Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

zu werben? Du erinnerst mich eben zur
rechten Zeit, sagte der Alte; ich habe diesen
seltsamen Traum ganz vergessen, der mich
damals lange genug beschäftigte; aber eben
er ist mir ein Beweis dessen, was ich von
den Träumen gesagt habe. Es ist unmög¬
lich einen geordneteren und helleren zu ha¬
ben; noch jetzt entsinne ich mich jedes Um¬
standes ganz genau; und doch, was hat er
bedeutet? Daß ich von dir träumte, und
mich bald darauf von Sehnsucht ergriffen
fühlte, dich zu besitzen, war ganz natürlich:
denn ich kannte dich schon. Dein freundli¬
ches holdes Wesen hatte mich gleich anfangs
lebhaft gerührt, und nur die Lust nach der
Fremde hielt damals meinen Wunsch nach
deinem Besitz noch zurück. Um die Zeit des
Traums war meine Neugierde schon ziemlich
gestillt, und nun konnte die Neigung leichter
durchdringen.

zu werben? Du erinnerſt mich eben zur
rechten Zeit, ſagte der Alte; ich habe dieſen
ſeltſamen Traum ganz vergeſſen, der mich
damals lange genug beſchäftigte; aber eben
er iſt mir ein Beweis deſſen, was ich von
den Träumen geſagt habe. Es iſt unmög¬
lich einen geordneteren und helleren zu ha¬
ben; noch jetzt entſinne ich mich jedes Um¬
ſtandes ganz genau; und doch, was hat er
bedeutet? Daß ich von dir träumte, und
mich bald darauf von Sehnſucht ergriffen
fühlte, dich zu beſitzen, war ganz natürlich:
denn ich kannte dich ſchon. Dein freundli¬
ches holdes Weſen hatte mich gleich anfangs
lebhaft gerührt, und nur die Luſt nach der
Fremde hielt damals meinen Wunſch nach
deinem Beſitz noch zurück. Um die Zeit des
Traums war meine Neugierde ſchon ziemlich
geſtillt, und nun konnte die Neigung leichter
durchdringen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0029" n="21"/>
zu werben? Du erinner&#x017F;t mich eben zur<lb/>
rechten Zeit, &#x017F;agte der Alte; ich habe die&#x017F;en<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;amen Traum ganz verge&#x017F;&#x017F;en, der mich<lb/>
damals lange genug be&#x017F;chäftigte; aber eben<lb/>
er i&#x017F;t mir ein Beweis de&#x017F;&#x017F;en, was ich von<lb/>
den Träumen ge&#x017F;agt habe. Es i&#x017F;t unmög¬<lb/>
lich einen geordneteren und helleren zu ha¬<lb/>
ben; noch jetzt ent&#x017F;inne ich mich jedes Um¬<lb/>
&#x017F;tandes ganz genau; und doch, was hat er<lb/>
bedeutet? Daß ich von dir träumte, und<lb/>
mich bald darauf von Sehn&#x017F;ucht ergriffen<lb/>
fühlte, dich zu be&#x017F;itzen, war ganz natürlich:<lb/>
denn ich kannte dich &#x017F;chon. Dein freundli¬<lb/>
ches holdes We&#x017F;en hatte mich gleich anfangs<lb/>
lebhaft gerührt, und nur die Lu&#x017F;t nach der<lb/>
Fremde hielt damals meinen Wun&#x017F;ch nach<lb/>
deinem Be&#x017F;itz noch zurück. Um die Zeit des<lb/>
Traums war meine Neugierde &#x017F;chon ziemlich<lb/>
ge&#x017F;tillt, und nun konnte die Neigung leichter<lb/>
durchdringen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0029] zu werben? Du erinnerſt mich eben zur rechten Zeit, ſagte der Alte; ich habe dieſen ſeltſamen Traum ganz vergeſſen, der mich damals lange genug beſchäftigte; aber eben er iſt mir ein Beweis deſſen, was ich von den Träumen geſagt habe. Es iſt unmög¬ lich einen geordneteren und helleren zu ha¬ ben; noch jetzt entſinne ich mich jedes Um¬ ſtandes ganz genau; und doch, was hat er bedeutet? Daß ich von dir träumte, und mich bald darauf von Sehnſucht ergriffen fühlte, dich zu beſitzen, war ganz natürlich: denn ich kannte dich ſchon. Dein freundli¬ ches holdes Weſen hatte mich gleich anfangs lebhaft gerührt, und nur die Luſt nach der Fremde hielt damals meinen Wunſch nach deinem Beſitz noch zurück. Um die Zeit des Traums war meine Neugierde ſchon ziemlich geſtillt, und nun konnte die Neigung leichter durchdringen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/29
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/29>, abgerufen am 23.11.2024.