Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Greife an mit Sturm das Heer der Türken,
Und das ganze Heer wird Dir erliegen;
Aber willst das Himmelreich Du lieber, 20
Wohl! errichte auf dem Amselfelde
Eine Kirche, nicht auf Marmorgrunde,
Nein, gefertiget aus Seid' und Scharlach, *)
Daß das Heer zum Abendmale gehend,
Und entsündigt sich zum Tod' bereite! 25
Alle Deine Krieger werden fallen,
Du, o Fürst, mit ihnen untergehen!" --
Als der Zar Lasar dieß Wort vernommen,
Dacht' er nach, ein Jegliches bedenkend:
"Herr, mein Gott ! was soll und welches soll ich? 30
Welches wähl' ich mir von beiden Reichen?
Soll ich mir das Himmelreich erwählen?
Oder mir das ird'sche Reich erwählen?
Wenn das ird'sche Reich ich mir erwähle:
Irdisches ist kurz nur und vergänglich, 35
Himmlisches für Zeit und Ewigkeiten!" --
Und der Zar will vor dem ird'schen Reiche
Lieber sich das Himmelreich erwählen.
Auf dem Amselfelde eine Kirche
Führt er auf, doch nicht auf Marmorgrunde, 40
Nein, aus reiner Seid' ist sie und Scharlach.
Ruft herbei den Patriarchen Serbiens,
Und der hohen Erzbischöfe Zwölfe,
*) Eine zeltartige Feldkirche.
Greife an mit Sturm das Heer der Türken,
Und das ganze Heer wird Dir erliegen;
Aber willst das Himmelreich Du lieber, 20
Wohl! errichte auf dem Amselfelde
Eine Kirche, nicht auf Marmorgrunde,
Nein, gefertiget aus Seid' und Scharlach, *)
Daß das Heer zum Abendmale gehend,
Und entsündigt sich zum Tod' bereite! 25
Alle Deine Krieger werden fallen,
Du, o Fürst, mit ihnen untergehen!“ —
Als der Zar Lasar dieß Wort vernommen,
Dacht' er nach, ein Jegliches bedenkend:
„Herr, mein Gott ! was soll und welches soll ich? 30
Welches wähl' ich mir von beiden Reichen?
Soll ich mir das Himmelreich erwählen?
Oder mir das ird'sche Reich erwählen?
Wenn das ird'sche Reich ich mir erwähle:
Irdisches ist kurz nur und vergänglich, 35
Himmlisches für Zeit und Ewigkeiten!“ —
Und der Zar will vor dem ird'schen Reiche
Lieber sich das Himmelreich erwählen.
Auf dem Amselfelde eine Kirche
Führt er auf, doch nicht auf Marmorgrunde, 40
Nein, aus reiner Seid' ist sie und Scharlach.
Ruft herbei den Patriarchen Serbiens,
Und der hohen Erzbischöfe Zwölfe,
*) Eine zeltartige Feldkirche.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0316" n="250"/>
            <lg>
              <l>Greife an mit Sturm das Heer der Türken,</l><lb/>
              <l>Und das ganze Heer wird Dir erliegen;</l><lb/>
              <l>Aber willst das Himmelreich Du lieber, <note place="right">20</note></l><lb/>
              <l>Wohl! errichte auf dem Amselfelde</l><lb/>
              <l>Eine Kirche, nicht auf Marmorgrunde,</l><lb/>
              <l>Nein, gefertiget aus Seid' und Scharlach, <note place="foot" n="*)">Eine zeltartige Feldkirche.</note></l><lb/>
              <l>Daß das Heer zum Abendmale gehend,</l><lb/>
              <l>Und entsündigt sich zum Tod' bereite! <note place="right">25</note></l><lb/>
              <l>Alle Deine Krieger werden fallen,</l><lb/>
              <l>Du, o Fürst, mit ihnen untergehen!&#x201C; &#x2014;</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Als der Zar Lasar dieß Wort vernommen,</l><lb/>
              <l>Dacht' er nach, ein Jegliches bedenkend:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Herr, mein Gott ! was soll und welches soll ich? <note place="right">30</note></l><lb/>
              <l>Welches wähl' ich mir von beiden Reichen?</l><lb/>
              <l>Soll ich mir das Himmelreich erwählen?</l><lb/>
              <l>Oder mir das ird'sche Reich erwählen?</l><lb/>
              <l>Wenn das ird'sche Reich ich mir erwähle:</l><lb/>
              <l>Irdisches ist kurz nur und vergänglich, <note place="right">35</note></l><lb/>
              <l>Himmlisches für Zeit und Ewigkeiten!&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
              <l>Und der Zar will vor dem ird'schen Reiche</l><lb/>
              <l>Lieber sich das Himmelreich erwählen.</l><lb/>
              <l>Auf dem Amselfelde eine Kirche</l><lb/>
              <l>Führt er auf, doch nicht auf Marmorgrunde, <note place="right">40</note></l><lb/>
              <l>Nein, aus reiner Seid' ist sie und Scharlach.</l><lb/>
              <l>Ruft herbei den Patriarchen Serbiens,</l><lb/>
              <l>Und der hohen Erzbischöfe Zwölfe,</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0316] Greife an mit Sturm das Heer der Türken, Und das ganze Heer wird Dir erliegen; Aber willst das Himmelreich Du lieber, Wohl! errichte auf dem Amselfelde Eine Kirche, nicht auf Marmorgrunde, Nein, gefertiget aus Seid' und Scharlach, *) Daß das Heer zum Abendmale gehend, Und entsündigt sich zum Tod' bereite! Alle Deine Krieger werden fallen, Du, o Fürst, mit ihnen untergehen!“ — Als der Zar Lasar dieß Wort vernommen, Dacht' er nach, ein Jegliches bedenkend: „Herr, mein Gott ! was soll und welches soll ich? Welches wähl' ich mir von beiden Reichen? Soll ich mir das Himmelreich erwählen? Oder mir das ird'sche Reich erwählen? Wenn das ird'sche Reich ich mir erwähle: Irdisches ist kurz nur und vergänglich, Himmlisches für Zeit und Ewigkeiten!“ — Und der Zar will vor dem ird'schen Reiche Lieber sich das Himmelreich erwählen. Auf dem Amselfelde eine Kirche Führt er auf, doch nicht auf Marmorgrunde, Nein, aus reiner Seid' ist sie und Scharlach. Ruft herbei den Patriarchen Serbiens, Und der hohen Erzbischöfe Zwölfe, *) Eine zeltartige Feldkirche.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Robert Charlier, AV GWB Berlin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-30T17:55:01Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/316
Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/316>, abgerufen am 16.02.2025.