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Die 5., 8. und 12. Legion der Nationalgarde sollen aufgelöst werden. In der
12. Legion haben nur 50 Mann auf den Appell geantwortet.
Zahlreiche Gefangene sind gestern Nacht wieder im Luxembourg und auf dem
Champ de Mars todt geschossen worden.
„Ich war gestern,“ schreibt selbst der Korrespondent der „Independance,“ „in
der Nationalversammlung gewesen. Ich sage es mit
Bedauern, aber die Repräsentanten sind von der schweren Bedeutung der
jetzigen Lage gar nicht durchdrungen. Sie meinen, es sei Alles aus, und
es handle sich jetzt um weiter nichts mehr, als um
Repressions-Maßregeln. Gott wolle, sie hätten Recht.“
Eine Kommission ist beauftragt worden, sich mit der exekutiven Gewalt über
die Leichenceremonien und die Organisirung einer Revue der Nationalgarde und
der Armee zu verständigen.
Der Belagerungszustand soll noch 10 bis 15 Tage fortgesetzt werden.
Die Untersuchungskommission ist sehr beschäftigt, viele Repräsentanten sollen
kompromittirt sein.
So viel kann ich Sie aus direkten, um nicht grade zu sagen aus persönlichen
Renseignements versichern, daß drei Repräsentanten Samstag um Mittag an der
Barriere Pigale von Nationalgardisten von Montmartre arretirt worden
sind.
Sie sind auf die Mairie des zweiten Arrondissements geführt worden; ich habe
dieses von dem Offizier, der sie auf die Wache geführt, vernommen.
Man spricht immer noch davon, Caussidiere, Louis Blanc und Lagrange zu
verhaften.
Zwei Korrespondenzen bestätigen, daß der Erzbischof, so wie der General
Negrier durch die Kugeln der Mobilgarde getroffen
niedergesunken sind, nicht durch die der Insurgenten.
‒ Die ganze Bevölkerung strömt seit gestern, wo wir wieder etwas freier
athmen, nach den Schauplätzen der Revolution (City, Rue St. Jacques,
Faubourg St. Antoine und dem Kanale). In der City und am Pantheon sind die
Verwüstungen viel weniger sichtbar als im Faubourg St. Antoine, wo Held
Lamoriciere vier Tage lang mit Feuer und Schwert wüthete.
‒ Die gefangenen Insurgenten sind sämmtlich in die Aussenwerke unserer
Festungswälle gesperrt, wo sie ihrem Schicksale entgegensehen. Die Leiter
des Aufstandes werden erschossen, die anderen in die aussereuropäischen
Kolonien verbannt. Ganz wie nach dem Fruktidor, Nivose und der Rückkehr der
Bourbonen.
‒ Heute früh fand eine Revue der aus den Departements herbeigeeilten
Bürgerwehren an der Eintrachtsbrücke im Beisein der National-Versammlung
statt.
‒ Cabet, das bekannte Haupt der ikarischen Kommunisten, protestirt in allen
Blättern gegen die Behauptung mehrerer Bürgerwehren, die ihn mit eignen
Augen an der Spitze des Aufstandes gesehen haben wollten.
‒ Der National enthält folgenden, für die
italienischen Verhältnisse wichtigen Artikel: „Im Auslande, namentlich in
Italien und der Schweiz, verbreitet sich die Nachricht, daß sich die
Regierung der französischen Republik zu einer Vermittelung im italienischen
Kriege geneigt zeige, deren Grundlage die Abzweigung Venedigs wäre. Wir
hoffen, daß so etwas noch nicht beschlossen worden und ein ähnlicher Fehler
nicht begangen werden wird. Dies hieße, den Frieden von Campo Formio
erneuern und in eine Theilung Italiens willigen. Dies wollen aber weder die
Italiäner, noch kann es Frankreich wünschen. 1799 opferte der General
Bonaparte Venedig auf, weil er nach blutigen Kämpfen den Frieden erstrebte.
Der errungene Frieden war aber nur ein ephemerer, und Venedig wurde wieder
von Oesterreich losgerissen und an Italien gefügt, zu dessen König sich
Napoleon proklamirt hatte. Will man heute ernstlich etwas Dauerhaftes, so
muß Oestreich definitiv Italien verlassen, und die italienische Nation darf
Niemand als sich selbst angehören. Jede andere Kombination wäre ein
unhaltbares Werk für die Völker, eine Schande für das insurgirte Italien und
eine feige Desertion von der französischen Politik.
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[
*
] Paris, 28. Juni.
General Cavaignac und die Nationalversammlung ließen diesen Morgen über
50,000 Nationalgarden des Seine-Departements Revue passiren. Aus Bordeaux
und Tonlouse langten heute Morgen ebenfalls Bataillons an. Gestern wurden in
den Faubourgs St. Jacques und St. Marceau 1,700 Gefallene beerdigt. Die Zahl
der bis jetzt gefangen genommenen Insurgenten beträgt 5 ‒ 6000, die Zahl der
in der Umgegend von Paris befindlichen Insurgenten schätzt man auf 20,000
Mann.
‒ Nach dem 24. Februar allgemeiner Ruf: Es giebt keine Sieger, keine
Besiegten, es giebt nur Franzosen! II n'ya pas des vaincqueurs, il n'ya pas
des vaincus, il n'y a que des francais.
Heute muß die „Reforme“ selbst Cavaignae's Großmuth
preisen, womit er an die National-Versammlung schreibt: Ich sehe zu Paris
Sieger und Besiegte!
mein Name bliebe mit Fluch bedeckt, wenn ich zugebe, daß man hier Schlachtopfer sieht! Und wie zweideutig ist noch die
Großmuth!
‒ Kersausie und Napoleon Lebon sind gestern arretirt
worden.
‒ Nationalversammlung. Sitzung vom 28. Juni. Senard
eröffnet sie um 121/2 Uhr Mittags. General Changarnier, so eben aus Algier
angekommen, ist anwesend. Es herrscht eine außerordentliche Spannung im
Saale, Vorläuferin wichtiger parlamentarischer Ereignisse. Man weiß, daß
Cavaignac und sämmtliche Minister ihr Amt niederlegen wollen. Unter
lebhaften Gesprächen liest der Präsident einen Brief des Bischofs von
Calzedonien (in partibus) vor, worin derselbe der Versammlung anzeigt, daß
die religiöse Kongregation von Picpus (Frauenkloster bei Paris) die nach den
Marquisen-Inseln zu transportirenden Insurgenten zu begleiten wünscht. Dann
liest derselbe den Entwurf einer Proklamation vor, die wir ihrer
prinzipiellen Merkwürdigkeit halber hier fast wörtlich mittheilen. „An das
französische Volk Franzosen! Die Anarchie ist besiegt; Paris steht aufrecht
und die Gerechtigkeit wird ihren Lauf haben Ehre der Bürgerwehr der
Hauptstadt und Departements, Ehre der Armee, der Mobilgarde, den Schulen,
der republikanischen Garde und allen Freiwilligen, die herbeieilten, um
gegen die Barrikaden Ordnung und Freiheit zu vertheidigen. Alle haben
beigetragen, mit Nichtachtung ihres Lebens und mit übermenschlichem Muthe
die Unternehmung von Rasenden zu unterdrücken. Alle haben von Barrikade zu
Barrikade und selbst bis in ihre letzten Schlupfwinkel jene Rasenden
zurückgestoßen, die ohne Grundsätze, ohne Fahne, sich nur für Mord und
Plünderung bewaffnet zu haben scheinen. (Ja, ja). Familie, gesellschaftliche
Einrichtungen, Freiheit, Vaterland, Alles sollte von diesen neuen Barbaren
zerstört werden. Die Civilisation des 19. Jahrhundert war mit Untergang
bedroht. Doch nein; die Civilisation soll nicht untergehen! Die Republik,
Werk Gottes, lebendiges Gesetz der Menschheit, wird nicht untergehen! Wir
schwören es beim gesammten Frankreich, das mit Entsetzen jene wilden Lehren
zurückstößt (Bravos), laut welchen die Familie nur ein leerer Name und das
Eigenthum nur Diebstahl. (Bravo, bravo!). Wir schwören es beim Blute so
vieler edler Opfer, die unter den brudermörderischen Kugeln fielen. Alle
Feinde der Republik hatten sich gegen sie in gewaltsamer und verzweifelter
Anstrengung vereint. Sie sind überwunden und Keiner von ihnen kann es wagen,
uns zu neuen blutigen Kämpfen herauszufordern. Sagt uns der erhabene
Aufschwung, der so viele Tausende bewaffneter Bürger in die Hauptstadt
trieb, um für sie zu kämpfen, nicht klar genug, daß das größte aller
Verbrechen darin besteht, sich gegen die aus dem allgemeinen und direkten
Stimmrecht hervorgegangene Volkssouveränetät zu empören? (Ja, ja.) Und
beweisen die Dekrete der Nationalversammlung nicht klar genug, daß es in
unserer Republik keine Klassen, keine Privilegien mehr gibt, daß die
Arbeiter unsere Brüder sind, daß ihr Interesse für uns das heiligste ist,
und daß wir nach Herstellung der Ordnung und Erfüllung strenger
Gerechtigkeit bereit sind, unsere Arme und Herzen allen Denen zu öffnen, die
da unter uns leiden? Franzosen! Einigen wir uns in der heiligen
Vaterlandsliebe, vertilgen wir die letzte Spur unseres inneren Zwiespalts
und halten wir alle Eroberungen der Freiheit und Demokratie aufrecht. Möge
uns nichts von den Grundsätzen der Revolution abführen! Aber vergessen wir
nicht, daß die Gesellschafft geleitet sein will, daß die Gleichheit und
Brüderschaft sich nur in der Eintracht und in Frieden entwickeln können, und
daß die Freiheit der Ordnung bedarf um sich zu befestigen und sich gegen
ihre eignen Uebergriffe zu schützen. Auf diese Weise wollen wir die Dauer
unserer jungen Republik begründen und sie von Tag zu Tag größer und
glücklicher einer Zukunft entgegenführen, für welche die eben bestandenen
Prüfungen neue Bürgschaften sind.“
Diese Proklamation erntete stürmischen Beifall. Man wollte ihren Verfasser
wissen, der Präsident aber verschwieg seinen Namen.
Cavaignac bestieg demnächst die Tribüne und legte sein hohes Amt nieder.
Flocon folgte ihm, um im Namen seiner sämmtlichen Kollegen die Entlassung
des Ministeriums zu überreichen. Der Präsident schlug vor, dem General den
Dank des Vaterlandes zu votiren, das mit großem Enthusiasmus geschah. Die
Versammlung schritt dann zur Wahl eines neuen Vollziehungsausschusses, der
in einem Ministerrathe bestehe, als dessen Präsident Cavaignac vorgeschlagen
wurde. Senard brachte den diesfälligen Gesetzentwurf zur Abstimmung.
Dieselbe erfolgte par Division und bestätigte den gemachten Vorschlag
vollständig. Cavaignac ist also provisorischer Präsident der Regierung bis
zur Verfassungsannahme. Die Versammlung ist damit beschäftigt, die Minister
zu wählen.
Kurz vor der Abstimmung erklärte Cavaignac, daß es nothwendig, den
Belagerungszustand von Paris noch für einige Tage beizubehalten.
Man erfährt gleichzeitig, daß die große Begräbnißfeier der Gefallenen für
Freitag, den 30. Juni, angeordnet ist.
So eben hören wir folgendes Resultat:
Cavaignac, Präsident; Senard, Inneres; Recurt, Staatsbauten; Lamoriciere,
Krieg; Thouret (aus Allier), Handel (?); Bethmont, Justiz; Bastide,
Auswärtiges; Changarnier, Obergeneral der Nationalgarde; Verninac,
Marine.
Die Börse zwar offen, aber keine Geschäfte.
‒ Schluß der Nationalversammlung vom 27. Juni. 1/4
vor 9 Uhr.
Der Präsident zeigt den Tod Charbonnels und des Erzbischofs von Paris
an.
Bürger Sarrans hat das Wort. (Nein, nein!) Mehre Stimmen: Keine Diskussion. (Lärm.)
Sarrans: Ich habe die erste Huldigung dem Dienst der
Nationalgarde dargebracht und ich habe von ihr die Ehre verlangt, in ihren
Reihen zu marschiren. Ich erhebe mich nicht gegen das Prinzip des Dekrets,
aber ich glaube, daß man sich hüten muß vor massenhaften Proscriptionen.
auch am 13. Nivose hatte man massenhaft geschlagen und man hatte die
Republikaner getroffen, während man die Royalisten verschont hatte. (Genügt.
Zur Abstimmung!)
Sarrans: Die Versammlung will mich nicht hören, ich
verzichte auf's Wort.
Ein Mitglied hatte das Wort verlangt, es sagt: Zeuge
dessen, was so eben unserm Kollegen passirt, verzichte ich auf's Wort.
(Bewegung.)
Der Präsident: Bürger Sarrans hat das Wort.
Sarrans: Ich verzichte darauf.
Pierre Leroux. (Zeichen der Spannung.) Seit drei
Tagen leben wir in einer Sphäre von Agitationen. Kein Wort von Religion,
nichts als Leidenschaften! Als ich mich um die Kandidatur bewarb, glaubte
ich nicht, in eine Versammlung einzutreten, die so leidenschaftlich ist,
sondern in ein Concil.
Eine Stimme: Sprecht nicht von Euch! Eine andere Stimme: Warum nicht? (Agitation.)
Pierre Leroux: Nicht so kann eine Versammlung
berathschlagen. Die menschliche Seele erträgt solche Aufregungen nicht.
Fragt die Aerzte, sie werden euch sagen, daß das unmöglich ist. Es sind hier
Prediger des Evangeliums. Warum, sagen sie es nicht? Ist es möglich!
Coquerel: Ich verlange das Wort.
Pierre Leroux: Ihr wollt überstürzte Revolutionen
machen. Ihr studirt die Fragen nicht. (Unterbrechung.) Erlaubt mir, es euch
zu sagen, man kann hier nur schwatzen, nicht sprechen, in einer solchen
Versammlung, die so wenig Ueberlegung in ihren Berathschlagungen zeigt.
(Neuer Skandal.) Verschiedene Stimmen: Zur
Ordnung!
Der Präsident: Ich kann nicht dulden, daß der Redner
die der Versammlung geschuldete Achtung verletzt, ich rufe ihn zur
Ordnung.
Pierre Leroux: Wenn Ihr dem menschlichen Gewissen
nicht erlauben wollt, sich frei auf dieser Tribüne zu äußern, so werde ich
gezwungen sein, meine Entlassung zu geben. (Ein Mitglied unterbricht dem
Redner so skandalös, daß der Präsident es zur Ordnung ruft.) Kommen wir zur
Frage! Es wäre logischer gewesen, daß die Untersuchungskommission vor der
Präsentation des Dekrets ihren Bericht eingereicht. Man hat gesprochen von
Bonapartisten, von Legitimisten, von vielen andern noch und wir sind
verpflichtet zu entscheiden, ohne die Gründe dieser fürchterlichen
Insurrektion zu kennen. Aber, sagt man, die Sache drängt. Es sei! Aber
bitten wir Gott, in Ermangelung der Logik, uns zu leiten. Wir müssen
berathschlagen, ohne die Gründe kennen. Bedenkt es, bedenkt es! Seht, wie
verwickelt die Fragen sind. Es handelt sich davon, zu richten, ohne zu
urtheilen, zu sprechen, ohne zu wissen; so urtheilen wir wenigstens so mild,
so menschlich wie möglich. Ich habe in dem Konferenz-Saal schon Worte eines
seinem Volke milden Königs gelesen: Das Evangelium lehrt mich die Milde. Man
ruft die Nothwendigkeit an; es bedarf einer Maßregel, welche die
Gesellschaft beschützt, aber sie sei ein Heilmittel, kein Gift. Wenn wir auf
den Grund der Dinge gehen, können wir nicht läugnen, daß eine Art von
Fatalität den menschlichen Geist trübt. Seht Europa. Diese Fatalität drückt
auf alle Geister, auf alle Parteien. Die Lösung weiß man voraus, kein
Denker, der sie nicht wüßte; seht den Zustand von Deutschland, von England,
diese Fatalität existirt überall.
Noch einmal, erhebt eure Seelen, Bürger, erheben wir sie dahin, wo auch wir
fallen werden wie Sklaven unter dem Joch dieser Fatalität. Seit lange kenne
ich die Situation des 24. Februar; man hat sich einer Regierungsform
entledigt, die man Monarchie nannte. Ich erinnere nicht an die Korruption
dieses Regimes: man fragt sich, wie man in einer solchen Infamie leben
konnte. Diese politische Form ist verschwunden. Nun wohl! Sprechen wir
offenherzig: die Republik, ist sie dauerhaft, wird sie dauern? Ja, sonst
müßte man ins Chaos zurückkehren.
(Hier wird der Redner mit solcher Heftigkeit unterbrochen, daß es unmöglich
ist, seine Stimme zu vernehmen durch das Messergeklapper auf den
Pulten).
Präsident. Hört den Redner.
Pierre Leroux verläßt die Tribüne und kündet an, daß
er Amendements stellen werde.
Labordie unterstützt den Dekretentwurf und verlangt
den Schluß der allgemeinen Diskussion.
Der Schluß wird ausgesprochen. Man geht über zur Diskussion des Artikels 1:
„Im Interesse der allgemeinen Sicherheit werden die jetzt verhafteten
Individuen, die am Gefecht des 22. Juni und der folgenden Tage Theil
genommen haben, in die überseeischen französischen Besitzungen mit Ausnahme
deren des Mittelmeeres gesandt werden.“
Caussidière. Ich bin demokratischer und
socialistischer Republikaner, unterbrecht mich nicht von vorn herein. Rothe
Republik, weiße Republik, Bonapartism, Regentism, mit allem hat man sich
beschäftigt, nur nicht mit dem öffentlichen Wohl. Es herrscht ein Schwindel;
werden wir fortfahren, uns von ihm hinreißen zu lassen? Nein, Bürger,
vergessen wir unsre traurigen Zwiste. Ich hatte einen Bruder zu Lyon,
durchbohrt von 34 Bajonnettstichen; kürzlich ist auch mein Vater gestorben,
von Verfolgungen und vom Schmerze erschöpft. Machen wir kein Gesetz der
Strenge. Ich appelire an Paris, an alle Provinzen, respektiren wir die
Gerechtigkeit. Jeder Mann vor diesem Tribunal gestehe, daß auch er Fehler
begehen konnte.
Unter den Insurgenten gab es viele, die der Schwindel fortgerissen.
Eine Stimme. Und die vergifteten Kugeln? (Vereinendes
Murren).
Caussidière. Man erinnere sich, daß vor vier Monaten
das Volk allmächtig war, daß es viel Rache auszuüben hatte, daß es alles in
den Sack der Vergessenheit gesteckt und seine grollenden Empfindungen in das
Wasser des Styx geschleudert hat. Wandeln wir eben so in den gegenwärtigen
Umständen… Heute ist der erste Tag, daß ich wieder aufathme… Eine ganz
natürliche Betrachtung drängt sich auf nach einem Siege, der davongetragen
in Folge eines Bürgerkrieges, der verursacht wurde durch Unglücksfälle,
durch Mißverständnisse (Lärm). Durch Irrthümer. . . . Glaubt nicht, daß alle
die, welche die Muskete abgefeuert, Verbrecher waren. Es fand hier Irrthum
Statt.
Mehre Stimmen. Wie? Ihr nennt den Meuchelmord
Irrthum?
Caussidière. Der Irrthum fand Statt beim Beginn. Den
25. Februar begründete man die Republik nicht sofort auf ihre wahre
Grundlage. Konservirt einen Gefangnen, protegirt sie, wenn ihr die
Septembriseurs fürchtet. (Zur Ordnung! Zur Ordnung!) Ihr unterbrecht mich
nur mitten in der Phrase, ohne sie mich vollenden zu lassen. Nach der Hitze
des Kampfes behauptet die Humanität wieder ihre Rechte. ‒ Ich verlange, daß
man der Gerechtigkeit ihren gewöhnlichen Lauf läßt, daß man Kommissionen
ernennt, die untersuchen, ob dies oder jenes Individuum hinreichende Ursache
giebt, es zu deportiren. ‒ Caussidière wird mit Lärm, Ordnungsruf, Drohungen
u. s. w. unterbrochen.
Um Mitternacht schließt die Versammlung ihre Sitzung, sie adoptirt fast
einstimmig das Dekret der Deportation. Der Präsident findet die Sache so
amüsant, daß er von einem Paket von Amendements
spricht, die zur Abstimmung vorlägen. Nur zwei oder drei von diesen
Amendements sind angenommen worden, eins, welches den Familien erlaubt, auf
Regierungskosten ihren deportirten Verwandten zu folgen, ein andres, welches
die Angeklagten selbst nach Aufhebung des Belagerungszustandes der
Jurisdiktion der Kriegsgerichte anheimstellt.
Nachschrift. Um 4 Uhr Nachmittags wird die Sitzung
der Nationalversammlung wieder eröffnet. Der Präsident berichtet, daß der
Zustand ihres Kollegen Dornés sehr befriedigend ist und verliest hierauf das
kurz zuvor beschlossene Dekret in Betreff des Erzbischofs von Paris. Es
lautet:
„Die Nationalversammlung betrachtet es als ihre Pflicht, für den
heilig-heroischen Tod des Erzbischofs von Paris ihre andächtige
Erkenntlichkeit und tiefen Schmerz auszusprechen.“
Die Fassung des Dekrets wird einstimmig angenommen.
Remilly macht hierauf eine Reihe Vorschläge:
1. Erlassung eines Dekrets gegen geheime Gesellschaften; ein gleiches in
Betreff der Klubs; wegen Bau's der Barrikaden; über Affichiren und
Kolportiren; über die Polizei der Presse; über Auflösung der
National-Werkstätten (eine Stimme: das ist vollbracht); die Nichtbewaffnung
der Nationalgarden, welche ihren Dienst nicht verrichten; und endlich 8.
wegen sofortiger Errichtung eines Lagers auf dem Marsfelde von Paris. Die
Sitzung wird bis um 8 Uhr Abends vertagt.
Es heißt, daß Herr Dufaure Präsident der National-Versammlung werden
wird.