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General Bedeau: Für die unerhörte Unruhe, die im
Lande existire, sei die Regierung verantwortlich. Der Hauptfehler der
Regierung sei, daß sie sich nicht genug verlassen habe auf die
Unterstützung, die sie bei der ungeheuren Majorität dieser Versammlung
finden werde, so oft sie Maßregel vorbrächte, gleichzeitig geeignet, die
demokratische Republik und die Ordnung und öffentliche Sicherheit zu
befestigen. Er erinnert an die Unterstützung, welche die öffentliche Gewalt
in der Nationalversammlung fand, als sie durch das Organ Lamartines ihre
Beziehungen zum Ausland auseinandersetzen ließ. Niemals werde die Regierung
Kraft besitzen, so lange sie sich auf eine Partei zu stützen gedenke. Man
hofft, durch Agitation der Arbeiterklassen uns zu zwingen, früher die
Maßregeln zu votiren, die ihr Wohlsein versichern können; aber die Leute,
die sich als die ausschließlichen Freunde der Arbeiter hinstellen, betrügen
sie und wollen sie exploitiren. Was die Armee angeht, so halte ich sie für
treu. Sie wird immer dem Chef gehorchen, den ihr die Nationalversammlung
bezeichnen wird, sie wird niemals vor einem Prätrndenten sich beugen, sei
er, wer er wolle. (Beifall.)
Avond: Sie drücken hier die Meinung der ganzen
Versammlung aus.
Lamartine besteigt die Tribüne.
Was der exekutiven Kommission ermangelt, ist nicht Kraft, sondern Licht.
(Bewegung in verschiedenem Sinn.) Ist es wahr, daß hier ein Zwang auf einen
Theil der Kammer ausgeübt worden ist? Ich stehe nicht an zu antworten, daß
eine solche Unterstellung beleidigend ist, namentlich beleidigend, wenn sie
auf Mitglieder der exekutiven Kommission anspielt. Hier sucht Lamartine,
zurückgehend zur Einsetzung selbst der provisorischen Regierung, zu
beweisen, daß alle Glieder dieser Regierung unter einander verbunden waren
durch die Nothwendigkeit, sich nicht zu trennen, denn sich trennen, das war
nicht einer andern Regierung den Platz überlassen, sondern der Anarchie,
sondern der Herrschaft der Straße; das war die Nationalversammlung unmöglich
machen. Ich habe mir nie die Schwierigkeiten verheimlicht, die Männern
bevorstehn, welche so die Diktatur der Nothwendigkeit übernahmen; aber diese
Männer haben sich hingegeben, als die höchste Stelle nur die höchste Gefahr
war. (Bravos auf der Linken.) Ich weiß, daß die Parteien nie die
Wagehalsigkeit, ich möchte sagen, das Verbrechen verzeihn, diese Republik
proklamirt zu haben, die Ihr selbst so einstimmig proklamirt habt, als Ihr
Besitz vom Land nahmt; aber später wird man gerechter sein. Schon ist Europa
gerechter als die Parteien, denn es erkennt an, daß die französische
Republik zugleich fest und gemäßigt ist.
Welchen Charakter haben wir der Republik gegeben? Hier antworte ich dem
ehrenwerthen General Bedeau. Haben wir denn die blutige Republik proklamirt,
die Republik der Schafotte? Meine Herren! Die erste Republik war nur ein
Kampf. Wir wollten, daß die zweite eine Institution sei.
Die erste Republik hatte zu bekämpfen die Könige nach Außen, die Parteien
nach Innen; man begreift unter einer solchen Republik die Excesse. Aber das
ist nicht die Republik, die wir Ihnen geben mußten. Erinnern Sie sich jenes
Tages, wo unter den zuckenden Emotionen der Masse, als die Masse uns die
rothe Fahne präsentiren kam, wir sie beseitigten, um Eurer Fahne Platz zu
machen, unsrer Fahne, derjenigen, die der Republik als Windel gedient hatte
in ihrer Wiege, der Fahne, worin sie sich noch als in ein Leichentuch
einhüllen würde, wenn sie jemals untergehn müßte. (Beifallsklatschen.)
Lamartine, auf den Vorwurf eingehend, daß die Regierung die monarchische
Vergangenheit gewisser Beamten amnestirt, sagt, daß sie glaubte, die Dienste
aller Männer annehmen zu müssen, die ihr nützlich sein konnten, ohne auf die
Epoche ihrer Bekehrung zum Republikanismus Rücksicht zu nehmen. Anders
handeln, war, Frankreich als ein erobertes Land behandeln. (Gut, sehr
gut!)
Aber, sagt man uns, ihr bleibt thatlos! Meine Herren! Ich werde Ihre
Erinnerungen zurückleiten auf drei Monate hinter uns, auf den Morgen des
Volkssiegs vom 24. Februar.
Seit dieser Zeit haben sich so viele Ereignisse begeben, daß man leicht ei
nige davon vergessen haben kann. Der Redner schildert von neuem die
gefährliche Lage, worin sich Frankreich am 24. Februar befand; er würde
fürchten, zu sehr die schwachen Dienste zu erheben, die er selbst ihm
leistete, wollte er im Detail alle Maßregeln zurückrufen, die ergriffen
wurden, um die zahllosen Schwierigkeiten der Gegenwart zu überwinden, um den
Gefahren der Zukunft zuvorzukommen, um Frankreich ohne Kampf, ohne
Erschütterung, ohne einen einzigen Tropfen Blut vergossen zu haben, einen
Rang zurückzugeben, den es nur eingenommen hatte nach zahllosen Schlachten,
gewonnen durch einen glorreichen Namen, dessen Angedenken so eben in diesem
Umkreis zurückgerufen worden ist. Nichtsdestoweniger wiederholt Lamartine
alles, was für politische und komercielle Organisation geschehen ist, und
„nach solchen Resultaten klagt man uns an, thatlos gewesen zu sein.“
(Einiges Beifallklatschen erschallt, aber der ermüdete Redner läuft ab und
die Sitzung bleibt eine Zeitlang aufgehoben. Eine große Zahl von
Repräsentanten verläßt die Bänke und begiebt sich in den Konferenzsaal.) Die
Sitzung beginnt wieder um 5 Uhr.
Lamartine: Citoyens, ein fataler Umstand hat die Rede
unterbrochen, welche ich auf dieser Tribune gehalten habe. Als ich auch von
den Anstrengungen sprach, welche die Ordnung wiederherzustellen suchten,
zielten draußen Flintenschüsse auf den Generalkommandanten der Nationalgarde
und auf mehre Nationalgarden unter dem Geschrei: Es lebe der Kaiser. Es ist
der erste Blutstropfen der vergossen worden ist. (!)
Aber er wurde es im Namen eines Fanatismus, der uns immer fremd bleiben
wird. Dieser Umstand macht es nöthig, Euch unmittelbar folgendes Projekt
vorzulegen, das wir unterzeichnet haben eine Stunde vor unserem Eintritt in
diesen Saal.
Zahlreiche Stimmen: Lassen wir den Enthusiasmus votiren. (Geräusch!
Verwirrung!)
Napoleon Bonaparte verläßt den Saal.
Der Präsident: Niemand kann die Versammlung
unterbrechen.
Lamartine: Hätte man mich meine Phrase vollenden
lassen, so würde man gehört haben, daß trotz des vergossenen Blutes dieß
nicht der Augenblick ist, durch Acclamation zu votiren, indeß wir die
gewöhnliche Form befolgen wollten und uns darauf beschränken, den
Gesetzvorschlag, wovon wir die Versammlung unterhalten wollten,
niederzulegen.
Eine Stimme der äußersten Linken: Nein! wir werden
durch Acclamation votiren. (Heftiger Tumult.)
Lamartine verliest folgenden Dekretentwurf: Die
Kommission der executiven Gewalt, in Erwägung:
des Artikels 4 des Gesetzes vom 12. Januar 1846 und der Artikel 1, 2 und 6
des Gesetzes vom 16. April 1832;
„In Erwägung, daß Karl Louis Napoleon Bonaparte einbegriffen ist in dem
Gesetze von 1832, welches die Mitglieder der Familie Bonaparte vom
französischen Territorium exilirt;
„In Erwägung, daß, wenn dieß Gesetz faktisch abgeschafft worden ist durch das
Votum der Nationalversammlung, die drei Mitgliedern dieser Familie gestattet
hat, Mitglieder der Versammlung zu sein, diese ganz individuelle Abschaffung
des Gesetzes sich weder rechtlich noch thatsächlich auf die andern
Mitglieder der Familie erstreckt;
„In Erwägung, daß Frankreich in Friede und Ordnung die populäre
republikanische Regierung begründen will, ohne in diesem Werk gestört zu
werden durch Prätentionen oder dynastische Ehrsucht, die Parteien oder
Faktionen im Staat stiften und folglich selbst unfreiwillig den Bürgerkrieg
begünstigen könnten;
„In Erwägung, daß Karl Louis Napoleon Bonaparte zweimal als Pretendent
aufgetreten, indem er eine Republik mit einem Kaiser verlangt hat, das
heißt, eine illusorische Republik, im Namen des Senatsbeschlusses vom Jahre
XIII;
„In Erwägung, daß Agitationen, welche die populäre Republik, die wir gründen
wollen, angreifen, die Sicherheit der Institutionen und den öffentlichen
Frieden gefährden, schon im Namen von Karl Louis Napoleon Bonaparte sich
allenthalben gezeigt haben.
„In Erwägung, daß diese Agitationen, Symptome bestrafenswerther Umtriebe,
eine für die Errichtung der Republik gefährliche Wichtigkeit gewinnen
könnten, würden sie durch die Nachsicht, die Nachlässigkeit oder die
Schwäche der Regierung begünstigt;
In Erwägung, daß die Regierung die Verantwortlichkeit der Gefahren nicht auf
sich nehmen kann, welche die republikanische Form der Institutionen und der
öffentliche Friede laufen würde, wenn sie die erste ihrer Pflichten bräche,
durch Nichtvollstreckung eines bestehenden Gesetzes, das für unbestimmte
Zeit mehr als jemals gerechtfertigt ist durch die Staatsraison und das
öffentliche Wohl;
Erklärt, daß sie in Bezug auf Karl Louis Napoleon Bonaparte das Gesetz von
1832 vollstrecken lassen wird bis zu den Tagen, wo die Nationalversammlung
das Gegentheil beschließen würde.“
Im Namen der Republik verlangt Lamartine die Annahme dieses Vorschlags, und
ermahnt sodann die Versammlung, „möglichst schnell die dem Volke gemachten
Versprechungen zu erfüllen.“ Gestattet ihm nicht, ruft er aus, zu sagen, daß
Ihr es vergessen habt, nachdem Ihr Euch seiner bedient hattet.
Dann kommt Lamartine wieder auf die Anklagen und Verläumdungen gegen die
Regierung und namentlich gegen ihn selbst, Lamartine zurück.
Mich selbst klagt man an mit Männern konspirirt zu haben, die bald vor dem
Richterstuhl stehen werden. Ich habe konspirirt mit Blanqui, mit Raspail,
mit Sobrier, mit Cabet. Ich habe konspirirt ‒ (heftiges Gemurre). Ich habe
mit ihnen konspirirt, wie der Blitzableiter mit den Wolken gegen den Blitz
konspirirt. Ich habe mit ihnen konspirirt, um sie zu überzeugen, daß man
keine diktatorische Regierung errichten, sondern im Gegentheil die
Nationalversammlung sich vereinigen lassen müßte, um die Geschicke des
Landes zu lenken.
Unsere Popularität, wir haben sie bereitwillig geopfert dem Triumph und
Republik. ‒ Aber als Austausch gegen dies Opfer, gebt uns Euer Vertrauen.
(Eine lange Agitation folgt dieser Rede!)
Pierre Bonaparte versichert seinen Republikanismus
und Patriotismus.
Napoleon Bonaparte glaubt, daß Lamartine sein Dekret
nicht in einem Augenblicke der Versammlung vorlegen dürfte, wo sie noch
unter dem frischen Eindrucke eines so eben vorgefallenen traurigen
Ereignisses wäre.
Larabit spricht in demselben Sinne.
Adelswärd greift die Regierung energisch an, das
Vertrauen werde nicht wieder erwachen, so lange die Regierung diese Bahn
einhalte. Die Versammlung selbst verliere täglich von ihrem Ansehen. (Lärm
zur Ordnung.)
Der Präsident ruft den Redner für diese Worte zur Ordnung. Der Redner endet
mitten im Lärm. Es fallen Worte, wie: die Gewalt ist in unwürdigen Händen, ‒
Opposition auf der Linken gegen diese Worte.
Auf Duprats abermaligen Vorschlag dekretirt die Nationalversammlung endlich
die zwei Paragraphen, welche der Regierung geheime Fonds zuweisen.
‒ Sitzung der National-Versammlung vom 13. Juni:
Die Sitzung wurde um ein Uhr eröffnet. Es herrschte eine ungemeine Aufregung
in der Versammlung. Um Napoleon Bonaparte stehen zahlreiche Gruppen: er
spricht zu ihnen mit ungewöhnlicher Lebhaftigkeit. Berryer tritt in den Saal
und geht auf Hrn. Duclerc zu, mit dem er eine lebhafte Unterhaltung
anknüpft. Die ganze exekutive Kommission ist anwesend. Die H.H. Cavaignac
und Clement Thomas sind in strahlender Uniform. Außerhalb, heißt es,
herrscht eine gleiche Gährung.
Präsident: Ich erhalte so eben einen Brief von Einem
unserer Kollegen, der durch seine Amtsfunktionen abgehalten ist, der Sitzung
beizuwohnen. Der Polizei-Präfekt schreibt mir der Bürger Bonaparte irrt
sich, wenn er behauptet, daß ich, der Polizeipräfekt, ihm gesagt habe, es
würden keine Maßregeln gegen seinen Vetter ergriffen. Eine derartige
Erklärung steht der exekutiven Gewalt allein zu und liegt außerhalb meiner
Attributionen.
Bonaparte antwortet nicht.
v. Gousée: Vor einigen Tagen legte ich der
Versammlung einen Vorschlag vor in Betreff der Zurückberufung der Familie
Bonaparte und der Abschaffung der Gesetze von 1832. Heute trage ich darauf
an, über diesen Vorschlag zu stimmen, aber mit einem Amendement (Aufregung);
dieses Amendement besteht darin, die Ausschließung des Bürgers Carl Ludwig
Bonaparte provisorisch aufrecht zu halten, da sein Namen eine Waffe in den
Händen einer Partei ist. Ich bezweifle nicht, daß besagter Bürger allen
diesen Umtrieben fremd geblieben ist, aber auf der andern Seite halte ich
ihn für einen zu guten Franzosen, als daß er nicht einsehen sollte, wie
gefahrdrohend seine Gegenwart in den jetzigen Umständen wäre.
Favre dringt auf die Priorität der Berichte in Bezug
auf die Prüfung der Vollmachten. Es sei besser, daß die Versammlung sich
darauf verstände, über ein Prinzip vielmehr als über einen Mann abzustimmen.
‒ Die Versammlung spricht sich für die Priorität aus.
Favre als Berichterstatter theilt mit, daß die Aktenstücke in Bezug auf die
Wahl Napoleons vollkommen regelmäßig seien, daß er die Majorität der Stimmen
erhalten, und demnach als Volksrepräsentant habe proklamirt werden müssen.
Das Büreau, fährt er fort, hat geglaubt über alle Bedenklichkeiten hinweg
gehen zu müssen, und seine Zulassung auszusprechen. Die Gründe die uns zu
diesem Entschlusse bestimmt haben, sind theilweis legale, theilweis
politische. Vom Standpunkte der Loyalität aus, wissen wir alle, daß Hr.
Cremieux, damals Justizminister, erklärt hat: das Gesetz welches die Familie
Bonaparte verbannt hat, ist virtualiter, sie hören meine Herren, virtualiter
abgeschafft durch die Februarrevolution. Nun wissen wir recht gut, daß die
exekutive Kommission damals so ziemlich die Gewohnheit beobachtete, uns ihre
Gedanken durch das Organ des ehrenwerthen Hrn. Cremieux vernehmen zu lassen.
(Gelächter.)
Ledru-Rollin. Die Regierung machte ihre Gedanken eben
so wenig durch Hrn. Cremieux als durch Sie vernehmbar.
Favre. Cremieux war weit mehr das Organ der
Regierung, als ich: denn er war damals Minister, während ich nur
Untersekretär des Staats war. Hr. Cremieux hat also sehr wohl sagen können,
daß das Gesetz vom 18. Juni 1832 abgeschafft sei, ohne daß er zu befürchten
gehabt habe, Einsprache zu erhalten, zumal da der Justizminister, d. Z. das
höchste Organ, wenn es sich von der Auslegung der Gesetze handelt, selbst es
proklamirte.
Ich frage demnach, ob nicht jeder von Ihnen, meine Herren, ob nicht das ganze
Land hat glauben müssen, das Gesetz von 1832 sei abgeschafft? Ich glaube
sogar, daß zwei Mitglieder der exekutiven Kommission in der Sitzung von
damals gegenwärtig waren, und wenn sie auch nicht gegenwärtig gewesen wären,
so machte dieses gar nichts. Der Justizminister selbst hat erklärt: „Wir
haben Niemand zu fürchten.“
Favre: Dieß war auch der Gedanke der Mehrheit Ihrer
Kommission. Kann die Staatsraison einen frühern, d. 24. Febr. von der
Regierung gefaßten Beschluß modifiziren einen Beschluß, der seit dem 2. Juni
vom Justizminister bestätigt worden ist! die Begründung, welche die
Exekutivkommission im Eingang ihres Dekrets gegeben hat, scheint mir
unzulänglich. Man verlangt Ausnahmemaßregeln. Louis Bonaparte steht euch
nicht als Prätendent, sondern als Volksrepräsentant gegenüber. Hat er
Verbrechen begangen, liegen euch Korrespondenzen von ihm vor, so werdet ihr
uns auf eurer Seite finden. Bis dahin wollt uns nicht glauben machen, daß
die französische Republik so wankend ist, daß Louis Bonaparte sie mit einem
Hauch umblasen könnte. (Bewegung in verschiedenem Sinn.) Der Bürger
Bonaparte muß auf dieser Tribüne erscheinen und mit Füßen die Parodie des
kaiserlichen Mantels treten, der weder seinem eigenen Wuchs, noch dem der
gegenwärtigen Epoche anpaßt. Stoßt ihr ihn zurück, so gebt ihr ihm eine Art
der Legitimität der 100,000 Stimmen, die er in den verschiedenen
Wahlbezirken von Frankreich erhalten hat. (Gemurre in verschiedenem
Sinne.)
Senard (Präsident) schlägt vor, auch die andern
Berichterstatter zu vernehmen. (Angenommen.)
Buchez: Ich bin Berichterstatter des 10. Bureau und
einer ganz entgegengesetzten Ansicht, wie Herr Favre. (Bewegung.) Man muß
unterscheiden zwischen den Ereignissen vor und nach der Vereinigung der Versammlung. Vor derselben
durfte die Regierung keine Unterschiede zwischen den Bürgern machen. Seit
der Proklamirung der Republik ist ein Prinz nicht
mehr zulässig unter euch. (Oh, oh.) Bonaparte ist Prätendent. Wir schlagen
vor, seine Wahl zu kassiren. Würdet Ihr Heinrich V. zulassen oder den
Prinzen v. Joinville oder den Herzog v. Peronet, wenn sie gewählt wären?
(Lärm.)
Oymar, Berichterstatter des 6. Bureaux, spricht sich
für die Zulassung des Prinzen aus, aus denselben Gründen, wie Favre.
Vieillard: Ich komme eine geheiligte Pflicht
erfüllen, einen Abwesenden vertheidigen. Louis Bonaparte ist wider seinen
Willen zum Repräsentanten gemacht worden, wie man ihn jetzt wider seinen
Willen zum Prätendenten macht. Will man ihn zum Exil zwingen im Geist der
verruchten Verträge von 1815! Er theilt der Versammlung einen Brief mit,
worin Louis Bonaparte erklärt, er werde allen Aufforderungen, die Kandidatur
anzunehmen, widerstehn. Ich selbst, schließt er, habe ihn vor wenigen Tagen
brieflich eingeladen, seinen Rang neben mir als Repräsentant einnehmen zu
kommen. Ich habe ihm in einem andern Brief abgerathen, weil ich nicht die
Verantwortlichkeit auf mich nehmen will, ihn in die Falle gelockt zu
haben.
Marchal meint, man müsse sich des noch nicht
ageschafften Gesetzes von 1832 bedienen, um Louis Bonaparte fern zu halten.
Oeffne man das Thor einem Prätendenten, so öffne man es allen. Ueberdem ist
Louis Bonaparte nicht wählbar, weil er ein nuturalisirter Schweizer ist.
(Reklamationen.)
Fresneau: Als ich den Sitzungssaal verließ, mischte
ich mich in die Gruppen. Ich sah nirgends ernsthafte Spuren einer
Konspiration. (Lärm.) Ich hörte schreien: Es lebe Louis Napoleon! Es lebe
die Ehrenlegion! und für mich bedeutete dieser Ruf nur: es lebe der
kaiserliche Ruhm! Weder in Paris, noch in den Departementen existirt eine
Konspiration. Nur haben die Departementen, die heute zwei Monaten Zeugen
eurer Politik sind und die Abwesenheit jeder Regierung beklagen, euch eine
Lektion und eine Warnung zukommen lassen. (Agitation.) Wenn Ihr nicht den
Muth eurer Sympathieen habt, wenn Ihr zurückstoßt aus eurem Schooß den Erben
Napoleons! (Unterbrechung, Geschrei, Ruf zur Ordnung.)
Der Präsident: Ich ersuche den Redner, sich zu
erklären.
Fresneau: Der Erbe seines Namens, nicht seiner
Rechte.
Ich fürchte keine Emeute mit dem Rufe: es lebe Louis Napoleon! aber ich würde
sie fürchten mit dem Ruf: es lebe die Souverainität des Volkes!
(Agitation.)
Clement Thomas erklärt, daß gestern nur ein
Flintenschuß gefallen sei, für den man unmöglich Louis Napoleon
verantwortlich machen könne.
Louis Blanc: Für die Republik fürchten, ist sie
beleidigen. Ich liebe die Prätendenten in der Nähe zu sehn, es ist uns dann
leichter, sie zu messen. Wie sollte Louis Bonaparte eine Ordnung der Dinge
zurückführen können, die die mächtige Hand des Kaisers nicht zu gründen
wußte? Die Kandidatur, womit man uns bedroht, ist nicht ernsthaft. Louis
Bonaparte, sagt man, sei zu fürchten als künftiger Prasident der Republik. Antwort: Wählt gar
keinen Präsidenten. (Allgemeine Heiterkeit.) Wollt ihr eine gute
Republik bilden, organisirt die Arbeit. (Lärmende Unterbrechung. Die
Privatunterhaltungen gestatten nicht die Stimme des Redners zu
vernehmen.)
Die republikanische Logik stoßt die Proskriptionsgesetze zurück, sie straft
einen Sohn nicht für die Vergehn seines Vaters. Deßhalb habe ich auch gegen
das Verbannungsdekret der Familie Orleans gestimmt. Das Gesetz der absoluten
Monarchie ist die Gewalt, das Gesetz der konstitutionellen die Korruption,
das Gesetz der Republik die Gerechtigkeit.
Pascal Duprat verlangt die Verbannung Louis
Bonapartes im Namen der Gesetzlichkeit. F. de
Lasteyrie will von keinem solchen Staatsstreich wissen.
Ledru-Rollin: Die Lage ist zu ernst, als daß die
Regierung schweigen könnte. Man sagt, wir wollten die Volkssouveränität
angreifen, wir, die sie begründet haben. Das Gesetz von 1832 existirt,
existirt so sehr, daß man uns einen Antrag gestellt hat, um zu wissen, ob es
suspendirt, anulirt sei oder noch existire. Die Souveränetät des Volkes
existirt nicht in einem oder zwei Departementen, sie existirt in der
Gesammtheit der Nation. Thatsachen liegen vor, Verhaftungen, die beweisen,
daß Werbungen Statt fanden, eine neue kaiserliche Garde zu bilden. Geld ist
vertheilt, Wein ist auf öffentlichen Plätzen gratis ausgeschenkt worden. Man
sagt Louis Bonaparte sei diesen Umtrieben fern, alle Welt sagt es, mit
Ausnahme seiner selbst (Bewegung). Laßt ihn selbst es sagen, Was hat er
statt dessen gethan! Zweimal hat er Ansprüche auf das Reich erhoben, als
Nachfolger Napoleons und im Namen des Senatsbeschlusses vom Jahre X. Das
Dekret der Nationalversammlung soll nur provisorisch und von kurzer Dauer
sein. Die Emeute ziehe sich zurück und morgen werden wir unser Dekret
zurückziehen.
Bignon: Büchez warf Louis Napoleon vor, er habe nicht
seine Zustimmung zur Republik erklärt, wie seine übrige Verwandten. Lest
seinen vom 24. Mai an die Nationalversammlung gerichteten Brief und ihr
werdet das Gegentheil finden. Ledru-Rollin verlangt,
er habe gegen die in seinem Namen geschehenen Umtriebe protestiren sollen.
Konnte er zu London gegen die Ereignisse von gestern protestiren. Wenn er
seine Waffen gegen die gefallene Regierung getragen hat, so geschah es, weil
sie nicht der Ausdruck des Volkswillens war.
Favre: Das Gesetz von 1832 ist abgeschafft durch die
Zulassung von drei andern Mitgliedern der Familie Bonaparte in euren Schooß.
Man hat nicht bewiesen, daß der Prinz irgendwie an den Werbungen und
sonstigen Umtrieben betheiligt war. Man hat noch von napoleonischen
Flugblättern gesprochen. Habt ihr sie verfolgt. Nein. Ihr besitzt nicht
einmal einen Generalprokurator.
[0070]
Ich fürchte sehr, daß diese
Flugblätter nur eine Maschine sind, um ein Votum gegen die Flintenschüsse,
von denen man gestern sprach, zu escamotiren. (Lärm auf der Linken.)
Buchez, von beständigem Lärm unterbrochen, schlägt
Vertagung vor, bis der Augenblick der Gefahr vorrüber sei. (Verworfen.)
Die Anträge der Regierung werden von der N.-Versammlung mit ungeheurer
Majorität verworfen. Louis Bonaparte hat sich nur noch über Alter und
Nationalität auszuweisen, um als Repräsentant seinen Sitz einnehmen zu
können. (Große Bestürzung auf den Ministerbänken.) Die Sitzung wird um 61/4
Uhr aufgehoben.
‒ Man ließt in der Gazette des Tribunaux: Der
Justizminister hat allen Generalprokuratoren der Republik den Befehl
ertheilt, den Prinzen Louis Napoleon Bonaparte aufsuchen und verhaften zu
lassen.
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@facs | 0070 |
Paris, 12. Juni.
Zahlreiche Gruppen getrieben, wie man sagt, durch den bloßen Wunsch Louis
Bonaparte zu sehen, stationiren vor dem Palais Bourbon auf dem Place la
Concorde im Augenblicke, wo sich die Repräsentanten in die Versammlung
begaben. Bald hatte die Menge die Zugänge der Versammlung so überströmt, daß
die Linientruppen und die Nationalgarde nur mit Schwierigkeit die
Cirkulation erhalten konnten. Der Kriegsminister General Negrier, Quästor
der Versammlung und der erste Kommandant der Nationalgarde Clement Thomas
haben die Truppen, die auf diesen Punkten concentrirt sind, Revue passiren
lassen und alle Veranstaltungen innerhalb und außerhalb des Palais Bourbon
getroffen, um die Sicherheit der Verhandlungen der Versammlung aufrecht zu
erhalten. Gegen drei Uhr, da die Menge immer wächst, wird in mehreren
Legionen Rappel geschlagen und General Cavaignac gibt Befehl, die Zugänge
des Palastes und des Pont la Concorde zu räumen. In diesem Augenblicke
verwundete ein Pistolenschuß, aus einer Gruppe herrührend, einen Kapitain
der Nationalgarde. Eine Kugel, die quer durch seine Hand fuhr,
zerschmetterte ihm zwei Finger.
General Cavaignac läßt dagegen Place la Concorde und die anliegenden Straßen
räumen. Die Nationalgarde hat die Gruppen zerstreut. Aufrührerisches
Geschrei: Es lebe der Kaiser! Es lebe Napoleon und es lebe Barbès läßt sich
stellenweis vernehmen. Zwei Flintenschüsse wurden auf den General Clement
Thomas und auf einen Offizier der Armee gerichtet. Sechs Individuen unter
denen, die das Volk aufzuhetzen suchten, wurden gegen 5 Uhr arretirt und auf
die Posten der Nationalgarde im Pallast der National-Versammlung
geführt.
Diesen Abend und in der Nacht, auf den Boulevards und beinahe auf allen
Straßenecken haben sich Zusammenläufe gebildet, jedoch ohne irgend einen
feindlichen Charakter.
Die Zugänge zum Luxembourg sind diesen Abend durch Linientruppen und
Nationalgarden besetzt. In den Straßen des Odeon und der Seine ist die
Circulation untersagt. Das Innere des Palastes und der Garten sind
gleichmäßig durch eine imposante Truppenmacht bewacht. Nichts zeigte indeß
an, daß auf diesem Punkte eine Manifestation Stattfinden solle. Das Viertel
des Odeons ist vollkommen ruhig und die Promenade im Garten findet Statt,
wie gewöhnlich. Die Boulevards sind durchströmt von isolirten und durchaus
friedfertigen Gruppen. An dem Porte St. Denis findet ein größerer
Zusammenfluß Statt wie anderswo. Um 101/2 Uhr verziehen sich die Aufläufe
ohne Dazwischenkunft der bewaffneten Gewalt. Um 111/2 Uhr ist dieser Theil
der Boulevards fast verödet. Die Bataillone der Nationalgarde und Linie, die
ein Piquet bildeten auf dem Platz an dem Hotel de Ville wurden um
Mitternacht entlassen.
‒ Die mit dem Entwurf einer Konstitution beauftragte Kommission soll die Wahl
durch allgemeines Stimmrecht nicht nur auf den Präsidenten der Republik und
die Volksrepräsentanten ausdehnen wollen, sondern auch auf die
Friedensrichter, Offiziere und Kommandanten der Nationalgarden, Mairs,
Adjunkten und Municipalräthe und endlich auf die Mitglieder der allgemeinen
Departementsräthe. Die Organisation der richterlichen Gewalt hat die
Kommission während mehrerer Sitzungen beschäftigt. Die National-Versammlung
soll die Mitglieder des Kassationshofes, des Rechnungshofes und eines
Tribunals der Kompetenzkonflikte ernennen; ihre Richter sollen nur durch
Urtheil absetzbar sein. Die Jury soll auch auf Civilprozesse und theilweise
auch auf korektionelle ausgedehnt werden und eine besondere Nationaljury für
die Beurtheilung politischer Verbrechen und Vergehen gebildet werden.
Ein Staatsrath mit politischen Vollmachten, bestehend aus 50 bis 60
Mitgliedern, ‒ eine Art von der National-Versammlung erwähltes Comité ‒ soll
gebildet werden.
‒ Der Représentant du Peuple, der Almanach du
Commerce und die Demokratie pacifique
drucken den von Herrn Jober, Bethmont und Trelast so hart angefeindeten
Artikel der „Organisation du travail“ nebst ihren Listen der Banquiers ab.
Dies Blatt selbst hat gestern eine Liste der reichsten Grundbesitzer
veröffentlicht.
‒ Fortgesetzte Mittheilung einiger im Hofe der Tuilerien gefundener Briefe.
(Siehe die gestrige Nummer).
Lissabon, 2. Februar 1842.
„Meine sehr theure Freundin, unglücklicherweise bin ich noch nicht im Stande,
Dir einen Brief zu schreiben, der Dich über unsere mit jedem Tage kritischer
werdende Lage beruhigen könnte.
Unser Ministerium behauptet, nicht mehr die Kraft zu haben, die Geschäfte zu
führen; es will uns selbst nicht einmal Rath in unserer Lage ertheilen.
Wahrhaftig, meine Theure, unsere Position ist entsetzlich; wir sind umringt
von Verräthern. In der That, wirklich, das Benehmen des Herzogs von Terceira
ist das eines Verräthers. Das ist der Name den er verdient.
Mein Brief wird Dir durch Herrn Roan, Sekretär der französischen Gesandschaft
überbracht werden. Der gute Herr Barenne sendet ihn als Kurier. Durch Herrn
Roan kannst Du die Details über die unglückliche und schimpfliche Geschichte
erfahren, in die wir verwickelt sind. Denke Dir, die Junta in Porto hat auf
die Mission Sarmento's, des Adjudanten Ferdinands, geantwortet, daß sie auf
Lissabon marschiren werde und Costa Cabral hat noch die Unverschämtheit
gehabt, mir zu schreiben, daß er uns in wenigen Tagen die Versicherung
seiner tiefsten Unterwürfigkeit, zu gleicher Zeit mit der Charte zu
überbringen hoffe, trotzdem daß ihn einige Personen als Revolutionär bei uns
angeschwärzt hätten.
In der That, sie sind nach Lissabon aufgebrochen. Am 4. ist eine Division von
3 Bataillonen, das 6., 18. und 28., zusammen 850 Mann, unter dem Kommando
eines Colonels, des Baron das Lagas abmarschirt. Am 5. marschirte die
zweite, bestehend aus dem 8., 9. und 14. Bataillon; zusammen 746 Mann und 50
Pferde, kommandirt durch Baron de Vallonzo, Kommandant der Provinz
Minho.
In Vigue hat man die Charte proklamirt und der Baron von Fonte-Nova,
ebenfalls Kommandant der Provinz, ist auf dem Wege sich mit den Insurgenten
in Porto zu vereinigen. Mit dem 24. Bataillon erwartete man am 5. Abends den
Baron von Vinhaes, Kommandant zu Tras-os-Montes mit dem 9. und 13. Bataillon
und einem Regiment Kavallerie. Das 9. Infanterie-Regiment ist ebenfalls nach
Porto aufgebrochen, da aber der Kolonel und der größeste Theil der Offiziere
sich nicht bei dem Unternehmen betheiligen wollten, so marschirte das
Bataillon mit den Unteroffizieren und kommandirt durch einen Kapitain. In
Coimbra hat die Junta befohlen, daß die Studenten ein Bataillon bilden, und
daß man ihnen dann ein Studienjahr erlassen soll. Diejenigen, welche sich
weigern, sollen ein Jahr mehr studiren als die andern.
Nun sieh, wie eselhaft sich die Leute in dieser miserablen Geschichte
benehmen!
Gestern hat, um unser Amüsement vollständig zu machen, das Ministerium seine
Demission eingereicht und wir haben unser Möglichstes thun müssen, um ein
neues zu finden ‒ “
Hier ist das Original-Schreiben durch die vielen Beschmutzungen unleserlich
geworden, so daß der Schluß fehlt. Der Inhalt des Vorstehenden zeigt aber
nur zu deutlich, daß das Manuscript die Königin selbst zur Verfasserin
hat.