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Frankfurt. Entwurf zu einem Programm des
linken Centrums.
A. Formelle Grundsätze.
Das linke Centrum wird fest an seinen proclamirten Grundsätzen halten, es
wird aber bei der Durchführung derselben mit der unserer hohen Stellung
geziemenden Würde und Besonnenheit verfahren und so viel als möglich alles
vermeiden, was nach einer oder der andern Seite verletzen könnte; namentlich
wird es sich nie dazu hergeben, eine Minorität zu despotisiren, es wird im
Gegentheil den andern Parteien und besonders den Minoritenten jede
Concession machen, die sich mit seinem Princip verträgt. Was die Ordnung,
resp. Aufeinanderfolge der Verhandlungen betrifft, so wird es seine Aufgabe,
eine deutsche Reichsverfassung zu entwerfen und festzustellen streng in's
Auge fassen und diese vor allem zu lösen suchen; es wird daher die
Besprechung von andern Fragen, wenn sie nicht von allgemeiner Wichtigkeit
und besonderer Dringlichkeit sind, vorläufig nicht zugeben, und selbst bei
den die Reichsverfassung betreffenden Fragen wird es sich an die einmal
angenommene Ordnung halten.
B. Materielle Grundsätze.
Deutschland bildet einen Bundesstaat mit constitutionell-monarchischer
Verfassung mit folgenden Volksrechten und Institutionen.
1. Die Volksrechte. Das linke Centrum ist der Ansicht, daß vor allem die
Rechte des deutschen Volks berathen und votirt werden müssen. Zu diesen
Rechten gehört auch, daß allen im deutschen Bund lebenden nicht deutschen
Volksstämmen ihre Sprache und die damit zusammenhängenden Institutionen
geschützt werden. Das linke Centrum wird übrigens Institutionen nicht mit
Rechten verwechseln.
2. Die gesetzgebende Gewalt. Die gesetzgebende Gewalt geht vom Volke aus und
wird zunächst von dessen Vertretern ausgeübt. Zum Volke im weitern Sinne
zählen wir aber auch die Fürsten, und wir räumen ihnen aus Gründen der
Staatsweisheit und zum Behuf der Stabilität, sohin auch im Interesse der
Freiheit einen entsprechenden Antheil an der gesetzgebenden Gewalt ein.
Dieser Grundsatz muß sich schon bei dem Gange der Geschäfte der
constituirenden Versammlung geltend machen. Wir wünschen, daß die von der
konstituirenden Versammlung votirte, respective angenommene
Reichs-Verfassung den einzelnen Staaten, respective den Fürsten und
Landständen, zur Annahme vorgelegt werde, damit diese Verfassung nicht als
ein von uns ausgehendes absolutes Dictat erscheine, sondern auf dem Wege der
Uebereinkunft, zu Stande komme, und so nicht bloße factische, sondern auch
unbestreitbare rechtliche Gültigkeit habe. Wir wollen dieses im Interesse
der Freiheit, weil bei diesem Vorgange jedem Reactionsgelüste der Vorwand
genommen wird, die Reichsverfassung über kurz oder lang als eine
aufgezwungene zu verleugnen. Damit wollen wir aber nicht den einzelnen
Staaten das Recht einräumen, die Reichsverfassung Artikel für Artikel noch
einmal zu berathen und nach Belieben zu votiren, respective die Abänderung
mißliebiger Artikel zu fordern, denn auf solche Weise würden wir, bei den
bestehenden Meinungsverschiedenheiten unter den verschiedenen Staaten nie zu
einer Vereinigung über unsere Reichsverfassung kommen. Dagegen müssen wir
den Staaten das Recht einräumen, auf Abänderung solcher Artikel der
Reichsverfassung anzutragen, welche mit bestehenden, und nicht zu
beseitigenden Verhältnissen in diesem oder jenem Staate unverträglich sein
sollten. Jedenfalls wäre es wünschenswerth, daß jede deutsche Regierung
einen oder zwei Gesandten mit den entsprechenden Instructionen in die
Nationalversammlung senden wolle, welche hier eine Art Ministerbank bilden
und die Versammlung auf die Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Staaten
aufmerksam machen. Auf diese Art würden wir am schnellsten zu einer
Verfassung kommen, welche einerseits den gerechten Forderungen des Volks
entspricht, und anderseits von den Regierungen und Volksstämmen angenommen
werden kann. Was nun die gesetzgebende Gewalt in der deutschen
Reichsverfassung betrifft, so wollen wir 1) eine Volkskammer zusammengesetzt
aus den auf 5 Jahre gewählten Vertretern des Volks. Die Basis ihrer Wahlen
muß eine breite seyn, ohne Census der Wähler und Wählbaren. Die Wahl selbst
dürfte zur Zeit noch eine indirekte sein, weil sich bei weitem die meisten
Stimmen in Deutschland für diesen Wahlmodus ausgesprochen haben, der
allerdings viel für sich hat. Zweitens. Einen Senat oder eine Staatenkammer.
Während das gesammte deutsche Volk ohne Rücksicht auf die einzelnen
deutschen Staaten von der Volkskammer vertreten wird, werden die einzelnen
Staaten und deren Regierungen durch den Senat vertreten. Diese Kammer
besteht aus den Gesandten der einzelnen Staaten, wobei aber nicht außer Acht
gelassen werden darf, daß diese Beschickung durch verantwortliche Minister
ausgeführt wird. Beide Kammern haben gleiche Rechte in der Gesetzgebung und
jede derselben kann die Initiative ergreifen. Rechtsgültige Gesetze
entstehen nur durch ihre Zusammenstimmung. Das Reichsoberhaupt als solches
hat keinen Antheil an der gesetzgebenden Gewalt, ist dasselbe aber ein
regierender Fürst, so ist seine Regierung des einzelnen Staates im Senat
vertreten. Das Reichsoberhaupt kann übrigens Gesetzes-Entwürfe den Kammern
vorlegen. Reine Geldfragen wie Steuren und dergleichen werden ausschließig
von der Volkskammer, sohin ohne Betheiligung des Senats erledigt. Beide
Kammern zusammen bilden den Reichstag, welcher jährlich zu einer bestimmten
Zeit zusammentreten muß.
3. Die ausübende Gewalt. An der Spitze der ausübenden Gewalt steht ein
unverantwortliches Oberhaupt, über dessen Persönlichkeit, Titel und Wahl
eine positive Bestimmung zur Zeit nicht vorgelegt werden kann; nur darüber
sind wir einig, daß wir weder für einen erblichen noch für einen Wahlkaiser
stimmen. Das unverantwortliche Reichsoberhaupt hat ganz die Stellung und die
Befugnisse eines konstitutionellen Monarchen. Ihm zur Seite steht ein
Staatsraths, zusammengesetzt aus 12 Mitgliedern des Senats und 12
Mitgliedern der Volkskammer. Diese Mitglieder des Staatsraths werden von
ihren entsprechenden Kammern gewählt. Ohne Zustimmung des Staatsraths können
keine wichtigen durch das Gesetz nicht vorgesehene Regierungshandlungen
vorgenommen werden, wie z. B. der provisorische Abschluß von Verträgen mit
andern Staaten, Kriegserklärungen, Friedensschlüsse etc. Die
Regierungsgeschäfte selbst werden ausgeführt durch ein verantwortliches
Ministerium mit einem Reichskanzler an der Spitze. Ohne die Unterschrift des
Kanzlers und des entsprechenden Ministers darf kein Befehl vollzogen werden.
Das Ministerium ist beiden Kammern verantwortlich und kann von jeder
angeklagt werden. Die Anklagen werden vom obersten Gerichtshof des Reichs in
öffentlicher Sitzung geprüft und abgeurtheilt. Der oberste Gerichtshof des
Reichs bildet eine unabhängige Korporation, die sich ihr Direktorium selbst
wählt. Seine erste Konstituirung geschieht so, daß die eine Hälfte seiner
Mitglieder von der ersten, die andere Hälfte von der zweiten Kammer gewählt
wird. Bei spätern Vakaturen schlägt der Gerichtshof jedesmal nach
unbeschränkter Wahl drei Kandidaten vor, aus welchen abwechselnd die erste
und zweite Kammer das neue Mitglied dieses Gerichtshofs wählt. Beide Kammern
in Uebereinstimmuag können den Gerichtshof auflösen und neu konstituiren.
Dieser Gerichtshof hat die Streitigkeiten zwischen den einzelnen Regierungen
und Staaten zu schlichten, die Anklagen gegen die Minister abzuurtheilen
etc.
4. Verhältniß der Reichsverfassung zu denen der einzelnen Staaten. Jeder
einzelne Staat verbleibt in seiner Integrität, in soweit sich dieselbe mit
dem Ganzen verträgt. Jeder einzelne Staat kann seine Institutionen nach
seinen Bedürfnissen ordnen, nur dürfen sie nicht mit der Reichsverfassung im
Widerspruch stehen.
Wenn der Verlauf der Ereignisse und der Berathung der Nationalversammlung
irgend eine Abweichung von den oben aufgestellten Grundsätzen nöthig machen
sollte, so kann auf eine solche Abweichung von den Mitgliedern des linken
Centrums erst nach einer vorgängigen Berathung mit ihrer Partei eingegangen
werden.
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Die preußische Klassen-Lotterie.
(Eingesandt.)
Nach dem Plane zur 98. königl. preuß. Klassen-Lotterie besteht die 98. preuß.
Klassen-Lotterie aus 85.000 Loosen zu 45 Thaler Einsatz in Friedrichsd'or zu
5 Thaler mit 35,000 in 4 Klassen vertheilten Gewinne und 15,000
Freiloosen.
Diese 85,000 Loosen kommen vor der ersten Ziehung in das Ziehungsrad, und es
werden in jeder Klasse nur so viele Nummern der Loose gezogen, als im
gegenüberstehenden Glücksrade planmäßig Gewinne vorhanden sind.
Die 15,000 Nummern zu Freiloosen, welche die General-Lotterie-Direktion, aus
den bestehenden 85,000 Nummern, nach ihrem Gutdüncken aussucht resp. wählt,
werden von derselben zur 2., 3. und 4. Klasse zurückgehalten. Dann werden
auch noch in der 3. Klasse 12 1/2 Prozent vom Betrage sämmtlicher Freiloose
mit 22,500 Thaler in Abzug gebracht.
Es ist demnach vorerst die Frage, auf welche Weise die Gewinne, welche
zufällig auf diese zurückgehaltenen
15,000 Loosen in der ersten Ziehung,
10,000 Loosen in der zweiten Ziehung,
6000 Loosen in der dritten Ziehung
fallen, vertheilt werden? Und ebenso warum in der 3. Klasse der Abzug von
22,500 Thaler gemacht wird? Bis heute ist dem Publikum hierüber nichts
bekannt geworden, es steht daher zu vermuthen, daß die
General-Lotterie-Direktion diese, als eine gute Prise in ihre Tasche
gesteckt hat, ungeachtet daß sie durchaus keine Verantwortlichkeit sowohl
für das eine wie für die zurückgehaltenen Freiloose übernimmt, indem nach §
6 des Lotterieplans, für jedes in den 3 ersten Klassen herausgekommene Loos,
der Spieler, außer dem planmäßigen Gewinnbetrag, noch ein für die
nachfolgende Klasse einsatzfreies Loos erhält, wofür
jedoch die Einsätze der schon gezogenen Klassen, und zwar zur
2. Klasse mit 10 Thaler,
3. Klasse mit 20 Thaler, und zur
4. Klasse mit 30 Thaler in Gold
nebst Schreibgebühren in Silbergeld nachbezahlt, und letztere auch für die
Klasse, worauf das Freiloos lautet, mit entrichtet werden müssen.
Auch die Einforderung der Freiloose muß bis 3 Tage vor Anfang der nächsten
Klasse, wie bei den Erneuerungsloosen, bei Verlust des weiteren Anrechts
geschehen.
Daß die General-Lotterie-Direktion bei den Bekanntmachungen, der in den 3
ersten Klassen herausgekommenen Gewinns-Nummern, die Orte wohin die
Hauptgewinne bis zu 200 Thaler gefallen sind, nicht zugleich bekannt macht
und dieses nur bei der letzten Klasse, nämlich der 4. Klasse, wo sie keine
Freiloose mehr in Händen hat, geschieht, ist leicht begreiflich, indem in
dem Falle, wenn sie dieses mittheilte, alsdann auch dem Publikum bekannt
würde, welche bedeutende Summe auf die von der General-Lotterie-Direktion
noch in Händen habenden Freiloose gefallen waren.
Bei der letzten Klasse, wo alle Freiloose ausgegeben, kann sie diesen frei
und offen dem Publikum mittheilen.
Nach §. 10. des Lotterie-Plans, werden von allen Gewinnen 121/2 Prozent für
die General-Lotterie-Kassa und 31/3 Prozent in Gold, für die Einnehmer in
Abzug gebracht. ‒ Die General-Lotterie-Kassa erhält daher, da die Lotterie
wie bekannt zweimal in einem Jahre gezogen wird, alle 4 Jahre den ganzen
Einsatz einer Ziehung mithin eine Summe von 3,470,000 Thaler in
Friedrichsd'or zu 5 Thaler geschrieben: Drei Millionen, vierhundert,
siebenzig Tausend Thaler preußisch Courant in Gold!!!
Dieses macht in einem Jahre eine Summe von 867,500 Thaler
ferner: 22500 Thlr.
ferner: 22500 Thlr.
45,000
Thaler für die in den beiden halben Jahren in der 3. Klasse abgezogenen 121/2
Prozent der Freiloose.
In einem Jahr Thaler 912,500 in Gold ausser den Gewinnen welche auf die
reservirten 15000 Freiloose fallen, so wie ausser den Zinsen welche die
Direction aus den längstbezahlten Einsätzen bis zur letzten Ziehung und bis
zum Bezahlstage der Gewinne erhält.
Wenn man nun diese Abzüge gegen die Gesammt-Gewinne der 3 ersten Klassen
vergleicht so ergibt sich
1. Gewinne der ersten Klasse abzüglich der 4000 Freilose Thlr. 97500
2. Gewinne der zweiten Klasse abzüglich der 5000 Freilose Thlr. 178000
3. Gewinne der dritten Klasse abzüglich der 6000 Freilose Thlr.
so wie abzüglich der 12 1/2 Prozent vom Betrage sämmtl. Freil. Thlr.
282000
Summa der Gewinne der 3 ersten Klassen Thaler 557500
Hieraus stellt sich ganz klar, daß die General-Lotterie-Klasse in einem Jahre
ohngefähr noch einmal so viel erhält, wie die sämmtlichen Gewinne der 3
ersten Klassen einer Lotterie betragen.
Die Lotterie-Direction zieht nämlich in einem Jahre den Spielern für sich ab
Thaler 912,500. ‒
Dagegen können die Spieler in den 3 ersten Klassen einer Ziehung nur gewinnen
Thaler 557,500. ‒
Wir wollen jetzt einmal beleuchten, wie viel den Spielern von den bei einer
Klassen-Lotterie bezahlten Thlr. 3,470,000
und Thlr. 50,000
Schreibgebühr für die Einnehmer
abzüglich aber Kosten etc. noch Netto
übrig bleiben.
Für die Lotterie-Direction werden in Abzug gebracht:
1. 12 1/2 Prozent vom Betrage sämmtlicher Freiloose Thlr. 22,500 ‒
2. 12 1/2 Prozent vom Betrage der Gewinne nämlich von
3,267500 Thlr. abzüglich obiger 22500 Thlr.
408437. 15
Für die Lotterie Einnehmer 3 1/3 Prozent vom Betrage der Gewinne 108916. 20
ferner erhalten die Lotterie Einnehmer 20 Sgr. Schreibgebühren per Loos;
85000 Loose à 20 Sgr. ‒ Thlr. 56666. 20 Sgr. in Silber oder Thlr 50000 in
Gold.
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[
**
]
Neuß, 8.
Juni.
In der ersten Sitzung des hiesigen demokratischen Klubs wurde folgende
Adresse an die Versammlung der Volksvertreter zu Berlin beschlossen und
bereits mit vielen Unterschriften bedeckt, welche in den ersten Tagen
abgehen wird:
Hohe Versammlung!
Nachdem uns der König in jenen ewig denkwürdigen Tagen des März eine auf breitester Grundlage basirte Konstitution verheißen
hatte, durften wir erwarten, daß diese Verheißung recht bald in Erfüllung
gehen werde. Obschon das jetzige Ministerium, trotz aller vom Volke
gemachten Protestationen, durch die Einberufung des sogenannten Vereinigten
Landtags, durch Erlaß eines Wahlgesetzes mit indirekten Wahlen, durch die
Zurückberufung des Prinzen von Preußen schon hinlänglich bekundet hatte, daß
es seine Stellung nicht begreife, so glaubten und hofften wir dennoch, daß
es bei Erlaß des Konstitutionsentwurfs endlich über alle äußern Rücksichten
hinwegsehen, sich auf die Höhe seines Standpunktes stellen und dem Volke
eine Verfassung vorlegen werde, die es unzweifelhaft neben die freiesten
Nationen der Erde in eine Linie stellen werde.
Wir haben uns aber aufs schmerzlichste getäuscht gefunden. Der vorgelegte
Gesetzentwurf entspricht den gerechten Ansprüchen des Volkes in keiner
Weise, doch enthalten wir uns, die einzelnen Bestimmungen desselben einer
Kritik zu unterwerfen, da dies bereits durch die in der Presse sich
kundgebende öffentliche Meinung hinlänglich geschehen ist und noch täglich
geschieht, und erlauben uns, Eine hohe Versammlung aus zwei Gründen um
unbedingte Verwerfung dieses Machwerkes aufs dringendste zu ersuchen, ohne
sich auf eine zeitraubende Diskussion desselben einzulassen. Der erste
dieser Gründe st der, daß es nicht möglich ist, ein starkes Gebäude
aufzurichten, ohne ein dauerhaftes Fundament zu legen. Das Fundament einer
guten Verfassung kann aber nur in der
vollständigsten Anerkennung der
Volks-Souverainetät
bestehen. Da jedoch in dem vorgelegten Entwurfe dieses Grundprinzip durchaus
fehlt, so würde das darauf, wenn auch mit einzelnen Abänderungen des
ursprünglichen Bauplanes, errichtete Staatsgebäude fortwährend wanken und
beim ersten Stoße vollständig zusammenbrechen. Der zweite unserer Gründe ist
aber ein noch viel gewichtigerer: Der konstituirenden
[0046]
Nationalversammlung in Frankfurt steht
allein das
Recht zu, eine für ganz Deutschland bindende Verfassung festzustellen. Wozu
also eine preußiesche, eine baierische, eine hannoversche Verfassung? Die
Regierung ist trotz der dagegen erhobenen reaktionären Zweifel verpflichtet,
die Beschlüsse des Frankfurter Parlaments als konstituirend anzuerkennen,
also hieße es die kostbare Zeit vergeuden, den Gesetzvorschlag des
Ministeriums zu debattiren.
Verwenden Sie Ihre Kräfte lieber auf Erlaß von Gesetzen zur Abhülfe des
speziell in Preußen herrschenden Nothstandes, auf Belebung des ganz
darniederliegenden Handels und der Industrie und Sie werden sich den Dank
des ganzen Landes sichern. Die eigentliche Verfassungsfrage aber ist, wi
gesagt, lediglich Sache des Frankfurter Parlamentes und wird hoffentlich
bald zum Ruhm und zur Ehre der ganzen Nation gelöst werden.
Die unterzeichneten Bürger von Neuß sprechen daher das zuversichtliche
Vertrauen aus, daß die hohe Versammlung Ihre Stellung erkennen und den Ihr
vorgelegten reaktionären Verfassungs-Gesetzentwurf ohne Diskussion
entschieden von sich weisen wird.
Neuß, den 6. Juni 1848.
Einer hohen Versammlung Ergebenste.
(Folgen die Unterschriften).