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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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Dann nach seinem weißen Rosse gieng er,
Als er kam ins Angesicht des Klosters,
Da erblickte ihn der Abt von Weitem, 160
Und erkannt' ihn an dem weißen Rosse,
Seinen lieben Sohn, den Fündling Simon.
Als er nahte, eilt'er ihm entgegen;
Von dem weißen Rosse stürzte Simon,
Und sich tief zur Erde niederbeugend, 165
Küßt' er still dem Mönche Saum und Hände.
Und der Vater Abt fragt ihn um alles:
"Wo bist Du gewesen, Fündling Simon?
Wo bist Du gewesen all' die Weile?"
Ihm entgegnete der Fündling Simon: 170
"Vater Abt, o wolle mich nicht fragen!
Schlimm die Stunde, wo zuerst ich auszog,
Schlimmer die, so mich nach Buda führte!"
Und ein Jegliches bekannt' ihm Simon.
Aber als der Abt den Sohn vernommen, 175
Nahm er ihn bei seiner weißen Rechte,
Oeffnete das scheußliche Gefängniß,
Wo das Wasser steht, bis an die Knie,
Und im Wasser Schlangen und Scorpione.
Hier hinein führt er den Jüngling Simon, 180
Schließet zu das scheußliche Gefängniß,
Wirft den Schlüssel in die stille Donau,
Und es spricht der Greis die leisen Worte:
10
Dann nach seinem weißen Rosse gieng er,
Als er kam ins Angesicht des Klosters,
Da erblickte ihn der Abt von Weitem, 160
Und erkannt' ihn an dem weißen Rosse,
Seinen lieben Sohn, den Fündling Simon.
Als er nahte, eilt'er ihm entgegen;
Von dem weißen Rosse stürzte Simon,
Und sich tief zur Erde niederbeugend, 165
Küßt' er still dem Mönche Saum und Hände.
Und der Vater Abt fragt ihn um alles:
„Wo bist Du gewesen, Fündling Simon?
Wo bist Du gewesen all' die Weile?“
Ihm entgegnete der Fündling Simon: 170
„Vater Abt, o wolle mich nicht fragen!
Schlimm die Stunde, wo zuerst ich auszog,
Schlimmer die, so mich nach Buda führte!“
Und ein Jegliches bekannt' ihm Simon.
Aber als der Abt den Sohn vernommen, 175
Nahm er ihn bei seiner weißen Rechte,
Oeffnete das scheußliche Gefängniß,
Wo das Wasser steht, bis an die Knie,
Und im Wasser Schlangen und Scorpione.
Hier hinein führt er den Jüngling Simon, 180
Schließet zu das scheußliche Gefängniß,
Wirft den Schlüssel in die stille Donau,
Und es spricht der Greis die leisen Worte:
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[145/0211] Dann nach seinem weißen Rosse gieng er, Als er kam ins Angesicht des Klosters, Da erblickte ihn der Abt von Weitem, Und erkannt' ihn an dem weißen Rosse, Seinen lieben Sohn, den Fündling Simon. Als er nahte, eilt'er ihm entgegen; Von dem weißen Rosse stürzte Simon, Und sich tief zur Erde niederbeugend, Küßt' er still dem Mönche Saum und Hände. Und der Vater Abt fragt ihn um alles: „Wo bist Du gewesen, Fündling Simon? Wo bist Du gewesen all' die Weile?“ Ihm entgegnete der Fündling Simon: „Vater Abt, o wolle mich nicht fragen! Schlimm die Stunde, wo zuerst ich auszog, Schlimmer die, so mich nach Buda führte!“ Und ein Jegliches bekannt' ihm Simon. Aber als der Abt den Sohn vernommen, Nahm er ihn bei seiner weißen Rechte, Oeffnete das scheußliche Gefängniß, Wo das Wasser steht, bis an die Knie, Und im Wasser Schlangen und Scorpione. Hier hinein führt er den Jüngling Simon, Schließet zu das scheußliche Gefängniß, Wirft den Schlüssel in die stille Donau, Und es spricht der Greis die leisen Worte: 10

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/211>, abgerufen am 21.11.2024.