Französische Republik.
@xml:id | #ar010_019 |
@type | jArticle |
@facs | 0043 |
[*] Das französische Volk wird seit einigen Tagen
mit einem finanziellen Kauderwelsch mystifizirt, das seines Gleichen in der
Geschichte der Politik der Agiotage sucht. Die großen Bürger Billault,
Berryer, Faucher, Lasteyrie, Bineau haben ein Mittel entdeckt, um den
öffentlichen Kredit zu retten, um alle socialen Fragen zu lösen. Gegenüber
den Phrasen der Februarrevolution von Organisation der Arbeit,
Nationalwerkstätten, demokratischer Regulirung des Kreditwesens und
dergleichen Phantastereien schlagen diese gewiegten Männer eine solide
ökonomische Maßregel vor, deren Resultat alle Erwartungen übertreffen muß.
Diese Maßregel ist die Verwandlung der schwebenden Schuld in eine
konsolidirte, der Austausch der Schatzbons und Sparkassenbücher gegen
5prozentige Renten zu dem jetzigen Kurse der Staatsschuldscheine, nämlich zu
70 Fr.
Konsolidirte Schuld! Schwebende Schuld! 5prozentige! Kurs zu 70 Fr. Das
profane Volk muß inne werden, daß die Zeit jener großen Fragen
wiedergekehrt, wo nur über den Finanzen und der Börse ergraute Männer ein
Wort drein zu reden haben! Aber hinter den Mysterien dieser Männer lauert
sein Wohl!
Die Sache ist einfach so. Einer hat dem Staat Geld geliehen. Er erhält nicht
nur Zinsen für dies Geld, sondern kann die vorgeschossene Summe selbst nach
einem gewissen Zeitraume zurückerhalten oder muß sie auch zurücknehmen,
sobald der Staat dies verlangt. In diesem Fall heißt die Schuld des Staats
eine schwebende Schuld, die also wesentlich dadurch
bestimmt ist, daß der Staat sich zur Rückzahlung des vorgeschossenen
Kapitals verpflichtet. Gesetzt aber, es werde dem Staate Geld geliehen blos
unter der Bedingung, Zinsen zu zahlen, ohne je das Kapital zurückzahlen zu
müssen oder zurückzahlen zu dürfen ohne Einwilligung des Mannes, der's ihm
geliehen hat ‒ so heißt diese Staatsschuld eine konsolidirte Schuld. Sie wird zu dem Stock der Staatsschuld
geschlagen. In diesem Fall gibt der Staat einen Schuldschein, den ich, falls
ich mein Kapital nöthig habe, auf der Börse verkaufen kann. Der Preis dieser
Schuldscheine wechselt, wie der aller andern Werthe, jenachdem viel oder
wenig Nachfrage danach auf dem Markte stattfindet. Der jedesmalige Preis
dieser Scheine auf der Börse heißt ihr Kurs. Die Verwandlung einer
schwebenden Schuld in eine konsolidirte Schuld läßt die Schuld also nach wie
vor bestehen. Sie verändert nur die Form des
Schuldverhältnisses. Und in diesem trivalen Finanzmanöver glauben die
Weisen, Billault, Faucher, Berryer und Konsorten den Stein der Weisen
gefunden zu haben. Aber nein. So seicht die ökonomische Bildung dieser
Routiniers der alten Schule ist, sie sind weit davon entfernt, sich solche
Illusion zu machen. Unter dem Vorwand, den Kredit und die Industrie zu
retten und einmal wie Berryer sagt etwas
Erkleckliches für das arme Frankreich zu thun, verbirgt sich eine
große Mystifikation und eine ganze Reihe von kleinen Ränken, Börsenränken,
und parlamentarischen Ränken. Die große Mystifikation haben wir schon
angedeutet. Durch die mysteriöse Wichtigkeit, die solchen unbedeutenden
Verhandlungen gegeben wird, soll die Theilnahme des Volks an den
ökonomischen Fragen, die seine Lebensfragen sind, ermüdet, gefoppt, getödtet
werden.
Und nun die Börsenränke! Es ist bekannt, daß die Regierung Louis Philipps das
in den Sparkassen deponirte Geld der kleinen Bürger, Handwerker, Dienstboten
und Arbeiter vergeudet hatte. Es ist ferner bekannt, daß die Schatzbons, von
deren Verwandlung in 5pCtige Staatsschuldscheine hier die Rede ist,
ebenfalls königliche Schatzbons sind, daß die Summen, wofür diese
Zinsentragenden Wechsel ausgestellt wurden, von derselben königl. Regierung
verausgabt worden sind. Es ist endlich bekannt, daß die Regierung der
Republik in diesem Augenblicke nicht in der Lage ist, die Schulden des
Königthums zu liquidiren und die von den Besitzern der Sparkassenbücher und
Schatzbons vorgeschossenen Summen zurückzuzahlen. Was bezweckt nun die
Verwandlung der Schatzbons und Sparkassenbücher in 5pCtige Renten zum
heutigen Kurse?
In diesem Augenblick steht der Kurs der Staatspapiere sehr niedrig, auf 70
Fr. Die Besitzer der Schatzbons also erhalten 5pCtige Renten für je 70 Fr.,
die der Staat ihnen schuldet. Sie erhalten also wirklich 71/7 pCt. und
diesen Herren 71/7 pCt. auszahlen statt der ursprünglich ihnen zukommenden 5
pCt., ist das nicht ein Mittel, die Arbeiterfrage zu lösen und Frankreich zu
retten?
Ferner: Der Cours der Staatspapiere wird nicht immer auf 70 Fr. stehen.
Entweder macht der Staat Bankerut oder der Cours steigt auf 80 Fr., über 80
Fr. Dieselben Herren, die früher 70 Fr. dem Staat für ihre Renten gegeben,
verkaufen sie dann später auf der Börse zu 80 Fr. und ist das nicht wieder
ein Nettoprofit für das Volk der Franzosen? Die kleineren Kaufleute und
Industriellen werden gezwungen, die Renten, die sie für ihre Schatzbons
einlösen, sofort auf der Börse loszuschlagen. Der Cours der
Staats-Schuldscheine wird also durch diese enorm große Zufuhr noch mehr
fallen. Die Leute müssen ihre Renten zu Spottpreisen verkaufen, aber ist so
nicht den großen Kapitalisten Gelegenheit gegeben, sich auf billigerem Wege
in den ausschließlichen Besitz dieser Renten zu setzen? und so sehr die
Herren gegen die Konzentration der Eisenbahnen in den Händen des Staats
sind, so sehr sind sie für die Konzentration der Eisenbahnen in den Händen
des Staats sind, so sehr sind sie für die Konzentration der
Staatsschuldscheine in den Taschen der Finanzbarone. Endlich, welch frisches
Leben verspricht die Börse, sobald sie mit einer Masse neuer Effekten
überschwemmt wird, welchen Handel und Wandel! Der Staat kann offenbar nicht
besser die in Agonie versunkene Industrie beleben, als indem er eine
fieberhafte Agiotage hervorruft. Was nun die Besitzer der Sparkassenbücher
angeht, so betragen die Summen, welche sie, die kleineren Leuten, dem Staate
geliehen haben, selten 100 Fr., sind also nicht einmal gegen die geringsten
Staatsschuldscheine auswechselbar. Für die Sparkassenbücher ist die Maßregel
daher rein illusorisch. Das sehr praktische an der Sache ist, daß die
kleinen Leute abwarten können, bis der Staat die ihm vorgeschossenen
Kapitalien wiedererstatten kann, die großen Herren aber 71/7 pCt. garantirt
erhalten und neue Beute für die Agiotage.
Endlich die parlamentarische Ränke!
Man erschwert der Regirung den Ankauf der Eisenbahnen, indem man durch die
Verwandlung der schwebenden Schuld in eine konsolidirte die Börse mit einer
Masse Renten überschwemmt, den Cours der Renten also noch tiefer herabdrückt
und so der Regierung, welche die Eisenbahnaktien nur mit Staatsrenten zu dem
jedesmaligen Course bezahlen kann, schwierigere Bedingungen vorbereitet.
Sicher ein Mittel, um die Staatslasten zu erleichtern. Aber das Ministerium
steht und fällt mit dem Eisenbahngesetz und der Sturz des Ministeriums, das
ist das letzte Wort dieser kleinen parlamentarischen Advokaten. Nur so kann
man begreifen, daß die ganze Sitzung vom 6. Juni damit hinging, zu
debattiren, welcher Gesetzvorschlag die Priorität haben solle, der Vorschlag
des Finanzcomité über die Schatzbons und Sparkassenbücher oder der Vorschlag
des Finanzministeriums über den Eisenbahnankauf. Die Gesetze, die Interessen
des Volkes, die Rechte der Arbeiter, der Nationalreichthum, für die Cabone
der konstitutionellen Monarchie, für die ernsten Männer der Praxis sind das
alles nur Formeln, um ein Ministerium anzugreifen und zu vertheidigen. Bei
dieser Gelegenheit fanden zudem die versteckten legitimistischen und
konstitutionellen Contrerevolutionäre die schönste Gelegenheit, unter dem
Vorwand der zärtlichsten Sorglichkeit für den Kredit und die Republik der
geängsteten Phantasie der Bürger die schauerlichsten Bankerutgespenster
vorvorzuführen. Dies war die letzte Pointe der Deklamationen eines Berryer,
des Freundes Karl X. und eines Billault, des Kameraden von Thiers.
Sitzung der N-Versammlung vom 6. Juni. In der
heutigen Sitzung wurde, nach einigen Neben-Diskussionen, von Hrn. Bineau der
Bericht des Finanzcomités depoirt über den Vorschlag der Regierung, die
Eisenbahnen anzukaufen vorgelegt. Das Comité schlug vor, diesen Vorschlag zu
verwerfen. An der Tagesordnung ist die Diskussion über den Gesetzvorschlag
des Finanzcomités wegen Zahlung der Schatzbons und der Sparkassengelder. Hr.
Faucher, Mitglied des Comités, bemerkt daß der
Vorschlag durch ein Versehen auf die Tagesordnung gekommen sei und das
Comité bloß wünsche, daß zu seiner Diskussion ein Tag festgesetzt werde. Es
entspinnt sich eine Diskussion darüber, welcher Gegenstand zuerst diskutirt
werden soll: Der Eisenbahn Vorschlag oder der Vorschlag des Comités. An der
Diskussion betheiligten sich u. A. Hr. Garnier Pagés, Lasteyrie, Duclerc,
Berryer, Billault, Laboissière, Reynal. Die ganze Sitzung geht darüber hin
und endlich wird entschieden mit 387/362 Stimmen, daß der ministerielle
Vorschlag zuerst diskutirt werden soll.
‒ Nach den bisher bekannt gewordenen Wahlen, zählen in Paris die Herren
Thiers, Changarnier, Goudchaux, Moreau, Girardin, Fould, Caussidière, Hugo,
Lay, Boussel, Passy die meisten Stimmen. ‒ In Alençon soll Thiers gewählt
sein. ‒ In Rouen haben die meisten Stimmen die Herren Loyer, Thiers und Ch.
Dupin. ‒ Von den Wahlen im Departement du Nord sind bekannt geworden die
Herren Antony Thouret, Ulysse Tencé, Mimerel und Genoude.
‒ Der von der Exutivkommission in der Sitzung vom 5. Juni durch das Organ des
Herrn Recurt, Minister des Innern, vorgelegte Dekretentwurf über öffentliche
Volkszusammenschaarungen lautet, wie folgt:
„Die Kommission der exekutiven Gewalt beschließt:
Art. 1. Jede bewaffnete Zusammenschaarung auf den Straßen ist untersagt.
Gleichfalls ist jede nicht bewaffnete Zusammenschaarung untersagt, die die
öffentliche Ruhe stören könnte.
Art. 2. Die bewaffnete Zusammenschaarung konstituirt ein Verbrechen, wenn sie
nicht auf die erste Sommation sich auflöst. Sie konstituirt kein Verbrechen,
wenn sie auf die erste Sommation ohne Widerstand sich auflöst.
Art. 3. Die Zusammenschaarung ist bewaffnet: 1) wenn mehre Individuen, die
sie bilden, offen Waffen tragen oder geheime Waffen bei sich führen. 2) Wenn
sich ein einziges Individuum, das Waffen trägt, in der Masse befindet, und
nicht sofort von denen, welche die öffentliche Zusammenrottirung bilden,
verjagt wird.
Art. 4. Wenn eine bewaffnete oder unbewaffnete Zusammenschaarung sich auf
öffentlichem Platze gebildet hat, werden sich der Maire oder einer seiner
Adjutanten, oder in Ermangelung derselben, ein Polizei-Kommissär oder jeder
andre Agent oder Depositär der öffentlichen Gewalt und der exekutiven Macht,
mit der trikolen Schärpe umhangen, an den Ort der Zusammenschaarung begeben.
Ein Trommelwirbel wird die Ankunft des Magistrats ankündigen. Ist die
Zusammenschaarung bewaffnet, so wird der Magistrat sie auffordern, sich
aufzulösen und zurückzuziehn. Bleibt diese erste Aufforderung wirkungslos,
so wird die Magistratur eine zweite Aufforderung erlassen, der neues
Trommelwirbeln vorhergeht. Im Fall der Widersetzlichkeit, wird die
Zusammenschaarung durch Gewalt zerstreut. Ist die Zusammenschaarung
bewaffnet, so wird der Magistrat, nach dem ersten Trommelwirbel, die Bürger
ermahnen, auseinanderzugehn. Ziehn sie sich nicht zurück, so werden drei
aufeinanderfolgende Aufforderungen an sie ergehn. Im Fall der
Widersetzlichkeit wird die Zusammenschaarung gewaltsam auseinandergetrieben
werden.
Art. 5. Wer Theil an einer bewaffneten Zusammenschaarung nimmt, wird bestraft
werden, wie folgt: Hat sich die Zusammenschaarung aufgelöst nach der ersten
Sommation und ohne Gebrauch von ihren Waffen zu machen, so wird die Strafe 6
Monate bis zwei Jahre Gefängniß betragen. Hat sich die Zusammenschaarung
während der Nacht gebildet, so wird die Strafe zwei bis fünf Jahre Gefängniß
betragen. Hat sich die Zusammenschaarung erst nach der zweiten Sommation
aufgelöst, aber vor der Anwendung von Gewalt und ohne Gebrauch von den
Waffen gemacht zu haben, so wird die Strafe zwei bis fünf Jahre betragen und
drei bis sechs Jahre, wenn die Zusammenschaarung sich während der Nacht
gebildet hat. Hat sich die Zusammenschaarung erst zerstreut vor der Gewalt
und nach Anwendung von Waffen, so wird die Strafe 5 bis 10 Jahre Einsperrung
betragen. Sie wird von 8 bis 12 Jahren sein, wenn die Zusammenschaarung sich
während der Nacht gebildet hat. In allen Fällen wird den Schuldigen die
Ausübung ihrer bürgerlichen Rechte untersagt werden.
Art. 6. Wer Theil nimmt an einer nicht bewaffneten Zusammenschaarung und sie
nicht verlassen hat nach dem Trommelwirbel, der der zweiten Sommation
vorhergeht, wird mit einer Gefängnißstrafe von 3 Monaten bis zu einem Jahre
bestraft werden Hat die Zusammenschaarung nur durch Waffengewalt auseinander
gesprengt werden können, so wird die Strafe 15 bis 18 Monaten. betragen.
Art. 7. Jede Provocation zu einer bewaffneten oder nicht bewaffneten
Zusammenschaarung durch Rede, Schrift, Drucksachen, seien sie vertheilt oder
affichirt, wird bestraft werden, wie das Verbrechen oder das Vergehen
selbst, gemäß den obengemachten Unterscheidungen. Die Drucker, Graveurs,
Lithographen, Afficheurs und Vertheiler werden wie Mitschuldige bestraft
werden. Ist die auf erwähntem Wege statthabende Provocation erfolglos so,
wird sie mit 6 Monaten bis zu einem Jahre Gefängniß bestraft werden, wenn es
sich von einer Provocation zu nächtlicher und bewaffneter Zusammenschaarung
handelt, mit einer Gefängnißstrafe von einem bis drei Monaten, wenn es sich
um eine unbewaffnete Zusammenschaarung handelt.
Art. 8. Die gerichtlichen Verfolgungen wegen des Verbrechens oder des
Vergehens der Zusammenschaarung, schließen die gerichtlichen Verfolgungen
für besondere Verbrechen oder Vergehen nicht aus, die während der
Zusammenschaarungen Statt hatten.
Art. 9. Der Artikel 483 des Strafgesetzbuches ist anwendbar auf die durch
dieses Gesesetz vorgesehenen oder bestraften Vergehen.
Art. 10. Die Verfolgungen wegen des Vergehens oder des Verbrechens der
Zusammenschaarung werden vor die Assisengerichte gebracht werden.
So geschehen im Luxembourg, den 5. Juni 1848.
Die Mitglieder der Executivgewalt:
F. Arago, Ledru-Rollin, Lamartine, Marie,
Garnier-Pagès.
Dieses unglaubliche Actenstück haben die Herren Ledru-Rollin und Lamartine
unterschrieben!
Herr Recurt hat die Vorlage dieses Dekretentwurfs an
die Nationalversammlung mit folgenden salbungsvollen Gemeinplätzen
eingeleitet: „Auf dem ersten Plan der Rechte steht das Recht der
Vereinigung, das heißt für den Menschen das Recht in Gemeinschaft mit
anderen Menschen zu leben, und so den gesellschaftlichen Fortschritt zu
verwirklichen, durch den steten Austausch der Ideen, der Empfindungen und
des Willens.“ Und um dieß erste Recht, um diese Bedingung des gesellschaftlichen Fortschritts zu verwirklichen,
findet die executive Kommission kein besseres Mittel, als dem ersten besten
Agenten der öffentlichen Gewalt, das heißt, der
Polizei freizustellen, die unschuldigste
Versammlung für Ruhestörung zu erklären und durch diese Zauberformel die Ausübung des Rechts in ein Verbrechen zu
verwandeln. Aber der gute Recurt! Die alten fünf und zwanzig jährigen
republikanischen Erinnerungen tauchen in ihm auf, die alten republikanischen
Redensarten stürzen sich ungerufen hervor, und erst als er den Dekretentwurf
vorliest, fällt ihm ein, daß er einen Anachronismus begangen hat. Das Dekret
schlägt die Schreiber, Drucker, Vertheiler und Afficheurs mit Interduktion oder setzt sie allen
Zufällen einer gerichtlichen Loterie aus. Schuldet man eine Schrift an, sie
habe zu öffentlichen Zusammenkünften provonirt, so werden Alle als
Mitschuldige betrachtet, Alle, selbst die Afficheurs. Warum nicht auch die
Setzer, welche die Typen zusammengestellt, warum nicht die Arbeiter, welche
die Presse geheizt, um Exemplare daraus zu ziehen und die Zeitungsfalter,
welche die Bande um sie geschlagen haben? Hebert der
Erfinder der complicité rorale hat seinen Meister gefunden in Ledru-Rollin,
der seiner Zeit den Dupoty gegen die Lehre, von der complicité rorale vor
dem Pairshofe zu Paris vertheidigte. Aber das war lang vor der
Februarrevolution. Noch mehr. Wenn die Provocation zu einer
Zusammenschaarung, selbst zu einer unbewaffneten Zusammenschaarung ohne
Erfolg war, so konstituirt sie ein Hauptvergehen und wird mit
Gefängnißstrafe belegt. Welche Consequenz! Das Dekret straft jeden, der in
einer unbewaffneten Zusammenschaarung nach der ersten Sommation sich nicht
freiwillig zurückzieht. Wenn die Provocation erfolglos wenn also im Sinne
des Strafgesetzes keine Zusammenschaarung stattgefunden, wie hat der
Schreiber, der zu ihr provocirte, ein Verbrechen begehen können! Außerdem
müßte die Zusammenschaarung nach dem Dekret die öffentliche Ruhe haben
stören können, denn das Dekret erklärt, nur diese
Art der Zusammenschaarung zu untersagen. Und wenn die Massen nach der ersten
Aufforderung auseinander gegangen, durch welche Spitzfindigkeit
herausbringen, daß die öffentliche Zusammenrottung hätte gefährlich werden
können! Es heißt dieß in andern Worten: Es ist verboten, zu öffentlichen
Reunionen aufzufordern, es sei denn mit Willen, Wissen und Gutdünken der
allergnädigsten Polizei. Die bewaffneten
Zusammenschaarungen werden nun gar mit 5, 6, 10 Jahren bestraft und nach dem
Dekretentwurf findet eine bewaffnete Zusammenkunft Statt, wenn ein einziges der Individuen, die sie bilden, Waffen trägt und nicht unmittelbar von den übrigen Mitgliedern der öffentlichen
Zusammenkunft verjagt wird! Es braucht sich also nur ein Spion bei einem
öffentlichen Auflauf einzumischen, einen Degenstock in der Hand, um jede
beliebige Zusammenschaarung in eine bewaffnete zu
verwandeln, sämmtliche Neugierige 6 Jahre ins Zuchthaus zu bringen, wenn sie
nicht auf der Huth waren und sofort den Störefried verjagten. Die
öffentlichen Zusammenschaarungen finden besser gar nicht Statt ‒ das ist die
Pointe dieses Musterdekrets, die letzte Rednerblume Lamartines, die letzte
Lava, die der revolutionäre Vulkan Ledru-Rollin auf die Oberfläche
geschleudert hat.
‒ Letzten Samstag fand hier eine rührende Reunion Statt. Die
Februarverwundeten, unter Anführung ihres Präsidenten, fraternisirten mit
den Julidekorirten. Acht hundert Bürger wohnten diesem Familienfest bei. Ein
Februarverwundeter entlockte der ganzen Versammlung Thränen, als er sagte,
daß die Republik, kaum 3 Monate nach ihrer Geburt, ihr demokratisches
Princip so sehr verläugne, daß sie es der Sorge des Zufalls und der
öffentlichen Wohlthätigkeit überlasse, den Bürgern, welche für sie gefallen,
die letzte Ehre zu erweisen. Nach den ersten pomphaften Ceremomonien der
Bestattung der Opfer des Februars am Fuße der Julisäule, wirft man heute in
die gemeinschaftliche Armengruft die plebejischen Verwundeten, die in ihrem
Hause an den Folgen ihrer Wunden verschieden sind. Frauen, welche dieser
Runion beiwohnten, bewiesen durch ihr Schluchzen, daß ihnen nicht einmal der
Trost geblieben, auf dem Grab ihrer Männer zu weinen, die für die Republik
gefallen. Wozu auch ein besonderes Grab für die Kanaille? ‒