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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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einfachen Morgenkleide wunderlieblich aus¬
sah und ihn freundlich grüßte. Sie hatte
schon das Frühstück in ein Körbchen gepackt,
das sie an den Einen Arm hing, und die an¬
dere Hand unbefangen Heinrichen reichte.
Klingsohr folgte ihnen, und so wandelten sie
durch die Stadt, die schon voller Lebendig¬
keit war, nach einem kleinen Hügel am Flus¬
se, wo sich unter einigen hohen Bäumen ei¬
ne weite und volle Aussicht öffnete.

Habe ich doch schon oft, rief Heinrich
aus, mich an dem Aufgang der bunten Na¬
tur, an der friedlichen Nachbarschaft ihres
mannichfaltigen Eigenthums ergötzt; aber ei¬
ne so schöpferische und gediegene Heiterkeit
hat mich noch nie erfüllt wie heute. Jene
Fernen sind mir so nah, und die reiche Land¬
schaft ist mir wie eine innere Fantasie. Wie
veränderlich ist die Natur, so unwandelbar
auch ihre Oberfläche zu seyn scheint. Wie

einfachen Morgenkleide wunderlieblich aus¬
ſah und ihn freundlich grüßte. Sie hatte
ſchon das Frühſtück in ein Körbchen gepackt,
das ſie an den Einen Arm hing, und die an¬
dere Hand unbefangen Heinrichen reichte.
Klingsohr folgte ihnen, und ſo wandelten ſie
durch die Stadt, die ſchon voller Lebendig¬
keit war, nach einem kleinen Hügel am Fluſ¬
ſe, wo ſich unter einigen hohen Bäumen ei¬
ne weite und volle Ausſicht öffnete.

Habe ich doch ſchon oft, rief Heinrich
aus, mich an dem Aufgang der bunten Na¬
tur, an der friedlichen Nachbarſchaft ihres
mannichfaltigen Eigenthums ergötzt; aber ei¬
ne ſo ſchöpferiſche und gediegene Heiterkeit
hat mich noch nie erfüllt wie heute. Jene
Fernen ſind mir ſo nah, und die reiche Land¬
ſchaft iſt mir wie eine innere Fantaſie. Wie
veränderlich iſt die Natur, ſo unwandelbar
auch ihre Oberfläche zu ſeyn ſcheint. Wie

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[237/0245] einfachen Morgenkleide wunderlieblich aus¬ ſah und ihn freundlich grüßte. Sie hatte ſchon das Frühſtück in ein Körbchen gepackt, das ſie an den Einen Arm hing, und die an¬ dere Hand unbefangen Heinrichen reichte. Klingsohr folgte ihnen, und ſo wandelten ſie durch die Stadt, die ſchon voller Lebendig¬ keit war, nach einem kleinen Hügel am Fluſ¬ ſe, wo ſich unter einigen hohen Bäumen ei¬ ne weite und volle Ausſicht öffnete. Habe ich doch ſchon oft, rief Heinrich aus, mich an dem Aufgang der bunten Na¬ tur, an der friedlichen Nachbarſchaft ihres mannichfaltigen Eigenthums ergötzt; aber ei¬ ne ſo ſchöpferiſche und gediegene Heiterkeit hat mich noch nie erfüllt wie heute. Jene Fernen ſind mir ſo nah, und die reiche Land¬ ſchaft iſt mir wie eine innere Fantaſie. Wie veränderlich iſt die Natur, ſo unwandelbar auch ihre Oberfläche zu ſeyn ſcheint. Wie

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/245>, abgerufen am 24.11.2024.