Gedichte nicht genau an die Zeit, oder an die Person jenes bekannten Minnesängers gebunden hat, obgleich alles an ihn und sein Zeitalter erinnern soll. Nicht nur für die Freunde des Verfassers, sondern für die Kunst selbst, ist es ein unersetzlicher Ver¬ lust, daß er diesen Roman nicht hat beendi¬ gen können, dessen Originalität und große Absicht sich im zweiten Theile noch mehr als im ersten würde gezeigt haben. Denn es war ihm nicht darum zu thun, diese oder jene Begebenheit darzustellen, eine Seite der Poesie aufzufassen, und sie durch Figu¬ ren und Geschichten zu erklären, sondern er wollte, wie auch schon im letzten Kapitel des ersten Theils bestimmt angedeutet ist, das eigentliche Wesen der Poesie aussprechen und ihre innerste Absicht erklären. Darum ver¬ wandelt sich Natur, Historie, der Krieg und das bürgerliche Leben mit seinen ge¬
D 2
Gedichte nicht genau an die Zeit, oder an die Perſon jenes bekannten Minneſängers gebunden hat, obgleich alles an ihn und ſein Zeitalter erinnern ſoll. Nicht nur für die Freunde des Verfaſſers, ſondern für die Kunſt ſelbſt, iſt es ein unerſetzlicher Ver¬ luſt, daß er dieſen Roman nicht hat beendi¬ gen können, deſſen Originalität und große Abſicht ſich im zweiten Theile noch mehr als im erſten würde gezeigt haben. Denn es war ihm nicht darum zu thun, dieſe oder jene Begebenheit darzuſtellen, eine Seite der Poeſie aufzufaſſen, und ſie durch Figu¬ ren und Geſchichten zu erklären, ſondern er wollte, wie auch ſchon im letzten Kapitel des erſten Theils beſtimmt angedeutet iſt, das eigentliche Weſen der Poeſie ausſprechen und ihre innerſte Abſicht erklären. Darum ver¬ wandelt ſich Natur, Hiſtorie, der Krieg und das bürgerliche Leben mit ſeinen ge¬
D 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0397"n="51"/>
Gedichte nicht genau an die Zeit, oder an<lb/>
die Perſon jenes bekannten Minneſängers<lb/>
gebunden hat, obgleich alles an ihn und<lb/>ſein Zeitalter erinnern ſoll. Nicht nur für<lb/>
die Freunde des Verfaſſers, ſondern für<lb/>
die Kunſt ſelbſt, iſt es ein unerſetzlicher Ver¬<lb/>
luſt, daß er dieſen Roman nicht hat beendi¬<lb/>
gen können, deſſen Originalität und große<lb/>
Abſicht ſich im zweiten Theile noch mehr als<lb/>
im erſten würde gezeigt haben. Denn es<lb/>
war ihm nicht darum zu thun, dieſe oder<lb/>
jene Begebenheit darzuſtellen, eine Seite<lb/>
der Poeſie aufzufaſſen, und ſie durch Figu¬<lb/>
ren und Geſchichten zu erklären, ſondern er<lb/>
wollte, wie auch ſchon im letzten Kapitel des<lb/>
erſten Theils beſtimmt angedeutet iſt, das<lb/>
eigentliche Weſen der Poeſie ausſprechen und<lb/>
ihre innerſte Abſicht erklären. Darum ver¬<lb/>
wandelt ſich Natur, Hiſtorie, der Krieg<lb/>
und das bürgerliche Leben mit ſeinen ge¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D 2<lb/></fw></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[51/0397]
Gedichte nicht genau an die Zeit, oder an
die Perſon jenes bekannten Minneſängers
gebunden hat, obgleich alles an ihn und
ſein Zeitalter erinnern ſoll. Nicht nur für
die Freunde des Verfaſſers, ſondern für
die Kunſt ſelbſt, iſt es ein unerſetzlicher Ver¬
luſt, daß er dieſen Roman nicht hat beendi¬
gen können, deſſen Originalität und große
Abſicht ſich im zweiten Theile noch mehr als
im erſten würde gezeigt haben. Denn es
war ihm nicht darum zu thun, dieſe oder
jene Begebenheit darzuſtellen, eine Seite
der Poeſie aufzufaſſen, und ſie durch Figu¬
ren und Geſchichten zu erklären, ſondern er
wollte, wie auch ſchon im letzten Kapitel des
erſten Theils beſtimmt angedeutet iſt, das
eigentliche Weſen der Poeſie ausſprechen und
ihre innerſte Abſicht erklären. Darum ver¬
wandelt ſich Natur, Hiſtorie, der Krieg
und das bürgerliche Leben mit ſeinen ge¬
D 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/397>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.