Sturz des Ministeriums Camphausen.
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Cöln, den 21. Juni. 10 Uhr Abends.
Man schreibt uns von Berlin vom 20. Juni: das Ministerium Camphausen ist gefallen;
heute Morgen 8 Uhr hat Herr Camphausen sein Portefeuille
in die Hände des Königs zurückgelegt. Als die wegen der vorzunehmenden
Ergänzungen des Ministeriums bis heute Morgen vertagte
Vereinbarungs-Versammlung zusammenkam, verlas der Präsident einen Brief
von Camphausen, worin er seinen Rücktritt der Kammer anzeigte und zwar,
weil es ihm nicht gelungen sei, das Ministerium zu ergänzen. Die Herren
Hansemann, v. Auerswald, Bornemann, v. Patow, Roth von Schreckenstein
und Schleinitz saßen auf der Ministerbank, Schreckenstein als
neuernannter Kriegsminister, Schleinitz, der bekannte Günstling der
Prinzessin von Preußen und
Russen-Freund, als Minister
der auswärtigen Angelegenheiten.
Hansemann und v. Auerswald gaben noch die Erklärungen ab,
daß nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten sie alle mit Ausnahme des
von Schreckenstein und Schleinitz nur
provisorisch seien, und bis zur Bildung des neuen Kabinets sie nur die
laufenden Geschäfte erledigen würden.
Man bat übrigens die Vereinbarungsversammlung um
unbestimmte Vertagung der Kammer.
Die Vertagung bis zum nächsten Montag wird
beschlossen.
Unsere Leser werden nicht von dieser Nachricht überrascht sein. Wir hatten
den Fall des Ministeriums Camphausen täglich vorausgesagt. Wir hatten
hinzugefügt: Entweder eine neue Revolution oder ein
entschieden reaktionäres Ministerium. Der Versuch zu einer neuen
Revolution ist gescheitert.
Ein russenfreundliches Ministerium wird dem Czar die Wege
bereiten.