Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Wiss', um seinen Herren trauert Scharatz, Denn ihr werdet bald Euch trennen müssen!" -- Aber Marko sagte zu der Wila: 25 "Weiße Wila! soll der Hals Dir weh thun! Wie könnt' ich mich von dem Scharatz trennen, Der durch Land und Städte mich getragen, Weit vom Aufgang' bis zum Niedergange? Giebt es doch kein besser Roß auf Erden, 30 Wie als ich kein bess'rer Held auf Erden! Nicht, so lang mein Haupt auf meinem Rumpfe, Denk' ich von dem Scharatz mich zu trennen!" -- Ihm entgegnete die weiße Wila: "Höre, Bruder, Königsprosse Marko! 35 Nicht Gewalt wird Scharatz Dir entreißen, Noch vermag, Freund Marko, Dich zu tödten Heldenarm, und nicht der scharfe Säbel, Nicht der Kolben, nicht die Kampfeslanze; Keinen Helden fürchte Du auf Erden! 40 Aber sterben wirst Du, armer Marko, Durch Gott selbst, den alten Blutvergießer. So Du nicht willst meinen Worten glauben, Reit' hinan zu des Gebirges Gipfel, Schaue von der Rechten zu der Linken: 45 Sehen wirst Du dort zwei schlanke Tannen, Die des Waldes Bäum' all' überragen, Schön geschmückt find sie mit grünen Blättern; Aber zwischen ihnen ist ein Brunnen. 16
Wiss', um seinen Herren trauert Scharatz, Denn ihr werdet bald Euch trennen müssen!“ — Aber Marko sagte zu der Wila: 25 „Weiße Wila! soll der Hals Dir weh thun! Wie könnt' ich mich von dem Scharatz trennen, Der durch Land und Städte mich getragen, Weit vom Aufgang' bis zum Niedergange? Giebt es doch kein besser Roß auf Erden, 30 Wie als ich kein bess'rer Held auf Erden! Nicht, so lang mein Haupt auf meinem Rumpfe, Denk' ich von dem Scharatz mich zu trennen!“ — Ihm entgegnete die weiße Wila: „Höre, Bruder, Königsprosse Marko! 35 Nicht Gewalt wird Scharatz Dir entreißen, Noch vermag, Freund Marko, Dich zu tödten Heldenarm, und nicht der scharfe Säbel, Nicht der Kolben, nicht die Kampfeslanze; Keinen Helden fürchte Du auf Erden! 40 Aber sterben wirst Du, armer Marko, Durch Gott selbst, den alten Blutvergießer. So Du nicht willst meinen Worten glauben, Reit' hinan zu des Gebirges Gipfel, Schaue von der Rechten zu der Linken: 45 Sehen wirst Du dort zwei schlanke Tannen, Die des Waldes Bäum' all' überragen, Schön geschmückt find sie mit grünen Blättern; Aber zwischen ihnen ist ein Brunnen. 16
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0307" n="241"/> <lg> <l>Wiss', um seinen Herren trauert Scharatz,</l><lb/> <l>Denn ihr werdet bald Euch trennen müssen!“ —</l> </lg><lb/> <lg> <l>Aber Marko sagte zu der Wila: <note place="right">25</note></l><lb/> <l>„Weiße Wila! soll der Hals Dir weh thun!</l><lb/> <l>Wie könnt' ich mich von dem Scharatz trennen,</l><lb/> <l>Der durch Land und Städte mich getragen,</l><lb/> <l>Weit vom Aufgang' bis zum Niedergange?</l><lb/> <l>Giebt es doch kein besser Roß auf Erden, <note place="right">30</note></l><lb/> <l>Wie als ich kein bess'rer Held auf Erden!</l><lb/> <l>Nicht, so lang mein Haupt auf meinem Rumpfe,</l><lb/> <l>Denk' ich von dem Scharatz mich zu trennen!“ —</l> </lg><lb/> <lg> <l>Ihm entgegnete die weiße Wila:</l><lb/> <l>„Höre, Bruder, Königsprosse Marko! <note place="right">35</note></l><lb/> <l>Nicht Gewalt wird Scharatz Dir entreißen,</l><lb/> <l>Noch vermag, Freund Marko, Dich zu tödten</l><lb/> <l>Heldenarm, und nicht der scharfe Säbel,</l><lb/> <l>Nicht der Kolben, nicht die Kampfeslanze;</l><lb/> <l>Keinen Helden fürchte Du auf Erden! <note place="right">40</note></l><lb/> <l>Aber sterben wirst Du, armer Marko,</l><lb/> <l>Durch Gott selbst, den alten Blutvergießer.</l><lb/> <l>So Du nicht willst meinen Worten glauben,</l><lb/> <l>Reit' hinan zu des Gebirges Gipfel,</l><lb/> <l>Schaue von der Rechten zu der Linken: <note place="right">45</note></l><lb/> <l>Sehen wirst Du dort zwei schlanke Tannen,</l><lb/> <l>Die des Waldes Bäum' all' überragen,</l><lb/> <l>Schön geschmückt find sie mit grünen Blättern;</l><lb/> <l>Aber zwischen ihnen ist ein Brunnen.</l> </lg><lb/> <fw type="sig" place="bottom">16</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [241/0307]
Wiss', um seinen Herren trauert Scharatz,
Denn ihr werdet bald Euch trennen müssen!“ —
Aber Marko sagte zu der Wila:
„Weiße Wila! soll der Hals Dir weh thun!
Wie könnt' ich mich von dem Scharatz trennen,
Der durch Land und Städte mich getragen,
Weit vom Aufgang' bis zum Niedergange?
Giebt es doch kein besser Roß auf Erden,
Wie als ich kein bess'rer Held auf Erden!
Nicht, so lang mein Haupt auf meinem Rumpfe,
Denk' ich von dem Scharatz mich zu trennen!“ —
Ihm entgegnete die weiße Wila:
„Höre, Bruder, Königsprosse Marko!
Nicht Gewalt wird Scharatz Dir entreißen,
Noch vermag, Freund Marko, Dich zu tödten
Heldenarm, und nicht der scharfe Säbel,
Nicht der Kolben, nicht die Kampfeslanze;
Keinen Helden fürchte Du auf Erden!
Aber sterben wirst Du, armer Marko,
Durch Gott selbst, den alten Blutvergießer.
So Du nicht willst meinen Worten glauben,
Reit' hinan zu des Gebirges Gipfel,
Schaue von der Rechten zu der Linken:
Sehen wirst Du dort zwei schlanke Tannen,
Die des Waldes Bäum' all' überragen,
Schön geschmückt find sie mit grünen Blättern;
Aber zwischen ihnen ist ein Brunnen.
16
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/307 |
Zitationshilfe: | Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/307>, abgerufen am 29.06.2024. |