Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

Bild:
<< vorherige Seite
"Wie ist dir zu Muth, mein treuer Falke?
Sprich, wie ist dir ohne deinen Flügel?" --80
Zischend sprach der Falke, ihm entgegnend:
"So ist mir zu Muth ohn' meinen Flügel,
Als wie einem Bruder ohne Bruder!" --
Da durchführt den Dmeter der Gedanke,
Daß die Frau den Bruder ihm vergifte, 85
Und sich auf den mächt'gen Rappen schwingend
Jagt zurück er nach der Feste Belgrad,
Daß den Bruder er noch lebend finde.
Als er kam nach der Tschekmeter Brücke,
Spornt' er so hinüber seinen Rappen, 90
Daß er ungestümen Laufes durchbrach,
Und zerschmettert ihm die Füße lagen.
Wie Demeter sich in dieser Noth sah,
Nahm er von dem Rosse schnell den Sattel,
Hieng ihn übern Kolben auf den Rücken, 95
Fort nur eilend nach der Feste Belgrad.
Angelangt rief er sogleich die Gattin:
"Angelia, meine treue Gattin!
Hast mir doch den Bruder nicht vergiftet?"
Aber ihm entgegnet Angelia: 100
"Nicht vergiftet hab' ich Dir den Bruder;
Ausgesöhnet hab' ich Dich mit Bogdan." --


„Wie ist dir zu Muth, mein treuer Falke?
Sprich, wie ist dir ohne deinen Flügel?“ —80
Zischend sprach der Falke, ihm entgegnend:
„So ist mir zu Muth ohn' meinen Flügel,
Als wie einem Bruder ohne Bruder!“ —
Da durchführt den Dmeter der Gedanke,
Daß die Frau den Bruder ihm vergifte, 85
Und sich auf den mächt'gen Rappen schwingend
Jagt zurück er nach der Feste Belgrad,
Daß den Bruder er noch lebend finde.
Als er kam nach der Tschekmeter Brücke,
Spornt' er so hinüber seinen Rappen, 90
Daß er ungestümen Laufes durchbrach,
Und zerschmettert ihm die Füße lagen.
Wie Demeter sich in dieser Noth sah,
Nahm er von dem Rosse schnell den Sattel,
Hieng ihn übern Kolben auf den Rücken, 95
Fort nur eilend nach der Feste Belgrad.
Angelangt rief er sogleich die Gattin:
„Angelia, meine treue Gattin!
Hast mir doch den Bruder nicht vergiftet?“
Aber ihm entgegnet Angelia: 100
„Nicht vergiftet hab' ich Dir den Bruder;
Ausgesöhnet hab' ich Dich mit Bogdan.“ —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0216" n="150"/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Wie ist dir zu Muth, mein treuer Falke?</l><lb/>
              <l>Sprich, wie ist dir ohne deinen Flügel?&#x201C; &#x2014;<note place="right">80</note></l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Zischend sprach der Falke, ihm entgegnend:</l><lb/>
              <l>&#x201E;So ist mir zu Muth ohn' meinen Flügel,</l><lb/>
              <l>Als wie einem Bruder ohne Bruder!&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
              <l>Da durchführt den Dmeter der Gedanke,</l><lb/>
              <l>Daß die Frau den Bruder ihm vergifte, <note place="right">85</note></l><lb/>
              <l>Und sich auf den mächt'gen Rappen schwingend</l><lb/>
              <l>Jagt zurück er nach der Feste Belgrad,</l><lb/>
              <l>Daß den Bruder er noch lebend finde.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Als er kam nach der Tschekmeter Brücke,</l><lb/>
              <l>Spornt' er so hinüber seinen Rappen, <note place="right">90</note></l><lb/>
              <l>Daß er ungestümen Laufes durchbrach,</l><lb/>
              <l>Und zerschmettert ihm die Füße lagen.</l><lb/>
              <l>Wie Demeter sich in dieser Noth sah,</l><lb/>
              <l>Nahm er von dem Rosse schnell den Sattel,</l><lb/>
              <l>Hieng ihn übern Kolben auf den Rücken, <note place="right">95</note></l><lb/>
              <l>Fort nur eilend nach der Feste Belgrad.</l><lb/>
              <l>Angelangt rief er sogleich die Gattin:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Angelia, meine treue Gattin!</l><lb/>
              <l>Hast mir doch den Bruder nicht vergiftet?&#x201C;</l><lb/>
              <l>Aber ihm entgegnet Angelia: <note place="right">100</note></l><lb/>
              <l>&#x201E;Nicht vergiftet hab' ich Dir den Bruder;</l><lb/>
              <l>Ausgesöhnet hab' ich Dich mit Bogdan.&#x201C; &#x2014;</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0216] „Wie ist dir zu Muth, mein treuer Falke? Sprich, wie ist dir ohne deinen Flügel?“ — Zischend sprach der Falke, ihm entgegnend: „So ist mir zu Muth ohn' meinen Flügel, Als wie einem Bruder ohne Bruder!“ — Da durchführt den Dmeter der Gedanke, Daß die Frau den Bruder ihm vergifte, Und sich auf den mächt'gen Rappen schwingend Jagt zurück er nach der Feste Belgrad, Daß den Bruder er noch lebend finde. Als er kam nach der Tschekmeter Brücke, Spornt' er so hinüber seinen Rappen, Daß er ungestümen Laufes durchbrach, Und zerschmettert ihm die Füße lagen. Wie Demeter sich in dieser Noth sah, Nahm er von dem Rosse schnell den Sattel, Hieng ihn übern Kolben auf den Rücken, Fort nur eilend nach der Feste Belgrad. Angelangt rief er sogleich die Gattin: „Angelia, meine treue Gattin! Hast mir doch den Bruder nicht vergiftet?“ Aber ihm entgegnet Angelia: „Nicht vergiftet hab' ich Dir den Bruder; Ausgesöhnet hab' ich Dich mit Bogdan.“ —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Robert Charlier, AV GWB Berlin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-30T17:55:01Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/216
Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/216>, abgerufen am 21.11.2024.