Talvj, Volkslieder der Serben, 1825lesen kann, alles Geschriebene fein, ununterscheidbar vorkommt? -- So nennt der Serbe auch dir griechische Sprache hsitna, weil sie nicht so deutlich (langsam, und in Zwischenräumen) gesprochen wird , wie sein Serbisch, oder z. B. Ungrisch. 19) Mit dem Wuk hab ich mich jüngst ver- brüdert. Fortis sagt von der Freundschaft der Morlachen: "Sie haben gleichsam einen Punkt der Religion daraus gemacht; dieß heilige Band wird von ihnen am Fuß des Altares ge- knüpft. In Gegenwart des ganzen Volks wird alsdann auf die feierlichste Weise, ein besonderer Segen über beide Freunde oder Freundinnen ausgesprochen. Ich war bei der Verbindung zweier Mädchen gegenwärtig, die sich in der Kir- che zu Perusich zu Posestrime einweiheten. Man sah, nach- dem sie das heilige Bündniß geschlossen hatten, die Freude aus ihren Augen glänzen: ein Beweis, welcher Zartheit der Empfindungen diese Menschen fähig sind. -- -- Die auf diese Art verbundenen Freunde nennen sich Probratimi, die Freundinnen Posestrime. Die Freundschaft zwischen Männern und Frauen wird heutigen Tages nicht mit so gro- ßer Feierlichkeit geschlossen; allein man hat Ursache zu glau- ben, daß ältere und unschuldigere Zeiten eben diese Gewohn- heit gehabt haben. -- -- Die Pflichten der morlachischen Freundschaft erfordern, einander in jedem Bedürfnisse, in jeder Gefahr beizustehen, das seinem Freunde geschehene Un- recht zu rächen etc. Sie treiben den Enthusiasmus bis zur willigen Entschlossenheit, ihr Leben für einander hinzugeben oder zu wagen. Opfer dieser Art geschehen nicht selten, ob- schon nicht so viel Aufheben von diesen wilden Freunden ge- macht wird, als aus den alten Pyladen etc." lesen kann, alles Geschriebene fein, ununterscheidbar vorkommt? — So nennt der Serbe auch dir griechische Sprache hsitna, weil sie nicht so deutlich (langsam, und in Zwischenräumen) gesprochen wird , wie sein Serbisch, oder z. B. Ungrisch. 19) Mit dem Wuk hab ich mich jüngst ver- brüdert. Fortis sagt von der Freundschaft der Morlachen: „Sie haben gleichsam einen Punkt der Religion daraus gemacht; dieß heilige Band wird von ihnen am Fuß des Altares ge- knüpft. In Gegenwart des ganzen Volks wird alsdann auf die feierlichste Weise, ein besonderer Segen über beide Freunde oder Freundinnen ausgesprochen. Ich war bei der Verbindung zweier Mädchen gegenwärtig, die sich in der Kir- che zu Perusich zu Posestrime einweiheten. Man sah, nach- dem sie das heilige Bündniß geschlossen hatten, die Freude aus ihren Augen glänzen: ein Beweis, welcher Zartheit der Empfindungen diese Menschen fähig sind. — — Die auf diese Art verbundenen Freunde nennen sich Probratimi, die Freundinnen Posestrime. Die Freundschaft zwischen Männern und Frauen wird heutigen Tages nicht mit so gro- ßer Feierlichkeit geschlossen; allein man hat Ursache zu glau- ben, daß ältere und unschuldigere Zeiten eben diese Gewohn- heit gehabt haben. — — Die Pflichten der morlachischen Freundschaft erfordern, einander in jedem Bedürfnisse, in jeder Gefahr beizustehen, das seinem Freunde geschehene Un- recht zu rächen etc. Sie treiben den Enthusiasmus bis zur willigen Entschlossenheit, ihr Leben für einander hinzugeben oder zu wagen. Opfer dieser Art geschehen nicht selten, ob- schon nicht so viel Aufheben von diesen wilden Freunden ge- macht wird, als aus den alten Pyladen etc.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <note xml:id="edt18" prev="#ed18" place="end" n="18)"> <pb facs="#f0348" n="282"/> <p>lesen kann, alles Geschriebene <hi rendition="#g">fein, ununterscheidbar</hi><lb/> vorkommt? — So nennt der Serbe auch dir griechische<lb/> Sprache <hi rendition="#aq">hsitna,</hi> weil sie nicht so deutlich (langsam, und in<lb/> Zwischenräumen) gesprochen wird , wie sein Serbisch, oder<lb/> z. B. Ungrisch.</p> </note><lb/> <note xml:id="edt19" prev="#ed19" place="end" n="19)"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Mit dem Wuk hab ich mich jüngst ver-<lb/> brüdert</hi>.</hi><lb/> <p>Fortis sagt von der Freundschaft der Morlachen: „Sie<lb/> haben gleichsam einen Punkt der Religion daraus gemacht;<lb/> dieß heilige Band wird von ihnen am Fuß des Altares ge-<lb/> knüpft. 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¹⁸⁾ lesen kann, alles Geschriebene fein, ununterscheidbar
vorkommt? — So nennt der Serbe auch dir griechische
Sprache hsitna, weil sie nicht so deutlich (langsam, und in
Zwischenräumen) gesprochen wird , wie sein Serbisch, oder
z. B. Ungrisch.
¹⁹⁾ Mit dem Wuk hab ich mich jüngst ver-
brüdert.
Fortis sagt von der Freundschaft der Morlachen: „Sie
haben gleichsam einen Punkt der Religion daraus gemacht;
dieß heilige Band wird von ihnen am Fuß des Altares ge-
knüpft. In Gegenwart des ganzen Volks wird alsdann
auf die feierlichste Weise, ein besonderer Segen über beide
Freunde oder Freundinnen ausgesprochen. Ich war bei der
Verbindung zweier Mädchen gegenwärtig, die sich in der Kir-
che zu Perusich zu Posestrime einweiheten. Man sah, nach-
dem sie das heilige Bündniß geschlossen hatten, die Freude
aus ihren Augen glänzen: ein Beweis, welcher Zartheit
der Empfindungen diese Menschen fähig sind. — — Die
auf diese Art verbundenen Freunde nennen sich Probratimi,
die Freundinnen Posestrime. Die Freundschaft zwischen
Männern und Frauen wird heutigen Tages nicht mit so gro-
ßer Feierlichkeit geschlossen; allein man hat Ursache zu glau-
ben, daß ältere und unschuldigere Zeiten eben diese Gewohn-
heit gehabt haben. — — Die Pflichten der morlachischen
Freundschaft erfordern, einander in jedem Bedürfnisse, in
jeder Gefahr beizustehen, das seinem Freunde geschehene Un-
recht zu rächen etc. Sie treiben den Enthusiasmus bis zur
willigen Entschlossenheit, ihr Leben für einander hinzugeben
oder zu wagen. Opfer dieser Art geschehen nicht selten, ob-
schon nicht so viel Aufheben von diesen wilden Freunden ge-
macht wird, als aus den alten Pyladen etc.“
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Zitationshilfe: | Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/348>, abgerufen am 16.02.2025. |