Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Vor trat jetzt der Königsohn, Herr Marko: 215 "Halte ein, o Herrin, Türkenjungfrau! Was doch treibt hinunter in den See Dich? Was doch willst Du Dich dem See' vermählen? Sag', welch großes Leid hat Dich befallen?" -- Ihm entgegnete die türk'sche Jungfrau: 220 "Hebe Dich von hinnen, nackter Derwisch! Was doch frägst Du, kannst Du doch nicht helfen?" -- Und vom Anfang' bis zu Ende alles Sagte sie ihm, was zum See' sie führte: "Ganz zuletzt, ach! hört' ich von dem Marko, 225 In Prilip dort, in der weißen Feste, Und ich hört', es sey ein Held der Marko, Der den Mohren wohl bezwingen könnte! Da grüßt' ich in Gott ihn meinen Bruder, Pathe grüßt' ich ihn in St. Johannes, 230 Und gelobt' ihm viele edle Gaben. Doch umsonst! der Marko will nicht helfen: Also fehl' ihm einst die Hülfe Gottes!" -- Und es sprach der Königsohn, Herr Marko: "Wolle mir nicht fluchen, meine Schwester! 235 Sieh' ich selber steh' vor Dir, der Marko!" -- Als das schöne Mädchen dieß vernommen, Warf sie sich dem Marko in die Arme: "O mein Bruder, Königsprosse Marko! Ueberlaß mich nicht dem schwarzen Mohren!" 240 Vor trat jetzt der Königsohn, Herr Marko: 215 „Halte ein, o Herrin, Türkenjungfrau! Was doch treibt hinunter in den See Dich? Was doch willst Du Dich dem See' vermählen? Sag', welch großes Leid hat Dich befallen?“ — Ihm entgegnete die türk'sche Jungfrau: 220 „Hebe Dich von hinnen, nackter Derwisch! Was doch frägst Du, kannst Du doch nicht helfen?“ — Und vom Anfang' bis zu Ende alles Sagte sie ihm, was zum See' sie führte: „Ganz zuletzt, ach! hört' ich von dem Marko, 225 In Prilip dort, in der weißen Feste, Und ich hört', es sey ein Held der Marko, Der den Mohren wohl bezwingen könnte! Da grüßt' ich in Gott ihn meinen Bruder, Pathe grüßt' ich ihn in St. Johannes, 230 Und gelobt' ihm viele edle Gaben. Doch umsonst! der Marko will nicht helfen: Also fehl' ihm einst die Hülfe Gottes!“ — Und es sprach der Königsohn, Herr Marko: „Wolle mir nicht fluchen, meine Schwester! 235 Sieh' ich selber steh' vor Dir, der Marko!“ — Als das schöne Mädchen dieß vernommen, Warf sie sich dem Marko in die Arme: „O mein Bruder, Königsprosse Marko! Ueberlaß mich nicht dem schwarzen Mohren!“ 240 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0298" n="232"/> <lg> <l>Vor trat jetzt der Königsohn, Herr Marko: <note place="right">215</note></l><lb/> <l>„Halte ein, o Herrin, Türkenjungfrau!</l><lb/> <l>Was doch treibt hinunter in den See Dich?</l><lb/> <l>Was doch willst Du Dich dem See' vermählen?</l><lb/> <l>Sag', welch großes Leid hat Dich befallen?“ —</l> </lg><lb/> <lg> <l>Ihm entgegnete die türk'sche Jungfrau: <note place="right">220</note></l><lb/> <l>„Hebe Dich von hinnen, nackter Derwisch!</l><lb/> <l>Was doch frägst Du, kannst Du doch nicht helfen?“ —</l><lb/> <l>Und vom Anfang' bis zu Ende alles</l><lb/> <l>Sagte sie ihm, was zum See' sie führte:</l><lb/> <l>„Ganz zuletzt, ach! hört' ich von dem Marko, <note place="right">225</note></l><lb/> <l>In Prilip dort, in der weißen Feste,</l><lb/> <l>Und ich hört', es sey ein Held der Marko,</l><lb/> <l>Der den Mohren wohl bezwingen könnte!</l><lb/> <l>Da grüßt' ich in Gott ihn meinen Bruder,</l><lb/> <l>Pathe grüßt' ich ihn in St. Johannes, <note place="right">230</note></l><lb/> <l>Und gelobt' ihm viele edle Gaben.</l><lb/> <l>Doch umsonst! der Marko will nicht helfen:</l><lb/> <l>Also fehl' ihm einst die Hülfe Gottes!“ —</l> </lg><lb/> <lg> <l>Und es sprach der Königsohn, Herr Marko:</l><lb/> <l>„Wolle mir nicht fluchen, meine Schwester! <note place="right">235</note></l><lb/> <l>Sieh' ich selber steh' vor Dir, der Marko!“ —</l> </lg><lb/> <lg> <l>Als das schöne Mädchen dieß vernommen,</l><lb/> <l>Warf sie sich dem Marko in die Arme:</l><lb/> <l>„O mein Bruder, Königsprosse Marko!</l><lb/> <l>Ueberlaß mich nicht dem schwarzen Mohren!“ <note place="right">240</note></l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [232/0298]
Vor trat jetzt der Königsohn, Herr Marko:
„Halte ein, o Herrin, Türkenjungfrau!
Was doch treibt hinunter in den See Dich?
Was doch willst Du Dich dem See' vermählen?
Sag', welch großes Leid hat Dich befallen?“ —
Ihm entgegnete die türk'sche Jungfrau:
„Hebe Dich von hinnen, nackter Derwisch!
Was doch frägst Du, kannst Du doch nicht helfen?“ —
Und vom Anfang' bis zu Ende alles
Sagte sie ihm, was zum See' sie führte:
„Ganz zuletzt, ach! hört' ich von dem Marko,
In Prilip dort, in der weißen Feste,
Und ich hört', es sey ein Held der Marko,
Der den Mohren wohl bezwingen könnte!
Da grüßt' ich in Gott ihn meinen Bruder,
Pathe grüßt' ich ihn in St. Johannes,
Und gelobt' ihm viele edle Gaben.
Doch umsonst! der Marko will nicht helfen:
Also fehl' ihm einst die Hülfe Gottes!“ —
Und es sprach der Königsohn, Herr Marko:
„Wolle mir nicht fluchen, meine Schwester!
Sieh' ich selber steh' vor Dir, der Marko!“ —
Als das schöne Mädchen dieß vernommen,
Warf sie sich dem Marko in die Arme:
„O mein Bruder, Königsprosse Marko!
Ueberlaß mich nicht dem schwarzen Mohren!“
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Zitationshilfe: | Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/298>, abgerufen am 16.02.2025. |