Frankfurt, 19. Juni.
(18.
Sitzung der konstituiren- Nationalversammlung.)
Nach Verlesung des Protokolls erhielt der Abg.
Beisler das Wort, um im Namen der slawischen Kommission Bericht zu
erstatten. Die Kommission beantragt: die Nationalversammlung solle die
österreichische Regierung auffordern, die noch rückständigen Wahlen in
Böhmen zur deutschen Nationalversammlung sofort vornehmen zu lassen, und sie
zu energischem Auftreten zu ermuntern, wogegen ihr in der Voraussetzung, daß
sie die Interessen Deutschlands wahren werde, die kräftige Unterstützung der
Nationalversammlung zugesichert werde. Dieser Bericht wird demnächst zur
Berathung kommen. Hierauf geht die Versammlung der Tagesordnung gemäß zur
Berathung des Berichts über die provisorische Centralgewalt über. Der
Präsident zeigt an, daß außer den, dem Ausschuß ergebenen 17 Anträgen noch
33 neue eingebracht worden sind. Es haben sich über den Ausschußantrag 11,
gegen denselben 72 und für denselben 32 Redner gemeldet.
Hollascheck beantragt, daß keinem eingeschriebenen Redner das Wort
verweigert werde. Der Präsident bemerkte, die Versammlung werde damit
einverstanden sein, daß die Berathung die möglichste Ausdehnung erhalte
(Zustimmung); doch werde sie sich ihres Rechts die Debatte zu schließen,
wohl nicht begeben wollen. Dahlmann hofft, die Versammlung werde den Strom
der Debatte nicht zu sehr eindämmen, aber doch dafür sorgen, daß er zum Ziel
führe. Er fürchtet für das große Deutschland nicht den auswärtigen Feind,
wohl aber den innern, die Anarchie, und erwartet, daß die Beschlüsse dieser
Versammlung den Freunden wahrer Freiheit Beruhigung bringen, dem
anarchischen Umsturz aber den Todesstoß versetzen werden.
Jordan von Berlin: es sei anzunehmen, daß Niemand in dieser
Versammlung die Nothwendigkeit einer Centralgewalt in Abrede stelle; es sei
also überflüssig, hierüber besonders zu debattiren; man könne alsbald auf
die Berathung des Ausschußantrags selbst eingehen. Die Versammlung tritt
einstimmig diesem Vrrschlage bei. Hierauf wird die Liste der
eingeschriebenen Redner verlesen, und beschlossen, daß abwechselnd über, für
und gegen den Ausschußantrag gesprochen werden soll. Zuerst erhält
Heckscher das Wort über den Antrag. Er stellt sich
auf den Standpunkt der Volkssouverainetat ohne alle Rücksicht auf den
Rechtspunkt. Er erblickt das Vaterland in Gefahr nach Innen und Außen; darum
will er eine provisorische Centralgewalt, weil, ehe die definitive zu Stande
kommt, das Vaterland diesen Gefahren zum Opfer fallen könnte. Er will aber
eine prov. Centralgewalt, die von der Nationalversammlung ernannt wird, aus
unverantwortlichen Mitgliedern bestehend, mit einem verantwortlichen
Ministerium. Man hätte sich mit den Regierungen dahin verständigen sollen,
daß die Mitglieder der Centralgewalt von ihnen vorgeschlagen und von der
Nationalversammlung ernannt würden. Dann würde die provisorische
Centralgewalt Macht und Einfluß in Deutschland erlangen und bei dem Volke
Anklang und willigen Gehorsam finden, dann würde auch, wie er hoffe, die
äußerste Linke ihre gerechten Ansprüche befriedigt sehen (Widerspruch links)
und ihren Einfluß in die gewaltige Waagschale legen. Er ist nicht dafür, die
Centralgewalt in die Hände eines Einzigen zu legen; auch der hervorragendste
Mann würde sich in so schwieriger Lage nach Berathern und Stützen umsehen
müssen; darum solle man die Gewalt dreien Mitgliedern übertragen. Ob Fürsten
oder Privatpersonen, ist ihm gleichgültig, aber nicht gleichgültig seien die
Persönlichkeiten. In einem Lande mit fest begründeten konstitutionellen
Zuständen möge es gleichgültig sein, ob ein Weib oder ein weibischer Mann
auf dem Throne sitze; die deutsche Nation wolle keine Puppe als Träger ihrer
Majestät in ihrer jetzigen gefährlichen Lage; man wähle also drei der besten
vortrefflichsten Männer. Redner bekennt, daß er als daß er als Freistädter
ein Republikaner sei; die Republik habe aber die überwiegende Mehrheit gegen
sich, und könnte nur im Gefolge der Anarchie, des Bürgerkriegs und der
Verarmung in Deutschland eingeführt werden. Er ist ferner der Ansicht, daß
der Bundestag, welcher durch 30jährige Mißverwaltung den Haß und Abscheu
Deutschland auf sich gezogen, nicht beibehalten werden könne. Er stimme ‒
erklärt er schließlich ‒ für eine durch die National-Versammlung ernannte
provisorische Centralgewalt, um ein unerschütterliches Prinzip für den
Ursprung der Gewalt in Deutschland festzustellen, und der Centralgewalt
Achtung und Gehorsam zu zu sichern, aber nicht für eine Wahl aus der Mitte
der Versammlung, weil dieser das formelle sowohl, als materielle Recht dazu
abgehe. Zu Nr. 3 der Ausschußanträge wünscht er, daß der Oberfeldherr nicht
von dem Bundesdirektorium selbst, sondern durch dessen Kriegsminister
ernannt werde, und zu 6) beharrt er bei seiner, aus Anlaß der
schleswig'schen Frage ausgesprochenen Ansicht, daß die Verhältnisse zum
Auslande unmöglich wären, wenn die Nationalversammlung sich die Genehmigung
der Verträge vorbehielte. Man solle, wie in den freiesten Staaten (England),
dem verantwortlichen Ministerium das Recht des Kriegs und Friedens
überlassen. Gegen den Antrag erhält
Wiesner das
Wort. Es sei das fünfte Mal, daß er gegen ähnliche Anträge aus Pflichtgefühl
sprechen müsse. Er geht auf die Verhandlungen des Fünfziger-Ausschusses
zurück, und drückt sein tiefes Bedauern darüber aus, daß von Männern, die
die Versammlung achte, ihr Dinge zugemuthet würden, die selbst der Bundestag
dem Fünfziger-Ausschuß nicht zumuthete; so weit seien wir schon hinter den
Tagen des Vorparlaments und des Fünfziger-Ausschusses zurück; so weit sei
die Reaktion schon vorgeschritten. Wir sollen ‒ fährt der Reder fort ‒ die
Regierungen angehen, uns 3 Männer zu bezeichnen, welcher in dieser
stürmischen Zeit an das Staatsruder treten sollen; jene Regierungen, die 30
Jahre lang Männer an die Spitze stellten, welche ihrer Aufgabe nicht
gewachsen waren, und den jetzigen Zustand der Dinge herbeiführten, jene
Regierungen, die gezeigt haben, daß sie keine Männer aus dem Volke
hervorzusuchen wissen. Wenn Oesterreich, wenn Preußen Männer solcher Art
besitzen, so mögen sie sie bei sich zu Hause anstellen; dort sind sie
nothwendig. Diejenigen, die sie besitzen, sind den Stürmen der Zeit nicht
gewachsen. Diese Regierungen, die bei sich so rathlos, sollen uns die Männer
vorschlagen, die ganz Deutschland beglücken sollen? Auf eine bloße
Empfehlung hin sollen wir blindlings und mit verschlossenen Lippen diese
Männer annehmen? So ward die Majestät dieser Versammlung noch nie verletzt,
und wo man solche Vorschläge macht, da wird die Souveränität des Volkes
nicht gebührend geachtet. Wir müssen diese Männer prüfen, wir müssen ihnen
Herz und Nieren prüfen, sie zwanzigfach vor unser Gericht ziehen, und nur
Das dem deutschen Volke geben, was wir als vollkommen tüchtig erkannt haben.
Ob die Mitglieder der Centralgewalt Fürsten oder Privatpersonen, ist dem
Redner nicht gleichgültig, weil er niemals der Unverantwortlichkeit
derselben zustimmen kann. Er erinnert an das Sprüchwort: Die kleinen ‒, die
großen ‒. Wenn man die Minister des Bundesdirektoriums wegen Vergehen vor
Gericht stellte, so würde das Volk in seinem Rechtsgefühl sagen: Die
Direktoren sind die Urheber, die Minister nur die Werkzeuge. Die Personen
der ersteren wären dadurch den größten Gefahren, Deutschland der Revolution
und dem Bürgerkrieg ausgesetzt. Der Redner verlangt schließlich: daß der
vorliegende Antrag, als die Souveränität des Volkes antastend und und
Deutschland den größten Gefahren entgegenführend, im Ganzen und in seinen
einzelnen Theilen verworfen werde.
Pagenstecher:
„Das Volk hat blos die Willkürherrschaft beseitigt, nicht aber die
bestehenden Institutionen gestürzt. Wir haben mit dem alten Systeme
gebrochen, aber das Volk hat uns nicht in die Republik hineingedrängt.
Nirgends in Deutschland ist eine Regierung abgesetzt worden. (Stimme links:
Es kommt noch!) Ich hoffe es nicht. Ueberall wurzelt noch die Anhänglichkeit
an Gesetze und Institutionen. Wir haben die rechte Mitte zu finden zwischen
Absolutismus und Anarchie, und dies ist die konstitutionelle Monarchie auf
der breitesten Grundlage. Weil der Ausschußantrag diesem Prinzip ent
spricht, stimme ich für dessen Annahme. Ich vertraue dem Selbstgefühl des
deutschen Volks, daß es sich nicht vor zwei bis drei Männern fürchten wird,
die aus der Fürstengewalt hervorgegangen und von dieser Versammlung adoptirt
sind.“
Behr äußert die Besorgniß, daß die Einsetzung
einer Centralgewalt fremde Nationen beunruhigen könnte. Er beantragt deshalb
den Erlaß eines Manifestes, worin im Namen der deutschen Nation feierlich
erklärt werde, daß sie den aufrichtigen, ehrlichen Willen hege, mit allen
Nationen ein friedliches Verhältniß zu unterhalten, und da, wo es etwa
gestört wurde, auf rechtlicher Basis ungesäumt wieder herzustellen; daß aber
die deutsche Nation unter den Großmächten die ihr gebührende Stellung als
gleichberechtigte Großmacht einzunehmen gedenke. Er beantragt ferner, daß
man sich mit den Regierungen wegen der Bildung der Centralgewalt
verständige, und daß diese nur Einer Person übertragen werde.
Rheinwald: Das Volk solle die Souveränetät, die es
durch heiße Kämpfe errungen, wieder aufgeben zu Gunsten der Regierungen,
damit diese eine Centralgewalt bilden können. „Wir sind,“ sagt er, „nicht
hierher berufen, um die Souveränetät aufzugeben, sondern um sie in's Leben
zu rufen; wir dürfen also nie zugeben, daß die Fürsten die Centralgewalt
ernennen. Ich protestire feierlich dagegen im Namen des Volks. Niemand ist
dazu berechtigt, als wir, und wir dürfen uns unter keinen Umständen dieses
Kleinod des Volkes entziehen lassen.“ Der
Präsident:
Der Redner werde wohl nur für sich selbst protestiren wollen.
Rheinwald: Er protestire für sich und im Namen des
Volks, das ihn gewählt habe.
v. Radowitz: „Die
äußere und innere Sicherheit Deutschlands ist gefährdet, und die bestehenden
Gewalten sind nicht im Stande, sie zu schützen. Was die äußere Sicherheit
betrifft, so wird sich nur zu bald Gelegenheit geben, darüber Erwägungen
anzustellen; die innere ist früher durch Willkür von Oben bedroht gewesen,
jetzt durch Zügellosigkeit von Unten.“ (Unterbrechung. Der Präsident
gebietet Ruhe. Jeder sey berechtigt, seine Meinung auszusprechen). Der
Redner geht nun auf die in Deutschland vorhandene Vielheit der Staaten und
Interessen ein und erörtert deren Vor- und Nachtheile. „Die große Mehrheit
des deutschen Volkes,“ sagt er, „will auf ihre staatliche Besonderheit nicht
verzichten; sie will nicht, daß man damit beginne, sie zu zertrümmern. Sie
will zu Allem die Hand bieten, was Deutschland stärken kann, sie weist aber
die Zumuthung zurück, den österreichischen, preußischen, baierischen Staat
zu zertrümmern und dann an den Trümmern zu experimentiren, wie man ein neues
Gebäude errichte. Die neue Verfassung wird daher diese doppelte Bedingung zu
erfüllen haben: sie wird die Selbstständigkeit mit der Einheit verbinden
müssen. Zu diesem Zwecke wird sie einer Vertretung der Einzelstaaten, sei es
Senat oder Staatenkammer, bedürfen. Die provisorische Centralgewalt steht
nur einer einzigen Körperschaft gegenüber; denn der Bundestag ist nicht
fähig, die Stelle der andern zu versehen, weil er an Einstimmigkeit oder
Instruktionseinholung gebunden ist. Um so mehr muß man aber darauf bestehen,
daß den Regierungen die Bezeichnung der Personen für die exekutive
Centralgewalt bleibe. Wenn man sagt, es handle sich davon, ob die Ernennung
in den Händen der Fürsten oder des Volkes ruhen solle, so ist dies ein
großes Mißverständniß. Wir sind umgeben von konstitutionellen Staaten; die
Minister sind dort die Vertreter der Majorität der Kammern, und diese die
Vertreter der Majorität des Volks; so lautet wenigstens die konstitutionelle
Theorie. Wenn man also die Ernennung in die Hände der Regierungen legt, so
heißt das nicht in die Hände der Fürsten im Gegensatz zu dem Volk, sondern
in die Hände der einzelnen Staaten im
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Gegensatz zu dem
Gesammtstaate. Damit nicht das Werk in die Hände der ré ublique une et
indivisible falle, stimmt der Redner für den Antrag. (Bewegung in
verschiedenem Sinne. Pfeifen von der Gallerie.) Der
Präsident: Es ist eine große Ungezogenheit begangen worden;
Pfeifen ist ein Bubenstreich; wenn ich wüßte, von wem es geschehen, würde
ich ihn hinausführen lassen. ‒ Mammen erklärt sich gegen ein Triumvirat,
weil dasselbe Zwietracht selbst unter den einzelnen Stämmen und Staaten
erzeugen würde. Er glaubt unbedingt, daß die Nationalversammlung die
Centralgewalt wählen müsse, weil sie sonst die Souveränität, die durch
Annahme des Raveaux'schen (Werner'schen) Antrags offen erklärt worden,
wieder aufgeben müßte. Er ist für den Antrag von Blum und Trützschler , und glaubt
nicht, daß sämmtliche Regierungen bereits mit dem altem System gebrochen
haben.
Wesendonck: Die Versammlung sei nicht hier,
um eine Verfassung für einzelne Staaten zu berathen, sondern die Verfassung
von ganz Deutschland als Bundesstaat. Sie habe sich daher auch nicht darum
zu kümmern, ob die Mehrheit der einzelnen Staaten die Republik, oder die
konstitutionelle Monarchie wolle. Man stehe hier nicht auf dem Boden der
konstitutionellen Monarchie, sondern man habe etwas ganz Neues zu schaffen.
Er glaube nicht, daß es dem Gesammtwillen des Volks entsprechen würde, wenn
man über die 34 konstitutionellen Fürstenhäuser noch ein konstitutionelles
Kaiserthum stellen wollte. Darum solle man an dem festhalten, was der Natur
der Dinge nach das Einfachste, Zweckmäßigste und Wohlfeilste sei. Die
Einzelstaaten wären durch eine solche republikanische Spitze gar nicht
gefährdet. Nur Wenige hier seien für eine république une et indivisible.
Etwas Anderes aber sei es, ob nicht die Verfassung des Ganzen republikanisch
sein und in den Einzelstaaten je nach dem Willen der Mehrheit des Volks
Republik oder konstitutionelle Monarchie bestehen solle. Es sei also nicht
die Aufgabe, wie der Redner vor ihm geäußert, die provisorische
Centralgewalt der definitiven möglichst nahe zu bringen, vielmehr müsse sie
so unpräjudiziell wie möglich eingerichtet werden, wo es sich hauptsächlich
davon handle, Deutschland nach Außen Kraft zu verleihen. Sie durch die
Regierungen ernennen zu lassen und als unverantwortlich hinzustellen, wäre
bereits ein bedeutendes Präjudiz für das konstitutionelle Kaiserthum. Die
Centralgewalt könne nur von der Nationalversammlung und aus ihrer Mitte
ernannt werden und ihr verantwortlich sein; nur dadurch werde das Prinzip
der Volkssouveränität gerettet. Den Ausschußantrag findet der Redner unklar,
ohne bestimmtes Prinzip. Die Bezeichnung „Bundesdirektorium“ beweise, daß
man den Bundestag neben der Centralgewalt beibehalten wolle. Der Ausschuß
habe den Bundestag mit Glacé-Handschuhen angegriffen; er hätte sagen sollen:
der Bundestag ist aufgehoben. Wozu zwei Centralbehörden neben einander? Wozu
einen solchen Staatsrath? In Frankreich habe Guizot ihn hergestellt, um die
Reaktion zu begünstigen und abgedankte Minister zu placiren; wir aber
könnten solche abgenutzte Männer nicht brauchen. Man wolle ein Direktorium
aus Mitgliedern der regierenden Häuser; dies beweise die dem Direktorium
beigelegte Unverantwortlichkeit. Damit würden wir aber das Vertrauen des
Volks nicht rechtfertigen. Außer einigen kleineren Regierungen besitze fast
keine einzige das Vertrauen des Volkes. Der Redner macht dann auf die
Schwierigkeiten der vorgeschlagenen Wahl aufmerksam. Die
National-Versammlung solle die ihr bezeichneten Männer blindlings annehmen,
wenn sie sie aber zurückweise, würde ein Bruch zwischen den Regierungen und
der National-Versammlung daraus entstehen. Es sei in dem Ausschußantrage
nicht gesagt, daß die Centralgewalt die Beschlüsse der Nationalversammlung
zu vollziehen habe, also wäre sie nur ein Organ der Regierungen. In dem
Beschlusse über die Marine habe die Versammlung ausdrücklich erklärt, daß
die künftige Centralgewalt ihr verantwortlich sein solle. Die Linke habe nur
unter dieser Voraussetzung dem Beschlusse beigestimmt, und von diesem
Prinzip dürfe man nicht mehr abgehen.
Bassermann:
Welchen Antrag man auch immer annehme, in jedem Fall würden die Mitglieder
der Centralgewalt der Mehrheit dieses Hauses entsprechen müssen. Nach dem
Antrag von Blum und Trützschler aber würde die Nationalversammlung regieren,
und der Vollziehungsausschuß nur ein Complex von Beamten sein, die ihren
Willen zu vollziehen hätten. Der Redner will an einem Beispiele beweisen,
wie unpraktisch dies wäre. Wenn die Nachricht einträfe, daß Triest von einem
Bombardement bedroht sei, sollte da die Sache erst in einer Versammlung von
600 Mitgliedern berathen, an die Abtheilungen verwiesen, ein Ausschuß
ernannt, vielleicht namentliche Abstimmung vorgenommen werden? Unterdessen
könnte Triest in Asche liegen. „Wir müssen eine Regierung haben, die
regiert, während wir die Verfassung berathen, mit Ministern, die zwar in
Ihrem Geiste und Sinne handeln, die aber nicht erst zu fragen haben, wenn
sie eine dringende Maßregel ergreifen müssen, die aber verantwortlich
bleiben, die wie einst Canning vor das Parlament treten, und erklären: Dies
und jenes Regiment habe ich auf meine Verantwortlichkeit marschiren, diese
und jene Linienschiffe auslaufen lassen. Solche Minister müssen wir in
solchen Zeiten haben.“ Der Redner findet es gleichgültig, ob der Bundestag
die verantwortlichen Minister ernennt, ob die Centralgewalt aus 2 oder 3
Mitglieder besteht. Den Engländern sei es gleichgültig, ob Victoria oder
Wilhelm regiere; Peel oder Russel seien es, die den Staat repräsentirten. Er
fragt, ob das Mißtrauen gegen den jetzigen Bundestag gerechtfertigt sei, in
welchem 17 Männer seit 3 Monaten das Gegentheil von dem thäten, was 17
andere 30 Jahre gethan, in welchem ein Jordan sitze; ob jene Darmstädter
Regierung noch dieselbe sei, an deren Spitze vor Kurzem ein Mann gestellt
worden, den der Volkswille dorthin gebracht, und den diese Versammlung fast
einstimmig zu ihrem Vorsitzenden gewählt habe. Man möge sich nicht an Namen
hängen. Er werde seine individuelle Ansicht über Eenzelnes gern der
Majorität unterwerfen; aber die Crntralgewalt müsse stark sein, und das
Recht über Krieg und Frieden haben. Man spreche von Volkssouveränetät;
allein die Begriffe davon seien sehr verschieden. Man möge auf Belgien
blicken, das bei seiner konstitutionellen Monarchie sich wohl befinde, und
unter den jetzigen Stürmen allein unerschüttert geblieben sey. In England
spreche man nicht so viel von Volkssouveränetät, aber der Engländer, der
sich an den fernsten Küsten geschützt sehe, fühle, daß die Majestät des
Volks über ihm wache. Frankreich, wo der fleißige Arbeiter jetzt Millionen
für Nationalwerkstätten opfern müsse, könne fast sagen, es habe 80,000
Souveräne; die Regierung müsse vor einem jungen Manne zittern, der sich
schon zweimal vor Europa blamirt habe. Ein Haus, in welchem Deutschland
Kraft und Einheit finde, sei besser, als aller Prinzipienstreit. Man habe
hier nicht tabula rása, sondern gegebene Verhältnisse; es gelte zu
reformiren, nicht zu revolutioniren. Die Regierungen repräsentirten jetzt
überall den souverainen Willen des Volkes; überall ständen an der Spitze die
Antipoden Derer, die gestürzt worden. Wenn auch Leidenschaft jetzt die
Besten verdächtige, werde die Zukunft anders richten, und es uns danken, daß
wir ihnen die Theilnahme an dem großen Werke gegönnt. Ein
Vollziehungsausschuß, wie Blum und Trützschler vorgeschlagen, würde weder
einen Soldaten noch einen Kreuzer besitzen; er müßte, wenn die Regierungen
seinen Beschlüssen Gehorsam verweigerten, an den Umsturz appelliren, die
Regierungen stürzen, Freischaaren bilden. Wenn die Freiheit über das Maaß
hinausgehe, dann bilde sich in den Gemüthern eine stille Reaktion. Diese sei
die Ursache, daß in Frankreich auf die Republik der Despotismus eines
Napoleon gefolgt, daß unsern deutschen Spießbürgern so lange Zeit die
Freiheit mit der Guillotine gleichbedeutend gewesen, daß das Hambacherfest
die Reaktion von 1833 ‒ 44 im Gefolge gehabt habe. Diejenigen, die vor einem
solchen Ueberschlagen der Wellen warnten, thäten mehr für die wahre
Freiheit, als Diejenigen, die stäts die Volkssouverainetät im Munde führten.
Durch eine kräftige Centralgewalt schließe sich der Abgrund, erstehe wieder
ein Anfang von Wohlstand, Einheit und Kraft. Man möge mehr auf die Sache
sehen, als auf Worte, und nicht um Prinzipien streiten, wo es gelte, das
Vaterland zu retten.
Bothmer ist für den
Ausschußantrag.
Leue hält bei dem jetzigen
Bildungsstand und der geringen Erfahrung, die wir in der Freiheit gemacht,
Kronen und Fürsten noch für ein nothwendiges Uebel. Er will die
Exekutivgewalt möglichst stark, darum nur aus Einem (als Präsident)
bestehend, aber, besonders wegen eines möglichen Krieges, von der
Nationalversammlung gewählt und ihr verantwortlich. Wäre eine Regierung kühn
genug, die Beschlüsse der Versammlung nicht vollziehen zu wollen, so wäre
das Schlimmste, was daraus entstehen könnte, der Bürgerkrieg. (Bewegung.)
Dieses Aeußerste werde aber nicht eintreten. Wenn die Nationalversammlung
für ihre Beschlüsse die öffentliche Meinung habe, welche Regierung, welcher
König werde es da wohl wagen, auf ein paar Soldaten gestützt, sich ihr
widersetzen zu wollen?
Duncker findet es
unpolitisch, die Träger des überwundenen Systems ganz zu Boden zu stürzen;
man möge sie vielmehr in die Bewegung hineinziehen, und dadurch die Reaktion
abschneiden. Weil man das Volk despotisirte, sollen wir wieder despotisiren?
Das hieße bei vielen Stämmen energischen Widerstand hervorrufen und eine
Reaktion des Partikularismus herbeiführen. Wenn die Nationalversammlung die
von den Regierungen bezeichneten Männer genehmige, so sei das so gut, als
wenn sie sie selbst ernenne und die neue Gewalt schaffe; eine Diskussion
über die Männer sei nicht nöthig. In diesem Augenblick seien Drei eine
bessere Einheit als Einer, weil durch sie die Interessen der 3 Großtheile
Deutschlands gewahrt werden könnten. Eine republikanische Spitze mit
Monarchie unter ihr scheint ihm eine Contradictio in adjecto. „Gehen wir ‒
so schließt er ‒ nicht auf die Wege des Konvents ein; bauen wir unter
Mitwirkung der Regierungen unserm Volke ein festes Haus der Einheit und
Freiheit.“