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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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Religion, als Wissenschaft, die sogenannte
Theologie im eigentlichen Sinne? Nur eine
Gesetzordnung, die sich zur Gottesverehrung
verhält, wie die Natur zu Gott? Ein
Wortbau, eine Gedankenfolge, welche die
Oberwelt bezeichnet, vorstellt und sie auf ei¬
ner gewissen Stufe der Bildung vertritt?
Die Religion für das Vermögen der Einsicht
und des Urtheils? der Richtspruch, das Ge¬
setz der Auflösung und Bestimmung aller
möglichen Verhältnisse eines persönlichen
Wesens?

Allerdings ist das Gewissen, sagte Syl¬
vester, der eingebohrne Mittler jedes Men¬
schen. Es vertritt die Stelle Gottes auf Er¬
den, und ist daher Vielen das Höchste und
Letzte. Aber wie entfernt war die bisherige
Wissenschaft, die man Tugend- oder Sitten¬
lehre nannte, von der reinen Gestalt dieses
erhabenen, weltumfassenden persönlichen Ge¬

Religion, als Wiſſenſchaft, die ſogenannte
Theologie im eigentlichen Sinne? Nur eine
Geſetzordnung, die ſich zur Gottesverehrung
verhält, wie die Natur zu Gott? Ein
Wortbau, eine Gedankenfolge, welche die
Oberwelt bezeichnet, vorſtellt und ſie auf ei¬
ner gewiſſen Stufe der Bildung vertritt?
Die Religion für das Vermögen der Einſicht
und des Urtheils? der Richtſpruch, das Ge¬
ſetz der Auflöſung und Beſtimmung aller
möglichen Verhältniſſe eines perſönlichen
Weſens?

Allerdings iſt das Gewiſſen, ſagte Syl¬
veſter, der eingebohrne Mittler jedes Men¬
ſchen. Es vertritt die Stelle Gottes auf Er¬
den, und iſt daher Vielen das Höchſte und
Letzte. Aber wie entfernt war die bisherige
Wiſſenſchaft, die man Tugend- oder Sitten¬
lehre nannte, von der reinen Geſtalt dieſes
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[42/0388] Religion, als Wiſſenſchaft, die ſogenannte Theologie im eigentlichen Sinne? Nur eine Geſetzordnung, die ſich zur Gottesverehrung verhält, wie die Natur zu Gott? Ein Wortbau, eine Gedankenfolge, welche die Oberwelt bezeichnet, vorſtellt und ſie auf ei¬ ner gewiſſen Stufe der Bildung vertritt? Die Religion für das Vermögen der Einſicht und des Urtheils? der Richtſpruch, das Ge¬ ſetz der Auflöſung und Beſtimmung aller möglichen Verhältniſſe eines perſönlichen Weſens? Allerdings iſt das Gewiſſen, ſagte Syl¬ veſter, der eingebohrne Mittler jedes Men¬ ſchen. Es vertritt die Stelle Gottes auf Er¬ den, und iſt daher Vielen das Höchſte und Letzte. Aber wie entfernt war die bisherige Wiſſenſchaft, die man Tugend- oder Sitten¬ lehre nannte, von der reinen Geſtalt dieſes erhabenen, weltumfaſſenden perſönlichen Ge¬

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/388>, abgerufen am 22.11.2024.