Deutschland.
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Edition: [Friedrich Engels: Das Kabinett Hansemann. In: MEGA2 I/7. S. 162.]
[**] Köln, 23. Juni.
Neue Wendung der Ministerkrisis in Berlin!
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Köln, 23. Juni.
Die Neue Berliner Zeitung berichtet uns mit Nr. 1 ihres Blattes allerlei wunderliche Dinge aus England. Es ist hübsch, wenn man originell ist; die Neue Berliner Zeitung hat wenigstens das Verdienst, daß sie die englischen Zustände in ganz funkelnagel neuer Weise darstellt. Zuerst heißt es: „O'Connor, welcher in der That ein Mann ohne Geist und Charakter zu sein scheint, ist hier gänzlich ohne Ansehen.“
Wir wollen nicht entscheiden, ob O'Connor so viel Geist und Charakter besitzt wie die Neue Berliner Zeitung. Der Sprosse altirischer Könige, der Führer des großbritannischen Proletariats, mag in diesen Vorzügen hinter der gebildeten Berlinerin zurück bleiben; was aber das Ansehen betrifft, o gebildete Berlinerin, so hast du allerdings recht; O'Connor steht, wie alle Revolutionärs, in sehr üblem Geruche; er hat sich nie die Achtung aller Frommen so zu erobern gewußt, wie Du sie schon durch Deine erste Nummer erlangt hast. Weiter sagt die Berlinerin: „O'Connell sagte, er (nämlich O'Connor) habe wohl Energie, aber keine Logik.“ Dies ist nun wieder ganz prächtig. Der selige Dan war ein ehrenwerther Mann; die Logik seiner Energie bestand darin, daß er jährlich eine Rente von 30_000 Pf. Sterl. aus den Taschen seiner armen Landsleute zog; die Logik der O'Connor'schen Agitation brachte dem berüchtigten Chartisten nur den Verkauf seiner sämmtlichen Güter. „Herr Jones, der zweite Führer der Chartisten von der extremen Fraktion, auf welchen jetzt die Gerichte fahnden und der nirgend zu finden ist, kann nicht einmal einen Bürgen mit 1000 Pf. Sterl. für sich stellen.“ Das ist die dritte Neuigkeit der extremgebildeten Berlinerin; sie sagt in diesen drei Zeilen, drei extreme Lächerlichkeiten. Für's erste kann von Bürgschaft gar nicht die Rede sein, so lange die Gerichte noch auf Jemanden fahnden. Für's zweite befindet sich Herr Ernest Jones schon seit 14 Tagen in Newgate, und die gebildete Berlinerin war wohl nur bei irgend einer andern extrem-gebildeten und unterrichteten Kollegin zum Thee eingeladen, als noch vor Kurzem die ganze englische Bourgeois-Presse ihre brutale Freude über die Verhaftung Jones' zu erkennen gab. Drittens hat endlich Herr Jones allerdings Jemanden gefunden, der gern 1000 Pf. Sterl. für ihn bezahlen wollte, nämlich den
geist- und charakterlosen O'Connor selbst, der aber von den Gerichten zurückgewiesen wurde, da er als Parlamentsmitglied keine Bürgschaft stellen darf.
Die Berlinerin schließt damit, daß sie die Chartisten in den kleinern Städten des Landes sich häufig unter einander prügeln läßt. Theure Berlinerin, hättest Du doch einmal eine englische Zeitung gelesen! Du würdest gefunden haben, daß es den Chartisten von jeher viel mehr Vergnügen gemacht hat, die Polizei zu prügeln, als sich selbst.
Wir empfehlen die geist- und charaktervolle Neue Berliner Zeitung der besonderen Aufmerksamkeit uns'rer Leser.
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[122] Düsseldorf, 22. Juni.
Gestern gab unser hiesiges Landgericht einen anerkennenswerthen Beweis davon,
daß der „Zopf“ bei unserm Beamtenthume doch hier und da schon im Abnehmen
begriffen ist.
In dem Ehescheidungs-Prozesse zwischen dem Grafen und der Gräfin v.
Hatzfeldt, war von der Letzteren vor wenigen Monaten die Einrede der
Incompetenz erhoben worden. Selbige war hauptsächlich darauf gestützt, daß
der Graf nicht, wie er angebe, wirklich in dem hiesigen Landgerichtsbezirk,
sondern zu Schonstein unter dem Gemeinen-Rechte domizilirt sei und nur einen
fraudulösen, scheinbaren Domizilswechsel vorgenommen, um die Gräfin durch
eine betrügerische Operation um die Vortheile der eigentlich competenten
Gesetzgebung zu bringen. Thatsachen, welche dies darthun sollten, wurden zum
Beweise anerboten. War es ‒ es fand dies im März, noch in den letzten Tagen
der untergehenden Adelssonne Statt ‒ eine zu harte Zumuthung für das
Gericht, einen Standesherrn der Gefahr auszusetzen, überführt zu werden?
Genug, das Gericht verwarf den angebotenen Beweis und erklärte sich für
competent.
Von Seiten der Gräfin wurde appellirt und bei der großen Wichtigkeit dieser
Rechtsfrage für die Parteien, Gutachten von verschiedenen Rechtsgelehrten
eingeholt, gedruckte ausführlicher begründete Memoire gefertigt und dem
Appellhof übergeben. Der Appellhof hat indeß in dieser Sache noch nicht
entschieden. ‒ Vor 3 Wochen aber wurde von der Gräfin in einer andern vom
Grafen angestellten Klage auf Löschung eines von ihr auf Verkaufspreise von
Gütern gelegten Arrestes, dieselbe Incompetezeinrede vor dem hiesigen
Landgerichte nochmals wiederholt und zugleich die ausführlichere, dem
Appellhof überreichte Begründung geltend gemacht. Das hauptsächliche oben
angedeutete moralische Hinderniß, welches der Gräfin im Wege stand, ‒ die
genannte Unanehmlichkeit, einen Standesherrn so arg zu kompromittiren, war
nun inzwischen durch die neue Umgestaltung der Geister und der Ereignisse
allerdings geschwunden. Dafür aber trat dieser wiederholten Einrede ein noch
riesigeres Hinderniß in den Weg, nämlich der „bekannte Richtereigensinn“.
Dasselbe Gericht, dieselben Richter sollten eine bereits von ihnen
verworfene Einrede acceptiren? Dennoch ‒ die bessern Gründe siegten; das
Wunder geschah. Gestern wurde nach einer 14tägigen Aussetzung, das Urtheil
publizirt, welches den früher verworfenen Beweis verordnet.
Dieses gewiß mit etwas Ueberwindung verbundene „Ablassen von sich selbst“ und
Weichen den bessern Gründen, hat unter dem hiesigen juristischen Publikum
eine freudige und gerechtfertigte Sensation erregt. ‒ Um so gespannter sieht
man nun der obenerwähn-Entscheidung des Appellhofes die mit Nächstem
erfolgen muß entgegen. Um so mehr als der Appellhof ‒ wie wir aus dem Munde
vieler unparteiischer Rechtsgelehrten vernommen ‒ in seinen bisherigen
vielfachen Entscheidungen in den gräflich-hatzfeld'schen Prozessen die
klarsten Sätze des Code civil auf eine wahrhaft schauderhafte Weise zu
Gunsten des Grafen mißhandelt haben soll; so daß eine Veröffentlichung
sämmtlicher von dem Appellhof zwischen dem Grafen und der Gräfin erlassnen
Urtheile dem juristisch gebildeten Publikum Beispiele von seltener
Massivität gewähren dürfte, wie sehr auch die „Rechtssprechung“ in dem
bisherigen Zustande eine Illusion war, wie sehr unsre Gerichte in ihrer
bisherigen Bestehung mit Rang und Einfluß zu koquettiren liebten. Kein
Wunder wenn man die Persönlichkeiten ins Auge zieht, aus welchen der mit den
hatzs. Angelegenheiten bisher stets befaßte erste Senat des Appellhofes
besteht, und welche fast durchgängig der entschiedensten
reaktionären-pietistischen Färbung angehören.
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[25] Berlin, 21. Juni.
Hr Hansemann ist mit der Zusammensetzung des neuen
Ministeriums beauftragt. Sollte etwa Hansemann seinem lieben Kollegen ein
Bein gestellt haben? Waren nicht beide unter den 138 Männern des
Rechtsbodens im vereinigten Landtage und handelten sie nicht von Beginn
ihrer Ministerien bis heut ganz d'accord? ‒ Man spricht davon, daß in dem
abgetretenen Ministerium eine sonderbare Wirthschaft geherrscht habe,
vornehmlich in dem der auswärtigen Angelegenheiten. Man sagt, nur der
Minister des Auswärtigen habe von den jedesmaligen Depeschen Kenntniß
erhalten, während das Gesammtministerium nie etwas davon erfahren habe. Wäre
dies nicht ganz beispiellos? würde es nicht ganz offen zeigen, wie eine
Hofpartei hinter dem Rücken der verantwortlichen Minister, ja eine Partei im
Ministerium geheim gegen den Konstitutionalismus sogar operirt? Und
wahrlich, diese Vermuthung wird um so wahrscheinlicher, wenn man die
auswärtige preußischen Politik seit der Revolution näher ins Auge faßt. ‒
Die Politik Preußens ist nach wie vor eine russische. Deutschland ist und
wird an den Czaren verkauft in Schleswig-Holstein wie in Posen. ‒ Mit
Rußland fraternisirt das preußische Kabinet; die lauten Forderungen des
Volks, die Ostgränze zu besetzen, will es nicht hören. An der Gränze stehen
russische Heere, russische Kriegsschiffe bedecken die Ostsee; aber das
preußische Kabinet sieht nicht, denn es will nicht
sehen. Gleichgültig gegen die öffentliche Meinung verschmäht man die uns vom
Westen gereichte Bruderhand, ja man ist schaamlos genug, das angebotene
Bündniß mit Truppenaufstellungen und Kriegsrüstungen zu erwidern. Uebrigens
ist Berlin ruhig, ja so ruhig, wie es seit der Revolution fast noch nie war.
Keine Gruppen mehr unter den Linden; nur hie und da an den Straßenecken noch
Leute, die sich mit der Lektüre der wenigen Plakate, die dort angeheftet
sind, abgeben. Auch die Zahl der Flugschriften, von denen wir vor Kurzem
gleichsam überfluthet wurde, hat abgenommen, Alles eine Folge der hier
herrschenden Abspannung, die seit 8 Tagen eingetreten ist. ‒ Die materielle
Noth greift täglich mehr um sich; Handel und Gewerbe liegen ganz darnieder.
Wie lange wird es dauern, daß das Volk auch die Steuern nicht mehr wird
zahlen können?
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[107] Berlin, 21. Juni.
Gestern Abend spät wurden wir noch mit folgendem Anschlagzettel überrascht:
Seine Majestät der König haben den Finanzminister
Hansemann mit der Bildung des Ministeriums beauftragt.“ Herr
Hansemann übernimmt also das zu versuchen was Camphausen unmöglich schien,
ein Ministerium zu bilden, welches das Vertrauen der Nationalversammlung und
des Volkes besitzt. Wie man sich heute in gut unterrichten Kreisen erzählte,
will Herr Hansemann die andern, noch im Amte sich befindenden, fünf Minister
beibehalten, sich durch Rodbertus, der das Ministerium des Innern erhalten
soll, etwas stärken und auf die bisherige Art fortregieren, so lang es nur
gehen will. Uebrigens ist es für gewiß anzunehmen, daß Hansemann das
Vertrauen, was doch zu seiner neuen Stellung im höchsten Grade nothwendig
ist, durch diese Uebernahme des Präsidiums gänzlich verlieren wird. Im Falle
Rodbertus wirklich das Ministerium des Innern annehmen sollte, so würde
Auerswald, der bisherige Inhaber dieses Ministeriums, das des öffentlichen
Unterrichts und der geistlichen Angelegenheiten übernehmen.
Unsere Bourgeosie macht sich schon mit dem Gedanken an eine provisorische
Regierung vertraut, welche sie in Folge der Einrückung einer russischen
Armee in unsere Provinzen für unvermeidlich hält.
Unsere schon verschollen geglaubte Wohlfahrts-Kommission hat heute wieder ein
Lebenszeichen von sich gegeben. Die allgemeine Stimmung wegen der Entlassung
Camphausens, die allgemein der Reaktion zugeschrieben wurde, schien der
Wohlfahrts-Kommission doch zu bedenklich und sie begab sich zu Camphausen,
dem abgetretenen Minister. Dieser versicherte aber, daß die Furcht vor einer
Reaktion eine ganz ungegründete sei, da es keine gäbe, denn der König wolle
treu seinem gegebenen Versprechen auf dem bisherigen Wege fortwandeln. Der
König habe Hansemann rufen lassen und ihm gesagt: ich kenne Sie als einen
freisinnigen Mann und beauftrage Sie mit der Bildung eines neuen
Ministeriums. ‒ Das macht die gemischte Wohlfahrts-Kommission bekannt, wer
es hört, schüttelt aber den Kopf dazu. ‒
Von den jetzigen Ministern ist der Justiz-Minister Bornemann der Einzige, der
das Vertrauen der Linken besitzt und um ihm dies zu erkennen zu geben,
besuchten auch gestern Abend die sämmtlichen Mitglieder der Linken die
Salons des Justiz-Ministers. Da gleichzeitig Herr Hansemann seinen Salon
geöffnet hatte, wo demnach nur Mitglieder der Rechten waren, war die
Demonstration um so auffallender.
Dem Geheimen Revisions-Rath Bauer, für Berlin gewählt, der sich gern als
Führer der Rechten aufgeschwungen hätte, scheint unter den jetzigen
Umständen seine Stellung nicht mehr haltbar zu sein und er ist deshalb zum
Centrum übergegangen. Er scheint den Mantel nach dem Winde hängen zu wollen
und da er über die allgemeine Stimmung gewöhnlich gut unterrichtet ist, so
läßt sich daraus sehen, wohin sich das Uebergewicht neigt.
Aus gewöhnlich gut unterrichteter Quelle, kann ich Ihnen eine nicht
gewöhnliche Mittheilung machen. Durch den Herzog von Leuchtenberg haben die
Bonapartisten beim Kaiser Nikolaus anfragen lassen, wie er sich verhalten
würde, im Falle sich Louis Bonaparte zum französischen Diktator aufschwinge.
Der Kaiser Nikolaus soll diesem Unternehmen seine Zustimmung und
Unterstützung im Voraus zugesagt haben.
Unser
Wollmarkt ist so gut als beendet anzusehen. Die
Zufuhren waren diesmal sehr gering, theils wegen einer unbegründeten Furcht
vor möglichen Emeuten, theils weil einige neue Wollmärkte in der Provinz
eingerichtet waren. An neuer Wolle mögen 25,000 Ctr. hier angekommen sein,
wozu noch der alte Bestand von circa 20,000 Ctr. hinzu zu rechnen ist. Bis
diesen Augenblick sind sämmtliche Zufuhren so ziemlich mit einer
Preiserniedrigung von 25 bis 33 Thlr. per Ctr. gegen voriges Jahr verkauft.
Die feinern Wollen, die voriges Jahr 80 Thlr. und darüber kosteten, haben
den größten Abschlag erlitten, dagegen blieben die billigern mit einem
Abschlag von 25 Thlr. gegen voriges Jahr sehr gesucht. Die Engländer bilden
auch hier die Haupteinkäufer und ohne ihre Konkurrenz würden die Preise noch
mehr zurückgegangen sein. Die Seehandlung kauft ihnen ihre Wechsel prompt ab
und haben die Landjunker dieser Anordnung des Finanzministers die
Preiserhöhung
[0108]
ihrer Waare zu verdanken. Die Lager der
hiesigen Wollhändler sind noch wenig geräumt und würden die Rheinländer,
wenn sie Kauflust zeigen sollten, sich hier vollständig befriedigen
können.
‒ 20. Juni. Die russische Note, welche gestern Abend durch einen Courier hier
eingegangen ist, soll die Erklärung Nesselrode's enthalten, daß Rußland die
Existenz eines auf nationaler Grundlage reorganisirten Posens unter keiner
Bedingung dulden werde, und das Beharren der preußischen Regierung auf den
Reorganisationsplänen für einen casus belli ansehen müsse.
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@facs | 0108 |
[*] Frankfurt, 18. Juni.
(Verspätet.) Während die Nationalversammlung ihre Sitzungen aussetzt, theils
weil sie beschlossen hatte, nichts zu thun, theils weil sie wirklich nichts
zu thun hatte, wurde hier in den Tagen des 14. bis 17. Juni der Kongreß der
demokratischen Partei gehalten. Veranlassung hierzu war die Nothwendigkeit,
daß die Partei aus ihrem bisherigen naturwüchsigen Zustande heraustrete, die
Rücksichten auf lokale Verhältnisse und alle damit zusammenhängende
Bestrebungen fallen lasse, sich unter einem großen Princip zu einem großen
Ganzen vereinige, und auf die Durchführung dieses Princips ihre ganze
Thätigkeit concentrire.
Ungefähr neunzig Vereine der verschiedenen Theile Deutschlands hatten zu
diesem Kongresse Abgeordnete gesandt; die großen Städte, in denen mehrere
Vereine bestehen, waren mehrfach vertreten. So Berlin, Breslau, Köln,
Leipzig, Frankfurt, Mainz u. s. w. Von Wien erschienen zwei Abgeordnete als
Repräsentanten des Volkscomités, d. h. der Stadt selber. Nur München hatte
nicht deputirt, doch waren zwei Männer aus eignem Antriebe hergekommen. Im
Ganzen bestand die Versammlung aus 225 Mitgliedern. Der erste Tag der
Verhandlungen wurde zum größten Theile in der Berathung über den Grundsatz
hingenommen, welcher das Glaubensbekenntniß der deutschen demokratischen
Partei kurz und unumwunden darlegen sollte. Der Kongreß entschied sich für
den Vorschlag des Abg. Gottschalk aus Köln, der mit einer unwesentlichen
Abänderung in folgender Fassung angenommen wurde:
„Es gibt nur Eine für das deutsche Volk haltbare
Verfassung: die demokratische Republik, d. h. eine Verfassung, in
welcher die Gesammtheit für die Freiheit und Wohlfahrt jedes Einzelnen
verantwortlich ist.“ Die langen Debatten, welche der Annahme dieses
Satzes vorhergingen, hatten keineswegs ihren Grund in einer principiellen
Meinungsverschiedenheit, welche die Versammlung gespalten hätte. Daß
Deutschland in einer Republik der Klassenvorrechte, des Klassenmonopols, wie
sie gegenwärtig die herrschende Partei in Frankreich will, zum Ziele nicht
gelangen könne, darüber war man allgemein einverstanden, und nur ein
einziges Mitglied fand sich veranlaßt, seinen Austritt zu erklären, weil es
seine Ueberzeugung mit der des Kongresses nicht vereinbaren konnte. Die
Diskussion drehte sich vielmehr um Fassungsfragen. Ein Theil der Versammlung
meinte nämlich, man dürfe das Princip nicht blos einfach aussprechen, man
müsse es auch motiviren, in seiner Berechtigung hinstellen, um
Mißverständnissen und Verdächtigungen zu begegnen; Andere hielten dafür, man
müsse der einen Partei gegenüber sich weitläufiger erklären, man müsse dem
Volke sagen, welche Veränderungen in seinen sozialen Verhältnissen die
Ausführung des Prinzips zur Folge haben werde, noch Andere glaubten, man
werde der Partei großen Zuwachs verschaffen, wenn man ihren jetzigen Gegnern
nur gründliche Erörterungen vorhalte u. s. w. Alle diese Bedenken wurden
durch die Erwägung beseitigt, daß die eigne Partei keiner Aufklärung
bedürfe, daß sie von ihren Bevollmächtigten nur die Verkündigung ihres
Willens erwarte, sodann, daß den Gegnern gegenüber die Zeit der friedlichen
Diskussion vorüber sei, daß man sie als „genugsam unterrichtet“ betrachten
müsse.
Uebereinstimmend mit dieser Ansicht, wodurch der Kongreß es aussprach, daß
die demokratische Partei sich auf dem Boden der revolutionären Praxis bewege, beschloß die Versammlung am folgenden
Tage, ihre Verhandlungen nicht zu publiciren, sondern allein ihre
Beschlüsse, wie es in Nordamerika Sitte, zur öffentlichen Kenntniß zu
bringen. Uebereinstimmend mit dieser Ansicht wurde endlich am dritten Tage
der Antrag verworfen, ein besonderes Manifest zu erlassen. Die Aufklärer
versuchten hiermit zum dritten Male ihrem Bedürfniß abzuhelfen; der
wehmüthigste Predigerton wurde angeschlagen, um die Gefahren eines nakten
Prinzips, die Vorzüge einer gründlich breiten Auseinandersetzung zu
schildern. Die Versammlung blieb unerschütterlich, sie beschloß, als
einziges Manifest ihre Beschlüsse zu betrachten und diesen nur einen
faktischen Bericht über ihren Zusammentritt voranzustellen.
Dieser letztre Beschluß wurde gefaßt, nachdem der Kongreß seine zweite
Hauptaufgabe bereits erledigt hatte. Die Aufstellung des Grundsatzes war die
erste gewesen, die zweite bestand in der Organisation der Partei. Zu diesem
Zwecke war eine Kommission niedergesetzt worden; ihre Vorschläge bildeten
der Gegenstand der Verhandlungen am zweiten Tage. Die Kommission beantragte
einen Centralausschuß zu bilden, welchem die obere Leitung der
Angelegenheiten sämmtlicher demokratischen Vereine zu übertragen sei; das
Mandat dieses Ausschusses solle unbeschränkt und er selbst nur dem Kongresse
verantwortlich sein, der im Oktober dieses Jahres einzuberufen wäre. Gegen
diesen letzten Antrag erhob sich sehr lebhafter Widerspruch. Man glaubte
darin eine gefährliche Diktatur zu erkennen, das sei undemokratisch. Man
müsse die Funktionen des Ausschusses genau bezeichnen, blindes Vertrauen auf
Personen sei ein Geständniß der Unselbständigkeit; man müsse offen zu Werke
gehen u. s. w. So beschloß denn die Versammlung, die Vollmacht des
Ausschusses näher zu bestimmen. Sie vereinigte sich über folgende
Punkte:
1. Es wird ein Central Comité niedergesetz. ‒ Gegenantrag war, daß der
Vorstand des Vereins, welcher an dem zu bestimmenden Vorort seinen Sitz
habe, mit der Vollmacht des Central-Comités bekleidet werde.
2. Die Bestimmung des Central-Comités ist, die demokratisch-republikanische
Partei zu einigen und zu stärken.
3. Das Comité ist zu diesem Zwecke berechtigt und verpflichtet, eine rege
Korrespondenz unter sämmtlichen Vereinen durch ganz Deutschland zu
erhalten.
4. Das Comité ist verpflichtet, regelmäßige Berichte der Vereine
einzufordern.
5. Das Comité hat alles Wichtige aus diesen Berichten auf geeignetem Wege den
Vereinen mitzutheilen.
6. Das Comité ist berechtigt, im Falle außerordentlichen Entwicklungen den
demokratischen Kongreß einzuberufen. Zu Punkt 5 wurde nachträglich
beschlossen, die Berichte des Central-Comités durch die „Neue Rheinische
Zeitung“, die „Berliner Zeitungshalle“ und die nächstens wieder erscheinende
„Volkszeitung“ zu publiziren. In der Nachmittagssitzung dieses Tages
beschloß die Versammlung zunächst die schon bekannte Adresse an die
Nationalversammlung wegen der Einberufung von Fr. Hecker. Wir verbinden
hiermit einen Beschluß vom folgenden Tage, welcher den Austritt eines
Mitgliedes zur Folge hatte. Er ging dahin, die Nationalversammlung zu
veranlassen, daß sie an die Badische Regierung die Forderung stelle, die
gefänglich eingezogenen Republikaner frei zu lassen, die exilirten aber
zurückzuberufen.
Auf die Adresse wegen Hecker folgte die Diskussion über den Ort, wo der
Centralausschuß seinen Sitz nehmen sollte. Es zeigte sich hier zum ersten
Male, daß die Versammlung sich noch nicht gänzlich von dem Geiste des
Lokalpatriotismus befreit hatte. Die Kommission hatte sich für Berlin
entschieden; sie hatte auf die jüngste Vergangenheit hingewiesen und auf die
Rolle, welche Berlin in der deutschen Bewegung zu spielen berufen sei, sie
hatte ausführlich dargelegt, weshalb Frankfurt zum Vorort nicht geeignet
sei. Gleichwohl kamen die Süddeutschen auf Frankfurt zurück. Andere schlugen
Leipzig vor, andere Altenburg, Bamberg, Marburg. Der Kongreß zeigte sich
auch diesmal seines Berufes würdig; der Kommissionsantrag wurde von der
überwiegenden Majorität angenommen. Hierauf ward die Zahl der
Ausschußmitglieder festgesetzt; fünf sollen das Comité bilden; drei davon
werden vom Kongreß durch geheimes Skrutinium ernannt, die beiden übrigen von
den Berliner Vereinen. Zur Aufbringung der nächsten Unterhaltskosten für die
drei vom Kongreß gewählten Mitglieder wurde eine Liste zum Einzeichnen von
Beiträgen aufgelegt, die sich alsbald mit zahlreichen Unterschriften
bedeckte.
Es blieb nur noch, um die Organisation zu vollenden, die Bestimmung der
Kreisvororte übrig, welche die Vereine eines jeden Kreises miteinander in
Verbindung halten, auf die Bildung neuer Vereine hinwirken und mit dem
Central-Comité in direkter Kommunikation stehen. Als solche wurden am
dritten Tage festgesetzt: Für Baden Mannheim, für Würtemberg Stuttgard, für
Baiern Bamberg, für Oestreich Wien, für die beiden Hessen und Nassau
Frankfurt und Marburg, für Thüringen Jena, für Sachsen Leipzig, für
Rheinpreußen und Westphalen Köln, für Preußisch Sachsen Halle, für den
Nordwesten von Deutschland Hamburg, für den Nordosten: Stettin, Berlin,
Königsberg, für Schlesien Breslau. Zugleich wurde beschlossen, daß binnen 14
Tagen nach dem Schluße des Kongresses Kreiskongresse in jedem einzelnen
Kreisvororte einberufen werden sollen.
Hiermit waren die wesentlichen Arbeiten der Versammlung vollendet. Wir haben
aber bereits angeführt, daß noch die Debatte über ein zu erlassendes
Manifest folgte. Als dieser Antrag gefallen war, kamen noch eine Menge
spezieller Anträge zur Verlesung, die meistens Vorschläge zu socialen
Verbesserungen enthielten. Sie wurden sämmtlich durch die Tagesordnung
beseitigt. Eines Antrags gedenken wir hier, weil er wahrscheinlich Stoff zu
witzigen Bemerkungen über den Kongreß bieten wird. Es ist dies der Antrag,
die Frauen an die politisch socialen Debatten zu betheiligen. Die
Versammlung vernahm die Motivirung dieses Antrages mit der ernstesten
Aufmerksamkeit; gleichwohl entschied sie sich nicht dafür, und zwar deshalb,
weil sie sich bereits dafür entschieden hatte. Die Tagesordnung wurde dahin
motivirt, daß der Kongreß durch sein Grundprinzip die gleiche Berechtigung
Aller anerkenne, die Frauen also ohne besondre Erklärung darin einbegriffen
seien.
Jetzt sollte endlich die Versammlung zu ihrer Schlußhandlung, der Wahl der
Ausschußmitglieder schreiten. Aber ein neues Hinderniß stellte sich in den
Weg. Die Südländer konnten es nicht verschmerzen, daß Frankfurt nicht der
Mittelpunkt der Partei sein sollte. Da dachten sie denn durch einen großen
Antrag die Versammlung hinzureißen; sie verlangten, der Kongreß solle sich
permanent erklären. Aber die Majorität beschloß zunächst die Wahlen
vorzunehmen, sie wolle denn nachträglich auch die Permanenzanträger noch
höre. Zu diesem Beschluß konnte sie indessen erst nach namentlicher
Abstimmung gelangen. Die Wahlen wurden noch an demselben Abende vorgenommen
und dieses Geschäft dauerte bis spät in die Nacht. Zu Mitgliedern des
Centralausschusses wurde gewählt: Jul. Froebel, G. Rau aus Stuttgard, H.
Kriege aus New-York. am andern Tage war der Permanenzeiser abgekühlt; man
hatte eingesehen, daß es die Thätigkeit der ganzen Partei paralysiren heißt,
wenn man ihre tüchtigsten Glieder auf ungewisse Aussicht so zur Unthätigkeit
verdamme. Es wurde beschlossen, bis zur definitiven Konstituirung des
Central-Comités fünf Mitglieder des Kongresses in Frankfurt
zurückzulassen.
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@facs | 0108 |
Schlesisch-polnische Gränze.
In Kalisch proklamirt ein russischer Priester in der griechischen Kirche ein
neues Manifest des Kaisers an seine treuen Unterthanen, welches ziemlich
lächerlich klingt, aber deutlich zeigt, was eigentlich die Russen
beabsichtigen. Es heißt darin nämlich: „Die griechische Religion
unterscheidet sich wenig von der kath. Weil nun beide Confessionen wenig
oder vielmehr gar nicht von einander abweichen und der Kaiser aller Reußen
das Haupt der einen sei, so müsse er auch die andere vertheidigen und sie
nicht entehren lassen. Im Großherzogthum Posen aber und in Galizien werden
katholische Priester von den Deutschen und Juden auf das grausamste
gemißhandelt und in Gefängnisse geworfen, katholische Kirchen werden von der
rohen Soldateska entweiht und beraubt. Es sei hier viel unschuldiges
katholisches Blut vergossen worden. Diese Gründe bewegen den Kaiser, den
Beherrscher aller Gläubigen, einen Kreuzzug gegen diese Barbaren zu
unternehmen und Rache zu nehmen an den Unterdrückern der katholischen Kirche
und der slavischen Völker. Dies sind die wichtigsten Punkte des
Manifestes.
Es heißt überhaupt, daß die Russen den 16. (28.) oder den 20. (2. Juli) d.
Mts. nach dem russischen Kalender nach Posen unter Erlon einrücken werden,
200 Wagen sind in der Umgegend von Kalisch zum Fortschaffen der Bagage auf
diesen Termin bestellt.“
[(A. O. Z.)]
Französische Republik.
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@facs | 0109 |
[12] Paris, 20. Juni.
Man weiß, was man vom Lob oder Tadel, den das Journal des Debats den Akten
der republikanischen Regierung spendet, zu halten hat. Man weiß, wer und was
im Hintergrunde seiner Kritik lauert. Aber eingestehen muß man immerhin, daß
es in seinem Tadel sowohl als in seinem Lobe so geschickt ist den
Tendenzbären nicht hervorblicken zu lassen. Als die Steuer der 45 Centimen
aufkam, hatte das Journal des Debats seine guten Gründe, diese Maßregel der
provisorischen Regel gutzuheißen; Hr. Bertin wurde von ihr nicht getroffen,
und wußte recht wohl, daß die kleinen Bauern, die davon getroffen würden,
sie eben nicht mit republikanischer Ergebenheit ertragen möchten. Jetzt, wo
die stille Hoffnung des Hrn. Bertin sich verwirklicht, vertheidigt der
Finanzminister Duclerc die Steuer mit einer beklagenswerthen
Ungeschicklichkeit. Der Ankauf der Eisenbahnen durch den Staat findet in
Bertin einen heftigen Gegner und in Duclerc einen ohnmächtigen Vertheidiger.
Die ganze Zeit über wo Duclerc Minister ist, hat er damit zugebracht,
Finanzquellen ausfindig zu machen; um den Ankauf und die nöthigen Arbeiten
in's Leben rufen zu können. So ist er dann mit seinem Finanzprojekt
hervorgerückt, wodurch er dem Staat 580 Millionen Fr. für zwei Jahre
verschaffen will. Das Journal des Debats rechnet ihm, wie ein wahrer Jude,
jeden Franken nach, und führt den armen Duclerc jeden Augenblick auf einen
Rechnungsfehler. Die ganze Rechnungsoperation ist aber der Maßen
interessant, und läßt uns so tiefe Blicke thun in das Eingeweide
Frankreichs, daß wir nicht umhin können, sie in ihren Hauptpunkten
hervorzuheben. Die Bank soll 150 Millionen vorstrecken, und sie bekömmt als
Pfand Renten aus der Tilgungskasse und Staatswälder. Dagegen läßt sich nun
allerdings nichts einwenden. Wälder sind ein gutes Unterpfand, und der Bank
steht das Recht zu, sie zu ihrer Deckung zu verkaufen.
Nun kömmt aber der Punkt, der nicht so leicht zu übersehen ist. Alle Jahre
ersparten sich die Leute aus der Provinz blanke Millionen Franken, die sie
dann dem General-Steuerempfänger einhändigten, damit er sie in Paris
konsolidire, d. h. sie auf der Börse in gute Renten umwandele. Diese
Millionen, diese Ersparnisse von ehrsamen Provinzialen sollen künftighin in
den Schatz geschossen werden, und der Staat giebt dafür neue Renten aus. Die
Ersparnisse dieser Art waren mit jedem Jahre größer; sie gingen in
aufsteigender Linie: en proportion croissante; und sie betrugen im Jahre
1847 nicht weniger als 75 Millionen. Auf diese Summe hofft nun Duclerc für
das folgende Jahr, um seinen Plan auszuführen. Aber diese Hoffnung macht ihm
Hr. Bertin streitig, und zwar, wie er sagt, weil das Land jetzt von seinem
Kapitale zehre. Aber dies wahre Wort wagt das Journal nicht auszusprechen.
Die Ersparnisse der honetten Bourgeois wachsen nicht mehr in aufsteigender
Linie, weil die bekannte prospérité croissante nicht mehr da ist, dieser mit
jedem Jahre zunehmenden Wohlstande, womit Louis Philipp seine Rede an die
Kammer anfing: dieser zunehmende Wohlstand, der den Stolz des Hrn. Guizot
ausmachte, und der ihm Niemand streitig machen konnte. Die 200,000 Wähler,
das ganze damalige offizielle Frankreich wurde jedes Jahr reicher, auf
Kosten des nicht offiziellen, auf Kosten der armen Bauern und Proletarier;
und auf diese größern Ersparnisse, auf diesen zunehmenden Wohlstand zählt
nun auch wieder Duclerc, um seine 580 Millionen zusammenzubekommen.
Ein anderer Posten besteht aus Nationalwäldern für die Summe von 14
Millionen. Um diese zu Geld zu schlagen, will der Staat einen Tausch mit den
Hospitälern eingehn, die Grundeigenthum aller Art und zwar kuranterer Natur
als Wälder besitzen, wie Häuser, Land und Wiesen: Nun bringen Wälder nur
21/2 pCt. ein, während die Hospital-Güter 4 bis 5 pCt. abwerfen. Wie soll
nun der Tauschhandel vor sich gehn? Kapital gegen Kapital, Wald gegen Haus ‒
da kommen die Hospitäler zu kurz. Prozente gegen Prozente ohne Rücksicht auf
Gleichheit der Kapitalien ‒ da kömmt der Staat zu kurz. In beiden Fällen ist
ein Hacken, der nicht so leicht zu beseitigen, und die 14 Millionen Wälder
sind nicht so lichte als Hr. Duclerc es glaubt, Wir übergehen jetzt
allerhand Punkten, die Hr. Duclerc noch zu verkaufen hat und aus denen er 4
Millionen zu ziehen hofft, wie Anschwemmungen, relais de mer u. s. w. ‒
Lauter Dinge, von denen Bertin bedeutende Abzüge macht. Aber der Hauptpunkt,
der das Zartgefühl des Hrn. Bertin empört, das sind die 25 Millionen, die
Hr. Duclerc entheben will auf die Privat-Domänen des Exkönigs, als
Entschädigung für die sogenannten „finstern Schnitte“, die Louis Philipp mit
einer Geldgierigkeit ohne Gleichen hat vornehmen lassen in den Wäldern der
Civilliste.
Dieser Schnitt, meint Hr. Bertin, sei nichts weniger als finster, es ist der
„deutsche Schnitt“ und Hr. Bertin vertheidigt ihn mit einer Wärme, daß man
vermuthen möchte, er habe an diesem deutschen Schnitt auch seinen Schnitt
gemacht.
‒ Die Alpenarmee besteht aus 60 Bataillonen, 50 Schwadronen und einem starken
Artilleriepark. Sie zählt im Ganzen 50,000 Mann, kann aber binnen acht Tagen
auf's Doppelte steigen. Die Soldaten und Offiziere sind herzhafte Kerls, die
meist in den afrikanischen Kriegen ihre Sporen verdienten.
‒ Die Hafenpolizei ist einigen Waffensendungen auf die Spur gekommen, welche
England unseren Gegnern in der Vendee zuspedirte.
‒ 200 Fabrikanten des Faubourgs St. Antoine haben ein Memorial an den
Staatsbautenminister Trelat gerichtet, woraus wir folgende Stelle
übersetzen: „. . . . . Herr Minister etc. etc. Sie haben in der Sitzung der
Nationalversammlung erklärt, daß die Privatindustrie bereits zahlreiche Bestellungen erhalten und darum die
Arbeiter aus den Nationalwerkstätten zurückziehen werde. Wir gestehen leider
zu unserm Schmerze, daß die unterzeichneten Fabrikvorsteher in der
gewerbreichsten Gegend von diesen „zahlreichen Bestellungen“ die erste
Kenntniß durch Sie erhalten etc. etc.“
‒ Venedig hat einen Gesandten hierher geschickt, der im Hôtel Baillif wohnt
und den Gliedern der Vollziehungsgewalt sowie den Ministern bereits mehrere
Besuche abgestattet hat. Derselbe hat den Auftrag, Frankreich zu bewegen,
seiner alten Bundesgenossin in Wiederherstellung der republikanischen
Staatsform Hülfe zu leisten. Man entsinnt sich, daß die Republik Venedig
(freilich eine alte Zopfrepublik) von Napoleon unterdrückt wurde.
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@type | jArticle |
@facs | 0109 |
Nationalversammlung. Sitzung vom 21. Juni.
‒ Portalis eröffnet dieselbe um 11/2 Uhr. Die große
Terasse des gegenüberliegenden Tuileriengartens ist mit Volk überfüllt, das
sich ganz bequem auf die Stühle niedergelassen hat, wofür alle Welt sonst 2
Sous Sitzgeld bezahlen muß. Ceyras, der auf Anlage
von Civil-Invalidenhäusern auf Dörfern angetragen hatte, dringt auf schnelle
Berücksichtigung seines Antrags; die Versammlung ließ sich jedoch nicht
bewegen. Mehrere Glieder stellten ähnliche Lokalvorlagen, konnten aber
ebenfalls nicht durchdingen. Charbonnel, ein
Arbeiter-Deputirter aus dem Loirethale, wollte gegen einige Stellen des
gestrigen Protokolls rücksichtlich antisozialistischer Redner protestiren.
Er konnte sich aber kein Gehör verschaffen. Fluchend stieg er wieder von der
Bühne herab. Mauguin trug auf radikale Aufhebung
aller Thorsteuern vom 1. Januar 1849 ab an. Pascal
(aus Aix) will zu derselben Epoche alle Steuern auf Getränke abgeschafft
wissen Duclerc, Finanzminister, hatte nichts gegen
die volksfreundliche Natur dieser Anträge einzuwenden, bat aber die Herren,
sie möchten ihm doch das Geheimniß vorher mittheilen, wie die Staats- und
die Stadtkassen die betreffenden Ausfälle decken könnten? Beide Anträge
sollen näher erörtert werden. Leon Faucher zankte
sich dann eine Weile mit dem Handelsminister, weil derselbe eigenmächtig die
Eingangszölle auf einige ausländische Artikel geändert habe. Eine nicht
minder erbauliche Debatte entspann sich zwischen Vignerte, Brunet und einem dritten Gliede über eine Summe von
100,000 Fr., welche die Regierung für die ehemaligen politisch Verurtheilten
und die Februarkämpfer verlangte. Nach langem Zaudern wurde sie genehmigt
und die Versammlung schritt zur Berathung der gestern abgebrochenen
Getränkesteuer (4 Uhr).
Sitzung nach 4 Uhr. Alle Steuerberathungen, welche die Nahrungsbedürfnisse
des Volkes betreffen, verdienen spezieller Erwähnung. So auch die
Getränkesteuer. Die provisorische Regierung hatte durch ein Gesetz vom 31.
März eine für die gegenwärtige Produktionsweise sehr unglückliche
Gleichheitssteuer verordnet, z. B. 70 Flaschen feiner Wein, der auf die
Tafeln der Reichen wandelte, zahlte eben so gut 27 Fr. Accise (Thorsteuer am
Entrepot) als 70 Flaschen sogenannter Petit-Wein, zu deutsch Rachenputzer
oder Weinessig, der für das französische Proletariat eines der ersten
Lebensbedürfnisse ist. Ein gleiches Verhältniß tritt für Aepfel und Birnen,
Cider und Liqueurs, Eau de vie u. s. w. ein. Eine Menge Petitionen
protestirten gegen diese Gleichheit. Die Produktion, heißt es in vielen, sei
ohnedies schon durch die 45 Centimensteuer hart genug geschlagen; dieses
neue Wein- und Branntweingesetz werde sie vollends ruiniren. Die
Nationalversammlung wies alle Petitionen an den Finanzausschuß, der durch
den Mund seines Berichterstatters darauf antrug, das Dekret vom 31. März am
1. Juli c. abzuschaffen. Ternaux legte ein
Amendement ein, das das Ministerium sowohl als den Schlußentwurf des
Finanzausschusses angriff. Es entspann sich eine dreistündige, sehr heftige
Debatte zwischen den verscheidenen, besonders die Weinbauer repräsentirenden
Deputirten.
Duclerc, die Widersprüche der verschiedenen Projekte
hervorhebend, setzte es durch, die bereits begonnene Abstimmung zu hemmen
und die Debatte auf morgen zu verschieben.
Dies geschah. Lagrange, der Neugewählte, bestieg dann
die Tribüne, um die Minister zu fragen, wann sie ihm Rede stehen wollten, um
über die Mastregeln Auskunft zu geben, welche sie gegen die
contrerevolutionären Umtriebe ergriffen, die unter dem Namen Louis Napoleon
in Paris und den Departements eifrig statt finden?
Duclerc erklärte, daß das Ministeriäm morgen dafür
bereit sei.
Perrée will bei dieser Gelegenheit ähnliche
Interpellationen rücksichtlich des Boissyschen Briefs aus Florenz (in den
Journalen) richten.
Die Sitzung wurde um 61/4 Uhr aufgehoben.
@type | jAnnouncements |
@facs | 0110 |
Schiffahrts-Anzeige. Köln, 23. Juni 1848.
Angekommen: J. P. Linz und A. Rauth von Mannheim.
Abgefahren: B. Kraus nach dem Obermain.
In Ladung: Nach Ruhrort bis Emmerich H. Lübbers; nach
Düsseldorf bis Mühlheim an der Ruhr A. Meyer; nach Andernach und Neuwied C
Kaiser und M. Wiebel; nach Koblenz und der Mosel und Saar Jakob Tillmann;
nach der Mosel, nach Trier und der Saar N. Pisbach; nach Bingen J. B.
Mundschenk; nach Mainz J. Hirschmann; nach dem Niedermain Ph. Würges; nach
dem Mittel- und Obermain Seb. Seelig; nach Heilbronn H. Bechert; nach
Kannstadt und Stuttgart Peter Kühnle; nach Worms und Mannheim J. B
Mundschenk I.; nach Antwerpen M. Lamers.
Ferner: Nach Rotterdam Kapt. Jurrius, Köln Nr. 18.
Ferner: Nach Amsterdam Kapt. Schüller, Köln Nr. 30.
Wasserstand. Köln, am 23. Juni. Rheinhöhe 8′ 4
1/2″.
Nr. 70127. Auszug aus dem im Sekretariate des
Königlichen Landgerichts zu Köln beruhenden Register über Erklärungen und
Hinterlegungen.
Nr. 10060.
Heute den zwölften April ein tausend acht hundert acht und vierzig erschien
im Sekretariate des Königlichen Landgerichts zu Köln, unter Assistenz des
Herrn Advokat-Anwalts Füßer, der zu Köln wohnende Herr Advokat Götz, in
seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter des zu Köln wohnenden Hermann
Porcher, früher Kaufmann, jetzt Rentner, ohne Geschäft, in Gefolge der
diesem Akte beigefügten Vollmacht unter Privatunterschrift vom vierten April
achtzehnhundert acht und vierzig und hinterlegte zum Zwecke des gesetzlichen
Purgations-Verfahrens, eine von ihm und seinem assistirenden Anwalte
beglaubigte Abschrift des am zweiten Oktober achtzehnhundert sieben und
vierzig vor Notar Landwehr zu Köln aufgenommenen Kaufaktes, wonach der
Barbier Johann Joseph Bechem, wohnhaft in Köln, das ihm eigenthümlich
zugehörige, zu Köln auf der Ehrenstraße, mit Nummer ein und vierzig
bezeichnete Wohnhaus, sammt unterliegendem Grunde und Boden, Hofraum und
allen übrigen An- und Zubehörungen, eingetragen im Kataster der
Stadtgemeinde Köln, unter Artikel sieben tausend einhundert sechs und
siebenzig in der achtzehnten Flur, Nummer einhundert zwei und sechszig der
Parzelle, mit einer Grundfläche von ein und zwanzig Ruthen acht Fuß, einem
Gesammtreinertrage von hundert ein Thaler zwölf Silbergroschen zwei
Pfenninge, und den Gränznachbaren: nördlich die Ehrenstraße, östlich
Blumacher, südlich Simon Mayrhofer, und östlich die kleine Brinkgasse ‒ an
seinen genannten Mandanten Hermann Porcher, für den Betrag von viertausend
Thaler Preußisch Courant verkauft hat. Ein Auszug aus diesem Kaufakte,
enthaltend das Datum desselben, die Vor- und Zunamen, Professionen und
Wohnorte der Kontrahenten, die Lage und Bezeichnung der Immobilien, dem
Kaufpreis, und die dem Verkaufe zum Grunde gelegenen Bedingungen, ist durch
den unterzeichneten Landgerichts-Sekretär angefertigt, und heute nach
Vorschrift des Artikels zwei tausend einhundert vier und neunzig
desCivilgesetzbuches im Civil-Audienz-Saale des hiesigen Königlichen
Landgerichts angeheftet worden.
Worüber dieser Akt aufgenommen, vorgelesen, genehmigt und von den Herren
Comparenten und dem Landgerichts-Sekretär unterzeichnet worden ist. Stempel
zur Urschrift fünfzehn Groschen.
Köln wie oben.
Gez. Götz. Füßer.
Gez. Adeneuer, Landg.-Sktr.
Der Stempel von fünfzehn Silbergroschen ist kassirt worden.
Nro. 1885. Empfangen zehn Groschen.
Köln, den dreizehnten April achtzehnhundert acht und vierzig.
Königl. Haupt-Steuer-Amt für inländ.
Gegenstände.
Gez. Kerkhof.
Vollmacht. für den Advokaten Götz, für den
Unterzeichneten das gesetzliche Purgations-Verfahren in seiner Sache gegen
den in Köln wohnenden Johann Joseph Bechem, Barbier, in Betreff des in der
Ehrenstraße sub Nro. ein und vierzig gelegenen Hauses einzuleiten und
durchzusetzen.
Köln den vierten April eintausend achthundert acht und vierzig.
Gez. H. Porcher.
Für gleichlautenden Auszug:
Der Landgerichts-Sekretär,
Mockel.
Nro. 1886. Empfangen ‒ Thlr. 26 Sgr.
Köln, den 13. April 1848.
Königl. Haupt-Steuer-Amt für
inländ. Gegenstände.
Kerkhof.
Heute den ein und zwanzigsten Juni achtzehnhundet acht und vierzig.
Auf Anstehen des Hermann Porcher, früher Kaufmann, jetzt Rentner, ohne
Geschäft, früher in Köln, dermalen in Pfortzheim wohnend, wofür die Herren
Advokat Götz und Advokat-Anwalt Füßer occupiren werden, habe ich
unterzeichneter Hermann Joseph Mockel, beim Königlichen Landgerichte zu Köln
immatrikulirter, daselbst wohnender Gerichtsvollzieher, durch die
abschriftlich beiliegende auf Requete der gedachten Herrn Advokaten vom
fünfzehnten Juni currentis von dem Herrn Landgerichtspräsidenten Heintzmann
in Köln am sechszehnten selbigen Monates erlassene Ordonanz hierzu besonders
committirt, dem Königlichen Ober-Prokurator Herrn Zweiffel in Köln auf
dessen Parket, sprechend daselbst mit dem N. Stelle des öffentlichen
Ministerii versehenden Herrn Assessor Vierhaus, welcher mir auf Ersuchen den
Original-Akt visirte, angezeigt, daß mein Requirent durch die obenbesagte
Herren Götz und Füßer, zum Zwecke des Purgations-Verfahrens eine gehörig
beglaubigte Abschrift des zwischen ihm und dem Barbier Johann Joseph Bechem,
wohnhaft in Köln, vor Notar Landwehr in Köln am zweiten Oktober 1800 sieben
und vierzig errichteten in exekutorischer Form ausgefertigten Kaufvertrages,
wonach der Johann Joseph Bechem dem Requirenten das ihm eigenthümlich
zugehörige zu Köln auf der Ehrenstraße mit Nro. ein und vierzig bezeichnete
Wohnhaus sammt unterliegendem Grunde und Boden, Hofraum und allem An- und
Zubehörungen, für den Betrag von viertausend Thaler Preuß. Crt. verkauft,
auf dem Sekretariate des Königlichen Landgerichtes zu Köln hinterlegt hat.
Sodann habe ich dem Herrn Ober-Prokurator Zweiffel, sprechend wie gesagt,
eine beglaubigte Abschrift des über diese Hinterlegung von dem
Landgerichts-Sekretär Herrn Adenauer in Köln am zwölften April dieses Jahres
aufgenommenen Depositions-Aktes mit der Erklärung insinuirt, daß nach
Vorschrift Staatsraths-Gutachtens vom neunten Mai ‒ ersten Juni 1800sieben,
Requirent, da diejenigen, Namens welcher wegen gesetzlicher, von der
Eintragung unabhängiger, Hypotheken-Eintragungen genommen werden könnten,
nicht bekannt seien, die gegenwärtige Zustellung in den durch den Artikel
sechshundert drei und achtzig der Civil-Prozeßordnung vorgeschriebenen
Formen bekannt machen lassen werde.
Abschrift der bezogenen Requete und Ordonanz des Depositions-Aktes und dieses
Aktes ließ ich dem Herrn Ober-Prokurator Zweiffel, sprechend wie bemerkt,
zurück.
Mockel.
Visirt und die betreffenden Abschriften erhalten.
Köln, den 21. Juni 1848.
Vierhaus.
Nr. 70128. Auszug aus dem im Sekretariate des
Königlichen Landgerichts zu Köln beruhenden Register über Erklärungen und
Hinterlegungen.
Nr. 10061.
Heute den zwölften April achtzehnhundert acht und vierzig, erschien im
Sekretariate des Königlichen Landgerichts zu Köln, unter Assistenz des Herrn
Advokat-Anwaltes Füßer, der zu Köln wohnende Herr Advokat Götz, in seiner
Eigenschaft als Bevollmächtigter des Hermann Porcher, früher Kaufmann, jetzt
Rentner, ohne Geschäft zu Köln wohnend, in Gefolge Vollmacht unter
Privatunterschrift vom vierten April achtzehnhundert acht und vierzig,
welche diesem Akte beigefügt ist, und hinterlegte zum Zwecke des
gesetzlichen Okkupationsverfahrens, eine von ihm und seinem assistirenden
Anwalte beglaubigte Abschrift des am dreißigsten September achtzehnhundert
sieben und vierzig vor Notar Landwehr zu Köln aufgenommenen Kaufaktes,
wornach der Maurermeister Simon Mayrhofer und dessen von ihm dazu
ausdrücklich ermächtigte Ehefrau Gertrud, geborne Kleu, ohne eigenes
Geschäft, beide in Köln wohnhaft, ‒ die drei neu errichteten, dahier zu Köln
in der kleinen Brinkgasse, neben einander gelegenen und mit den Hausnummern:
acht, zehn, zwölf bezeichneten Häuser, sammt unterliegendem Grunde und
Boden, Hintergebäuden und Hofräumen, Gärten und allen sonstigen An- und
Zubehörungen, welche drei Häuser damals noch im Grundsteuer-Kataster der
Stadtgemeinde Köln als Garten eingetragen unter Ar tikel zweitausend
achthundert dreizehn, in der Flur achtzehn, unter der Grundstücks-Nummer
hundert drei und sechszig, Flurabtheilung: „Ehrenstraße“ mit einer
Grundfläche von neunzehn Ruthen achtzehn Fuß, einem Reinertrage von einem
Thaler sieben und zwanzig Groschen sieben Pfenninge und mit den
Grenznachbaren von: Blumacher Johann, und Johann Joseph Bechem östlich,
Dubbelmann, Lugino Christian Joseph, und Willmaser Peter, südlich Bechem
Johann Joseph und Wittwe Wimmer, westlich die kleine Brinkgasse ‒ an seinen
genannten Mandanten Hermann Porcher für die Summe von siebentausend
achthundert Thaler Preußisch Courant zurückverkauft haben.
Ein Auszug aus diesem Kaufakte, enthaltend das Datum desselben, die Vor- und
Zunamen, Professionen und Wohnorte der Kontrahenten, die Lage und
Bezeichnung der Immobilien, den Kaufpreis und die dem Verkaufe zum Grunde
gelegenen Bedingungen ist durch den unterzeichneten Landgerichts-Sekretär
angefertigt und heute nach Vorschrift des Artikels zwei tausend ein hundert
vier und neunzig des Civil-Gesetzbuches, im Civil-Audienz-Saale des hiesigen
Königlichen Landgerichts angeheftet worden.
Worüber dieser Akt aufgenommen und nach Vorlesung und Genehmigung von den
Herrn Komparenten und dem Sekretär unterzeichnet worden ist.
Stempel fünfzehn Silbergroschen.
Köln, wie oben.
Gez. Götz. Füßer.
Gez. Adenauer, Landg.-Sektr.
Der Stempel im Betrage von fünfzehn Silbergroschen ist zur Urschrift
kassirt.
Nro. 1887. Empfangen zehn Groschen.
Köln, den dreizehnten April achtzehn hundert acht und vierzig.
Konigl. Haupt-Steuer-Amt für inländ. Gegenstände.
Gez. Kerckhof.
Vollmacht für den Advokaten Götz für Unterzeichneten
das gesetzliche Purgations-Verfahren in seiner Sache gegen die Eheleute
Simon Mayrhofer und Gertrude geborne Kleu, in Betreff der in der kleinen
Brinkgasse gelegenen, mit Nris acht, zehn und zwölf bezeichneten Häuser
einzuleiten und durchzuführen.
Köln, den vierten April achtzehnhundert acht und vierzig.
Gez. Hermann Porcher.
Für gleichlautenden Auszug:
Der Landgerichts-Sekretär,
Mockel.
Nro. 1888. Empfangen ein Thlr. zwei Sgr.
Köln, den 13. April 1848
Königl. Haupt-Steuer-Amt für
inländ. Gegenstände.
Kerkhof.
Heute den ein und zwanzigsten Juni achtzehnhundert acht und vierzig.
Auf Anstehen des Herrmann Porcher, früher Kaufmann, jetzt Rentner ohne
Geschäft, früher in Köln, dermalen zu Pfortzheim wohnend, wofür die Herren
Advokat Götz und Advokat-Anwalt Füßer occupiren werden, habe ich
unterzeichneter Herrmann Joseph Mockel, beim Königl. Landgerichte zu Köln
immatrikulirter, daselbst wohnender Gerichtsvollzieher, durch die
abschriftlich beiliegende, auf Requete der gedachten Herren Advokaten vom
fünfzehnten Juni currentis von dem Herrn Landgerichts Präsidenten Heintzmann
in Köln am sechszehnten selbigen Monates erlassene Ordonnanz hierzu
besonders committirt, dem Königl. Ober-Prokurator Herrn Zweiffel in Köln auf
dessen Parket, sprechend daselbst mit dem die Stelle des öffentlichen
Ministerii versehenden Herrn Assessor Vierhaus, welcher mir auf Ersuchen den
Originalakt visirte, angezeigt, daß mein Requirent durch die obenbesagten
Herren Götz und Füßen, zum Zwecke des Purgations-Verfahrens eine gehörig
beglaubigte Abschrift des zwischen ihm und den Eheleuten Maurermeister Simon
Mayrhofer und Gertrud geborne Kleu ohne eigenes Geschäft, beide zu Köln
wohnend, vor Notar Landwehr in Köln am dreißigsten September achtzehnhundert
sieben und vierzig errichteten, in exekutiver Form ausgefertigten
Kauf-Vertrages, wonach die Eheleute Mayrhofer dem Requirenten die drei
neuerrichteten, dahier zu Köln in der kleinen Brinkgasse nebeneinander
gelegenen und mit den Hausnummern acht, zehn und zwölf bezeichneten Häuser,
sammt unterliegendem Grund und Boden, Hintergebäude und Hofräumen, Gärten
und allem sonstigen An- und Zubehör für die Summe von siebentausend
achthundert Thaler Preuß. Cour. zurückverkauft, auf dem Sekretariate des
Königl. Landgerichtes zu Köln hinterlegt hat. Sodann habe ich dem Herrn
Ober-Prokurator Zweiffel, sprechend wie gesagt, eine beglaubigte Abschrift
des über diese Hinterlegung von dem Landgerichssekretär Herrn Adenauer in
Köln am zwölften April currentis aufgenommenen Depositions-Aktes mit der
Erklärung insinuirt, daß nach Vorschrift Staatsraths-Gutachtens vom neunten
Mai ‒ ersten Juni 1800sieben, Requirent, da diejenigen, Namens welcher wegen
gesetzlicher, von der Eintragung unabhängigen, Hypothekar-Eintragungen
genommen werden könnten, nicht bekannt seien, die gegenwärtige Zustellung in
den durch den Artikel sechshundert drei und achtzig der Civil-Prozeßordnung
vorgeschriebenen Formen bekannt machen lassen werde.
Abschrift der bezogenen Requete und Ordonnanz des Depositions-Aktes und
dieses Aktes ließ ich dem Herrn Ober-Prokurator Zweiffel, sprechen wie
bemerkt, zurück.
Mockel.
Visirt und die betreffenden Abschriften erhalten. Köln, den
21. Juni 1848.
Vierhaus.
Durch Urtheil des Königlichen Landgerichts zu Köln vom 20. d. M. Juni 1848
ist in Sachen der zu Köln, ohne besonderes Gewerbe, wohnenden Friederica
Henriette Schwartz, Klägerin, vertreten durch Advokat-Anwalt G. A.
Boecker
gegen
ihren Ehemann, den in Köln wohnenden Bierbrauer, Peter Joseph Breuer,
Verklagten, vertreten durch Advokat-Antwalt Commer und
gegen
Johann Peter Weyer, Stadtbaumeister außer Diensten, in Köln wohnhaft,
Intervenienten, vertreten durch Advokat-Anwalt Zimmermann
die Gütertrennung ausgesprochen worden.
Köln, den 23. Juni 1848.
Für die Richtigkeit des Auszugs: G. A. Boecker,
Adv.-Anw.
Nicht zu übersehen!
Vom 1. Juli l. J. an ist durch alle Postämter zu
beziehen: Neue Deutsche Zeitung.
Organ der Demokratie.
Verantwortlicher Redakteur Dr. Otto Lüning.
Der Titel bezeichnet die Tendenz dieser Zeitung; sie will vor Allem die
Demokratie, die Herrschaft, die Souverainetät des Volkes.
Die „neue deutsche Zeitung“ erscheint in groß
Folio-Format dreispaltig, und kostet hier am Orte vierteljährlich 2 Fl. oder
1 Thlr. 4 Sgr. Die Ausgabe geschieht täglich mit Ausnahme des Sonntags, da
wir es für billig halten, den Arbeitern diesen Tag frei zu geben; besonders
wichtige Nachrichten werden jedoch an diesem Tage durch Extrablätter
gebracht werden. Anzeigen jeder Art werden gegen die
Gebühr von 3 Kr. oder 1 Sgr. für die Zeile oder deren Raum aufgenommen.
Darmstadt, den 12. Juni 1848.
Die Verlagsbuchhandlung von C. W. Leske.
Bergisch-Märkischer Courier. Organ für Zeitgeschichte und
gesellige Unterhaltung.
Unter diesem Titel erscheint seit dem 1. Mai in Hattingen an der Ruhr eine
Zeitschrift, deren vorzüglichstes Streben darauf gerichtet ist, durch klare
Besprechung des Wesens eines konstitutionellen Staates, durch freie
Beurtheilung unserer gegenwärtigen und nächstkünftigen Zustände zur Hebung
und Verbreitung einer gründlichen politischen Bildung das Seinige
beizutragen. Der Standpunkt desselben ist bezeichnet durch die wenigen
Worte: Wir wollen keine Republik, weil sie für Preußen und Deutschland
verderblich sein würde, aber wir wollen in der konstitutionellen Monarchie
alle wahren Freiheiten, welche eine wohlgeordnete Republik zu gewähren
vermag, darum vor allen Dingen wollen wir auch nicht einen Schritt
rückwärts: in der konsequenten Ausbildung und Entwicklung der
konstitutionellen Monarchie auf breitester Grundlage erblicken wir das Heil
Preußens und Deutschlands. Wir wollen Trennung des Staates von der Kirche;
aber volle Freiheit in jenem, vollste Freiheit in dieser; eine Staatskirche
erkennen wir eben so wenig an als einen Kirchen-Staat.
Aus diesen Gründzügen fließen die leitenden Artikel, die bereits vielfältig
die vollste Anerkennung gefunden, und denen sich, als „Reflektionen über
Tagesgeschichte“, eine kurze Beurtheilung hervorragender Erscheinungen der
Zeit in gleichem Sinne anschließt. Zugleich geben wir unsern Lesern
anziehende Produkte der belletristischen Literatur. In einem „Sprechsaal“
verhandelt das Publikum unsers Leserkreises seine eigenen Angelegenheiten
frei und ungehindert. Luft und Raum für jede Partei! Ehrlicher Kampf ist die
Bedingung, unter welcher die Wahrheit siegt.
Der „Bergisch-Märkische Courier“ beschränkt sich
nicht auf Berg und Mark, sondern hebt seinen Blick hinaus auf alles das was
Berg und Mark interessirt, auf unser ganzes Vaterland, und erscheint
wöchentlich zweimal. Der höchst billig gestellte Preis beträgt 12 1/2 Sgr.
vierteljährlich beim Verleger; an den zunächst gelegenen Orten, wohin es
durch Boten besorgt wird, 15 Sgr.; bei allen Postämtern und Buchhandlungen
des preußischen Staates 16 3/4 Sgr. pro Quartal. Anzeigen kosten 1 Sgr. die
Zeile.
Bestellungen auf das mit dem ersten Juli beginnende neue
Vierteljahr bitte ich baldigst machen zu wollen.
Hattingen a. d. Ruhr, im Juni 1848.
Albert Fries,
Herausgeber und Verleger des
Bergisch-Märkischen Couriers.
Empfehlungs-Anzeige
der
Palingraphischen Anstalt
von
Adolph Camphausen
Wallrafsplatz Nro. 153.
Köln im Juni 1848.
Mailust in Deutz.
Dem allgemeinen Wunsche meiner verehrten Gäste bei Eröffnung meiner
Wirthschaft nachkommend, da meine Anlage hinlänglich Raum und eine zu schöne Lage dazu darbietet, habe ich sofort
Einrichtung getroffen und Anschaffungen gemacht, neben meiner Wein- und Kaffee-Wirthschaft, verbunden mit einer
Oberrheinischen Restauration, auch eine Bairische
Bierwirthschaft mit ausgezeichnetem Felsenbier, zu errichten, und
habe dieselbe am 18. d. M. eröffnet, wozu höflichst einladet Joseph Kost.
Sitzung des Kölner Bürgervereins am 20. d. M., Abends im
Harff'schen Saale.
An der Tagesordnung war die Diskussion über den bereits von der Berliner
Vereinbarungsversammlung verworfenen preußischen Grundgesetzentwurf. Ein
kitzlicher Punkt für den Kölner Bürgerverein! Rathlos saßen die Herren da;
sie wußten nicht hin und nicht her. Da tritt aus ihrer Mitte ein
„schlichter, grader, durch und durch deutscher Mann; ein Mann mit deutschem
Sinn, mit einem deutschen Herzen, ein Mann von echtem deutschen Schrot und
Korn,“ ‒ Roderich Benedix ist dieser Mann geheißen! Er ist ganz der Mann,
eine rathlose Versammlung aus der Klemme zu ziehen. Sein imponirendes
Aeußere, sein langer, grauer Bart, seine gelahrte Stirn, seine
Bürgerwehrpechkappe auf dem edlen Haupte, flößen sogar dem
rücksichtslosesten Menschen Achtung ein. Herr Roderich Benedix verlangt das
Wort, um einen ganz von der Tagesordnung abweichenden Antrag der Versammlung
zur Diskussion vorzulegen. Der Präsident, der nicht die Spur von
parlamentarischem Takt zu haben scheint, erlaubt Hrn. R. Benedix seinen
Antrag zu stellen; er stellte hiermit sich und der Versammlung das
testimonium paupertatis aus, denn stillschweigend bekundete er im Namen der
Versammlung durch die Annahme des Benedix'schen Antrages die Unfähigkeit
derselben, die Wichtigkeit der Diskussion über den fraglichen Gegenstand zu
erkennen. Oder sollte vielleicht Hr. Benedix Antrag wichtiger sein? ‒ Wir
wol len ihn ans Tageslicht ziehen und von allen Seiten besehen. ‒ Mit
urteutonischem Pathos, mit einer Stimme, als wenn Hr. Benedix Kartoffeln im
Munde hätte, bringt er seinen wichtigen, gehaltreichen Antrag vor. Er lautet
folgendermaßen: „Der Bürgerverein möge sich als eine kompakte, politische
Propaganda bilden, (also haufenweise formirt Hr. Benedix die Propaganda;
Einzelnen sind die Herren zu schwach. Wo die Ideen fehlen, müssen die
Fleischmassen wirken), um unter Einwirkung eines politischen
Glaubensbekenntnisses ‒ (Welcher Wahnsinn! Herr Benedix kennt nichts von
einer Propaganda, wenn er bei einer politischen Propaganda nicht ein
politisches Glaubensbekenntniß voraussetzt. Hr. Benedix scheint nicht aus
seiner Lustspielschreiberei herausgekommen zu sein), ‒ aber weiter ‒ sich
mit auswärtigen Freunden des „Gesetzes und der Ordnung“ in Verbindung zu
setzen.“
Das alte, abgegriffene, jetzt von allen Seiten mit Füßen getretene „Gesetz,“
die alte lahme „Ordnung der Dinge,“ das sind die Losungsworte der
Bourgeoispartei, der Reaktionäre! Um jeden Preis, und ginge es auch um ihren
Kopf, wollen sie die Revolution desavouiren und dem Volke die Früchte
derselben rauben. Darum „Gesetz und Ordnung!“ Nein, das alte „Gesetz,“ die
alte „Ordnung“ müssen erst vollkommen vernichtet, Alles hierauf Basirte
niedergerissen werden, ehe man daran denken darf, einen neuen Zustand, eine
neue Gesellschaft zu bilden!
Herr Benedix fiel glänzend mit seinem Antrag durch. Statt nun in aller
Bescheidenheit in seine Zurückgezogenheit wieder zurückzukriechen, hält
unser deutscher Hr. Benedix eine wüthende, aber echt deutsche Rede über
Anarchie und Demokratie, die für ihn zwei gleiche Begriffe zu sein schienen.
Rodomontaden auf Rodomontaden entströmten seinem lieblichen Munde; mit einem
Unsinn über den andern bullerte der „deutsche“ Benedix hervor, bis er
endlich anfing selbst zu glauben, daß seine Rede viel Sinn und Verstand
gehabt hätte. Der Bürgerverein wurde sogar unruhig ob der langen Rede voll
Unsinn. Die Herren gähnten und reckten sich, so langweilig war ihnen noch
nie zu Muthe gewesen. (Mehrere haben uns versichert, daß die Rede zum
Brechen abgeschmackt gewesen sei). Nach dem „deutschen“ Benedix trat Bürger
Schlechter auf. Viele Vereinsmitglieder konnten
ihre Heulernatur nicht verläugnen, und scharrten mit den Füßen, bewiesen
also auf diese Weise ihren Ordnungssinn. Schlechter trat aber energisch
gegen diese brutale Ungezogenheit auf, indem er den Antrag stellte, die
Unruhestifter vor die Thür werfen zu lassen.
Nachdem noch einige hohlköpfige Geschichten verhandelt waren, hob der
Präsident die Sitzung auf.
Elegantes Zimmer, Frühstück, Mittag-Essen an der table d'hôte nebst 1
Schoppen guten Wein zu 1 Thaler pr. Tag im Pfälzer Hof bei
Friedrich Knipper, Appellhofs Platz Nro. 17.
Table d'hôte und Abonnemens-Tisch um 1 Uhr und zu jeder Stunde vorzügliche
der Saison angemessene blllige Speisen a la carte, und einen billigen
Wein.
Ein neuer wiener Flügel ist wegen Mangel an Raum billig zu verkaufen. Wo,
sagt die Exped. d. Ztg.