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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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oder herzt seine Frau und Kinder, und er¬
götzt sich dankbar an der schönen Gabe des
traulichen Gesprächs!

Sein einsames Geschäft sondert ihn vom
Tage und dem Umgange mit Menschen einen
großen Theil seines Lebens ab. Er gewöhnt
sich nicht zu einer stumpfen Gleichgültigkeit
gegen diese überirdischen tiefsinnigen Dinge
und behält die kindliche Stimmung, in der
ihm alles mit seinem eigenthümlichsten Geiste
und in seiner ursprünglichen bunten Wunder¬
barkeit erscheint. Die Natur will nicht der
ausschließliche Besitz eines Einzigen seyn. Als
Eigenthum verwandelt sie sich in ein böses
Gift, was die Ruhe verscheucht, und die ver¬
derbliche Lust, alles in diesen Kreis des Be¬
sitzers zu ziehn, mit einem Gefolge von un¬
endlichen Sorgen und wilden Leidenschaften
herbeylockt. So untergräbt sie heimlich
den Grund des Eigenthümers, und begräbt

oder herzt ſeine Frau und Kinder, und er¬
götzt ſich dankbar an der ſchönen Gabe des
traulichen Geſprächs!

Sein einſames Geſchäft ſondert ihn vom
Tage und dem Umgange mit Menſchen einen
großen Theil ſeines Lebens ab. Er gewöhnt
ſich nicht zu einer ſtumpfen Gleichgültigkeit
gegen dieſe überirdiſchen tiefſinnigen Dinge
und behält die kindliche Stimmung, in der
ihm alles mit ſeinem eigenthümlichſten Geiſte
und in ſeiner urſprünglichen bunten Wunder¬
barkeit erſcheint. Die Natur will nicht der
ausſchließliche Beſitz eines Einzigen ſeyn. Als
Eigenthum verwandelt ſie ſich in ein böſes
Gift, was die Ruhe verſcheucht, und die ver¬
derbliche Luſt, alles in dieſen Kreis des Be¬
ſitzers zu ziehn, mit einem Gefolge von un¬
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den Grund des Eigenthümers, und begräbt

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[146/0154] oder herzt ſeine Frau und Kinder, und er¬ götzt ſich dankbar an der ſchönen Gabe des traulichen Geſprächs! Sein einſames Geſchäft ſondert ihn vom Tage und dem Umgange mit Menſchen einen großen Theil ſeines Lebens ab. Er gewöhnt ſich nicht zu einer ſtumpfen Gleichgültigkeit gegen dieſe überirdiſchen tiefſinnigen Dinge und behält die kindliche Stimmung, in der ihm alles mit ſeinem eigenthümlichſten Geiſte und in ſeiner urſprünglichen bunten Wunder¬ barkeit erſcheint. Die Natur will nicht der ausſchließliche Beſitz eines Einzigen ſeyn. Als Eigenthum verwandelt ſie ſich in ein böſes Gift, was die Ruhe verſcheucht, und die ver¬ derbliche Luſt, alles in dieſen Kreis des Be¬ ſitzers zu ziehn, mit einem Gefolge von un¬ endlichen Sorgen und wilden Leidenſchaften herbeylockt. So untergräbt ſie heimlich den Grund des Eigenthümers, und begräbt

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/154>, abgerufen am 21.11.2024.