Talvj, Volkslieder der Serben, 1825An Göthe. In Nacht versenkt, in meiner Jugend Tagen, Reißt mich ein Ton aus fernem Ost empor; Und wie die Lüft' ihn nah und näher tragen, Lockt er die Seel' aus kranker Brust hervor. Und sie vernimmt die wundersamsten Sagen, Lauscht willenlos, doch bald mit durst'gem Ohr, Und fühlt, wie am lebendig-frischen Sinne Auch sie erstark' und neue Kraft gewinne. Und leih' ich mich als Botin diesen Tönen,
Worin der Geist der Fremde sich erschloß, Nicht mühvoll darfst Du dich dem Klang gewöhnen, Der seltsam oft dem Sängermund entfloß. Denn Dir, dem König in dem Reich des Schönen, Vertraut ist Dir, was in ihm keimt' und sproß. Ob es der Abend zeugte, ob der Morgen, Der Saamen ruht in Deiner Brust verborgen. An Göthe. In Nacht versenkt, in meiner Jugend Tagen, Reißt mich ein Ton aus fernem Ost empor; Und wie die Lüft' ihn nah und näher tragen, Lockt er die Seel' aus kranker Brust hervor. Und sie vernimmt die wundersamsten Sagen, Lauscht willenlos, doch bald mit durst'gem Ohr, Und fühlt, wie am lebendig-frischen Sinne Auch sie erstark' und neue Kraft gewinne. Und leih' ich mich als Botin diesen Tönen,
Worin der Geist der Fremde sich erschloß, Nicht mühvoll darfst Du dich dem Klang gewöhnen, Der seltsam oft dem Sängermund entfloß. Denn Dir, dem König in dem Reich des Schönen, Vertraut ist Dir, was in ihm keimt' und sproß. Ob es der Abend zeugte, ob der Morgen, Der Saamen ruht in Deiner Brust verborgen. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009" n="[V]"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">An Göthe</hi>.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">I</hi>n Nacht versenkt, in meiner Jugend Tagen,</l><lb/> <l>Reißt mich ein Ton aus fernem Ost empor;</l><lb/> <l>Und wie die Lüft' ihn nah und näher tragen,</l><lb/> <l>Lockt er die Seel' aus kranker Brust hervor.</l><lb/> <l>Und sie vernimmt die wundersamsten Sagen,</l><lb/> <l>Lauscht willenlos, doch bald mit durst'gem Ohr,</l><lb/> <l>Und fühlt, wie am lebendig-frischen Sinne</l><lb/> <l>Auch sie erstark' und neue Kraft gewinne.</l> </lg> <lg n="2"> <l>Und leih' ich mich als Botin diesen Tönen,</l><lb/> <l>Worin der Geist der Fremde sich erschloß,</l><lb/> <l>Nicht mühvoll darfst Du dich dem Klang gewöhnen,</l><lb/> <l>Der seltsam oft dem Sängermund entfloß.</l><lb/> <l>Denn Dir, dem König in dem Reich des Schönen,</l><lb/> <l>Vertraut ist Dir, was in ihm keimt' und sproß.</l><lb/> <l>Ob es der Abend zeugte, ob der Morgen,</l><lb/> <l>Der Saamen ruht in Deiner Brust verborgen.</l><lb/> <l/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [[V]/0009]
An Göthe.
In Nacht versenkt, in meiner Jugend Tagen,
Reißt mich ein Ton aus fernem Ost empor;
Und wie die Lüft' ihn nah und näher tragen,
Lockt er die Seel' aus kranker Brust hervor.
Und sie vernimmt die wundersamsten Sagen,
Lauscht willenlos, doch bald mit durst'gem Ohr,
Und fühlt, wie am lebendig-frischen Sinne
Auch sie erstark' und neue Kraft gewinne.
Und leih' ich mich als Botin diesen Tönen,
Worin der Geist der Fremde sich erschloß,
Nicht mühvoll darfst Du dich dem Klang gewöhnen,
Der seltsam oft dem Sängermund entfloß.
Denn Dir, dem König in dem Reich des Schönen,
Vertraut ist Dir, was in ihm keimt' und sproß.
Ob es der Abend zeugte, ob der Morgen,
Der Saamen ruht in Deiner Brust verborgen.
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