Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Liebe -- Wegweiserin. Leuchtend glänzt der stille Mond am Abend, Hell beleuchtet er die grüne Wiese, Wo zwei edle Herrenrosse weiden, Selbst gehütet von den jungen Herren, Kapetan Johannes und Ban Stephan. Und es sprach Ban Stephan zu Johannes: "Sieh, wie hell der Mondenschimmer, Bruder! Glücklich, Bruder, ist der Held zu preisen, Dessen Liebchen nicht in ferner Weite!! Leider fern ist meine süße Freundin! Ritt' ich zu ihr, wollt' in diesem Tüchlein Trauben überbringen der Geliebten: Faulen würd' es auf dem fernen Wege, Von den Trauben, wenn ich zu ihr ritte, Wenn ich von ihr ritt', von meinen Thränen." Und dem Ban entgegnete Johannes: "Sieh, auch meine Lieb' ist in der Ferne; Doch wenn plötzlich sie mir in den Sinn kömmt: Frag' ich nicht, wie spät's in finstrer Nachtzeit? Noch mein Roß, ob eine Furth im Strome? Durch die Nacht, und durch das trübste Wasser! Ueber Land -- kein Staub zeigt meine Spuren, Durch die Fluth -- kein Plätschern flüstert hinten!" Liebe — Wegweiserin. Leuchtend glänzt der stille Mond am Abend, Hell beleuchtet er die grüne Wiese, Wo zwei edle Herrenrosse weiden, Selbst gehütet von den jungen Herren, Kapetan Johannes und Ban Stephan. Und es sprach Ban Stephan zu Johannes: „Sieh, wie hell der Mondenschimmer, Bruder! Glücklich, Bruder, ist der Held zu preisen, Dessen Liebchen nicht in ferner Weite!! Leider fern ist meine süße Freundin! Ritt' ich zu ihr, wollt' in diesem Tüchlein Trauben überbringen der Geliebten: Faulen würd' es auf dem fernen Wege, Von den Trauben, wenn ich zu ihr ritte, Wenn ich von ihr ritt', von meinen Thränen.“ Und dem Ban entgegnete Johannes: „Sieh, auch meine Lieb' ist in der Ferne; Doch wenn plötzlich sie mir in den Sinn kömmt: Frag' ich nicht, wie spät's in finstrer Nachtzeit? Noch mein Roß, ob eine Furth im Strome? Durch die Nacht, und durch das trübste Wasser! Ueber Land — kein Staub zeigt meine Spuren, Durch die Fluth — kein Plätschern flüstert hinten!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0087" n="21"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Liebe — Wegweiserin</hi>.</hi> </hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <lg> <l><hi rendition="#in">L</hi>euchtend glänzt der stille Mond am Abend,</l><lb/> <l>Hell beleuchtet er die grüne Wiese,</l><lb/> <l>Wo zwei edle Herrenrosse weiden,</l><lb/> <l>Selbst gehütet von den jungen Herren,</l><lb/> <l>Kapetan Johannes und Ban Stephan.</l><lb/> <l>Und es sprach Ban Stephan zu Johannes:</l><lb/> <l>„Sieh, wie hell der Mondenschimmer, Bruder!</l><lb/> <l>Glücklich, Bruder, ist der Held zu preisen,</l><lb/> <l>Dessen Liebchen nicht in ferner Weite!!</l><lb/> <l>Leider fern ist meine süße Freundin!</l><lb/> <l>Ritt' ich zu ihr, wollt' in diesem Tüchlein</l><lb/> <l>Trauben überbringen der Geliebten:</l><lb/> <l>Faulen würd' es auf dem fernen Wege,</l><lb/> <l>Von den Trauben, wenn ich zu ihr ritte,</l><lb/> <l>Wenn ich von ihr ritt', von meinen Thränen.“</l> </lg><lb/> <lg> <l>Und dem Ban entgegnete Johannes:</l><lb/> <l>„Sieh, auch meine Lieb' ist in der Ferne;</l><lb/> <l>Doch wenn plötzlich sie mir in den Sinn kömmt:</l><lb/> <l>Frag' ich nicht, wie spät's in finstrer Nachtzeit?</l><lb/> <l>Noch mein Roß, ob eine Furth im Strome?</l><lb/> <l>Durch die Nacht, und durch das trübste Wasser!</l><lb/> <l>Ueber Land — kein Staub zeigt meine Spuren,</l><lb/> <l>Durch die Fluth — kein Plätschern flüstert hinten!“</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [21/0087]
Liebe — Wegweiserin.
Leuchtend glänzt der stille Mond am Abend,
Hell beleuchtet er die grüne Wiese,
Wo zwei edle Herrenrosse weiden,
Selbst gehütet von den jungen Herren,
Kapetan Johannes und Ban Stephan.
Und es sprach Ban Stephan zu Johannes:
„Sieh, wie hell der Mondenschimmer, Bruder!
Glücklich, Bruder, ist der Held zu preisen,
Dessen Liebchen nicht in ferner Weite!!
Leider fern ist meine süße Freundin!
Ritt' ich zu ihr, wollt' in diesem Tüchlein
Trauben überbringen der Geliebten:
Faulen würd' es auf dem fernen Wege,
Von den Trauben, wenn ich zu ihr ritte,
Wenn ich von ihr ritt', von meinen Thränen.“
Und dem Ban entgegnete Johannes:
„Sieh, auch meine Lieb' ist in der Ferne;
Doch wenn plötzlich sie mir in den Sinn kömmt:
Frag' ich nicht, wie spät's in finstrer Nachtzeit?
Noch mein Roß, ob eine Furth im Strome?
Durch die Nacht, und durch das trübste Wasser!
Ueber Land — kein Staub zeigt meine Spuren,
Durch die Fluth — kein Plätschern flüstert hinten!“
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