Französische Republik.
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*
] Paris.
Der Zug welcher am 24. Morgens 9 Uhr von Paris nach Brüssel abgehen sollte,
war um 12 Uhr Nachts noch nicht in Brüssel angekommen. Ein Extrazug von
Amiens war angekommen, doch wußte man in dieser letzteren Stadt Nichts aus
Paris. Der elektrische Telegraph war ebenfalls abgeschnitten.
Die Indépendance von Brüssel, das halboffizielle Journal der belgischen
Regierung, hat jedoch „auf einem andern Wege“ einige „gewisse Nachrichten“
erhalten. Sie bestehen in Folgendem:
Am Abend des 23. ist es der Nationalgarde und der Linie nicht gelungen die
Insurrektion zu unterdrücken. Die Insurgenten, in mehreren Stadtvierteln
hinter Barrikaden verschanzt, haben ihre Stellung behauptet. General Cavaignac hat die Nacht benutzt um alle seine Kräfte
aufzustellen und den nächsten Morgen den Kampf mit Macht zu beginnen.
Während der Nacht fanden einzelne unbedeutende Zusammenstöße Statt.
Flintenschüsse fielen fortwährend, doch erst gegen Morgen begann das
Gewehrfeuer wieder mit bedeutender Lebhaftigkeit.
Der Charakter des Aufstandes hat sich jetzt ausgesprochen. Am Freitag (23)
hatte man hier und da gerufen: Es lebe Napoleon, es lebe Heinrich V! Dies
hat fast ganz aufgehört. Der Kampf ist am Samstag
(24) Morgen im Namen der rothen Republik geführt worden.
Die rothe Fahne wurde auf den Barrikaden aufgepflanzt.
Wie es scheint, hat ein kleiner Theil der Nationalgarde der Umgegend für die
Insurgenten Partei ergriffen, namentlich die von Saint Denis. Schon bei der
neulichen großen Arbeitereinstellung der Arbeiter an der Nordbahn hatte sich
diese Nationalgarde auf Seite der Arbeiter geschlagen. Sie hatte am Freitag
Abend um 10 Uhr schon Miene gemacht, die Abfahrt des von La Chapelle
(Vorstadt von Paris, vor der Barrière Saint Denis) abgesandten Zuges zu
verhindern. Sona[#] hat sie sich wahrscheinlich am Samstag Morgen, während
die Truppen in der Stadt beschäftigt waren, der Station von La Chapelle
vollständig bemächtigt und die Abfahrt des Zuges von Samstag Morgen
verhindert.
In Lille, wo Alles ruhig war, und in Valenciennes war man ebenfalls ohne
Nachrichten aus Paris.
In Brüssel liefen eine Menge Gerüchte. Die Mobilgarde sollte abgefallen sein.
Die Regierung sollte eine ungeheure Artilleriemacht entwickelt haben. Andere
sagten, um 11 Uhr Morgens sei die Insurrektion vollständig unterdrückt
worden. Noch Andere wollen wissen, die Insurgenten seien aus Paris heraus in
die Ebene von Saint Denis getrieben worden. Man sprach auch von der
Befreiung von Barbès und Blanqui, von der Einäscherung der Nordstation u. s.
w. Diese Gerüchte hält die Independence belge für wenig glaubwürdig.
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Edition: [Friedrich Engels: Details über den 23. Juni 1848. In: MEGA2 I/7. S. 188.]
Details über den 23. Juni. [
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]
Der Aufstand ist ein reiner Arbeiter-Aufstand.
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‒ Als gegen Abend der General Cavaignac durch die Straßen ritt und die
Truppen befehligte, waren Napoleon und Pierre Bonaparte zu Pferde an seiner
Seite, um zu beweisen, daß ihre Familie bei dem Aufstande in keiner Weise
betheiligt sei.
‒ Man spricht von einem ernsthaften Zwiespalt, der zwischen der Linie und der
Mobilgarde in der Kaserne, Straße du Foin-Saint-Jacques ausgebrochen sein.
Offiziere der Mobilgarde sollen Arbeiter in ziemlich großer Anzahl in die
Kaserne gelassen haben, die die Garde aufforderten, mit ihnen zu
fraternisiren. Ein Linienregiment kam gerade vorbei, und die Offiziere der
beiden Korps sollen bis zu heftigen Worten und Drohungen gegen einander
gekommen sein.
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Sitzung der National-Versammlung vom 23. Juni.
‒ Die „Independance belge“ bringt uns die Sitzung der Nationalversammlung vom
23. Juni, die unsere Leser in der morgigen Nummer lesen werden. Die
Versammlung beschloß die Tagesordnung gegen des General Lebretou Vorschlag, der verlangte, sie solle aus ihrem Schooß eine
Kommission unter die Truppen schicken, die aktiven Theil an den Ereignissen
nehme. Der Bericht der Kommission der Arbeiter über die Maßregeln zur sofortigen Auflösung der National-Aeteliers und die
Diskussion über den Ankauf der Eisenbahnen durch den
Staat nehmen den Haupttheil der Sitzung hinweg. Jeden Augenblick
aber wird die Tagesordnung unterbrochen durch dem Präsidenten zugehende
Berichte über die Tages - Ereignisse. Um 61/2 Uhr verkündet Cavaignac, dem
der Oberbefehl aller in Paris vereinigten Truppenmacht übertragen worden,
der Versammlung, daß man sich nur noch in den Straßen St. Antoine und St.
Jacques schlage und er drückte die Hoffnung aus, daß die Emeute bald
vollständig unterdrückt sein werde. Garnier Pagès stattet Bericht ab über
die von der Exekutivkommission getroffenen Maßregeln und er kündet an, es
würden noch energischere Dispositionen zum Vollzug gebracht werden. Die
mysteriöse Feierlichkeit, worin er seine Worte einwickelte, ließ
unterstellen, Paris werde in Belagerungszustand erklärt und zahlreiche und
wichtige Verhaftungen, den Abend bewerkstelligt werden. Lamartine nahm das Wort, um zu erklären, er würde sich die Emeute
Antlitz zu Antlitz gegenüberstellen; und wirklich stieg er um 6 Uhr zu Pferd
und begab sich nach dem Quartier St. Antoine. Man verbreitete das Gerücht,
mehre Mitglieder der Exekutivgewalt hätten ihre Entlassung gegeben. Die von
Garnier Pagès ausgesprochenen Worte ließen nicht darauf schließen. Die Nationalversammlung erklärte sich in Permanenz.
‒ Der ausführliche Bericht über die Nationalversammlung vom 23. Juni wird
unsern Lesern zeigen, daß die Scene der Deputirtenkammer vom 23. Februar nur
mit neuergänztem Personal in der sogenannten Nationalversammlung aufgeführt
wurde.
‒ 91/2 Uhr. Die Insurgenten, von allen Seiten in die
Höhen der Faubourgs zurückgedrängt, verbreiten sich in die Banline. Man hört
unterdeß noch eine lebhafte Füsillade im Faubourg St. Antoine. Trotz der
Unterdrückung der Emeute in Paris hegt man ernsthafte Befürchtungen für die
Nacht und den folgenden Tag. In Paris befindet sich eine große Anzahl von
Regimentern; die Mehrzahl der nicht vollzähligen wird ergänzt werden.
‒ Cavaignac soll Präsident der Republik, Marrast Präsident des Ministeriums ohne Portefeuille
werden. In dem letztern Gerücht zeigt sich augenscheinlich, daß die
erbärmlichste und volksfeindlichste Partei der Parvenus
des Februars nach der Unterdrückung der Emeute die Staatsmacht zu
konfisziren gedenkt. Wir aber glauben, daß das Volk
siegen wird. Eine Emeute, die zwei Tage dauert und mit Kartätschen
zur Raison gebracht wird, ist jedesmal zu Paris der Sturz
der bestehenden Gewalt. Würde das Volk geschlagen, sein Sieg wäre nur aufgeschoben, viel Heldenblut aber
umsonst vergossen und eine kurze Orgie der europäischen Reaktion
vorbereitet.
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Paris, 22. Juni.
Großes Aufsehen erregt ein in vielen französischen Blättern abgedruckter
Brief des Hr. von Boissy an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten,
Hrn. G. Bastide, der einige fast unglaubliche Details über die auswärtige
Politik der Republick enthält.
Die dabei im Vordergrund stehenden Personen kommen nicht zum besten in dieser
Schilderung fort und es ist wohl kaum zu verwundern, daß Hr. Perrée der
National-Versammlung bereits angezeigt hat, daß er auf Grund dieses Briefes
einige Interpellationen an die Executiv-Gewalt richten werde.
Der Ex-Pair Boissy, nachdem er ein langes und breites darüber erzählt hat,
wie ihn Lamartine gleich nach der Revolution zum Vertreter der Republik in
Italien gemacht, wie er gern unter den damaligen Umständen einen solchen
Posten angenommen, wie er sich aber heute habe zurückziehen müssen, da das
Friedensmanifest des März zerrissen sei u. s. w. ‒ Boissy führt nemlich wie
folgt, wörtlich fort: „Was mich betrifft Herr Minister, so begreifen Sie,
daß ich getrieben von dem Wunsche meinem Vaterlande nützlich zu sein, und
überzeugt davon daß das Land mehr als je das uninteressirteste Devouement
nöthig hatte, daß ich bei solchen Verhältnissen gern einen Posten übernehme,
trotz dem daß es unter Ministern geschah, von denen einige durch ihre
Unkenntniß der Geschäfte, durch ihre Unfähigkeit und ihre Gier für sich und
die Ihrigen, durch einen Despotismus, der dem größesten Liberalismus unter
der gefallenen Regierung auf dem Fuße folgte, Frankreich in wenigen Monaten
so herunterbrachten, daß wir seufzen müssen, wenn wir dessen gedenken, was
wir früher angriffen, daß wir an Frankreich verzweifeln müssen, dafern es
noch länger unter den verschwenderischen, unordentlichen und unwürdigen
Händen einiger schamlosen Menschen bleibt die es exploitiren und degradiren.
Ja, Herr Minister, schamlose Menschen! Denn Sie wissen besser wie ich, daß
wenn in der traurigen Namenliste jener Leute, welche im Auslande die
Repräsentanten und die Schande Frankreichs sind, noch einer fehlte, daß
dieser als würdige Vervollständigung jetzt in der Gestalt eines Souffleurs
von einem kleinen Theater der Boulevards hinzugekommen ist, eines Menschen
der Associé eines schimpflichen Hauses ist, welches das Schild eines
Entbindungshauses trägt, ja, und daß dieser Mensch jetzt vielleicht als
Bevollmächtigter bei einer ausländischen Macht accreditirt ist, als
Repräsentant des edelsten, generösesten und gesittetsten Volkes der
Erde!“
Dann auf die Folgen aufmerksam machend, welche das Regiment von Souffleuren,
Musikanten und derlei Gesellen noch weiter für die Republik mit sich bringen
werde, ruft der Ex- Pair aus: „‒ aber fast nie wird ein Gouvernement durch
die Leute aufrecht erhalten, welche es bilden halfen; um ein neues
Gouvernement zu erhalten muß man den Leuten von nach der Revolution die
Leute von vor der Revolution hinzufügen.“ Doch der Ex-Pair wird gegen den
Schluß seines Briefes immer deutlicher. „Wenn die jetzigen Leute, ruft er
aus, noch lange am Ruder bleiben, so wird zwar Frankreich nicht, aber es
wird die Republik zu Grunde gehen; Platz machen wird sie dem Despotismus des
Säbels, unterstützt von der Erinnerung an einen während weniger Jahren
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berühmt gewesenen Namen, oder von der Erinnerung an eine
Familie, welche während mehrerer Jahrhunderte ebenfalls viel zum Ruhme
Frankreichs und kürzlich viel zu der Freiheit desselben beigetragen
hat.“
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] Berlin, 24. Juni.
Die Majorität der Verfassungs-Kommission hat sich für die Aufhebung des Adels
entschieden. Das neue Ministerium ist noch nicht gebildet.
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Verhandlungen des Gemeinderathes zu Köln.
Sitzung vom 23. Juni, Abends 6 Uhr.
Der Gemeinderath bewilligte der Armenverwaltung ein Darlehen in neuen
städtischen Obligationen zum Betrage von 50,000 Thlr., und ertheilte die
Ermächtigung zu einer Hypothekenlöschung. ‒ Die Ueberlassung des Saales
Gürzenich an den Arbeiterverein zu einer am Sonntag den 25. d. M.
abzuhaltenden Generalversammlung ward unter der Bedingung, daß diese
Versammlung eine öffentliche und für jeden zugängliche sei, genehmigt. ‒ In
Folge eines Antrages der betreffenden Nachbarschaft wurde die städtische
Verwaltung ersucht, gegen die von der Königlichen Regierung angeordnete
Vorrückung des im Neubau begriffenen Hauses Hochstraße Nr. 158, um 19-21
Zoll , bei der gedachten Behörde auf das Dringendste Protest einzulegen.
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Was Noth thut!
Bei den jetzigen bedrängten Zeitumständen wäre es sehr wünschenswerth, wenn
alle diejenigen, welche sich durch gerichtliche Saisie der Mobilien ihrer
Debitoren ihre Forderungen soweit gesichert haben, dieselbe nicht zum
öffentlichen Verkaufe brächten.
Die letzten Tage haben zur Genüge bewiesen, welche Resultate aus diesen
Zwangsverkäufen erzielt worden, indem bei denselben kaum 20 pCt. der Kosten
herauskamen, obgleich der Werth der saisirten und verkauften Mobilien und
Waaren das Sechsfache der Schuld und Kosten betrug.
Mögen daher alle gutgesinnten Menschen ihre Schuldner durch ausgedehnte
Zahlungsfristen in den Stand setzen, sich ihrer Schuld zu entledigen, statt
dieselbe mit ihrer Familie durch derartige Zwangsverkäufe an den Bettelstab
zu bingen.