Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

trer Stirn in den dunkeln Abgrund hin, sein
wunderthätiges Werkzeug im Arm. Er hat¬
te kaum die glänzenden Wogen berührt, so
hob sich der breite Rücken eines dankbaren
Unthiers unter ihm hervor, und es schwamm
schnell mit dem erstaunten Sänger davon.
Nach kurzer Zeit hatte es mit ihm die Küste
erreicht, nach der er hingewollt hatte, und
setzte ihn sanft im Schilfe nieder. Der Dich¬
ter sang seinem Retter ein frohes Lied, und
ging dankbar von dannen. Nach einiger
Zeit ging er einmal am Ufer des Meers al¬
lein, und klagte in süßen Tönen über seine
verlohrenen Kleinode, die ihm, als Erinne¬
rungen glücklicher Stunden und als Zeichen
der Liebe und Dankbarkeit so werth gewe¬
wesen waren. Indem er so sang, kam plöz¬
lich sein alter Freund im Meere fröhlich da¬
her gerauscht, und ließ aus seinem Rachen
die geraubten Schätze auf den Sand fallen.

trer Stirn in den dunkeln Abgrund hin, ſein
wunderthätiges Werkzeug im Arm. Er hat¬
te kaum die glänzenden Wogen berührt, ſo
hob ſich der breite Rücken eines dankbaren
Unthiers unter ihm hervor, und es ſchwamm
ſchnell mit dem erſtaunten Sänger davon.
Nach kurzer Zeit hatte es mit ihm die Küſte
erreicht, nach der er hingewollt hatte, und
ſetzte ihn ſanft im Schilfe nieder. Der Dich¬
ter ſang ſeinem Retter ein frohes Lied, und
ging dankbar von dannen. Nach einiger
Zeit ging er einmal am Ufer des Meers al¬
lein, und klagte in ſüßen Tönen über ſeine
verlohrenen Kleinode, die ihm, als Erinne¬
rungen glücklicher Stunden und als Zeichen
der Liebe und Dankbarkeit ſo werth gewe¬
weſen waren. Indem er ſo ſang, kam plöz¬
lich ſein alter Freund im Meere fröhlich da¬
her gerauſcht, und ließ aus ſeinem Rachen
die geraubten Schätze auf den Sand fallen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0066" n="58"/>
trer Stirn in den dunkeln Abgrund hin, &#x017F;ein<lb/>
wunderthätiges Werkzeug im Arm. Er hat¬<lb/>
te kaum die glänzenden Wogen berührt, &#x017F;o<lb/>
hob &#x017F;ich der breite Rücken eines dankbaren<lb/>
Unthiers unter ihm hervor, und es &#x017F;chwamm<lb/>
&#x017F;chnell mit dem er&#x017F;taunten Sänger davon.<lb/>
Nach kurzer Zeit hatte es mit ihm die Kü&#x017F;te<lb/>
erreicht, nach der er hingewollt hatte, und<lb/>
&#x017F;etzte ihn &#x017F;anft im Schilfe nieder. Der Dich¬<lb/>
ter &#x017F;ang &#x017F;einem Retter ein frohes Lied, und<lb/>
ging dankbar von dannen. Nach einiger<lb/>
Zeit ging er einmal am Ufer des Meers al¬<lb/>
lein, und klagte in &#x017F;üßen Tönen über &#x017F;eine<lb/>
verlohrenen Kleinode, die ihm, als Erinne¬<lb/>
rungen glücklicher Stunden und als Zeichen<lb/>
der Liebe und Dankbarkeit &#x017F;o werth gewe¬<lb/>
we&#x017F;en waren. Indem er &#x017F;o &#x017F;ang, kam plöz¬<lb/>
lich &#x017F;ein alter Freund im Meere fröhlich da¬<lb/>
her gerau&#x017F;cht, und ließ aus &#x017F;einem Rachen<lb/>
die geraubten Schätze auf den Sand fallen.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0066] trer Stirn in den dunkeln Abgrund hin, ſein wunderthätiges Werkzeug im Arm. Er hat¬ te kaum die glänzenden Wogen berührt, ſo hob ſich der breite Rücken eines dankbaren Unthiers unter ihm hervor, und es ſchwamm ſchnell mit dem erſtaunten Sänger davon. Nach kurzer Zeit hatte es mit ihm die Küſte erreicht, nach der er hingewollt hatte, und ſetzte ihn ſanft im Schilfe nieder. Der Dich¬ ter ſang ſeinem Retter ein frohes Lied, und ging dankbar von dannen. Nach einiger Zeit ging er einmal am Ufer des Meers al¬ lein, und klagte in ſüßen Tönen über ſeine verlohrenen Kleinode, die ihm, als Erinne¬ rungen glücklicher Stunden und als Zeichen der Liebe und Dankbarkeit ſo werth gewe¬ weſen waren. Indem er ſo ſang, kam plöz¬ lich ſein alter Freund im Meere fröhlich da¬ her gerauſcht, und ließ aus ſeinem Rachen die geraubten Schätze auf den Sand fallen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/66
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/66>, abgerufen am 27.11.2024.