Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Der allerneuesten Europäischen Welt- und Staats-Geschichte II. Theil. Nr. XIX, 10. Woche, Erfurt (Thüringen), 2. März 1744.

Bild:
<< vorherige Seite

gen sahe; nach vielem hin und her dencken, wie er dem ohngeachtet
seiner Neugierigkeit eine Gnüge leisten möchte, wuchs ihm auf ein-
mahl das Hertz, er wagte es, stieg die steinern Treppen glücklich
hinauf, und fand wider Vermuthen keinen andern Widerstand noch
Hinderniß, als daß das grosse Thor nicht offen war.

Neuigkeiten von Teutschland.

Aus Lüttich verlautet, daß der neue Fürst-Bischoff, nebst seinem
Dom-Capitul, sich entschlossen habe, neutral zu bleiben. Es
scheint aber diese Nachricht vielen unglaublich, wenigstens sehr un-
gewiß.

Weil der Wienerische Hof benachrichtiget worden, daß man
in Bayern heimlich 300000. fl. gesammelt, und solche nach Franck-
furth gesendet, so ist an die Königl. Administration zu München
Befehl ergangen, von nun an in Bayern die rückständige Contri-
bution
ohne weitere Nachsicht mit äusserster Schärffe zu treiben.

Als vor kurtzer Zeit ein kunstreicher Miniatur-Mahler von ei-
nem sichern Grafen das Portrait der Königin von Ungarn bekom-
men, etwas daran zu ändern, und darauf in die Messe gieng, wur-
de ihm solches aus der Tasche gestohlen. Der Mahler verfügte sich
zum Grafen, klagte sein Unglück, und erboth sich zu baarer Bezah-
lung des Werths, aber der entrüstete Graf wolte kein Wort davon
hören, sondern forderte unumgänglich das Portrait wieder. Jn
solcher Angst praesentirte sich der betrübte Mahler seiner Königin
mit thränenden Augen, und klagte ihr seine Noth, wodurch die hold-
selige Königin dermassen gerührt worden, daß sie ihm ein anders
Portrait von weit grösserm Werth, als das geraubte, gab, und ihm
befahl, solches dem Grafen zu zustellen, welches der Mahler mit
äusserster Freude that; nichts destoweniger hat der Graf dem Wie-
derbringer des erstern Portraits, wenn es gleich der Dieb selbst wä-
re, eine Belohnung von 100. Ducaten durch öffentliche Kundma-
chung versprechen lassen.

Den 8. Febr. that diese grosse Königin dem Hertzog von A-
remberg die Ehre, eine Abend-Mahlzeit bey ihm einzunehmen, Tags
darauf trat hochgedachter Hertzog seine Rückreise nach denen Nie-
derlanden an; er war aber kaum abgereiset, als ein Englischer Ex-
presser
an den Wienerischen Hof ankam; worauf besagter Herr

gen sahe; nach vielem hin und her dencken, wie er dem ohngeachtet
seiner Neugierigkeit eine Gnüge leisten möchte, wuchs ihm auf ein-
mahl das Hertz, er wagte es, stieg die steinern Treppen glücklich
hinauf, und fand wider Vermuthen keinen andern Widerstand noch
Hinderniß, als daß das grosse Thor nicht offen war.

Neuigkeiten von Teutschland.

Aus Lüttich verlautet, daß der neue Fürst-Bischoff, nebst seinem
Dom-Capitul, sich entschlossen habe, neutral zu bleiben. Es
scheint aber diese Nachricht vielen unglaublich, wenigstens sehr un-
gewiß.

Weil der Wienerische Hof benachrichtiget worden, daß man
in Bayern heimlich 300000. fl. gesammelt, und solche nach Franck-
furth gesendet, so ist an die Königl. Adminiſtration zu München
Befehl ergangen, von nun an in Bayern die rückständige Contri-
bution
ohne weitere Nachsicht mit äusserster Schärffe zu treiben.

Als vor kurtzer Zeit ein kunstreicher Miniatur-Mahler von ei-
nem sichern Grafen das Portrait der Königin von Ungarn bekom-
men, etwas daran zu ändern, und darauf in die Messe gieng, wur-
de ihm solches aus der Tasche gestohlen. Der Mahler verfügte sich
zum Grafen, klagte sein Unglück, und erboth sich zu baarer Bezah-
lung des Werths, aber der entrüstete Graf wolte kein Wort davon
hören, sondern forderte unumgänglich das Portrait wieder. Jn
solcher Angst præſentirte sich der betrübte Mahler seiner Königin
mit thränenden Augen, und klagte ihr seine Noth, wodurch die hold-
selige Königin dermassen gerührt worden, daß sie ihm ein anders
Portrait von weit grösserm Werth, als das geraubte, gab, und ihm
befahl, solches dem Grafen zu zustellen, welches der Mahler mit
äusserster Freude that; nichts destoweniger hat der Graf dem Wie-
derbringer des erstern Portraits, wenn es gleich der Dieb selbst wä-
re, eine Belohnung von 100. Ducaten durch öffentliche Kundma-
chung versprechen lassen.

Den 8. Febr. that diese grosse Königin dem Hertzog von A-
remberg die Ehre, eine Abend-Mahlzeit bey ihm einzunehmen, Tags
darauf trat hochgedachter Hertzog seine Rückreise nach denen Nie-
derlanden an; er war aber kaum abgereiset, als ein Englischer Ex-
preſſer
an den Wienerischen Hof ankam; worauf besagter Herr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle">
        <p><pb facs="#f0003" n="147"/>
gen sahe; nach vielem hin und her dencken, wie er dem ohngeachtet<lb/>
seiner Neugierigkeit eine Gnüge leisten möchte, wuchs ihm auf ein-<lb/>
mahl das Hertz, er wagte es, stieg die steinern Treppen glücklich<lb/>
hinauf, und fand wider Vermuthen keinen andern Widerstand noch<lb/>
Hinderniß, als daß das grosse Thor nicht offen war.</p>
      </div><lb/>
      <div type="jPoliticalNews">
        <div type="jArticle">
          <head>Neuigkeiten von Teutschland.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">A</hi>us Lüttich verlautet, daß der neue Fürst-Bischoff, nebst seinem<lb/>
Dom-Capitul, sich entschlossen habe, neutral zu bleiben. Es<lb/>
scheint aber diese Nachricht vielen unglaublich, wenigstens sehr un-<lb/>
gewiß.</p><lb/>
          <p>Weil der Wienerische Hof benachrichtiget worden, daß man<lb/>
in Bayern heimlich 300000. fl. gesammelt, und solche nach Franck-<lb/>
furth gesendet, so ist an die Königl. <hi rendition="#aq">Admini&#x017F;tration</hi> zu München<lb/>
Befehl ergangen, von nun an in Bayern die rückständige <hi rendition="#aq">Contri-<lb/>
bution </hi> ohne weitere Nachsicht mit äusserster Schärffe zu treiben.</p><lb/>
          <p>Als vor kurtzer Zeit ein kunstreicher Miniatur-Mahler von ei-<lb/>
nem sichern Grafen das <hi rendition="#aq">Portrait</hi> der Königin von Ungarn bekom-<lb/>
men, etwas daran zu ändern, und darauf in die Messe gieng, wur-<lb/>
de ihm solches aus der Tasche gestohlen. Der Mahler verfügte sich<lb/>
zum Grafen, klagte sein Unglück, und erboth sich zu baarer Bezah-<lb/>
lung des Werths, aber der entrüstete Graf wolte kein Wort davon<lb/>
hören, sondern forderte unumgänglich das <hi rendition="#aq">Portrait</hi> wieder. Jn<lb/>
solcher Angst <hi rendition="#aq">præ&#x017F;enti</hi>rte sich der betrübte Mahler seiner Königin<lb/>
mit thränenden Augen, und klagte ihr seine Noth, wodurch die hold-<lb/>
selige Königin dermassen gerührt worden, daß sie ihm ein anders<lb/><hi rendition="#aq">Portrait</hi> von weit grösserm Werth, als das geraubte, gab, und ihm<lb/>
befahl, solches dem Grafen zu zustellen, welches der Mahler mit<lb/>
äusserster Freude that; nichts destoweniger hat der Graf dem Wie-<lb/>
derbringer des erstern <hi rendition="#aq">Portraits</hi>, wenn es gleich der Dieb selbst wä-<lb/>
re, eine Belohnung von 100. Ducaten durch öffentliche Kundma-<lb/>
chung versprechen lassen.</p><lb/>
          <p>Den 8. Febr. that diese grosse Königin dem Hertzog von A-<lb/>
remberg die Ehre, eine Abend-Mahlzeit bey ihm einzunehmen, Tags<lb/>
darauf trat hochgedachter Hertzog seine Rückreise nach denen Nie-<lb/>
derlanden an; er war aber kaum abgereiset, als ein Englischer <hi rendition="#aq">Ex-<lb/>
pre&#x017F;&#x017F;er </hi> an den Wienerischen Hof ankam; worauf besagter Herr<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0003] gen sahe; nach vielem hin und her dencken, wie er dem ohngeachtet seiner Neugierigkeit eine Gnüge leisten möchte, wuchs ihm auf ein- mahl das Hertz, er wagte es, stieg die steinern Treppen glücklich hinauf, und fand wider Vermuthen keinen andern Widerstand noch Hinderniß, als daß das grosse Thor nicht offen war. Neuigkeiten von Teutschland. Aus Lüttich verlautet, daß der neue Fürst-Bischoff, nebst seinem Dom-Capitul, sich entschlossen habe, neutral zu bleiben. Es scheint aber diese Nachricht vielen unglaublich, wenigstens sehr un- gewiß. Weil der Wienerische Hof benachrichtiget worden, daß man in Bayern heimlich 300000. fl. gesammelt, und solche nach Franck- furth gesendet, so ist an die Königl. Adminiſtration zu München Befehl ergangen, von nun an in Bayern die rückständige Contri- bution ohne weitere Nachsicht mit äusserster Schärffe zu treiben. Als vor kurtzer Zeit ein kunstreicher Miniatur-Mahler von ei- nem sichern Grafen das Portrait der Königin von Ungarn bekom- men, etwas daran zu ändern, und darauf in die Messe gieng, wur- de ihm solches aus der Tasche gestohlen. Der Mahler verfügte sich zum Grafen, klagte sein Unglück, und erboth sich zu baarer Bezah- lung des Werths, aber der entrüstete Graf wolte kein Wort davon hören, sondern forderte unumgänglich das Portrait wieder. Jn solcher Angst præſentirte sich der betrübte Mahler seiner Königin mit thränenden Augen, und klagte ihr seine Noth, wodurch die hold- selige Königin dermassen gerührt worden, daß sie ihm ein anders Portrait von weit grösserm Werth, als das geraubte, gab, und ihm befahl, solches dem Grafen zu zustellen, welches der Mahler mit äusserster Freude that; nichts destoweniger hat der Graf dem Wie- derbringer des erstern Portraits, wenn es gleich der Dieb selbst wä- re, eine Belohnung von 100. Ducaten durch öffentliche Kundma- chung versprechen lassen. Den 8. Febr. that diese grosse Königin dem Hertzog von A- remberg die Ehre, eine Abend-Mahlzeit bey ihm einzunehmen, Tags darauf trat hochgedachter Hertzog seine Rückreise nach denen Nie- derlanden an; er war aber kaum abgereiset, als ein Englischer Ex- preſſer an den Wienerischen Hof ankam; worauf besagter Herr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Mikrofilmarchiv der deutschsprachigen Presse e.V., Dortmund: Bereitstellung der den Bilddigitalisaten zugrunde liegenden Microfilmaufnahmen
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA-Basisformat.
Susanne Haaf: Artikelstrukturierung nach DTA-Basisformat.

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: manuell (doppelt erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen.
  • Druckfehler: ignoriert.
  • fremdsprachliches Material: nur Fremdskripte gekennzeichnet.
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage.
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage.
  • i/j in Fraktur: wie Vorlage.
  • I/J in Fraktur: wie Vorlage.
  • Kolumnentitel: nicht übernommen.
  • Kustoden: nicht übernommen.
  • langes s (?): in Frakturschrift als s transkribiert, in Antiquaschrift beibehalten.
  • Normalisierungen: keine.
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert.
  • Seitenumbrüche markiert: ja.
  • Silbentrennung: wie Vorlage.
  • u/v bzw. U/V: wie Vorlage.
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert.
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst.
  • Zeichensetzung: DTABf-getreu.
  • Zeilenumbrüche markiert: ja.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_weltgeschichte0219_1744
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_weltgeschichte0219_1744/3
Zitationshilfe: Der allerneuesten Europäischen Welt- und Staats-Geschichte II. Theil. Nr. XIX, 10. Woche, Erfurt (Thüringen), 2. März 1744, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_weltgeschichte0219_1744/3>, abgerufen am 22.12.2024.