Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

schien zum völligen Aufblühen der alten
Herrlichkeit nur noch die Prinzessin zu feh¬
len. Eines Abends, da es gerade jährig
wurde, daß sie verschwand, war der ganze
Hof im Garten versammelt. Die Luft war
warm und heiter; ein leiser Wind tönte nur
oben in den alten Wipfeln, wie die Ankün¬
digung eines fernen fröhlichen Zuges. Ein
mächtiger Springquell stieg zwischen den
vielen Fackeln mit zahllosen Lichtern hinauf
in die Dunkelheit der tönenden Wipfel, und
begleitete mit melodischem Plätschern die
mannichfaltigen Gesänge, die unter den
Bäumen hervorklangen. Der König saß auf
einem köstlichen Teppich, und um ihn her
war der Hof in festlichen Kleidern versam¬
melt. Eine zahlreiche Menge erfüllte den
Garten, und umgab das prachtvolle Schau¬
spiel. Der König saß eben in tiefen Gedan¬
ken. Das Bild seiner verlornen Tochter

ſchien zum völligen Aufblühen der alten
Herrlichkeit nur noch die Prinzeſſin zu feh¬
len. Eines Abends, da es gerade jährig
wurde, daß ſie verſchwand, war der ganze
Hof im Garten verſammelt. Die Luft war
warm und heiter; ein leiſer Wind tönte nur
oben in den alten Wipfeln, wie die Ankün¬
digung eines fernen fröhlichen Zuges. Ein
mächtiger Springquell ſtieg zwiſchen den
vielen Fackeln mit zahlloſen Lichtern hinauf
in die Dunkelheit der tönenden Wipfel, und
begleitete mit melodiſchem Plätſchern die
mannichfaltigen Geſänge, die unter den
Bäumen hervorklangen. Der König ſaß auf
einem köſtlichen Teppich, und um ihn her
war der Hof in feſtlichen Kleidern verſam¬
melt. Eine zahlreiche Menge erfüllte den
Garten, und umgab das prachtvolle Schau¬
ſpiel. Der König ſaß eben in tiefen Gedan¬
ken. Das Bild ſeiner verlornen Tochter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0099" n="91"/>
&#x017F;chien zum völligen Aufblühen der alten<lb/>
Herrlichkeit nur noch die Prinze&#x017F;&#x017F;in zu feh¬<lb/>
len. Eines Abends, da es gerade jährig<lb/>
wurde, daß &#x017F;ie ver&#x017F;chwand, war der ganze<lb/>
Hof im Garten ver&#x017F;ammelt. Die Luft war<lb/>
warm und heiter; ein lei&#x017F;er Wind tönte nur<lb/>
oben in den alten Wipfeln, wie die Ankün¬<lb/>
digung eines fernen fröhlichen Zuges. Ein<lb/>
mächtiger Springquell &#x017F;tieg zwi&#x017F;chen den<lb/>
vielen Fackeln mit zahllo&#x017F;en Lichtern hinauf<lb/>
in die Dunkelheit der tönenden Wipfel, und<lb/>
begleitete mit melodi&#x017F;chem Plät&#x017F;chern die<lb/>
mannichfaltigen Ge&#x017F;änge, die unter den<lb/>
Bäumen hervorklangen. Der König &#x017F;aß auf<lb/>
einem kö&#x017F;tlichen Teppich, und um ihn her<lb/>
war der Hof in fe&#x017F;tlichen Kleidern ver&#x017F;am¬<lb/>
melt. Eine zahlreiche Menge erfüllte den<lb/>
Garten, und umgab das prachtvolle Schau¬<lb/>
&#x017F;piel. Der König &#x017F;aß eben in tiefen Gedan¬<lb/>
ken. Das Bild &#x017F;einer verlornen Tochter<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0099] ſchien zum völligen Aufblühen der alten Herrlichkeit nur noch die Prinzeſſin zu feh¬ len. Eines Abends, da es gerade jährig wurde, daß ſie verſchwand, war der ganze Hof im Garten verſammelt. Die Luft war warm und heiter; ein leiſer Wind tönte nur oben in den alten Wipfeln, wie die Ankün¬ digung eines fernen fröhlichen Zuges. Ein mächtiger Springquell ſtieg zwiſchen den vielen Fackeln mit zahlloſen Lichtern hinauf in die Dunkelheit der tönenden Wipfel, und begleitete mit melodiſchem Plätſchern die mannichfaltigen Geſänge, die unter den Bäumen hervorklangen. Der König ſaß auf einem köſtlichen Teppich, und um ihn her war der Hof in feſtlichen Kleidern verſam¬ melt. Eine zahlreiche Menge erfüllte den Garten, und umgab das prachtvolle Schau¬ ſpiel. Der König ſaß eben in tiefen Gedan¬ ken. Das Bild ſeiner verlornen Tochter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/99
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/99>, abgerufen am 23.11.2024.