden. Thiers
antwortete, er habe nicht die Gewohnheit, seine Ansichten zu verbergen und
trotz der Arroganz gewisser Parteien, werde er die
ganze Wahrheit dem Lande sagen. Es ist dieß das erstemal, daß er das Wort im
Bureau ergriff. Bauchard wurde trotzdem zum Kommissär ernannt. Er hatte 31
Stimmen, Thiers 4, Nachet 4 und Dufaure 4.
Der von dem General Baragnay-d'Hilliers in der Straße Poitiers präsidirte
Klub, aus ungefähr 250 Mitgliedern der Nationalversammlung bestehend,
vertritt die Partei Thiers und Barrot. Wir haben gestern unsern Lesern
gesagt, daß die Stimmen, die Dufaure gegen Marie bei der Präsidentenwahl
erhalten, der erste Versuch der Thierspartei ist, ihre Kräfte gegen die
Partei des National zu messen. Diese Partei selbst hat das Votum verstanden,
wie wir es verstanden haben. Das Ministerium hat sich bei den „dynastischen“
Herrn nach dem Sinn dieser feindseligen Demonstration erkundigt, und diese
Herrn, für die offenbar die Februarrevolution gemacht worden ist, ‒ das
Ministerium Thiers Barrot, dem man am 24. Februar zu
spät zurief, kömmt im Juni nur etwas zu früh, ‒ diese Herrn
erklärten, die Ernennung Carnots zum Minister schiene ihnen unschicklich,
gegen sie gemünzt u. s. w., sicherten übrigens huldvoll dem Minister des
Innern, Senard, ihre Unterstützung zu, so weit er
einen ihnen wohlgefälligen Wandel führe. Kurz nach der Februarrevolution
hatte Thiers wie einst Reinecke erklärt, er wolle sich ins Kloster
zurückziehen, ein beschauliches Leben führen, dem eitlen Weltwesen entsagen
und ‒ Geschichten schreiben.
@xml:id | #ar034_028 |
@type | jArticle |
@facs | 0169 |
Lyon, 30. Juni.
Die große Angelegenheit, die seit mehreren Tagen Lyon beschäftigte, war die
Entwaffnung von Croix Rousse. Es handelte sich darum die Kanonen dort
wegzunehmen, deren die Arbeiter sich bemächtigt hatten. ‒ Die Kanonen wurden
ohne Widerstand von Seiten der Arbeiter dem Militär ausgeliefert. Uebrigens
waren für den Fall einer Weigerung die größten Vorkehrungen getroffen. Mehr
als 30 000 Mann umgaben Croix-Rousse. Die Zugänge zu allen Brücken waren von
Kavalerie besetzt, während die Nationalgarde in den Stadtkasernen
aufgestellt war. Es handelt sich jetzt noch darum die Gewehre wieder aus den
Händen der Arbeiter zu nehmen, die nicht Nationalgardisten sind. Diese
Entwaffnung wird indeß mehr Schwierigkeiten darbieten als die eben
erfolgte.
(Siehe den Verfolg in der
Beilage.)
Großbritannien.
@xml:id | #ar034_029 |
@type | jArticle |
@facs | 0169 |
London, 1. Juli.
In der gestrigen Sitzung der Gemeinden ging das Haus
in's Comité über die Zuckerzölle. Herr Bright
ergriff das Wort. Der große Freihandelsquäcker stimmte seinen wehmüthigsten
Ton an, um das Interesse der armen, gedrückten englischen Arbeiter gegenüber
dem Interesse der Kolonien geltend zu machen. Das Parlament habe den
Pflanzern 20 Mill. für die Sklaven-Emancipation und 30 Mill. durch
elfjährigen Zollschutz gegeben. Und jetzt wolle man noch 2-3 Mill. jährlich
aus der Tasche des Verhungernden Volks ziehen, zur Bereicherung der
Pflanzer? Das Ministerium solle sich in Acht nehmen. Gerade an dieser
Zollschutzfrage sei Lord J. Russel's Kabinet 1841, Sir R. Peel's Kabinet
1846 zu Grunde gegangen, und letzte Nacht habe das Ministerium ebenfalls
schon mit dem Tode gerungen, kaum noch erhalten durch 15, in andren
Hauptfragen sonst abweichende Stimmen. Er kritisirte Lord J. Russell's
gestrige Rede sehr scharf und schlug vor, an den bestehenden Zuckerzöllen
Nichts zu ändern.
Herr H. Berkelay und Herr Tollemache wimmerten dagegen im angeblichen Interesse der
emancipirten Sklaven; Herr Berkelay vergaß übrigens nicht zu bemerken, daß
er außerdem persönlich dabei betheiligt sei.
(Es versteht sich übrigens von selbst, daß es sich weder um Sklaven noch um
Proletarier handelt, sondern blos um englische Fabrikanten und westindische
Grundbesitzer. Ob Erstere durch Herabdrückung der Preise aller Lebensmittel
und namentlich des in England zu einem Hauptkonsumtionsartikel der
arbeitenden Klasse gewordenen Zuckers, in den Stand gesetzt werden sollen,
auch den Lohn ihrer Arbeiter zu drücken, oder ob die
westindischen Grundbesitzer durch erhöhte Zuckerpreise in den Stand gesetzt
werden, hohe Grundrenten zu beziehen, das ist Alles, worum es sich handelt.
Arbeiter und Sklaven sind blos sentimentale Arabesken.)
Sir Ch. Wood, Schatzkanzler, antwortete Herrn Bright
in sehr langweiliger Weise und brachte sehr schlau, zu Gunsten des
ministeriellen Vorschlags, einige Details über sein revidirtes Budget vor,
wonach 1 1/2 Million von den 2 Millionen Defizit gedeckt werden.
Nach Hrn. Cardwell und Hrn. Wilson für, sprach Lord Nugent gegen den
ministeriellen Vorschlag. Er erklärte ihn für schwach, treulos und gottlos,
sprach von früheren Verpflichtungen gegen die westindischen Grundbesitzer
und vom verfluchten Sklavenhandel, erklärte sich aber auch gegen Herrn
Brights Vorschlag.
Herr Brights Vorschlag wurde dann von 302 gegen 36 Stimmen verworfen.
‒ Die Times hat die mit dem Dampfboot Lion von
Hamburg und Hull angekommene Nachricht, daß der Friede zwischen Deutschland
und Dänemark so gut wie abgeschlossen sei (a settleck thing).
3 proz. Stocks um 4 Uhr 837/8 à 841/8 für Rechnung.
[0170]
@xml:id | #ar034_030 |
@type | jArticle |
@facs | 0170 |
London, 30. Juni.
George Julian Harney, der Redakteur des Northern Star, des Organs der englischen Chartisten,
schickt der „Neuen rheinischen Zeitung“ folgenden Bericht, den wir uns
beeilen, unsern Lesern mitzutheilen.
„Da den Lesern der „Neuen Rheinischen Zeitung“ eine
kurze Schilderung des gegenwärtigen Standes der englischen Volksbewegung
vielleicht nicht unwillkommen ist, so will ich Ihnen die Umrisse der
jüngsten Ereignisse geben, ‒ Umrisse freilich nur, denn vielfache
Beschäftigungen machen es mir unmöglich, auf Einzelheiten einzugehen. Es
wird nicht nöthig sein, Ihren Lesern noch zu erzählen, wer die Chartisten sind und was der
Chartismus ist. Um indeß meine Darstellung desto verständlicher zu machen,
will ich dem Bericht der Tagesereignisse eine Schilderung der Vergangenheit
vorhergehen zu lassen.
Die Chartisten sind die Nachfolger der Radikal-Reformer, diezuerst unter
aristokratischem und später unter dem Einfluß der Mittelklasse, von der Zeit
des amerikanischen Krieges, bis zum Jahre 1830 jene große Agitation für eine
radikale Reform des Parlamentes, aufrecht zu erhalten wußten.
Damals, nämlich im Jahre 1780, publizirten die Reformer unter der
unmittelbaren Leitung von Charles James Fox, Richard Brinsley, Sheridan und
anderer Häupter der Whigs, einen Plan allgemeiner Volkswahl, der von dem
Geiste der heutigen Volks-Charte nicht im geringsten verschieden ist. Leute
wie der Herzog von Richmond und Earl Stanhope, waren damals Vertheidiger des
Systems der Charte. Selbst der später so tyrannische Pitt gehörte zu den
feurigsten Radikalen. Wie er später ein Tory wurde, an dem selbst Georg III.
keinen Fehler zu finden wußte, so war er in seiner Jugend ein Demokrat, dem
selbst ein Horne Tooke das vollste Vertrauen schenkte.
Alle diese Aristokraten und ministeriellen Kandidaten zogen sich aber
erschreckt zurück, als plötzlich die französische Revolution ausbrach und
von den Reformern von 1780 war Major Cartwright, „der treu unter den
Treulosen erfunden“, fast der einzige, der nach wie vor der alte blieb. Pitt
wurde damals Premier von England. Die Aristokratie und die Mittelklasse war
für ihn und getrost hätte er sofort den Krieg gegen die junge französische
Republik beginnen können, wenn nicht, trotz des Desertirens fast aller
Führer, eine ziemlich kompakte demokratische Partei zurückgeblieben wäre,
welche mit großer Sympathie für die französische Bewegung, die Reform
Agitation fortgesetzt hätte. Um sich den Rücken frei zu halten, mußte dieser
ein Ende gemacht werden und kühn streckte Pitt seine Faust nach den Leitern
jener Klubs und jener korrespondirenden Gesellschaften aus, welche die
Demokraten aller Orte des Landes bisher in ununterbrochenem Verkehr hielten.
Die infame Deportation Muir's, Palmer's, Gerald's, Skirving's und
Margarot's, welche Mitglieder des in Edinbourgh gehaltenen britischen
Konvent's waren und der Triumpf Hardy's, Thelwal's und mancher Anderer über
den Renegaten Pitt, alles ist einem Jeden bekannt, der sich mit der neuern
Geschichte Englands nur in etwa befaßte. Ein Parlaments-Akt machte dann
sämmtlichen politischen Verbindungen ein Ende und die Aufhebung der
Habeas-Corpus-Akte trug nicht wenig dazu bei, die ohnehin noch nicht recht
unter die Masse der Arbeiter gedrungene Reform-Agitation in ihrem Entstehen
zu erdrücken.
Der lange Krieg gegen Napoleon, der den Engländern die Herrschaft zur See und
das Monopol für den Absatz britischer Fabrikate auf allen asiatischen und
amerikanischen Märkten sicherte und eine kolossale Entwicklung der
industriellen Thätigkeit Englands nach sich zog, lenkte außerdem die
Gemüther von der innern Politik des Landes ab, so daß ein mehrjähriges
Darniederliegen der revolutionären Partei unausbleiblich war.
Der Frieden änderte indeß Alles. Das Monopol des englischen Handels fiel und
Zehntausende außer Beschäftigung geworfener hungernder Arbeiter, vereinigten
sich mit nicht weniger drohenden Massen verabschiedeter Soldaten und
Matrosen:„The broken tools whom tyrants cast away.“
(Zerbrochne Werkzeuge, fortgeworfen von Tyrannen) und erhuben den
Schrei der Reform.
Burdett und Hunt, erstrer als Leiter der radikalen Mittelklasse, letztrer als
Haupt der proletarischen Phalanx, wurden jetzt die Führer der neuen
Bewegung.
William Cobbett, der zu gleicher Zeit auftrat und als Redner und
Schriftsteller den ungetheiltesten Enthusiasmus des Volkes hervorrief, kann
eigentlich nicht als Parteichef betrachtet werden. Dieser wunderbare Mann,
auf den die Engländer, trotz aller seiner Fehler, wohl Ursache haben, stolz
zu sein, hatte nicht die Eigenschaften eines jederzeit wirksamen Demagogen;
sein ungemeiner Egoismus ließ ihn auch nie mit irgend einem andern populären
Manne sechs Monate lang übereinstimmen.
Was nun die Arbeiter angeht, so übten sie, obgleich sie die Masse der
radikalen Partei ausmachten, doch noch nicht den Einfluß aus, mit dem sie
später in der Chartisten-Bewegung so charakteristisch hervortreten. Selbst
die Leiter der „ultra physical force men“, jener Leute welche ihre Zwecke
durch physische Gewalt durchzusetzen sich nicht scheuten, gehörten in jener
Zeit nicht in die Reihe der Arbeiter. Thistlewood war Soldat; seine Freunde,
die beiden Watsons stammten aus der Mittelklasse.
Die nach dem Frieden auf's Neue begonnene Agitation, welche von Burdett und
Hunt geleitet und von dem alten Cartwright und Cobbet unterstützt wurde,
sollte indeß nicht lange dauern. Die aristokratische Mittelklasse sah sich
in zu großer Gefahr, als daß sie sich nicht gern mit dem Gouvernement
vereinigt hätte, um einem aus der Entwicklung der Industrie hervorgegangenen
Proletariate und den momentan damit verbündeten Kleinbürgern kühn die Stirn
zu bieten. Auf dem sogenannten Petersfeld in Manchester sollte sie ihre
Sporen verdienen.
Hunt hatte eine Versammlung angekündigt. Sechszigtausend Menschen, Männer,
Weiber und Kinder kamen auf dem engen, von Häusern umgebenen Raume zusammen,
um den Rednern der radikalen Partei zuzuhören, und eine Adresse an den
Regenten zu votiren, in der man die, namentlich der schlechten
Volksvertretung entsprungene Noth der Massen auseinander zu setzen
beabsichtigte. Hunt besteigt die Tribüne, kaum hat er einige Worte
gesprochen, da entsteht von dem einen Zugang des Platzes her, ein wildes
Getöse, ein Trupp reitende Yeomanry, die aus der aristokratischen
Bourgeoisie gebildete Stadt-Soldateska, sprengt mit verhängten Zügeln in die
wehrlose Menge, die Säbel schwingend und rechts und links Alles
niedermetzelnd, bis der Platz von Lebenden gereinigt. Das Volk nannte dieses
Gemetzel auf dem Petersfelde, das Peterloo-Massakre, als Anspielung auf die
kurz vorhergegangene Schlacht von Waterloo.
Die schrecklichste Wuth bemächtigte sich der Menge nach diesem Ereignisse und
wenn das Gouvernement bisher mit der hohen Mittelklasse Hand in Hand
gegangen war, so mußte es jetzt erst recht zu energischen Maßregeln greifen
um die Agitation der Reformer auf's Neue zu unterdrücken. Männer wie
Sidmouth, Canning und Castlereagh, welchen letztern Byron in seinem Don Juan
„den Halspulsader abschneidenden Castlereagh“ oder „die Blut- und
Spautze-Spritze“ nannte, liehen natürlich ihre Hände zu Allem, was die
Brutalität der Mittelklasse forderte; vergebens zuckte Thistlewood den Dolch
auf die Lords in Horrowby Haus ‒ ehe sein Kopf auf dem Schaffote fiel,
erklärte er, das Massakre auf dem Petersfelde habe rächen zu wollen.
Eine wahre Schreckenszeit begann jetzt für die Reform-Partei. Sir Francis
Burdett hatte genug zu thun, um sich die Hände frei zu halten; Cobbett
flüchtete nach Amerika, Hunt, in Untersuchungen verwickelt, konnte sich nur
von Zeit zu Zeit sehen lassen. Fast während zwei Jahren blieb die
Habeas-Corpus-Akte aufgehoben; gehetztem Wilde gleich, jagten die Leiter der
Reformer von einem Orte zum andern und wenn ihre Agitation auch nie ganz
aufhörte, so hatten sie doch viel von ihrem Einfluß auf eine Bevölkerung
verloren, die durch den Verrath der Mittelklasse hoffnungslos in ihrem
Elende zu vergehen schien.
Da kam die Revolution von 1830 und erschütterte Europa bis in seinen letzten
Winkel.
(Schluß des ersten Artikels folgt.)
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[*] Dublin, 28 Juni.
Die sterblichen Ueberreste Tom Steele's wurden
gestern auf dem Dämpfer Cornwall hierher gebracht und in der
„Versöhnungshalle“ niedergelegt. Sie bleiben dort so lange, bis die
Vorbereitungen zu einem feierlichen Begräbniß getroffen sind. Tom Steele
starb im Elend; mit der Hälfte des Geldes, das man jetzt für den Todten
verwenden wird, hätte der Lebende seine Tage sorgenlos beschließen
können.
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@facs | 0170 |
Hohes Staatsministerium!
Einem hohen Staatsministerium bin ich nothgedrungen, Folgendes ehrerbietigst
vorzutragen:
In meiner Abwesenheit am 22. Mai a. c. erschien der Lieutenant Petersdorf mit
einer Abtheilung der 3. Kompagnie 14. Linien-Infanterie-Regiments und der
Gensd'arm Waschmannsdorf aus Gollancz, und hielten bei mir wegen Waffen
Haussuchung ab, wobei dieselben meine letzte Waffe, ein Jagdgewehr, in
Beschlag genommen: hierbei hat sich der etc. Petersdorf anständig und dem
Zwecke gemäß, benommen. Ich war nun gewiß, daß der Art Haussuchung bei mir
nicht mehr stattfinden würde, hatte mich hierin aber getäuscht. Denn am 27.
desselben Monats Morgens 5 Uhr ‒ wo ich nur grade mit einem Schlafrocke
bekleidet war ‒ traf der Premier-Lieutenant Liebach mit der 11. Kompagnie
14. Landw.-Reg. und der Lieutenant Schmidt mit einem Zuge des 4.
Ulanen-Reg., wobei sich noch der Gensd'arm Schulz befand, aus Chodziesen
hier ein. Außerdem hatte sich diesem Zuge noch mit angeschlossen, der
Kommunalbote des königlichen Distriktskommissarius aus Margonin, Namens
Klatt, welche Letztere sich bei der zweiten Haussuchung als Häscher
besonders auszeichneten.
Bei ihrem Erscheinen eröffnete ich denselben, daß bei mir bereits wegen
Waffen eine Haussuchung stattgefunden habe, und versicherte auf meine Ehre,
daß ich keine Waffe mehr besitze, überhaupt bei keinem Aufstande betheiligt
gewesen und stets mich ruhig verhalten hätte. Ganz besonders hob ich noch
hervor, daß in dieser Gegend keine Konflikte vorgekommen wären. Hr. etc.
Liebach begnügte sich aber damit nicht, sondern beauftragte den etc. S.,
eine strenge Hausvisitation vorzunehmen, die dann auch mit allen Chikanen
und Grausamkeiten ausgeführt wurde.
Ein Keller, worin verpfändeter Spiritus unter Steuer-Verschluß lagerte, und
wozu ich die vom Ober-Steuer-Kontrolleur versiegelten und bezeichneten
Schlüssel dem etc. S. vorlegte, wurde, da man hierauf nicht reflektirte,
durch gewaltsame Erbrechung der Thüre mittelst Aexte geöffnet, indem die qu.
Schlüssel (so gab man jetzt vor) verschwunden sein sollten. Vielleicht hat
Jemand gedacht, daß die mit 5 Siegeln bezeichneten Schlüssel ein Päckchen
Geld seien.
Die Haussuchung blieb bei der größten Strenge bei mir, mit Ausnahme einiger
Kupferhütchen und zweier alten Epaulett, erfolglos. Die vorgenannten
Epaulett's sind nicht mein Eigenthum, sondern gehören meinem jüngern Bruder
Ignatz an, welcher die Revolution von 1830 mitgemacht und später von Sr.
Majestät dem Könige begnadigt worden ist.
Bei meinem Gärtner Derszikowski wurde eine Doppelflinte vorgefunden, von der
ich aber nichts wußte, und wovon der eine Lauf mit Schrot Nr. 9 geladen war,
bei meinem Schreiber Bokin wurden zwei Rehposten gefunden, ‒ dieses nun war
das Ergebniß der so streng geführten Haussuchung.
Der etc. Liebach war ins Dorf gegangen ‒ und zwar absichtlich ‒ damit die
Soldateska ihre Grausamkeiten an mir ungestörter ausüben konnte.
Insbesondere zeichnete sich hierbei der Ulan v. Natzmer aus. ‒ Ich wurde
ergriffen und vom Hausflur in den Keller hinabgestürzt, hierauf auf eine
empörende Weise maltraitirt und beschimpft; ja ich wurde mit Säbeln,
Ladestöcken, Kolben und einigen Stichen mit dem Bajonette, wovon heute noch
mein Schlafrock die Spuren an sich trägt, und endlich mit dem Kantschu
gemißhandelt, daß dadurch mein Leben der größten Gefahr ausgesetzt wurde,
welches das hierbei liegende ärztliche Attest bekundet.
Während dieser Mißhandlung ließ etc. L. in hiesiger Schule mehrere meiner
Komorniken und auch meinen eigenen Sohn Sigismund gegen mich vernehmen,
welche durch Kolbenstöße, 25 Kantschu-, resp. Säbel- und Ladestockhiebe zur
verlangten Aussage gezwungen wurden und endlich ein Protokoll, welches vom
Feldwebel Herzel in deutscher Sprache aufgenommen und ihnen somit
unverständlich war, unterschreiben resp. unterkreuzen mußten.
Der Zufall fügte es, daß mein Schwager v. Goslinowski nebst Frau und Sohn
gerade zu dieser Zeit bei mir zum Besuche waren, desgleichen auch der
Brenner Grzybowski, welcher bei mir ein Unterkommen suchte, ‒ auch diese
wurden sämmtlich arretirt.
Nachdem dies geschehen, wurden alle meine Hofleute im Hause gemißhandelt, ich
und meine Frau aus den Armen der weinenden und schreienden Kinder gerissen
und als Verhaftete zum Transport nach Margonin designirt. Der Feldwebel H.
erlaubte mir und meiner Frau nicht einmal ein Fuhrwerk zu benutzen, sondern
wir sollten zu Fuße gehen, stieß mich noch einigemale mit seinem
Gewehrgefäße in den Rücken und bediente sich des wahrlich nicht humanen
Ausdrucks: „Du verfluchter polnischer Hund, warte nur, die Soldaten werden
Dich schon lehren!“
Ich war also genöthigt, meinen Schwager und Schicksalsgefährten v. G. zu
bitten, mich und meine Frau auf sein Kabriolet aufzunehmen, wogegen das
Militär meiner sämmtlichen Wagen und Pferde auf dem Gute sich bediente, um
ihre Reise nach M. zu beschleunigen, wohin auch ich, meine Frau, mein
Schwager nebst Frau und Sohn, so wie auch der Brenner G. transportirt
wurden.
Tags darauf wurden wir nach Chodziesen gebracht. Obgleich hier am
letztgenannten Orte der Stellvertreter des Landraths, Kreissecretair Vierch,
der Ober-Steuer-Controlleur von Neuen und der Kaufmann und Bürger Stahl, so
wie mehrere Andere sich dringend für uns verwendeten, so wurden wir dennoch
nicht entlassen, sondern am andern Tage mit noch zwei andern Arrestanten und
einem Wagen voll Waffen durch 2 Unteroffiziere und 5 M. Gemeine wieder nach
Wongrowiec geführt.
Der pfiffigen und schlauen Berechnung des etc. L. zu Folge wäre ich beinahe
in W. abermals vom Militär gemißhandelt worden, indem dieses präsumirte, daß
ich der rechte Anführer der Insurgenten sein müßte.
In W. angekommen wurde ich vor den Obristen von Chevalerie geführt, und
darauf mittelst Zwangspasses entlassen. Dieser achtbare Mann schien sich
über meine erlittene Mißhandlung und Arretirung tief zu kränken, und fühlte
gewiß sogleich die traurigen Folgen, wodurch immer mehr und mehr die Ehre
und Zuverlässigkeit des preußischen Militärs in Frage gestellt wird.
Ich bin nicht Soldat gewesen, habe mich auch bei allen Unruhen und Wirren
ruhig verhalten; war in Erfüllung meiner staatsbürgerlichen Pflichten immer
pünktlich, treu und gewissenhaft, habe auch in der letzten Zeit nur nach
Ruhe und Ordnung in meinen Gütern gestrebt, was mir das königl. Landrathsamt
in C., wie auch der Ober-Steuer-Kontrolleur v. N. daselbst, so wie auch der
Steuer-Kontrolleur Schreck aus M. bezeugen können.
Dieserhalb glaube ich keine Veranlassung zu einer solchen entehrenden
Behandlung gegeben zu haben, und wage also an Ein hohes Staatsministerium
nachstehende Fragen allerunterthänigst zu richten:
1) Wer hat die genannten Offiziere veranlaßt und ermächtigt,
bei mir Hausrevision abzuhalten?
2) Warum bin ich und meine Leute durch
die Soldaten so gräßlich gemißhandelt worden?
3) Weshalb wurde ich und
meine Frau arretirt und vier Tage lang herumgeschleppt?
4) Weshalb
wurden wir nicht in der Kreisstadt C, wo doch unsere Unschuld erwiesen,
entlassen, sondern erst wieder nach W. transportirt?
5) Ist es jetzt
erlaubt, daß die Soldaten jeden ruhigen Bürger mit Säbeln, Kolben,
Ladestöcken, Bayonetten maltraitiren und mit dem Kantschu schlagen
können?
6) Ist ein solches Verfahren wohl geeignet, um das Vertrauen
der Polen gegen die Deutschen und die Liebe gegen die preußische Regierung
zu erwecken und zu befestigen? und
7) Welche Satisfaktion steht mir
jetzt zu Gebote und welche wird für die gehabte Mißhandlung mir gewährt
werden?
Ein Hohes Staatsministerium will, daß überall Gerechtigkeit gehandhabt und
jeder Staatsbürger geschützt werde, dieserhalb wage ich Hochdasselbe
ehrerbietigst anzugehen, eine schleunige und strenge Untersuchung gegen den
etc. Liebach, Schmidt und Consorten einleiten lassen zu wollen.
Damit aber meine Nachbaren Kenntniß meiner ergriffenen Schritte zur
Wiedererlangung meiner tief gekränkten Ehre erhalten, so werde ich diesen
meinen Vortrag in die öffentlichen Blätter aufnehmen lassen.
Mit tiefster Ehrerbietung Eines etc. etc. etc. ergebenster.
Jaktorowo, Kreis Chodziesen, Reg.-Bezirk Bromberg, den 22. Juni 1848.
Der Herr Gutspächter von Seredynski aus Jaktorowo ist von mir heute ärztlich
untersucht worden und habe ich gefunden, daß die ganze Fläche des Rückens
auf beiden Schulterblättern mit zolldicken blutigen Sugillationen bedeckt
ist, eben so ein großer Theil der äußern Fläche der Oberarme. Es sind diese
bedeutenden Verletzungen offenbar durch heftige andauernde Mißhandlungen
mittelst harter aber stumpfer Instrumente hervorgebracht worden. Es befindet
sich außerdem eine bereits verharschte Stichwunde an dem obern Theil des
hintern Randes des linken Schulterblattes, welche indessen nicht in die
Tiefe zu gehen scheint. Eine fieberhafte Reaktion des Organismus auf die
vorhandenen Verletzungen ist bis jetzt nicht eingetreten, und ist dies
wahrscheinlich nur der robusten Konstitution des Verletzten zuzuschreiben. ‒
Dies Vorstehende bescheinige meinem besten Wissen gemäß.
Wongrowiec, den 29. Mai 1848.
[(L. S.)]
gez. Dr. Gall.
(Hierzu eine Beilage.)