Deutschland.
@xml:id | #ar020_002_c |
@type | jArticle |
@facs | 0085 |
Edition: [Friedrich Engels: Die Vereinbarungssitzung vom 17. Juni 1848. In: MEGA2 I/7. S. 138.]
[**]Köln, 19. Juni.
„Nichts gelernt und Nichts vergessen“ ‒
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
@xml:id | #ar020_003 |
@type | jArticle |
@facs | 0085 |
[27]Dortmund, 17. Juni.
O einiges Deutschland! Du hast eine schöne Stadt verloren. An den
Pfingstfeiertagen wurde von den Stationsgebäuden die schwarz-roth-goldene
Fahne, die im Taumel der Freude durch Subscription angekauft worden, ganz
sans façon ad acta gelegt, und dafür das Dortmunder Stadtwappen aufgehißt.
Außerdem aber wehen noch drei Fahnen, eine sehr
lange schwarz-weiße, eine weiße mit dem preußischen Wappen. Der
gute Bürgermeister war sofort dankbar und zog die vom Rathhause wehende
Tricolore ein. Wir steuern hier direkt auf den Urzustand los. Unser
Beamten-Klub, der einen argen Lärm mit Händen und Füßen macht, wenn bei
seinen Diskussionen auch nur das Wort Republik erwähnt wird, hat eine
Adresse abgeschickt, daß die Nationalversammlung in Berlin verlegt werden
soll. Wahrscheinlich ist die Nationalversammlung dankbar und kommt nach
Dortmund. Die hiesigen Hohen, die auch dem Prinzen von Preußen anbieten
wollten, hier zu residiren, fürchten blos die Nähe der Rheinländer, ‒ Der
Zug, der vom Empfange des Prinzen in der Nacht zur Stadt zurückkehrte,
machte einen Mordscandal mit Musik, Hurrah u. s. w., prügelte den Hund eines
republikanisch gesinnten Kappenmachers etc. Den armen Dienstmädchen aber ist
mit Androhung von Arrest durch Ausschellen verboten worden, am ersten
Feiertage, wie dies hier gebräuchlich, im Zuge mit Gesang nach der Stadt zu
kommen.
@xml:id | #ar020_004 |
@type | jArticle |
@facs | 0085 |
[15] Berlin, 17. Juni.
In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung zeigte der Minister-Präsident
an, daß die Minister v. Arnim, Schwerin und Caniz abgegangen und an die
Stelle des letztern der General von Schreckenstein ernannt sei. Die beiden
andern werden am künftigen Dienstag ihre Ernennung erhalten. Man bezeichnet
hier den Präsident der Nat.-Vers. Milde und den Abgeordneten Rodbertus als
Nachfolger von Schwerin und v. Arnim.
Seit der Erstürmung des Zeughauses ist hier nichts Erhebliches vorgefallen.
Ein Infanterie-Hauptmann, v. Natzmer, welcher das Zeughaus mit einer
Kompagnie Soldaten besetzt hatte, und ohne von seinen Waffen Gebrauch zu
machen, abgezogen ist, soll vor das Kriegsgericht gestellt werden, worüber
das Volk hier sehr aufgebracht ist.
Borchardt aus Köln stellte heute folgenden Antrag in der Nationalversammlung
:
„Die hohe Versammlung wolle, in Betracht, daß nach den bestehenden Gesetzen,
insbesondere nach dem Gesetze aus dem Monat April d. J., dem Militärstande
das Associations- und Petitions-Recht gleich jedem andern Staatsbürger
gebührt, durch einen sofort zu erlassenden Beschluß, dem Kriegsminister jede
fernere Schmälerung des obenerwähnten Rechts des Militärstandes
untersagen.“
Die Adreßdebatte hat noch immer nicht beginnen können, weil der Minister erst
vor einigen Tagen der Adreß-Kommission einen weitläufigen Stoß mit Akten
über die Vorgänge in Posen gegeben hat.
@xml:id | #ar020_005 |
@type | jArticle |
@facs | 0085 |
Berlin, 15. Juni.
Nach einer uns zugehenden glaubwürdigen Mittheilung hat die französische
Regierung an das diesseitige Gouvernement die Forderung gestellt, das
gesammte Großherzogthum Posen mit Einschluß der abgegränzten deutschen
Distrikte, im Interesse der Wiederherstellung eines selbstständigen
polnischen Staates, freizugeben. Es soll von der Gewährung dieser Forderung
die Erhaltung des Friedens zwischen Deutschland und Frankreich abhängig
gemacht sein.
[(Rh.- u. M.-Z.)]
‒ Mit dem gestern (16.) Abends 8 Uhr hier eingetroffenen Eisenbahnzuge aus
Hamburg wurde die Nachricht mitgebracht, daß in Hamburg ein amerikanisches
Schiff kurz vor Abfahrt des Dampf-Zuges angekommen sei, welches berichtete :
daß 34 amerikanische Schiffe nach Deutschland unterwegs wären, um die
Blokade der deutschen Häfen aufzuheben.
@xml:id | #ar020_006 |
@type | jArticle |
@facs | 0085 |
Berlin, 17. Juni.
Zur Würdigung der vom Major Blesson abgegebenen Erklärung:
[0086]
daß er keine Garantie für die Berliner Bürgerwehr übernehmen
könne, und daß er nicht wisse, ob die bestellte Mannschaft erscheine, noch
weniger, ob sie ihre Pflicht thun werde,
finden wir uns zu der Veröffentlichung veranlaßt:
daß am 14. d. M. die 59. Kompagnie sofort auf die ihr
zugegangene Ordre um 7 Uhr Abends nach dem Zeughause ausgerückt ist,
daselbst über anderthalb Stunden auf weitere Befehle gewartet und demnächst
Seitens des Major Blesson nur die Ordre erhalten hat, in ihren Bezirk zurück
zu rücken.
Diese Ordre hat die Kompagnie genöthigt, den Platz am Zeughause, zu dessen
Vertheidigung sie nirgend verwendet worden, zu verlassen, nachdem dasselbe
schon von verschiedenen anderen Kompagnieen geschehen war. In ihrem Bezirk
hat hierauf die versammelte Kompagnie bis in die Nacht um 2 Uhr vergeblich
auf weitere Befehle gewartet.
Berlin, den 17. Juni 1848.
Die 59. Kompagnie der Bürgerwehr.
‒ Nach der „D. Z.“ soll der bisherige Minister des Innern, Auerswald, an die
Stelle des Grafen Schwerin treten, seinen Platz dagegen dem Herrn Pinder,
Oberpräsidenten von Schlesien, abtreten. Für Arnim soll Usedom Minister der
auswärtigen Angelegenheiten werden.
@xml:id | #ar020_007 |
@type | jArticle |
@facs | 0086 |
Stettin, 16. Juni.
In den Katzenmusiken scheint ein kontagiöses Element zu sein; sie gehen wie
die Cholera; sie kommen, nehmen überhand und verschwinden spurlos. Auch hier
in Stettin sind sie aufgetaucht, und trotz des energischen Widerstandes, den
die Bürgerwehr ihnen leistet, scheinen sie noch im Wachsen begriffen zu
sein. Vor dem Büreau der „Königlich privilegirten Stettinischen Zeitung“
erscheinen sie seit einiger Zeit allabendlich; so auch gestern; von da zog
die Menge nach dem Büreau der „Neuen Stettiner Zeitung“ und nach dem d. Bl.,
und brachten den beiden letzteren Serenaden, wunderliche Serenaden mit
Posaunen! Man konnte, wenn man die Musik hörte, zweifelhaft sein, ob
Serenade, ob Katzenmusik, wenn nicht die einmüthigen Hurrahs jeden Zweifel
vernichtet hätten.
[(Osts.-Z.)]
@xml:id | #ar020_008 |
@type | jArticle |
@facs | 0086 |
[103] Breslau, 12. Juni.
Schlesien befindet sich in einer schwierigeren, weil unglaublich
verwickelteren Lage, als irgend ein anderer Theil Deutschlands, mit Ausnahme
von Böhmen. Anderswo, wie in den Rheinlanden ist die Feudalität unter der
französischen Herrschaft vollständig zertrümmert, oder sie hat sich wie in
vielen Gegenden Nord- und Süddeutschlands in ihrer Reinheit erhalten. Bei
uns dagegen lagern die verschiedenen Jahrhunderte des Mittelalters noch
immer neben und über einander und in ihrer Mitte hat sich das moderne Leben
die moderne Industrie umfangreich entwickelt. Bald haben wir's mit
ungezählten Schaaren hohen und niederen Adels zu thun, die gleich
verderblichen Heuschreckenschwärmen die Mühen des arbeitenden Volkes zu
ihrem Vortheil vernichteten, bald stehen wir der Macht der großen
Fabrikherrn und der Finanziers der hohen Bourgeoisie gegenüber. Nicht selten
ist der feudale Grundherr, der sich auf seine Ahnen aus der Hunnenperiode
stützt, und der moderne Industrie-Unternehmer, der das Volk im Namen der
freien Konkurrenz ausbeutet, friedlich und gemüthlich in einer und derselben
Person vereinigt.
Die Besitzer von Adelsprivilegien und die Kapitalisten denen die „freie
Konkurrenz“ zum gewaltigen Monopol verhilft, sind sich über ihre Zwecke sehr
klar. Sie bilden die Partei der Konservativen, die ihre Vorrechte möglichst
ungeschmälert forterhalten wollen. Sie verfechten sie aus allen Kräften, mit
allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln. Der neuen Bewegung stemmen sie sich
als entschiedene Reaktionäre entgegen.
Auf der andern Seite drängt und stürmt die große Volksmasse mit ihren
Forderungen heran. In diesen aber herrscht noch ein Wirrwarr der ganz den
verschiedenen, oft völlig entgegengesetzten Verhältnissen und Lebenslagen
entspricht, in welchen sich dieser oder jener Volkstheil bisher bewegte.
Im Shakespeare'schen Hexenkessel kann es nicht wunderlicher durch einander
brodeln, als hier. Die Herren Reaktionäre rühren fleißig drin herum; sie
glauben immer noch des Gebräues Meister zu werden. Sie kennen aber den
Zauberspruch nicht oder wollen doch nichts von ihm wissen und so werden wir
bald den Kessel übersprudeln, jene Herren aber verbrannt und versengt zu
Boden liegen sehen. Dies Eine Resultat wenigstens kann nicht ausbleiben.
Wenden wir uns zuerst auf's platte Land. Da bestehen hier alle Feudallasten
noch in voller Glorie; dort sind sie zum Theil, dort gänzlich, abgelöst,
jedoch überall mit vielen Geldopfern, Abgabe von Aeckern und Uebernahme
schwerer Renten, Seitens des Landvolks. Je nachdem das Eine oder Andere der
Fall, ist auch der Haß und die Erbitterung gegen den Adel und die
Rittergutsbesitzer überhaupt mehr oder minder groß. Die Zahl der Dörfer, wo
alle und jede Feudallast durch Ablösung beseitigt worden, ist
verhältnißmäßig gering. Gemeinsame Nahrung zieht aber der Volkshaß, die
revolutionäre Stimmung der Landbewohner aus der bisherigen
Patrimonialgerichtsbarkeit, der Polizeigewalt der Gutsherren, aus der
ungerechten Steuervertheilung. Eine Menge Gutsherren tragen so gut wie gar
nichts, oder doch im Verhältniß zu ihrer Einnahme unendlich wenig zu den
Staatslasten bei.
Der „Bauer“ (Besitzer von mindestens 1/2 Hufe Landes,
oft von 2, 3, 4 und mehr Hufen), würde zufriedengestellt sein, wenn die
Feudallasten und andere gutsherrliche Vorrechte ohne Entschädigung
aufhörten. Der „kleine Mann“ der nur einige Morgen
Acker besitzt, verlangt schon mehr; verlangt, daß er noch so viel Acker
bekomme, um mit seiner Familie sorgenfrei leben zu können. Der „Häusler“ ohne Acker verlangt also noch mehr. Nun
kommt aber das ganze zahlreiche Proletariat des platten Landes: Inlieger, Hofeknechte etc. Die Leute sehen vor sich
gewaltige Herrschaften, sehen in ihrer Nähe Majorats-, Standes- und andere
Gutsherren, von denen Einer oft 40, 50 ja 100 Dörfer und Dominien nebst
einer ungeheuren Fläche von Forst-, Wiese- und Ackerland besitzt. Wir
wollen, rufen sie, so viel davon haben, daß wir endlich auch einmal als
Menschen leben können. Dieses Proletariat ist gegen die „Bauern“ fast eben
so erbittert, als gegen die „gnädigen“ Gutsherrschaften. Es will nun
ebenfalls „Bauer“ werden, oder mindestens Freigärtner.
Zu diesem Widerstreit der Interessen gesellt sich an andern Orten, wo die
moderne Baumwoll-, Leinen- und Eisenindustrie mit ihren Maschinen, wo
ausgedehnter Bergbau betrieben wird, das ganz besondere Interesse des
industriellen Proletariats. Soweit das industrielle Proletariat auf dem
Lande existirt, wird es von den feudalen Lasten gedrückt und so zugleich im
Namen der freien Konkurrenz und im Namen des Mittelalters exploitirt. Auch
hier werden entgegengesetzte Forderungen laut: theils dringt man auf
Abschaffung der Maschinen, theils auf Uebernahme derselben durch den Staat,
theils ebenfalls auf Gewährung von Grund und Boden.
In den Städten spricht sich der Kleinbürger, der kleine Meister und mit ihm
eine Anzahl Gesellen für Herstellung der alten Zünfte aus. Diesem
reaktionären Verlangen gegenüber macht die Klasse der Kapitalisten die
Nothwendigkeit und wohlthätigen Folgen der „freien Konkurrenz“ geltend.
Das städtische industrielle Proletariat ist das entschiedenste und
aufgeklärteste. Es weist die Einen wie die Andern mit ihren Anpreisungen ab
und fordert eine Umgestaltung seiner Stellung, welche nicht raktionär,
sondern progressiv ist. Zwischen Stadt und Land fand außerdem bisher eine
Trennung statt, die namentlich durch völlige Verschiedenheit der
Gemeindeverfassung, mehr aber noch dadurch bedingt wurde, daß die
städtischen Kommunen im Besitz von Kämmereigütern, Dominien und Vorwerken,
zum Landbewohner im Verhältniß des gehaßten mittelalterlichen Gutsherren
standen. Daher kommt es auch zum Theil, daß Magistrate und Stadtverordnete
sich in Bezug auf Abschaffung der Feudallasten meist reaktionär verhalten.
In den Dörfern entschied der Gutsherr; er ernannte die Schulzen und die
Gerichtsleute. Ihm und dem Landrath (ebenfalls Gutsbesitzer) war die
Dorfgemeinde in jeder Hinsicht preisgegeben. Die Stadt verwaltet sich
wenigstens theilweise durch selbstgewählte Vertreter und Beamte. Die Städte
waren somit bevorrechtet vor dem platten Lande.
Ferner wohnten ja gerade in jenen ein Theil der Leute, gegen welche das
Landvolk mit am höchsten aufgebracht ist: die Juristen und Advokaten
(Patrimonialrichter) und die Ablösungskommissionen. Auch die meisten
Gutsherren besitzen Häuser in der Stadt und halten sich daselbst oft den
größten Theil des Jahres auf und das Steueramt ist ebenfalls dort. Das Alles
trug dazu bei, daß das Landvolk mit zornigem Auge auf die Städte blickte, wo
seiner Ansicht nach „Müssiggänger“ schwelgten, wo ein Theil seiner Bedrücker
in Karrossen einherfuhr und sich's von den Steuern und Abgaben der Landleute
wohl sein ließ.
Daß die Städte es gewesen, von welchen die Revolution und damit der Anfang zu
einer bessern Umgestaltung, der Dinge gemacht worden, das hat jene Spannung
zwischen Stadt und Land bedeutend vermindert, aber noch nicht völlig
aufgehoben; denn grade hier haben die Reaktionäre mit den ehrlosesten
Mitteln fortwährend geschürt um nicht nur die frühere Trennung zu erhalten,
sondern auch den alten Haß noch mehr zu entflammen. Zu diesen
mannichfaltigen Gegensätzen kommen nun noch die Stamm- und
Sprachverschiedenheiten, die Sonderung in Deutsche und Wasser-Polacken und
bei dem nicht geringen unaufgeklärten und fanatischen Theile der Bevölkerung
die Verschiedenheit der Religions-Bekenntnisse. Das Alles wird von den
Reaktionären bestens benutzt. Doch kann ihnen keine Anstrengung zu ihrem
Ziele verhelfen. Sie bewirken lediglich, daß der Ausbruch viel blutiger und
heftiger wird und daß der herannahende Sturm sie selbst in erster Reihe zu
Boden wirft und für immer hinwegfegt.
Die Russen sind es, die durch ihren Einmarsch den Sturm zum Ausbruch bringen
werden. Sie werden in das unentwirrbare Durcheinander unsrer zahllosen
Stände und Klassen Ordnung bringen; sie werden alle unterdrückten Klassen
der Städte wie des Landes zur Vereinigung, zur Abwehr des gemeinsammen
Feindes, zum Sturz der Reaktion zwingen. Schlesien wird bei einem russischen
Einfall furchtbar leiden, aber Schlesien selbst hat zu seiner Reinigung von
feudalem Unrath, zur Vereinfachung der Klassen- und Parteistellungen die
russische Invasion wirklich nöthig.
@xml:id | #ar020_008a |
@type | jArticle |
@facs | 0086 |
Aus dem Großh. Posen.
Es ist nothwendig, das
Verhalten aller Derjenigen genau zu überwachen, welche sich bei den neuesten
Ereignissen betheiligt haben.
Zu diesem Behufe bestimme ich Folgendes:
1) Alle Individuen, welche ihre Theilnahme an den jüngsten Ereignissen, sei
es durch thätiges Eingreifen oder durch Förderung und Unterstützung des
Aufstandes an den Tag gelegt haben, werden unter polizeiliche Aufsicht
gestellt und zwar der Art,
daß Diejenigen, welche zu den höhern Ständen gehören, ohne
besondere schriftliche Erlaubniß der Landräthe ihren jetzigen Wohn- und
resp. Aufenthaltsort, Diejenigen aber, welche zu den niedern Ständen
gehören, ohne eine solche Erlaubniß den Kreis nicht verlassen dürfen.
In der zu ertheilenden Erlaubniß ist der Zweck der Reise, der Ort, wohin
dieselbe gerichtet ist, und die Dauer derselben deutlich und bestimmt
auszudrücken.
Reisen nach Posen dürfen die Herren Landräthe nur dann gestatten, wenn das
hiesige königliche Polizei-Direktorium seine Zustimmung hierzu ertheilt
hat.
Zu Reisen außerhalb des Regierungsbezirks ist die Erlaubniß der königl.
Regierung einzuholen.
2) Vorstehende Bestimmungen sind zur Kenntniß der Betheiligten mit dem
Bemerken zu bringen, daß Kontraventionen gegen dieselben sofortige
Verhaftung zur Folge haben würden.
3) Die Herren Landräthe haben ein Verzeichniß der in ihrem Kreise wohnenden
Gutsbesitzer und Geistlichen, welche zu den sub 1 bezeichneten Individuen zu
rechnen sind, anzulegen und Abschrift desselben mir einzureichen.
Es sind diese Personen vorzugsweise zu überwachen, und es ist mir über das
Verhalten derselben von 4 zu 4 Wochen Bericht zu erstatten, wenn nicht
besondere Wahrnehmungen zu einer sofortigen Anzeige veranlassen sollten.
Posen, den 25. Mai 1848.
Der Oberpräsident des Großherzogthums Posen,
(gez.) v. Beurmann.
An die sämmtliche Herren Landräthe der Provinz und das hiesige königliche
Polizei-Direktorium.
@xml:id | #ar020_009 |
@type | jArticle |
@facs | 0086 |
Posen, 14. Juni.
Alle Deutschen in unserer Stadt sind heute in der größten Bestürzung, weil
gestern Abend die offizielle Nachricht hier eingegangen ist, daß unser
kommandirender General Colomb plötzlich von hier abberufen und als
Gouverneur nach Königsberg in Preußen versetzt worden ist. Da es hier nicht
bekannt geworden, daß General Colomb eine Versetzung selbst nachgesucht, so
ist Jedermann geneigt, dieselbe mit der Polenfrage in Verbindung, und mit
der unfreiwilligen Versetzung des Chefs des Generalstabes Hrn. Olberg, in
Zusammenhang zu bringen.
[(O.-P.-A.-Z.)]
@xml:id | #ar020_010 |
@type | jArticle |
@facs | 0086 |
Wiesbaden, 17. Juni.
Das geheime Protokoll des Bundestages beginnt seine Früchte zu tragen. Der
Vorschlag des hessischen Gesandten zielte darauf hin, die
Nationalversammlung im Interesse der Fürsten gegen die Nation zu gebrauchen,
und deshalb Mitglieder der Versammlung zu gewinnen. ‒ Baiern hat die Sache
begriffen, und darnach gehandelt. Es zahlt an Eisenmann eine Entschädigung von 12,000 fl. und an Behr eine Pension; damit glaubt es diese Männer
gewonnen zu haben.
Beabsichtigte die Regierung von Baiern nicht, auf das Parlament einzuwirken,
so war es ebensowohl eine Entschädigung an Wirth,
Siebenpfeiffer's Erben etc. schuldig. ‒ Aber nein! es giebt sie nur
denen, die im Parlament sitzen und macht sich dadurch selbst verdächtig; es
verdächtigt aber auch diese Männer, deren Entschädigungsansprüche wohl
begründet sind. Die diesen gewährte Ausnahme und die Art der Zahlung lassen
den Akt der Gerechtigkeit nur als einen Gnadenakt oder als einen
Bestechungsversuch ansehen.
[(F. Z.)]
@xml:id | #ar020_011 |
@type | jArticle |
@facs | 0086 |
[*] Frankfurt. Sitzung der
Nationalversammlung von 17. Juni.
Eröffnung der Sitzung um halb eilf Uhr.
Der Präsident gibt in Betreff der gestern
ausgeschriebenen Sitzung das Wort an:
Wesendonk: In der Sitzung vom vergangenen Mittwoch
sei bestimmt worden, wie auch in dem Protokoll feststehe, daß gestern und
nicht heute eine Sitzung Statt finden sollte, es lag also ein förmlicher
Beschluß vor. ‒ Statt dessen sei gestern ein Cirkular des Präsidenten
erschienen, worin gesagt ist, daß die Sitzung ausfallen müsse, weil die
erwarteten Berichte nicht eingegangen seien. Es frage sich jetzt, wem es
zustehe zu bestimmen, wann die Sitzung sein solle, der Versammlung oder dem
Präsidenten?
Die Geschäftsordnung bestimme darüber nichts, dem Präsidenten liege es nur
ob, die Tagesordnung jeder Sitzung zu bestimmen.
So viel er erfahren, habe der Präsident nicht allein, sondern die Versammlung
zu bestimmen, wann Sitzung angesagt werden solle. Er sei weit entfernt
annehmen zu wollen, daß aus irgend einem andern Grunde die Sitzung nicht
gehalten worden, als wie es im Circular erwähnt ‒ (oh! oh!) es seien ihm
aber doch Aeußerungen zu Ohren gekommen, die etwas Anderes schließen laßen
könnten ‒ (Oh ‒ Oh ‒ Mißfallen) es handle sich aber jedenfalls darum, für
die Folge eine bestimmte Form festzusetzen, und sie seien nicht hieher
gesandt worden um zu feiern, sondern zu arbeiten! (Lautes Bravo der
Gallerie.)
Nachdem sie vier Feiertage gehabt, hätten sie erst einen Tag gearbeitet, wenn
also gestern nicht Kommissionsberichte vorgelegen hatden, um zu verhandeln,
so würde die Versammlung vielleicht dennoch eben einen oder anderen
Gegenstand zur Verhandlung aufgefunden haben, heute seien sie ja schon in
demselben Falle, weil nicht einmal gedruckte Kommissionsberichte vorlägen. ‒
Für die Folge sei also eine bestimmte Entscheidung nöthig, desfalls trage er
darauf an:
Daß ihre Sitzungen ausschließlich Sonn- und Feiertags und wo die Versammlung
selbst es anders bestimme, unausgesetzt stattfänden.
Seine Absicht sei nicht, einen Tadel auszusprechen, er könne aber dem
Präsidenten die Befugniß nicht einräumen, Sitzungen auszusetzen. Die
Consequenzen müsse man ins Auge fassen, habe er dieses Recht, so könne er
nicht allein einen Tag, sondern acht Tage und zwei Wochen lang die Sitzung
aufheben, man würde ihm in diesem Falle eine discretionaire Gewalt geben,
das dürfte nicht sein, die Versammlung müsse also die Sitzungstage selbst
bestimmen.
Präsident: Ich bin nicht zweifelhaft gewesen, daß dem
Vorsitzenden das Recht zustehen müsse, die Sitzung anzuberaumen oder nicht;
er habe in letzter Sitzung bei Feststellung der Tagesordnung ausdrücklich
gesagt, in der Voraussetzung, daß die Berichte bis dahin fertig, beraume ich
die nächste Sitzung auf Freitag. Er sei vorgestern bei allen Ausschüssen und
Vorständen gewesen, und es habe nichts vorgelegen um etwas zu verhandeln,
und so habe er es nicht für gut befunden, eine Versammlung anzuberaumen,
weil nichts auf der Tagesordnung gestanden, er versichere übrigens, daß kein
anderer Grund vorhanden sei. ‒
Jordan Dr.: Es könne das Recht des Vorsitzenden in
dem Falle, wo ein Gegenstand der Berathung nicht vorliege, die Sitzung
aussetzen zu dürfen, nicht zweifelhaft sein. ‒
Es müsse aber von moralischer Seite die Frage aufgefaßt werden und da könne
er es nicht billigen, daß man einen Tag nach dem andern vorüber gehen lasse,
ohne zu handeln; kaum seien die Kalenderfeiertage vorüber, so kämen auch
noch andere Feiertage. Er fährt fort:
Wir stehen noch müßig und sehen zu, wie die Feuersbrunst der Revolution um
sich greift, und die Ereignisse sich wie Lawinen anhäufen. ‒ Im Süden
Europas berichte man die feierliche Enthauptung eines Königs und wir sitzen
hier und feiern und sprechen, was gehen uns diese Dinge, was gehen uns die
Türken etc. an. (Bravo der Gallerie).
Jordan: Wo fremde Flotten deutsche Häfen bombardiren,
sitzen wir hier und halten Feiertag. Wo in Prag der Slavenkongreß den
deutschen Landen Abfall und Beeinträchtigung droht, sitzen wir abermals
hier, sprechen, das geht uns nichts an und halten Feiertage. In Berlin sei
auch schon wieder Blut geflossen, kaum daß sich die Uniform eines Generals ‒
gezeigt habe, und noch immer hielten wir Feiertage.
Präsident: Verweist den Redner, weil er lange genug
eine Mißachtung gegen die gesammte Versammlung ausgesprochen.
(Siehe den Verfolg auf der vierten Seite.)
@xml:id | #ar020_012 |
@type | jArticle |
@facs | 0086 |
Lübeck, 15. Juni.
Das Dampfboot „Malmö“ hat leider noch nicht die Bestätigung des Gerüchts, daß
ein Waffenstillstand abgeschlossen sei, gebracht. Briefliche Nachrichten,
die mit gedachtem Boote von Kopenhagen eingegangen sind, lauten übrigens
sehr friedlich, so daß man doch wohl hoffen kann, daß die nächste Woche uns
die Nachricht von einem abgeschlossenen Waffenstillstande bringt. Auch
erfährt man aus Malmö selbst, daß die weitere Einschiffung der Schweden
fistirt worden ist; als Grund dieser Maßregel vermuthet man die in Schweden
allgemein werdende Abneigung gegen den Krieg. Ein Theil der schwedischen
Flotte, bestehend aus einigen Fregatten, Briggs, Schoonern und Dampfböten,
lag auf der Rhede von Malmö. ‒ Als Gerücht wird von Kopenhagen noch
gemeldet, daß die russische Flotten-Abtheilung ansehnliche Landungstruppen,
man schreibt von 11,000 Mann (?) am Bord habe. ‒ Die Kopenhagener Blätter
vom 13. bringen keine neue Nachrichten von Erheblichkeit. General Bülau war
mit vier Bataillonen von Alsen nach Jütland übergeführt worden.
[(B.-H.)]
@xml:id | #ar020_013 |
@type | jArticle |
@facs | 0086 |
Flensburg, 13. Juni.
Das früher erwähnte Gefecht am ersten Pfingsttage zwischen Hadersleben und
Christiansfeld hat sich nur auf die Vorposten beschränkt, die einige Kugeln
gewechselt haben. Von unserer Seite sind es hauptsächlich die Bracklow'schen
Scharfschützen gewesen. ‒ Hadersleben ist denselben Tag noch von dem
deutschen Militär wieder geräumt und bald dararf von den Dänen besetzt
worden.
[(R. T.)]
@xml:id | #ar020_014 |
@type | jArticle |
@facs | 0086 |
Apenrade, 12. Juni.
Nachdem die Kanonenböte seit einigen Tagen den hiesigen Hafen verlassen
hatten, fing man an, in der Stadt etwas freier aufzuathmen. Gestern
Nachmittag kehrten sie aber wieder, begleitet von einem Dampfschiffe, und
legten sich wie gewöhnlich an der Chaussee hin. Letzteres entfernte sich
gegen Abend und heute ist nur noch ein Boot sichtbar, etwa in der Mite des
Fjords vor Anker liegend. ‒ Nördlich von uns stehen jetzt die
schleswig-holsteinischen Truppen, an deren fortwährenden Bewegungen nun auch
das bei uns einquartirte v. d. Tann'sche Corps (mit dem sich das
Aldossersche hier gestern Morgen vereinigt hat), Theil nimmt. Südlich von
uns stehen preußische Truppen, deren Vorposten sich der Stadt bis auf 1/8
Meile genähert haben und ihre Patrouillen auch durch die Stadt schicken.
Gestern (11.) Morgens um 6 Uhr erschienen plötzlich circa 100 Mann vom
Alexanderregiment, deren Anführer von unsern Anhöhen bemerkt haben wollte,
daß der Schiffsbaumeister Andersen mit den dänischen Bòten signalisire.
Letzterer mußte nun sofort seine dänische Flagge ausliefern, wurde nebst
einigen andern dänischgesinnten Bürgern nach dem Marktplatz beschieden und
nun mußten sie am ersten Pfingstfesttage eine erbauliche Straf- und
Bußpredigt vom preußischen Hauptmann anhörenr Als Andersen zu seiner
Entschuldigung das Wort nrhmen wollte, brachte ihn energisches „schweig
Verräther!“ zum Stillschweigen, und damit, wie mit der Drohung im
Wiederholungsfalle fortgeführt zu werden, wurde er denn für diesmal
entlassen. Die Preußen zogen mit der dänischen Flagge ab, welche noch vom
Kanonenboot ‒ nicht wissend, in wessen Händen sie sei ‒ durch einen
Kanonenschuß salutirt wurde. Ihr Führer hätte den mehrgedachten Andersen
ohne Weiteres mitgenommen; da indessen der dänische Befehlshaber der
Kriegsschiffe, Steen Bille, sein Wort gegeben, keinen hiesigen Einwohner
mehr wegschleppen, auch die Stadt nicht bombardiren lassen zu wollen, so ist
vermuthlich darauf Rücksicht genommen worden.
[(S. H. Z.)]
@xml:id | #ar020_015 |
@type | jArticle |
@facs | 0086 |
[7] Prag.
Nach den letzten Nachrichten über Dresden halten sich die Insurgenten, mit
den Studenten und den Swornost an der Spitze, noch in vier engen Straßen um
das Universitätsgebäude, wo ihre Barikaden von den Soldaten belagert, aber
nicht beschossen werden. Die Thore sind von Soldaten und deutsch-böhmischen
Nationalgarden besetzt. Die Stellung des Militärs ist jedoch noch immer
nicht die günstigste, da die Czechische Partei jeden Augenblick im Rücken
der Soldaten den Kampf wieder beginnen kann. Die Verbindung über die Moldau
mit den Kleinseiten ist unterbrochen; die Kleinseite soll in den Händen der
Bauern und Fabrikarbeiter sein. Die czechischen Führer benahmen sich im
höchsten Grade feig; Franz Thun floh, Leo Thun mußte von seiner eignen
Partei gefangen gehalten werden, die provisorische Regierung war
verschwunden und erschien nur wieder um sich aufzulösen.
[*] Oesterreichische Blätter melden, daß die
Piemontesen die Höhen von Rivoli genommen haben, und hart am rechten
Etschufer stehen; die Tiroler Straße, welche hart am linken Ufer
vorbeiführt, ist nur 300 Schritte entfernt, und kann mit leichter Mühe
beschossen werden. Die Einnahme des wehrlosen Vicenza hat also den
Oestreichern wenig Vortheil gebracht, da sie für die Verbindung nur den
Umweg über Bassano frei haben.
@xml:id | #ar020_016 |
@type | jArticle |
@facs | 0086 |
Wien, im Juni.
Der provisorische Ausschuß der Bürger-Nationalgarde und Studenten ist eifrig
bemüht die Sicherheit und Ruhe der Hauptstadt zu erhalten und die
Hauptaufgabe, den Arbeitern Beschäftigung und Erwerb zu geben, nach
Möglichkeit zu erfüllen. Bereits übee 14,000 Arbeiter sind dermalen mit
Arbeit versorgt worden, allein die Zahl derselben dürfte nicht so leicht
erschöpft werden, wenn man nicht kräftige Vorkehrungen trifft, den
fortwährenden Zufluß solcher Individuen vom Lande her und aus den
Nachbarprovinzen hintanzuhalten. Früher zählte man in Wien kaum 8-9000
solcher Arbeiter und nun gibt es deren hier über 15,000! Die Zahl derselben
könnte aber bald noch weit größer werden. Bei dem Umstande, daß hier jeder
Arbeiter 25 fr., jedes Weib 20 fr. und jedes Kind bis 15 fr. täglich
bekommt, werden sich viele Arbeiterfamilien, die sonst eine Profession
betrieben und in Werkstätten oder Fabriken beschäftigt waren, angelockt
[0087]
fühlen dies zu verlassen und mit Weib und Kindern die
bequemere Erdschaufel zu ergreifen.
[(J. d. Oest. L.)]
Französische Republik.
@xml:id | #ar020_020 |
@type | jArticle |
@facs | 0087 |
[15] Paris, 17. Juni.
Die Zulagesteuer von 15 Ctms. auf das Grundeigenthum war eine der unklügsten
Maßregeln. Es ist bekannt, daß die Bauern in der
ersten französischen Revolution die einzigen waren, deren materielle
Interessen unmittelbar gehoben wurden. Und dennoch waren sie die ersten, die
Widerstand leisteten, sobald die Gesetze des Maximums, die Zwangsgesetze
über den Verkauf der Ackerbauprodukte u. dgl., Gesetze, welche damals die
Rettung der Republik gebot, diesen undankbaren und kleinlichegoistischen
Söhnen derselben einige Opfer auferlegten. Schon hieraus können Sie
schließen, welche Wirkung die Zulagesteuer von 45 Ctms. in den Provinzen auf
dem Lande hervorrufen mußte. Diese Steuer ist der Schlüssel der
bonapartistischen und legitimistischen Bewegung auf dem Lande und drei
Viertel von Frankreich ist Land.
Die Auferlegung dieser Steuer ist aber an und für sich, vom ökonomischen
Gesichtspunkt aus betrachtet, ein Fehlgriff. Die 45 Ctms. sollen auf das Grundeigenthum fallen. Unser Bauer ist aber nur nomineller Grundeigenthümer. In der Wirklichkeit
fließt die Grundrente in die Tasche der Hypothekenbesitzer, der
Getraidehändler, der Wucherer, der Hussiers, der Advokaten und der Notare.
Der Bauer selbst erhält keinen angemessenen Arbeitslohn, viel weniger Profit
und Grundrente. Er befindet sich trotz seines Eigenthumstitels meist in der Lage des irischen Sklaven. Es fehlte
der Regierung der Muth, die wirklichen, nicht
nominellen Besitzer der Grundrente zu belasten und so hat sie die
ackerbauende Bevölkerung, die zudem keine andere Richtschnur als ihr unmittelbar materielles Interesse kennt, der
Republik entfremdet. Die Folge davon war nicht nur die Wahl Louis Bonapartes
in den Departementen. Gefährlichere Syptome zeigten sich schon in der
heutigen Sitzung der Nationalversammlung. Pierre Lerroux bestieg die
Tribüne, um der Versammlung anzuzeigen, daß er so eben Privatbriefe aus dem
Creuze-Departement erhalten, welche ihm anzeigen, daß in Gueret Bürgerwehr
und Landbewohner wegen Zahlung der 45 Centimensteuer in fürchterlichem
Kampfe gegen einander ausgebrochen seien und bereits Bruderblut geflossen
sei.
@xml:id | #ar020_021 |
@type | jArticle |
@facs | 0087 |
[12] Paris, 17. Juni.
Die reaktionäre Regierung Frankreichs ha das merkwürdige Talent, es nach und
nach mit allen Parteien zu verderben. Die mächtigste Partei, an welcher sie
sich jetzt vergreift, ist die der ganzen Presse, und man weiß, daß die
Journalisten in Frankreich nicht mit sich spassen lassen. Ein Journal in der
Provinz wurde von dem Unterkommissär des Departements aufgefordert, Kaution
zu stellen, widrigenfalls es nach den „noch in Kraft stehenden Gesetzen
verfolgt werden sollte.“ Nun sind aber nach der Februar-Revolution eine
Menge Blätter entstanden, die alle keine Kaution zahlten. Der
Volksrepräsentant Boulay forderte daher den Justizminister auf, sich über
die Absichten der Regierung zu erklären. Der Erklärung dieses Ministers
gemäß, beabsichtigt die Regierung den „normalen Zustand“ der Presse wieder
herbeizuführen. Um allen Meinungen ihren freien Manifestationen während der
Wahlen zu lassen, habe man bisheran keine Kaution gefordert. Doch jetzt
beschäftige man sich damit, ein Gesetz auszuarbeiten, das die gemilderte
Ausgabe der früheren Gesetze über die Presse sei, um dem Staate bei
Preßvergehen eine Garantie in Händen zu geben. Der Gerant des Courrier fr.
hat bereits energisch protestirt. Nach dem 24. Februar war die Kaution
faktisch abgeschafft, und wenn die alten Journale ihre Kaution nicht
zurückgezogen, so geschah es blos, um den Schatz nicht noch mehr in
Verlegenheit zu bringen. Die Wiedereinführung der Kaution wäre ein neuer
Sieg der großen Kapitalisten.
@xml:id | #ar020_022 |
@type | jArticle |
@facs | 0087 |
[15]Paris, 16. Juni.
Die Bauern der 4 Departements Seine, Sarthe, Yonne und Charente inférieure
haben Louis Napoleon zum Volksrepräsentanten erkoren, nachdem seine Agenten
ihnen versichert, der sauveur werde ohne Weitres die lästigen 45 Centimes
die seit Februar von jedem Franken Abgabe mehr erhoben werden, streichen und
vielleicht das bereits Gezahlte ihnen ersetzen. Die 30000 Bauern des pariser
Weichbildes sind auf's höchste für den „jungen Heros“ begeistert, sie die
vor 3 Wochen nur ganz dunkel von seiner Existenz etwas gewußt, haben erklärt
sie würden die Waffen ergreifen, wofern die Rationalassemblee den Antrag der
Regierungskommission, seine Wahl zu vernichten durchließe. Allenthalben kann
man jetzt des Prätendenten Bildnisse und Biographien zu kaufen, ja geschenkt bekommen; hier und da flogen sie aus
Fenstern und Kabriolets auf die erstaunden Köpfe der Pariser. Leider ist es
erwiesen daß selbst nicht bestochene Ouvriers mit
Chorus machten, gradehin es aussprachen: eine Bourgeoisie- und
Boutiquierrepublik gewähre dem Volk noch weniger Aussichten als eine
pupuläre Diktatur. Soweit geht bereits das Verzweifeln, daß die Chefs der
Nationalwerkstätten und die Delegirten der ehemaligen Kommission des
Luxemburg ihm durch folgende Affiche entgegentreten mußten: „An alle
Arbeiter! Wir, Eure Freunde und Brüder, wir die mit Euch auf den glorreichen
Barrikaden fochten und einen das Volk drückenden Thron abermals
zerschmettern halfen, beschwören Euch der Vernunft und der Ehre Gehör zu
geben. Leihet nicht Euren tapfern Arm den Ränkeschieden die wieder einen
Thron und eine Krone verfertigen wollen; das französische Volk ist über
solches gefährliche Spielzeug jetzt hinaus. Arbeiter! gedenkt der großen
Leiden während 18 Jahren, und unsrer großen That im Februar; gedenkt der
Hoffnungen die unsre Kinder auf uns setzen, vergeßt nicht daß das Auge
Europas uns französische Arbeiter erwartungsvoll beobachtet. Brüder! Kein
französischer Bürger darf einen andern Titel als den eines Bürgers beanspruchen, weiset also jeder Anmaßung den
Weg. Es lebe die Republik.“ gez: P. Viucard Präsid.,
Blum Vicepräsid., Jullien,
Lefour, Sekretäre von der Luxemburger Arbeitskommission, Bacon Präsid., Gaulin
Sekretär, Ardillon, Petit-Bonnard Lieutenants von
den Nationalwerkstätten. Und der energische Sibert,
Brigadier der letztern, erließ folgenden Anschlag: „An alle Arbeiter im
Namen Aller! Brüder, erwacht, Ihr die Ihr Euch betäubt oder betäuben lassen,
erwacht und ergreift das Schild der Ehre welches eine niederträchtige Bande
Euch entwinden will. Es ist hohe Zeit, eine grausige Schlinge wird uns Allen
gestellt, man schleicht im Dunkeln, man drückt uns Gold in die arbeitslosen Hände, man giebt uns Wein zu trinken, um unsern Rausch auszubeuten. Ha, die Verruchten!
sie wähnen, mit Wein und Gold könnten sie eine demokratische sociale
Revolution zu Falle bringen! Brüder, seid wachsam, es geht um das Heil des
Volkes; wenn wir uns diesmal wieder betrügen lassen, dann wehe uns, dann
sind wir werth des ärgsten Fluches. Darum auf und stoßt weit, weit von Euch
die Versucher! Es lebe die demokratische sociale Republik!“ Die Epoque ein kleines ironisches Blättchen die als
Affische erscheint, ruft: „Der große Prinz aus dem Abendland naht! geschwind
einen Thron und Champagner her, insonderheit Champagner wie in Strasbourg
und Boulogne.“
Der Gamin de Paris sagt: „Franzosen, Arbeiter, Ihr
deren Schweiß den Boden düngt aus dem die Staatsernte emporwächst zu Nutz
und Frommen der Bourgeoisie, Ihr deren Blut und Thränen die große Maschine
netzt die den s. g. Nationalreichthum producirt, Ihr deren Mütter und
Töchter, Schwestern und Frauen von den Seigneurs des Mammon gemiethet und
gekauft werden, Ihr die Ihr seit 1789 den Erdball erschüttert habt: Ihr
wollt Euch doch wohl jetzt nicht unter den Stiefelabsatz des Däumlings
bücken, der einige Phrasen seines Oheims, des verstorbenen Riesen, auswendig
gelernt und nur zu intrigiren weiß mit Hülfe des Geldes und der
Volksverräther? Der Oheim hat die Anarchie erstickt und der Nation Ruhm
geschenkt, dafür hat sie ihn bewundert und angebetet zu seiner Zeit; heute
aber sind sie beide quitt mit einander, Napoleon der Kaiser und Frankreich
die Republik. Fluch dem Tollhäusler der diese alte Tragödie in einer
modernen Komödie nachäffen will; Fluch und Widerstand ihm bis auf den
Tod!“
@xml:id | #ar020_023 |
@type | jArticle |
@facs | 0087 |
[15] Paris, 17. Juni.
Das kleine Blatt: La Republique rouge spricht sich
über den „Lordmayor“ der „guten“ Stadt Paris aus:
‚So seltsam stand es bei uns noch nie, die ganze Munizipaladministration
resumirt sich in einem einzigen Manne. Er aspirirt offenbar nach dem
Präsidentensessel. Jetzt thront er behaglich im Pallast des Hotel de Ville;
wäre das Volk dabei um Rath zu fragen, er müßte bald wieder in sein
Journalbüreau, gewiß sehr heilsam für dies Journal …“ Er gilt als
Hauptanstifter des Gesetzes gegen die Zusammenrottirungen unter freiem
Himmel; gegen dasselbe wird die Gesellschaft „der Menschen- und
Bürgerrechte“ einen Protest einreichen. Das Journal „Assemblee nationale“
verlangt jetzt Herstellung des bonapartischen Throns und ersucht den Prinzen
Louis, recht bald die Bourbons zurückzurufen; bei
diesem Anlaß ruft die Republique rouge: „Wir alle
gehen dem Abgrund zu; der Proletarier hungert, der Bourgeois bettelt; der
Kredit ist erstorben; der Handel gelähmt, kann nicht mehr die Adern des
Gesellschaftskörpers durchströmen. Und was das Schlimmste, selbst die
großartigsten Erschütterungen bieten keine Hoffnung mehr; die Luft ist
unathembar geworden; im Palast Luxemburg die fünf Männer, ängstlich nach der
Macht haschend, die ihnen täglich entschlüpft; im Hotel de ville, eine
Unzahl kleinlicher Komplotte unter Direktion des Lordmayor; in der
Nationalassemblee bemüht man sich, die Leiche der verstorbenen Charte zu
galvanisiren. Gerechter Himmel! wäre dies wirklich das Geschick des großen
Volks, von Guizot auf Marrast, von Marrast auf Thiers zu kommen?“
Ein anderes Blättchen: Le Tocsin des Travailleurs
sagt: „Die Deputirten fragen: bekommen wir einen Präsidenten? das Volk
fragt: bekommen wir Brod? Die Deputirten: bekommen wir eine oder zwei
Kammern? das Volk: bekommen wir Brod? Das ist das uralte Lied; es ähnelt
ziemlich der Antwort des armen Weibes, die mit einer weiblichen Deputation
zur provisorischen Regierung zog und von einem Bourgeois hören mußte: sie
solle lieber daheim bleiben und Strümpfe ausbessern oder Suppen kochen;
„ganz richtig, rief sie, wir Frauen hier gehen zur Regierung um Strümpfe und
Suppen für die, welche beide nicht haben, zu verlangen.“ Diese echten
Proletariatszeitungen sind nicht einig über das Projekt des Riesenbankets
von einigen Tausend Arbeitern à 5 Sous per Kopf; der Père
Duchene ist zwar noch dafür und verwahrt sich gegen das Gerücht von
aristokratischen Geldzuschüssen in die Banketskasse, aber es ist mindestens
auf einige Wochen ausgesetzt; die Nationalgarde scheint so erbittert zu
sein, daß sie den ersten Angriff zu machen im Stande wäre.
Bourgeoisartillerie ist jetzt neu einexerzirt. Freilich stehen viele
Ouvriers in Reih und Glied und möglich, daß in den einzelnen Kompagnien der
Bürgerwehr selber der Kampf entbrennt; möglich auch das Gegentheil; die
Entwickelung geht jetzt so, daß die Pariser selbst nicht über eben
Geschehenes sich Rechenschaft ablegen, noch das bald Nothwendige
vorauszusehen wagen.
‒ Ein Journal: „Le Tribun du peuple“ wird erscheinen
und sich speziell gegen den Favoritismus, die Aemterhäufung und dgl. wenden.
Der Licentiat Laviron sagt im Programm: „Der Bürger Buchez sprach Namens der
provisorischen Regierung es aus, die Republik ist verpflichtet, alle ihre
Kinder zu ernähren; eine Regierung ist verantwortlich für Elend, welches
nicht selbst verschuldet ist. So redete einst, daß heißt vor einigen Wochen
Bürger Buchez. Wir, der Klub der Literaten, sind überzeugt, daß ein
schändlicher Hochverrath darin liegt, einigen Individuen Ueberflüssiges
preiszugeben während viele andere noch nicht das Nothwendige besitzen. Wir
opponiren gegen die schamlose Kumulirung und Exploitation aller Art, die
seit unserm Februar recht an der Tagesordnung zu sein, sich recht zu brüsten
scheint. Blickt umher, überall im Dunkeln schleichende Protektion, überall
hündisches Antichambriren und Kriechen. Der Faullenzer triumphirt nach wie
vor dem Februar über die Arbeitenden. Die Sieger hatten die Thorheit
begangen, nicht sogleich mit eignen Händen die
Mißbräuche zu entwurzeln. Wir, Klub der Literaten sind
entschlossen, sämmtliche öffentliche Beamten Revue zu passiren, vom obersten
bis zum untersten Range; unser Blatt wird ihre Titel Ansprüche, Wirksamkeit,
Arbeitszeit und Jahrgehalt unerbittlich nach der Statistik publiciren und
kritisiren. Fakta sollen seine Waffe sein, nichts als Fakta um dadurch das
Ungeheuer der Korruption zu schlagen.“ Allerdings sieht es ungefähr wie
unter Louis Philipp aus; z. B. unser Herr Paguerre, dieser libraire
democrate par excellence, dieser père de famille modèle, dieser citogen
intègre wie der National ihn nannte und nennt, bekleidet fünf gut bezahlte
Posten und führt dabei seinen Buchhandel fort; die Gesandtschaftsstellen
werden statt an erlesene Demokraten an Legitimisten und Philippisten
gegeben, und der Minister des Auswärtigen ist eher für drei supplicirende
Comtessen als für einen Barrikadenmann zu sprechen. Das Blatt „Le Volcan“
geschrieben von La citoyen ne sans peur sagt in seiner letzten Nummer: „Die
Exekutivkommission hat durch das Gesetz gegen die Zusammenschaarungen unter
freiem Himmel eine klägliche Menschenunkenntniß verrathen; sie sollte
wissen, daß in Paris ein Monument, z. B. schlecht beschützt ist durch die
Aufschrift: Verunreinigung ist verboten, und hieraus konnte sie auf den
Erfolg des Zusammenrottirungsverbotes schließen. Zudem sind seine Strafen so
kolossal, daß sie gleichsam zum Trotzen recht herausfordern. Ihr Herren von
Luxembourg, Ihr habt einen gefährlichen Gewitterableiter neben Euch
aufgestellt.“
[Deutschland]
@xml:id | #ar020_026 |
@type | jArticle |
@facs | 0088 |
(Verfolg von Frankfurt.)
Jordan: Er bedaure, daß man ihm den Vorwurf der
Mißachtung der Versammlung mache, er sei überzeugt, daß die größere Zahl die
Ansicht mit ihm theile, daß es zu nichts führen könne, müßig zu sein, und
eben deshalb habe er darüber gesprochen. Es frage sich, was das Volk
draussen dazu sagen werde; nichts anderes, als was es immer gesagt: man
täuscht uns. Die Träger, die so lange das Bestehende gestützt, sie hätten so
lange schon geseufzt, sich gewaltig geschüttelt, und drohten das ganze
herrliche Gebäude europäischer Cultur in Trümmer zu werfen, man möge sie
nicht zu lange warten lassen, er fürchte, daß es einst wieder zu spät sein
könne. ‒ Wir müssten den Geist, der draußen als schäumender Most jähre,
herein nehmen und zu veredlen trachten, diesen Geist ‒ das Bewußtsein der
Revolution. (Bravo! Bravo!)
Fischer. Es könne ihm gar nicht in die Seele kommen,
daß diese Versammlung aus Furcht etwas thun oder lassen werde. Er glaube
nicht, daß sie jemals zu handeln haben würden, blos weil es so oder so sein
solle. Aber es sei auch wahr, daß die Aufregung des Volkes eine große sei,
es herrsche große Mißstimmung, große Ungeduld!
Die Aufregung habe nicht blos niedere Schichten des Volkes, unterdrückte
Arbeiter, Bauern sondern auch ganz andere Stände, intelligente Bürger, ja
fast alle Stände ergriffen. (Zwei bis drei rufen Bravo).
Es seien viele Fremde, eine Propaganda für Unzufriedenheit hier, er wünsche
aber daß die Debatte in dieser Weise nicht weiter gehe (Bravo der Rechten)
und man nur etwas Bestimmtes für die Zukunft feststellen möge. Er schlägt
vor:
um das Versäumte wieder gut zu machen, morgen Sonntag eine
Sitzung zu halten, in Erwägung, daß der Dienst für's Vaterland ein reiner
Gottesdienst sei.
(Am Schluß der Sitzung fiel der Antrag durch.)
Venedey. Er klage auch gegen die Versammlung darüber,
daß sie so langsam vorschreite und die Sitzung gestern nicht gehalten, heute
habe man auch so zu sagen nichts auf der Tagesordnung gehabt; und jetzt
lägen doch 2-4 Anträge vor.
Er habe nicht in der Versammlung, sondern außerhalb derselben Klagen gegen
sie gehört, er habe gehört, daß man sie verhöhnt. (Mißfallen, Gemurmel).
Die Nation sei in ihnen zum erstenmale versammelt, sie seien vom Volke
gewählt, und wer gegen sie käme mit Spott und Hohn, der verrathe auch die
Nation. Und während sie nichts thäten und müßig wären, handelten andere. Er
klage hierüber keinen Einzelnen, ja Niemanden an, aber der Bundestag handle
rascher wie sie, er führe seine Geschäfte schneller, und das bringe ihnen
großen Nachtheil. Er erinnere hier an den Raveaur'schen Antrag, wo es erst
geheißen: es sei zu früh, und kurze Zeit darauf schon wieder: es sei zu
spät. Während sie in diesem Augenblicke vielleicht die gegenwärtige
Verhandlung aussetzen würden, wie man auch die gestrige ausgesetzt habe,
habe der Bundestag an den König von Sardinien eine Botschaft geschickt,
deren Folgen man heute noch nicht kennen könne.
Der Fortschritte seien wenige, man hänge immer noch am Alten: z. B. frage er,
ob die Generale aus der Junkerschule entfernt seien, wer die Diplomatie
anlangend in London und wer in Petersburg verhandle?
Er sei gekommen, um ein Wort zu sagen, was ihm lange auf dem Herzen gelegen,
er sei 18 Jahre Flüchtling in Frankreich gewesen, habe aber Deutschland
nicht aus den Augen verloren, jetzt könne er nur wünschen, daß man von heute
an rasch Alles vorwärts schaffen möge. (Bravo.)
Simon aus Trier: Man habe mehrmals auf Gründe
hingedeutet, aus welchen man wohl Ferien gemacht haben könne, er wolle diese
Gründe, mit denen man sich herumtrage, sagen, es solle geschehen sein, weil
die demokratischen Vereine hier seien. (Unwillen der Rechten.) Meine Herren,
ich wollte Ihnen nicht sagen, was angenehm ist.
Wiewohl Ihnen hier schon ein unwillkommenes Wort entgegen geworfen ist, komme
ich auf einen zweiten Grund, man sagt: die
Berichterstattung in wichtigen Dingen müßte erst immer dem 34. Bunde der
verschiedenen Staaten mitgetheilt werden.
Der 3. wahre Grund sei aber wohl der, daß die Kommissionen so weit noch nicht
vorgerückt seien.
Er unterstütze zunächst den Wesendonk'schen Antrag, aber wenn wir auch
unausgesetzte Sitzungen und die Kommissionen keine Berichte haben, so fehlt
das Nothwendigste, der Stoff. Deshalb trage er darauf an:die Nationalversammlung beschließe
1) daß kein Deputirter, wenn er
Berichterstatter eines Ausschusses ist, so lange der Bericht nicht
vorliegt, in einen andern Ausschuß gewählt werden kann;
2) jedem
Mitgliede, welches Mitglied mehrer Ausschüsse sei, soll es freistehen,
sich für Sitzungen bei andern Ausschüssen zu entschuldigen;
3)
trage er darauf an:daß der Vorsitzende des Ausschusses zur
Begutachtung der Centralgewalt in der heutigen Sitzung Auskunft
ertheile.
Er begreife nicht, wie man 14 Tage auf diese Berichte warten könne. ‒ Die
vorigen Redner hätten die Stimmung des Volkes geschildert; man müsse also
mit etwas Positivem entgegenkommen; diese Annäherung sei nöthig und müsse stattfinden, nur dann könnten sie der
Blitzableiter der Sturmwolke für Deutschlands Schicksal werden.
Rösler erinnert (gegen Venedey) an Börne, der auch
viel Spott und Hohn über Deutschland ausgegossen habe; er wisse nicht, fügte
er hinzu, ob Börne auch ein Vaterlandsverräther gewesen sei. In einer andern
Versammlung, mit welcher er (Redner) keineswegs sympathisire, sei die
Aeußerung gefallen: wir müssen rasch handeln; wir haben keine Diäten und
können keine Ferien halten, wie die Nationalversammlung. Der Redner meint,
die Tagesordnung sei nicht immer das Wesentliche; die Interpellationen seien
oft von weit größerer Bedeutung. So z. B. die Triestiner Frage. Die
Bundesversammlung sei hierin der Nationalversammlung zuvorgekommen. Er mache
der Bundesversammlung keinen Vorwurf hieraus; sie suche ihr Leben, d. h. die
Achtung Deutschlands zu erhalten, und habe offenbar in den letzten drei
Wochen Manches besser gethan, als wir. Da sei ferner die Frage von der
Unverletzlichkeit der Parlamentsmitglieder, zu deren Anwendung sich
vielleicht nächstens Gelegenheit finden werde: es wäre gewiß besser, wenn dies durch ein Gesetz vorher bestimmt sei, als wenn durch Diskussionen hierüber die
Leidenschaften aufgeregt würden. Auch der Legitimations-Ausschuß habe seit
18 Tagen nichts von sich hören lassen. Der Bericht über die Centralgewalt
sei schon vor 8 Tagen in den Zeitungen zu lesen gewesen und doch bis heute
nicht erstattet. Bassermann: Bei den Arbeiten des
Verfassungsausschusses habe es an Erfahrungen gefehlt; noch Niemand sei in
dem Fall gewesen, ein Verfassung für ganz Deutschland zu entwerfen. Dazu
seien noch vier Anträge gekommen. In einer Sache, die auf Jahrhunderte
hinaus (Widerspruch links), sei es auch nur auf 50, auf 10 Jahre, Dauer
haben soll, dürfe man nichts übereilen. Der Bericht sei übrigens fertig; der
Berichterstatter, der auch während der Pfingst-Feiertage nicht unthätig
gewesen, werde ihn, wenn seine Gesundheit es erlaube, am Dienstag vorlegen.
Wenn tägliche Sitzungen stattfänden, würden die Ausschußarbeiten noch mehr
aufgehalten, wir würden dann keine Centralgewalt haben, welche Ereignissen
wie in Prag, Wien, Triest etc. entgegenzutreten vermöge. Wenn das Volk auch
jetzt murre, werde es doch zufriedengestellt sein, wenn das zu schaffende
Werk würdig ins Leben trete. Ein großer Theil des Volkes wünsche, daß man
nicht mehr aufrege, das Ansehen der National-Versammlung zu schwächen suche.
Drohungen einer Einschreitung der Massen müsse man auf das Strengste
mißbilligen. Wenn das Volk nicht die Achtung vor sich selbst hätte, die es
seiner Souveränetät schuldig sei, dann wäre es dieser Souveränetät nicht
werth. Heisterbergk weist auf die Gefahren hin, die
Deutschland umgeben: eine vielleicht nicht genug beschützte Gränze im Osten,
im Süden ein unvolksthümlicher Krieg; es sei an der Zeit, mit dem einzigen
Volk im Westen, das uns Sympathien zeige, ein Bündniß zu schließen. Giskra fragt: „was hätten wir in Neapel thun sollen?
wenn der König gehenkt worden, geschieht es ihm recht. Was hätten wir für
Triest thun sollen? Der Bundestag hat bereits den Casus belli erklärt. Ich
lobe das vom Bundestag; es muß nicht alles Gute von uns ausgehen.“ Redner
wirft der Linken vor, daß sie es gewesen, die stets fremdartige Dinge in die
Verhandlungen geworfen, und diese aufgehalten habe. Auch er gehöre zur
Linken. (Die Linke erklärt, daß sie den Redner nicht mehr als den Ihrigen
anerkenne. Stimme im Centrum: Wir acceptiren ihn!). Nachdem hierauf v. Lindenau, Wiederhold, Auerswald, v. Rönne und Jaup für die verschiedenen Ausschüsse Bericht
erstattet haben, wurden die Anträge von Simon, Wesendonck, Wigard etc. in
Betreff der Geschäftsbehandlung an die verschiedenen Ausschüsse verwiesen.
Die übrigen Berathungsgegenstände dieser Sitzung wurden bereits im gestrigen
Berichte angegeben. Wir verweilen deshalb bloß bei den Anträgen von Vogt und Zimmermann in
Betreff der diplomatischen Verhältnisse, und von Schöffel wegen Unverletzlichkeit der Reichstagsmitglieder. Vogt und Zimmermann
beantragen: „Die Nationalversammlung möge beschließen: bis die Regelung der
diplomatischen Beziehungen Deutschlands im In- oder Auslande durch die
National-Versammlung erfolgt sein wird, macht dieselbe sämmtliche
Regierungen der Einzelstaaten Deutschlands für die Schritte und Handlungen
ihrer Gesandten verantwortlich und verlangt, daß die Gesandten einzig und
allein mit den verantwortlichen Ministern der Einzelstaaten diplomatischen
Verkehr pflegen.“ ‒ Vogt begründet den Antrag durch
Hinweisung auf den Umstand, daß der preußische Gesandte in Wien dem Kaiser
nach Innsbruck gefolgt sei. Der preußische Minister des Auswärtigen führe
zur Rechtfertigung an, daß der Gesandte bei der Person des Fürsten
accreditirt sei; allein der preußische Minister zeige dadurch, daß er noch
keinen Begriff von einem konstitutionellen Ministerium und einem
konstitutionellen Fürsten habe. Der konstitutionelle Fürst könne nur durch
seine verantwortlichen Minister unterhandeln. Die Sache sei dringend, weil
neben den ehrlichen Ministern in Deutschland noch eine Camarilla bestehe.
Wenn man zugebe, daß die Gesandten mit der Camarilla und den Hofschranzen
unterhandeln, statt mit den verantwortlichen Ministern, dann lasse sich das
Resultat voraussehen. Louis Philipps Sturz sei hauptsächlich deßhalb
erfolgt, weil die Gesandten hinter dem Rücken des verantwortlichen
Ministeriums mit dem König verkehrten und dieser eine eigene Politik neben
jener seiner Minister hatte. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt des
rein konstitutionellen Systems stelle, und Das sei doch das Wenigste, was
geschehen könne (Gelächter), müsse hier Abhülfe getroffen werden. Graf Wartensleben fragt: ob Vogt Beweise habe, daß in
Innsbruck Etwas ohne Zuziehung des konstitutionellen Ministeriums in Wien
und Berlin geschehe? Mühlfeld bemerkt, daß sowohl
der deutsche, als der ungarische Minister des Auswärtigen sich beim Kaiser
befänden. v. Beckrath ist zwar sehr erfreut über den
Eifer, den die linke Seite für das konst. System zeigt, findet aber die
Sache nicht so dringend, um von der gewöhnlichen Geschäftsordnung
abzuweichen. Jahn: In Innsbruck sei noch ein
dänischer Gesandter; er müsse ausgewiesen werden, weil Deutschland mit
Dänemark im Kriege sei. Neuwall: In Kopenhagen
verweilte auch noch ein österreichischer Gesandter; und dieses diplomatische
Verhältniß mit Oesterreich trage nicht wenig dazu bei, den Hochmuth
Dänemarks zu steigern. Arndt: Auch in England sei
der Gesandte bei der Person des Fürsten accreditirt; man dürfe übrigens
voraussetzen, daß der Fürst seine Verhandlungen mit den Gesandten den
Ministern mittheile. Kapp: Wir leben nicht in so
fest begründeten constitut. Zuständen wie England; wir stehen auf einem
vulkanischen Boden. (Gelächter rechts.) Lachen Sie nur; die unterirdischen
vulkanischen Mächte werden anders sprechen; beschwören Sie sie nicht herauf
durch Hohngelächter! Ich nehme dieses Hohnlachen als Ehrenbezeugung. Wenn
wir einen festen Zustand wollen, dürfen wir keinen Augenblick Ruhe gönnen
jener Regierung, die hinter den Regierungen steht. Berger aus Wien: Nicht das ungarische Ministerium sei in
Innsbruck, sondern nur 2 Minister. Der ungarische Minister des Auswärtigrn
gehöre Deutschland nicht an. Ein anderes Mitglied aus Oesterreich
rechtfertigt den fortdauernden Verkehr mit Dänemark dadurch, daß Oesterreich
kein rein deutscher Staat sei. Raveaur: Wenn das
wahr wäre, dann würden unsere Beschlüsse über Schleswig-Holstein leere
Phrasen sein. Er wundere sich, daß gerade Jene, die stets von Ordnung und
Einheit in Deutschland sprechen, sich Allem widersetzen, was diese
Gesinnungen zu bethätigen bezwecke. Er hält den Antrag für dringend.
Sommaruga erläutert, daß der dänische Gesandte bei dem Kaiser in dessen
Eigenschaft als König von Ungarn, Dalmatien etc. verweile. Vogt führt gegen Wartensleben, der Beweise
gefordert, die Zeitungsnachricht an, daß der preußische Gesandte Graf
Schulenburg den König von Neapel wegen seines Sieges über das Volk
beglückwünscht habe. Vogts und Zimmermanns Antrag wird an den
internationalen Ausschuß verwiesen. Schlöffel's
Antrag auf ein Gesetz, welches Unverletzlichkeit der Mitglieder der
Nationalversammlung ausspreche, und jedes Zuwiderhandeln eines Beamten oder
einer Behörde als Hochverrath erkläre, wird von Leue und Wesendock (mit
Hinweisung auf den Fall mit dem Abg. Peter) als dringend unterstützt, von
der Versammlung jedoch bis zur bevorstehenden Berichterstattung über
ähnliche Anträge vertagt.
@type | jAnnouncements |
@facs | 0088 |
Schiffahrts-Anzeige. Köln, 19. Juni 1848.
Angekommen: Kapitain Willemsen von Amsterdam mit 5109
Ctnr. ‒ Kapt. Wilson von Rotterdam mit 4423 Ctnr.
In Ladung: Nach Ruhrort b. Emmerich H. Lübbers; Nach
Düsseldorf bis Mühlheim an der Ruhr Joh. Budberg, C. Kaiser, C. Roesener und
Math. Pera; nach Koblenz und der Mosel und Saar Jak Tillmann; nach der
Mosel, nach Trier und der Saar R. Pisbach; nach Bingen I. B. Mundschenk;
nach Mainz Anton Bender; nach dem Niedermain Ph. Würges; nach dem Mittel-
und Obermain B. Krans; nach Heilbronn H. Bechert; nach Kannstadt und
Stuttgart Peter Kühnle; nach Worms und Mannheim I. B. Mundschenk I.
Ferner: Nach Rotterdam Kapt. Jurrius, Köln Nr. 18.
Ferner: Nach Amsterdam Kapt. Schüller, Köln Nr. 30.
Wasserstand.
Köln, am 19 Juni. Rheinhöhe 8′ 41/2″.
Bekanntmachung.
Bei dem Ablaufe des 2. Quartals werden die betreffenden
Zeitungs-Interessenten darauf aufmerksam gemacht, daß die Bestellungen auf
auswärtige Zeitschriften pro 3. Quartal resp. 2. Semester c. bis zum 22. d.
M. bei der hiesigen Ober-Postamts-Zeitungsexpedition gemacht sein müssen,
wenn eine rechtzeitige und vollständige Lieferung der Zeitungen erfolgen
soll, und daß nur solche Bestellungen berücksichtigt werden können, für
welche die Vorausbezahlung des Betrages
stattgefunden hat.
Köln, den 14. Juni 1845.
Ober-Postamt.
Rehfeldt.
Bekanntmachung.
Dienstag den 27. Juni 1848, Vormittags 10 Uhr, sollen auf dem Flur der Brief-
und Paket-Annahme circa 500 Pfund Makulatur-Papier und ein altes unbrauchbar
gewordenes Felleisen öffentlich an den Meistbietenden verkauft werden.
Köln, den 17. Juni 1848.
Ober-Postamt
Rehfeldt.
Die admittirten Gläubiger des Falliments des in Köln wohnenden Kürschners und
Handelsmannes Kaspar Theodor Everhard König werden hiermit eingeladen, sich
Dienstag den 27. laufenden Monats Juni, Nachmittags 4 Uhr, im Sekretariate
des hiesigen Handelsgerichts zu dem 8. Kap. I. Tit. III. Buches des
Handelsgesetzbuches angegebenen Zwecke zu versammeln.
Köln, den 18. Juni 1848
Der prvisorische Syndik:
Rob. Nücker,
Adv.-Anw.
Vorzüglich guter alter limburger Käse, so wie schöne holländischer Maikäse,
billigst, Sandbahn Nro. 6.
Ein Bäckergesell, welcher einer Bäckerei selbstständig vorzustehen vermag,
und sich hierüber durch Zeugnisse ausweisen kann, wird gesucht. Die
Expedition sagt wo.
Buchen-Holz-Vorrath.
1 bis 5 Zoll dick, 21/2 Fuß breit (2zöllig 20-22 Pf.), so wie sämmtliches
Nutzholz empfiehlt I. Kiegel, Komödienstraße 18.
Ein evangelischer Kandidat sucht eine Stelle als Hauslehrer. Derselke
erbietet sich auch gegen freie Wohnung einzelne Privatstunden in den atlen
Sprachen bder im Französischen zu ertheilen. Bescheid in der Schildergasse
Nro. 78 im Unterhaus.
Das Haus Malzbüchel Nr. 7 ist zu verkaufen oder zu vermiethen, oder auch nur
das Unterhaus zu vermithen.
Frucht- und Gerißscheffel in großer Auswahl und sehr billigen Preisen,
Bollwerk Nro. 21 bei J. B. Zündorff.
Ein Omnibus und andere Wagen für Landpartien zu vermiethen, kleine Sandkaul
Nr. 2 bei E. I. Küpper.
Harmonie
von Musikern der kölner Bürgerwehr heute Dienstag, Abends von 7 bis 11 Uhr,
bei A. Steinstraßer, auf den Perlenpfuhl.
Bei mir ist erschienen und durch alle Buchhandlungen
zu beziehen:
Des
Republikaners
(Freibürgers)
Rechte und Pflichten.
Köln.
M. Becker (Mauritius-Steinweg).
Geschäfts-Eröffnung.
Wir beehren uns hiermit anzuzeigen, daß wir in dem Hause
Apostelnstraße Nr. 7 hierselbst eine Liqueur- und Weinessigfabrik
etablirt haben und empfehlen unsere sämmtliche in diese Fächer einschlagende
Artikel en gros & en detail zu billigstem Preise.
Köln im Juni 1848.
Frank & Comp.
Die von dem Herrn Kommandanten und Offizieren der hiesigen Bürgerwehr
genehmigte Auszeichnung, Schärpe und Porte d'épées, nach dem von mir
gelieferten Muster, empfehle ich hiermit bestens.
Lützenkirchen, Posamentirer, Schildergasse Nr. 19
Limonade-Essenz
Sterngasse Nr. 9 u. 11.
Frische Rheinfische sind zu den billigsten Preisen zu haben bei Joh. Lülsdorff, Lindgasse 21.
Rum, Cognac und Arrac
Sterngasse Nro. 9 u. 11.
English newspapers in Brussels.
The Brussels Herald,
established in 1827, is the only English newspaper in Belgium. It is
published every Saturday. Price per quarter 5 francs, exclusive of postage
out of Belgium. The Brussels Herald is an excellent medium for all
advertisements addressed to English residents on the continent and English
travellers. Office : ‒ 13 Rue des Boiteux, Brussels.
Bei Gelegenheit der St. Apostel-Kirmes,
heute
von Nachmittags 3 Uhr,
große Harmonie
von dem Musikchor des Königl. Preußischen
8 Husaren-Regiments
in dem am städtischen Garten gelegenen elegant dekorirten
Kölner Zelte.
Täglich Kirnerbsen und Erdbeerkalteschaale.
Franz Stollwerck.
Täglich frisch:
oberländ. Brod, Knoblauchwürstchen, Schwartemagen. Kümmelkäschen, Backfische,
echt baierisch Bier, vorzügl. Weine und Liqueure in der Restauration der oberländischen Küche Langgasse Nro. 1.
15 à 1600 Thlr. gegen dreifachen Werth auf erste Hypotheke gesucht. Die
Expedition sagt wo.