Einen Thurm baut' einst der schwarze Mohre, Setzte auf einander zwanzig Stockwerk, Dicht am Strand' des blauen, dicken Meeres. Aber als der Mohr den Thurm vollendet, Ließ er Fenster drinn und Scheiben machen, 5 Innen ließ er Sammt und Seide breiten, Und zum fert'gen Thurme sprach er also: "Thurm, was stehst du öde an, der Küste? Herrenlos, denn dich bewohnt ja Niemand! Keine Mutter hab' ich, keine Schwester, 10 Und vermahlt hab' ich mich nie im Leben, Daß die Gattin dich bewohnen könnte. Doch bei Gott! mich soll nicht meine Mutter, Eine Stute soll erzeugt mich haben, Wenn ich um des Sultans Kind nicht freie! 15 Geben muß der Sultan mir die Tochter, Oder auf dem Kampfplatz mir begegnen!" --
Als zum Thurme dieß der Mohr gesprochen, Einen kleinbeschriebnen Brief verfaßt er, An den Sultan, nach dem weißen Stambul: 20 "Sultan," schrieb er, "Herr des weißen Stambul! Einen Thurm hab' ich am Meer erbauet, Aber öde sieht er, unbewohnet,
Der Königsohn Marko und der Mohr.
Einen Thurm baut' einst der schwarze Mohre, Setzte auf einander zwanzig Stockwerk, Dicht am Strand' des blauen, dicken Meeres. Aber als der Mohr den Thurm vollendet, Ließ er Fenster drinn und Scheiben machen, 5 Innen ließ er Sammt und Seide breiten, Und zum fert'gen Thurme sprach er also: „Thurm, was stehst du öde an, der Küste? Herrenlos, denn dich bewohnt ja Niemand! Keine Mutter hab' ich, keine Schwester, 10 Und vermahlt hab' ich mich nie im Leben, Daß die Gattin dich bewohnen könnte. Doch bei Gott! mich soll nicht meine Mutter, Eine Stute soll erzeugt mich haben, Wenn ich um des Sultans Kind nicht freie! 15 Geben muß der Sultan mir die Tochter, Oder auf dem Kampfplatz mir begegnen!“ —
Als zum Thurme dieß der Mohr gesprochen, Einen kleinbeschriebnen Brief verfaßt er, An den Sultan, nach dem weißen Stambul: 20 „Sultan,“ schrieb er, „Herr des weißen Stambul! Einen Thurm hab' ich am Meer erbauet, Aber öde sieht er, unbewohnet,
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Der Königsohn Marko und der Mohr.
Einen Thurm baut' einst der schwarze Mohre,
Setzte auf einander zwanzig Stockwerk,
Dicht am Strand' des blauen, dicken Meeres.
Aber als der Mohr den Thurm vollendet,
Ließ er Fenster drinn und Scheiben machen,
Innen ließ er Sammt und Seide breiten,
Und zum fert'gen Thurme sprach er also:
„Thurm, was stehst du öde an, der Küste?
Herrenlos, denn dich bewohnt ja Niemand!
Keine Mutter hab' ich, keine Schwester,
Und vermahlt hab' ich mich nie im Leben,
Daß die Gattin dich bewohnen könnte.
Doch bei Gott! mich soll nicht meine Mutter,
Eine Stute soll erzeugt mich haben,
Wenn ich um des Sultans Kind nicht freie!
Geben muß der Sultan mir die Tochter,
Oder auf dem Kampfplatz mir begegnen!“ —
Als zum Thurme dieß der Mohr gesprochen,
Einen kleinbeschriebnen Brief verfaßt er,
An den Sultan, nach dem weißen Stambul:
„Sultan,“ schrieb er, „Herr des weißen Stambul!
Einen Thurm hab' ich am Meer erbauet,
Aber öde sieht er, unbewohnet,
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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/290>, abgerufen am 29.06.2024.
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