Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Um ein schwarzes Roß und einen Falken! 25 Dmeter will das Roß als ält'rer Bruder, Will den Rappen und den grauen Falken. Bogdan weigert ihm so Roß als Falken. Aber als der Morgen morgens anbrach, Schwang sich Dmeter auf den großen Rappen, 30 Nahm mit sich den grauen Edelfalken, Will im Waldgebirge jagen gehen. Und er ruft die Gattin Angelia: "Angelia! meine treue Gattin! Tödte mir mit Gift den Bruder Bogdan! 35 Aber willst Du ihn mir nicht vergiften: Harre meiner nicht im weißen Hofe!" Als die Gattin dieses Wort vernommen, Saß sie nieder, sorgenvoll und traurig! Bei sich selber denkt und spricht sie also: 40 "Was beginn' ich armer, grauer Kuckuk? Wenn den Schwager ich mit Gifte tödte: Große Sünde wär' es vor dem Herren, Vor den Leuten wär' mir's Schimpf und Schande! Klein und Groß würd' auf mich sehn und sagen: 45 Seht Ihr das unsel'ge Weib dort gehen, Das den eignen Schwager hat vergiftet? Aber wenn ich Bogdan nicht vergifte: Kehrt der Gatte nimmer mir zurücke!" -- Alles so bedenkend denkt sie eins aus: 50 In das untre Erdgeschosse steigt sie, Um ein schwarzes Roß und einen Falken! 25 Dmeter will das Roß als ält'rer Bruder, Will den Rappen und den grauen Falken. Bogdan weigert ihm so Roß als Falken. Aber als der Morgen morgens anbrach, Schwang sich Dmeter auf den großen Rappen, 30 Nahm mit sich den grauen Edelfalken, Will im Waldgebirge jagen gehen. Und er ruft die Gattin Angelia: „Angelia! meine treue Gattin! Tödte mir mit Gift den Bruder Bogdan! 35 Aber willst Du ihn mir nicht vergiften: Harre meiner nicht im weißen Hofe!“ Als die Gattin dieses Wort vernommen, Saß sie nieder, sorgenvoll und traurig! Bei sich selber denkt und spricht sie also: 40 „Was beginn' ich armer, grauer Kuckuk? Wenn den Schwager ich mit Gifte tödte: Große Sünde wär' es vor dem Herren, Vor den Leuten wär' mir's Schimpf und Schande! Klein und Groß würd' auf mich sehn und sagen: 45 Seht Ihr das unsel'ge Weib dort gehen, Das den eignen Schwager hat vergiftet? Aber wenn ich Bogdan nicht vergifte: Kehrt der Gatte nimmer mir zurücke!“ — Alles so bedenkend denkt sie eins aus: 50 In das untre Erdgeschosse steigt sie, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0214" n="148"/> <lg> <l><hi rendition="#in">U</hi>m ein schwarzes Roß und einen Falken! <note place="right">25</note></l><lb/> <l>Dmeter will das Roß als ält'rer Bruder,</l><lb/> <l>Will den Rappen und den grauen Falken.</l><lb/> <l>Bogdan weigert ihm so Roß als Falken.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Aber als der Morgen morgens anbrach,</l><lb/> <l>Schwang sich Dmeter auf den großen Rappen, <note place="right">30</note></l><lb/> <l>Nahm mit sich den grauen Edelfalken,</l><lb/> <l>Will im Waldgebirge jagen gehen.</l><lb/> <l>Und er ruft die Gattin Angelia:</l><lb/> <l>„Angelia! meine treue Gattin!</l><lb/> <l>Tödte mir mit Gift den Bruder Bogdan! <note place="right">35</note></l><lb/> <l>Aber willst Du ihn mir nicht vergiften:</l><lb/> <l>Harre meiner nicht im weißen Hofe!“</l> </lg><lb/> <lg> <l>Als die Gattin dieses Wort vernommen,</l><lb/> <l>Saß sie nieder, sorgenvoll und traurig!</l><lb/> <l>Bei sich selber denkt und spricht sie also: <note place="right">40</note></l><lb/> <l>„Was beginn' ich armer, grauer Kuckuk?</l><lb/> <l>Wenn den Schwager ich mit Gifte tödte:</l><lb/> <l>Große Sünde wär' es vor dem Herren,</l><lb/> <l>Vor den Leuten wär' mir's Schimpf und Schande!</l><lb/> <l>Klein und Groß würd' auf mich sehn und sagen: <note place="right">45</note></l><lb/> <l>Seht Ihr das unsel'ge Weib dort gehen,</l><lb/> <l>Das den eignen Schwager hat vergiftet?</l><lb/> <l>Aber wenn ich Bogdan nicht vergifte:</l><lb/> <l>Kehrt der Gatte nimmer mir zurücke!“ —</l><lb/> <l>Alles so bedenkend denkt sie eins aus: <note place="right">50</note></l><lb/> <l>In das untre Erdgeschosse steigt sie,</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [148/0214]
Um ein schwarzes Roß und einen Falken!
Dmeter will das Roß als ält'rer Bruder,
Will den Rappen und den grauen Falken.
Bogdan weigert ihm so Roß als Falken.
Aber als der Morgen morgens anbrach,
Schwang sich Dmeter auf den großen Rappen,
Nahm mit sich den grauen Edelfalken,
Will im Waldgebirge jagen gehen.
Und er ruft die Gattin Angelia:
„Angelia! meine treue Gattin!
Tödte mir mit Gift den Bruder Bogdan!
Aber willst Du ihn mir nicht vergiften:
Harre meiner nicht im weißen Hofe!“
Als die Gattin dieses Wort vernommen,
Saß sie nieder, sorgenvoll und traurig!
Bei sich selber denkt und spricht sie also:
„Was beginn' ich armer, grauer Kuckuk?
Wenn den Schwager ich mit Gifte tödte:
Große Sünde wär' es vor dem Herren,
Vor den Leuten wär' mir's Schimpf und Schande!
Klein und Groß würd' auf mich sehn und sagen:
Seht Ihr das unsel'ge Weib dort gehen,
Das den eignen Schwager hat vergiftet?
Aber wenn ich Bogdan nicht vergifte:
Kehrt der Gatte nimmer mir zurücke!“ —
Alles so bedenkend denkt sie eins aus:
In das untre Erdgeschosse steigt sie,
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Zitationshilfe: | Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/214>, abgerufen am 16.02.2025. |