Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Sinnend steht drauf Marko, überleget, Ob zum Sultan nach Jedren er gehe? Oder ob nach seinem Hof zu Prilip? 80 Alles überlegt er, endlich spricht er: "Besser ist's, ich gehe selbst zum Sultan, Daß von mir, was ich gethan, er höre, Als daß mich die Türken dort verklagen." Als Held Marko nun Jedren erreichte, 85 Und im Divan vor den Sultan hintritt, Blickten wildverworren seine Augen, Wie der Wolf, der hungrig Waldumher schweift. Schaut' er auf, so war's, als ob es blitzte! Da befragt' ihn sorglich der Herr Sultan: 90 "Sag', mein Söhnchen, Königsprosse Marko, Was doch hat Dich gegen mich erzürnet? Was ist Dir Unsel'ges widerfahren?" -- Alles drauf berichtete ihm Marko, Was mit Murat, dem Wesir, geschehen. 95 Lachte deß aus vollem Hals' der Sultan, Flüsternd sprach er zu dem Königsohne: "Mög'st Du dafür leben, Söhnchen Marko! Hättest Du Dich also nicht betragen, Möcht' ich meinen Sohn Dich nicht mehr nennen. 100 Jedes Türklein kann Wesir ja werden; Doch wie Marko lebt kein andrer Held mehr!" -- Und in seine seidne Tasche greifend, Zieht er tausend Goldstück' aus der Tasche, Sinnend steht drauf Marko, überleget, Ob zum Sultan nach Jedren er gehe? Oder ob nach seinem Hof zu Prilip? 80 Alles überlegt er, endlich spricht er: „Besser ist's, ich gehe selbst zum Sultan, Daß von mir, was ich gethan, er höre, Als daß mich die Türken dort verklagen.“ Als Held Marko nun Jedren erreichte, 85 Und im Divan vor den Sultan hintritt, Blickten wildverworren seine Augen, Wie der Wolf, der hungrig Waldumher schweift. Schaut' er auf, so war's, als ob es blitzte! Da befragt' ihn sorglich der Herr Sultan: 90 „Sag', mein Söhnchen, Königsprosse Marko, Was doch hat Dich gegen mich erzürnet? Was ist Dir Unsel'ges widerfahren?“ — Alles drauf berichtete ihm Marko, Was mit Murat, dem Wesir, geschehen. 95 Lachte deß aus vollem Hals' der Sultan, Flüsternd sprach er zu dem Königsohne: „Mög'st Du dafür leben, Söhnchen Marko! Hättest Du Dich also nicht betragen, Möcht' ich meinen Sohn Dich nicht mehr nennen. 100 Jedes Türklein kann Wesir ja werden; Doch wie Marko lebt kein andrer Held mehr!“ — Und in seine seidne Tasche greifend, Zieht er tausend Goldstück' aus der Tasche, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0282" n="216"/> <lg> <l>Sinnend steht drauf Marko, überleget,</l><lb/> <l>Ob zum Sultan nach Jedren er gehe?</l><lb/> <l>Oder ob nach seinem Hof zu Prilip? <note place="right">80</note></l><lb/> <l>Alles überlegt er, endlich spricht er:</l><lb/> <l>„Besser ist's, ich gehe selbst zum Sultan,</l><lb/> <l>Daß von mir, was ich gethan, er höre,</l><lb/> <l>Als daß mich die Türken dort verklagen.“</l> </lg><lb/> <lg> <l>Als Held Marko nun Jedren erreichte, <note place="right">85</note></l><lb/> <l>Und im Divan vor den Sultan hintritt,</l><lb/> <l>Blickten wildverworren seine Augen,</l><lb/> <l>Wie der Wolf, der hungrig Waldumher schweift.</l><lb/> <l>Schaut' er auf, so war's, als ob es blitzte!</l><lb/> <l>Da befragt' ihn sorglich der Herr Sultan: <note place="right">90</note></l><lb/> <l>„Sag', mein Söhnchen, Königsprosse Marko,</l><lb/> <l>Was doch hat Dich gegen mich erzürnet?</l><lb/> <l>Was ist Dir Unsel'ges widerfahren?“ —</l><lb/> <l>Alles drauf berichtete ihm Marko,</l><lb/> <l>Was mit Murat, dem Wesir, geschehen. <note place="right">95</note></l><lb/> <l>Lachte deß aus vollem Hals' der Sultan,</l><lb/> <l>Flüsternd sprach er zu dem Königsohne:</l><lb/> <l>„Mög'st Du dafür leben, Söhnchen Marko!</l><lb/> <l>Hättest Du Dich also nicht betragen,</l><lb/> <l>Möcht' ich meinen Sohn Dich nicht mehr nennen. <note place="right">100</note></l><lb/> <l>Jedes Türklein kann Wesir ja werden;</l><lb/> <l>Doch wie Marko lebt kein andrer Held mehr!“ —</l> </lg><lb/> <lg> <l>Und in seine seidne Tasche greifend,</l><lb/> <l>Zieht er tausend Goldstück' aus der Tasche,</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [216/0282]
Sinnend steht drauf Marko, überleget,
Ob zum Sultan nach Jedren er gehe?
Oder ob nach seinem Hof zu Prilip?
Alles überlegt er, endlich spricht er:
„Besser ist's, ich gehe selbst zum Sultan,
Daß von mir, was ich gethan, er höre,
Als daß mich die Türken dort verklagen.“
Als Held Marko nun Jedren erreichte,
Und im Divan vor den Sultan hintritt,
Blickten wildverworren seine Augen,
Wie der Wolf, der hungrig Waldumher schweift.
Schaut' er auf, so war's, als ob es blitzte!
Da befragt' ihn sorglich der Herr Sultan:
„Sag', mein Söhnchen, Königsprosse Marko,
Was doch hat Dich gegen mich erzürnet?
Was ist Dir Unsel'ges widerfahren?“ —
Alles drauf berichtete ihm Marko,
Was mit Murat, dem Wesir, geschehen.
Lachte deß aus vollem Hals' der Sultan,
Flüsternd sprach er zu dem Königsohne:
„Mög'st Du dafür leben, Söhnchen Marko!
Hättest Du Dich also nicht betragen,
Möcht' ich meinen Sohn Dich nicht mehr nennen.
Jedes Türklein kann Wesir ja werden;
Doch wie Marko lebt kein andrer Held mehr!“ —
Und in seine seidne Tasche greifend,
Zieht er tausend Goldstück' aus der Tasche,
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Zitationshilfe: | Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/282>, abgerufen am 16.02.2025. |