Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Holet den geweihten Segensbecher, Den, aus reinem Golde schön geschmiedet, Bei der Hochzeit ihr der Vater schenkte. Voll des goldnen Weins gießt sie den Becher, 55 Trägt ihn hin zu ihrem Schwager Bogdan, Küßt demüthiglich ihm Saum und Hände, Tief sich vor ihm bis zur Erde beugend. "Diesen Becher weih' ich Dir, mein Schwager! Diesen Becher und den goldnen Wein drinn! 60 Schenke Du dafür mir Roß und Falken!" -- Und gerührt erhörte sie der Schwager, Gab ihr willig beides, Roß und Falken. Während deß den ganzen Tag im Walde Jagte Dmeter, konnte nichts erjagen. 65 Gegen Abend führte ihn der Zufall In dem Wald zu einem grünen See hin, Darauf eine goldbeschwingte Ente. Dmeter ließ den grauen Falken fliegen, Daß die goldbeschwingte Ent' er fange; 70 Aber eh' er sie noch konnt' erschauen, Hielt sie schon gefaßt den grauen Falken, An dem Leib den Flügel ihm zerbrechend. Als Demeter Jakschitsch dieß erblickte: Eilig warf er von sich seine Kleider, 75 Und sich in den stillen Waldsee stürzend, Nahm er aus dem Wasser seinen Falken, Und befragt ihn mitleidvolles Sinnes: Holet den geweihten Segensbecher, Den, aus reinem Golde schön geschmiedet, Bei der Hochzeit ihr der Vater schenkte. Voll des goldnen Weins gießt sie den Becher, 55 Trägt ihn hin zu ihrem Schwager Bogdan, Küßt demüthiglich ihm Saum und Hände, Tief sich vor ihm bis zur Erde beugend. „Diesen Becher weih' ich Dir, mein Schwager! Diesen Becher und den goldnen Wein drinn! 60 Schenke Du dafür mir Roß und Falken!“ — Und gerührt erhörte sie der Schwager, Gab ihr willig beides, Roß und Falken. Während deß den ganzen Tag im Walde Jagte Dmeter, konnte nichts erjagen. 65 Gegen Abend führte ihn der Zufall In dem Wald zu einem grünen See hin, Darauf eine goldbeschwingte Ente. Dmeter ließ den grauen Falken fliegen, Daß die goldbeschwingte Ent' er fange; 70 Aber eh' er sie noch konnt' erschauen, Hielt sie schon gefaßt den grauen Falken, An dem Leib den Flügel ihm zerbrechend. Als Demeter Jakschitsch dieß erblickte: Eilig warf er von sich seine Kleider, 75 Und sich in den stillen Waldsee stürzend, Nahm er aus dem Wasser seinen Falken, Und befragt ihn mitleidvolles Sinnes: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0215" n="149"/> <lg> <l>Holet den geweihten Segensbecher,</l><lb/> <l>Den, aus reinem Golde schön geschmiedet,</l><lb/> <l>Bei der Hochzeit ihr der Vater schenkte.</l><lb/> <l>Voll des goldnen Weins gießt sie den Becher, <note place="right">55</note></l><lb/> <l>Trägt ihn hin zu ihrem Schwager Bogdan,</l><lb/> <l>Küßt demüthiglich ihm Saum und Hände,</l><lb/> <l>Tief sich vor ihm bis zur Erde beugend.</l> </lg><lb/> <lg> <l>„Diesen Becher weih' ich Dir, mein Schwager!</l><lb/> <l>Diesen Becher und den goldnen Wein drinn! <note place="right">60</note></l><lb/> <l>Schenke Du dafür mir Roß und Falken!“ —</l><lb/> <l>Und gerührt erhörte sie der Schwager,</l><lb/> <l>Gab ihr willig beides, Roß und Falken.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Während deß den ganzen Tag im Walde</l><lb/> <l>Jagte Dmeter, konnte nichts erjagen. <note place="right">65</note></l><lb/> <l>Gegen Abend führte ihn der Zufall</l><lb/> <l>In dem Wald zu einem grünen See hin,</l><lb/> <l>Darauf eine goldbeschwingte Ente.</l><lb/> <l>Dmeter ließ den grauen Falken fliegen,</l><lb/> <l>Daß die goldbeschwingte Ent' er fange; <note place="right">70</note></l><lb/> <l>Aber eh' er sie noch konnt' erschauen,</l><lb/> <l>Hielt sie schon gefaßt den grauen Falken,</l><lb/> <l>An dem Leib den Flügel ihm zerbrechend.</l><lb/> <l>Als Demeter Jakschitsch dieß erblickte:</l><lb/> <l>Eilig warf er von sich seine Kleider, <note place="right">75</note></l><lb/> <l>Und sich in den stillen Waldsee stürzend,</l><lb/> <l>Nahm er aus dem Wasser seinen Falken,</l><lb/> <l>Und befragt ihn mitleidvolles Sinnes:</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [149/0215]
Holet den geweihten Segensbecher,
Den, aus reinem Golde schön geschmiedet,
Bei der Hochzeit ihr der Vater schenkte.
Voll des goldnen Weins gießt sie den Becher,
Trägt ihn hin zu ihrem Schwager Bogdan,
Küßt demüthiglich ihm Saum und Hände,
Tief sich vor ihm bis zur Erde beugend.
„Diesen Becher weih' ich Dir, mein Schwager!
Diesen Becher und den goldnen Wein drinn!
Schenke Du dafür mir Roß und Falken!“ —
Und gerührt erhörte sie der Schwager,
Gab ihr willig beides, Roß und Falken.
Während deß den ganzen Tag im Walde
Jagte Dmeter, konnte nichts erjagen.
Gegen Abend führte ihn der Zufall
In dem Wald zu einem grünen See hin,
Darauf eine goldbeschwingte Ente.
Dmeter ließ den grauen Falken fliegen,
Daß die goldbeschwingte Ent' er fange;
Aber eh' er sie noch konnt' erschauen,
Hielt sie schon gefaßt den grauen Falken,
An dem Leib den Flügel ihm zerbrechend.
Als Demeter Jakschitsch dieß erblickte:
Eilig warf er von sich seine Kleider,
Und sich in den stillen Waldsee stürzend,
Nahm er aus dem Wasser seinen Falken,
Und befragt ihn mitleidvolles Sinnes:
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