Nacht sind auf 7. Courier einer nach den andern angelanget. Auf die mit dem letzten, welcher um 4. Uhr des Morgens auf den Schlos- se abgestiegen, eingelauffene Depechen ist die Königin 2. Stunden darnach in 3. mit 8. Pferden bespannten Carossen, und einer eben nicht sonderlich grossen Suite nach Metz aufgebrochen. Der Dau- phin folgte um 1. Uhr eben desselbigen Tages, und die Printzeßinnen um 5. Uhr nach. Es geschahe dieses alles auf des Königs Beruf und Verlangen, welcher gerne die Königin und Königliche Familie sehen wollen. Se. Majest. hatten schon die Sacramenta der heili- gen Kirche begehret, welche Jhnen auch der Bischof von Soissons gereichet. Jch weiß ihnen die gantz ausserordentliche Betrübtniß und das niedergeschlagene Wesen, welches man durch gantz Paris jedermann recht deutlich an der Stirn lesen können, nicht genungsam zu beschreiben. Die Liebe der Unterthanen gegen ihren König über- steiget alles was man sich davon nur einbilden mag, man erblickte und hörte überall, wo man nur hinsahe, nichts als Seuffzer, Thränen, Weinen und Wehklagen in allen Departements des Staats. Man ließ auf denen Cantzeln und in denen Clöstern, Stifftungen ec. für den König bitten: man eröffnete das 40stündige Gebeth, und das Par- lament befahl sogar den Sarg der heiligen Genevieve zu eröffnen. Den 16. ein viertel nach 8. Uhr gegen Abend traf ein abermahliger Courier von Metz ein, welcher einen Brief mitbrachte, daß der Zu- stand Se. Maj. sich ziemlich verschlimmert, nebst allen den Umstän- den, die gestern bereits gemeldet worden. Diese Zeitung verursach- te vollends eine allgemeine unbeschreibliche Bestürtzung. Es be- fanden sich auf 8. bis 9000. Menschen damals an der Post, die mit gröster Ungedult und Unruhe auf die Ankunfft eines Couriers war- teten, und denen bey ihrer Retour die Thränen in Augen stunden. Jch sage viel zu wenig, wenn ich ihnen melde, daß desselben Tages weder an Spatzierengehen noch Spielen gedacht worden. Man ver- gaß gar Essen und Trincken, und es war auch biß auf die kleinen Kin- der niemand, der nicht an der allgemeinen Betrübtniß Theil genom- men haben solte. Den 17. ein viertel nach 10. Uhr Vormittags, langte ein Courier an, welcher Tages zuvor früh um 7. Uhr von Metz abgereiset war, und folgenden Brief mitbrachte: Der König hat die Sonnabends Nacht von 15. biß zum 16. wohl geruhet; und der
Nacht sind auf 7. Courier einer nach den andern angelanget. Auf die mit dem letzten, welcher um 4. Uhr des Morgens auf den Schlos- se abgestiegen, eingelauffene Depechen ist die Königin 2. Stunden darnach in 3. mit 8. Pferden bespannten Carossen, und einer eben nicht sonderlich grossen Suite nach Metz aufgebrochen. Der Dau- phin folgte um 1. Uhr eben desselbigen Tages, und die Printzeßinnen um 5. Uhr nach. Es geschahe dieses alles auf des Königs Beruf und Verlangen, welcher gerne die Königin und Königliche Familie sehen wollen. Se. Majest. hatten schon die Sacramenta der heili- gen Kirche begehret, welche Jhnen auch der Bischof von Soissons gereichet. Jch weiß ihnen die gantz ausserordentliche Betrübtniß und das niedergeschlagene Wesen, welches man durch gantz Paris jedermann recht deutlich an der Stirn lesen können, nicht genungsam zu beschreiben. Die Liebe der Unterthanen gegen ihren König über- steiget alles was man sich davon nur einbilden mag, man erblickte und hörte überall, wo man nur hinsahe, nichts als Seuffzer, Thränen, Weinen und Wehklagen in allen Departements des Staats. Man ließ auf denen Cantzeln und in denen Clöstern, Stifftungen ec. für den König bitten: man eröffnete das 40stündige Gebeth, und das Par- lament befahl sogar den Sarg der heiligen Genevieve zu eröffnen. Den 16. ein viertel nach 8. Uhr gegen Abend traf ein abermahliger Courier von Metz ein, welcher einen Brief mitbrachte, daß der Zu- stand Se. Maj. sich ziemlich verschlimmert, nebst allen den Umstän- den, die gestern bereits gemeldet worden. Diese Zeitung verursach- te vollends eine allgemeine unbeschreibliche Bestürtzung. Es be- fanden sich auf 8. bis 9000. Menschen damals an der Post, die mit gröster Ungedult und Unruhe auf die Ankunfft eines Couriers war- teten, und denen bey ihrer Retour die Thränen in Augen stunden. Jch sage viel zu wenig, wenn ich ihnen melde, daß desselben Tages weder an Spatzierengehen noch Spielen gedacht worden. Man ver- gaß gar Essen und Trincken, und es war auch biß auf die kleinen Kin- der niemand, der nicht an der allgemeinen Betrübtniß Theil genom- men haben solte. Den 17. ein viertel nach 10. Uhr Vormittags, langte ein Courier an, welcher Tages zuvor früh um 7. Uhr von Metz abgereiset war, und folgenden Brief mitbrachte: Der König hat die Sonnabends Nacht von 15. biß zum 16. wohl geruhet; und der
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[570/0002]
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die mit dem letzten, welcher um 4. Uhr des Morgens auf den Schlos-
se abgestiegen, eingelauffene Depechen ist die Königin 2. Stunden
darnach in 3. mit 8. Pferden bespannten Carossen, und einer eben
nicht sonderlich grossen Suite nach Metz aufgebrochen. Der Dau-
phin folgte um 1. Uhr eben desselbigen Tages, und die Printzeßinnen
um 5. Uhr nach. Es geschahe dieses alles auf des Königs Beruf
und Verlangen, welcher gerne die Königin und Königliche Familie
sehen wollen. Se. Majest. hatten schon die Sacramenta der heili-
gen Kirche begehret, welche Jhnen auch der Bischof von Soissons
gereichet. Jch weiß ihnen die gantz ausserordentliche Betrübtniß
und das niedergeschlagene Wesen, welches man durch gantz Paris
jedermann recht deutlich an der Stirn lesen können, nicht genungsam
zu beschreiben. Die Liebe der Unterthanen gegen ihren König über-
steiget alles was man sich davon nur einbilden mag, man erblickte und
hörte überall, wo man nur hinsahe, nichts als Seuffzer, Thränen,
Weinen und Wehklagen in allen Departements des Staats. Man
ließ auf denen Cantzeln und in denen Clöstern, Stifftungen ec. für den
König bitten: man eröffnete das 40stündige Gebeth, und das Par-
lament befahl sogar den Sarg der heiligen Genevieve zu eröffnen.
Den 16. ein viertel nach 8. Uhr gegen Abend traf ein abermahliger
Courier von Metz ein, welcher einen Brief mitbrachte, daß der Zu-
stand Se. Maj. sich ziemlich verschlimmert, nebst allen den Umstän-
den, die gestern bereits gemeldet worden. Diese Zeitung verursach-
te vollends eine allgemeine unbeschreibliche Bestürtzung. Es be-
fanden sich auf 8. bis 9000. Menschen damals an der Post, die mit
gröster Ungedult und Unruhe auf die Ankunfft eines Couriers war-
teten, und denen bey ihrer Retour die Thränen in Augen stunden.
Jch sage viel zu wenig, wenn ich ihnen melde, daß desselben Tages
weder an Spatzierengehen noch Spielen gedacht worden. Man ver-
gaß gar Essen und Trincken, und es war auch biß auf die kleinen Kin-
der niemand, der nicht an der allgemeinen Betrübtniß Theil genom-
men haben solte. Den 17. ein viertel nach 10. Uhr Vormittags,
langte ein Courier an, welcher Tages zuvor früh um 7. Uhr von Metz
abgereiset war, und folgenden Brief mitbrachte: Der König hat
die Sonnabends Nacht von 15. biß zum 16. wohl geruhet; und der
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Der allerneuesten Europäischen Welt- und Staats-Geschichte II. Theil. Nr. LXXII, 37. Woche, Erfurt (Thüringen), 11. September 1744, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_weltgeschichte0272_1744/2>, abgerufen am 16.02.2025.
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