Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Als auf seinem Roß sie sah den Helden, Da bezwang Verwirrung ihr die Sinne, 865 Daß den goldnen Schleier sie zurück schlug, Frei aufschauend ihm ihr Antlitz zeigte. Und ihm beide Händ' entgegen streckte. Wer es sah, wollt's nicht gesehen haben. Doch der Schwäher, Zernojewitsch Iwan, 870 Nahm es wahr, und Schmerz und Zorn ergriff ihn. Zur Lateincrin sprach er entrüstet: "Fort die Hände! Tochter! was beginnst Du? Fort! sonst sollen sie Dir beid' abfallen! Schleier vor die Augen! beide sollen, 875 Dir sonst aus der Stirne springen, Tochter! Was schaust Du nach einem fremden Helden? Nach dem schönen Milosch? Dorthin blicke, Wo vor den geschmückten Hochzeitschaaren Auf dem schwarzen Roß ein Held dahin sprengt! 880 In den Händen trägt er einen Kampfspeer, Golden glänzt ein Schild ihm auf den Schultern, Arg entstellet ist er von den Blattern, Daß davon sein Antlitz schwarz erscheinet: Dieser ist Maxim, Dein wahrer Gatte! 885 Sieh, ich hatte mich gerühmt, o Tochter, Als ich um Dich warb bei Deinem Vater, Unter den geschmückten Hochzeitgästen Solle keiner meinem Sohne gleichen, Meinem Sohn Maxim, an Heldenschönheit. 890 Drum erschreckt, fand ich ihn so verändert! Als auf seinem Roß sie sah den Helden, Da bezwang Verwirrung ihr die Sinne, 865 Daß den goldnen Schleier sie zurück schlug, Frei aufschauend ihm ihr Antlitz zeigte. Und ihm beide Händ' entgegen streckte. Wer es sah, wollt's nicht gesehen haben. Doch der Schwäher, Zernojewitsch Iwan, 870 Nahm es wahr, und Schmerz und Zorn ergriff ihn. Zur Lateincrin sprach er entrüstet: „Fort die Hände! Tochter! was beginnst Du? Fort! sonst sollen sie Dir beid' abfallen! Schleier vor die Augen! beide sollen, 875 Dir sonst aus der Stirne springen, Tochter! Was schaust Du nach einem fremden Helden? Nach dem schönen Milosch? Dorthin blicke, Wo vor den geschmückten Hochzeitschaaren Auf dem schwarzen Roß ein Held dahin sprengt! 880 In den Händen trägt er einen Kampfspeer, Golden glänzt ein Schild ihm auf den Schultern, Arg entstellet ist er von den Blattern, Daß davon sein Antlitz schwarz erscheinet: Dieser ist Maxim, Dein wahrer Gatte! 885 Sieh, ich hatte mich gerühmt, o Tochter, Als ich um Dich warb bei Deinem Vater, Unter den geschmückten Hochzeitgästen Solle keiner meinem Sohne gleichen, Meinem Sohn Maxim, an Heldenschönheit. 890 Drum erschreckt, fand ich ihn so verändert! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg> <pb facs="#f0169" n="103"/> <lg> <l>Als auf seinem Roß sie sah den Helden,</l><lb/> <l>Da bezwang Verwirrung ihr die Sinne, <note place="right">865</note></l><lb/> <l>Daß den goldnen Schleier sie zurück schlug,</l><lb/> <l>Frei aufschauend ihm ihr Antlitz zeigte.</l><lb/> <l>Und ihm beide Händ' entgegen streckte.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Wer es sah, wollt's nicht gesehen haben.</l><lb/> <l>Doch der Schwäher, Zernojewitsch Iwan, <note place="right">870</note></l><lb/> <l>Nahm es wahr, und Schmerz und Zorn ergriff ihn.</l><lb/> <l>Zur Lateincrin sprach er entrüstet:</l><lb/> <l>„Fort die Hände! Tochter! was beginnst Du?</l><lb/> <l>Fort! sonst sollen sie Dir beid' abfallen!</l><lb/> <l>Schleier vor die Augen! beide sollen, <note place="right">875</note></l><lb/> <l>Dir sonst aus der Stirne springen, Tochter!</l><lb/> <l>Was schaust Du nach einem fremden Helden?</l><lb/> <l>Nach dem schönen Milosch? Dorthin blicke,</l><lb/> <l>Wo vor den geschmückten Hochzeitschaaren</l><lb/> <l>Auf dem schwarzen Roß ein Held dahin sprengt! <note place="right">880</note></l><lb/> <l>In den Händen trägt er einen Kampfspeer,</l><lb/> <l>Golden glänzt ein Schild ihm auf den Schultern,</l><lb/> <l>Arg entstellet ist er von den Blattern,</l><lb/> <l>Daß davon sein Antlitz schwarz erscheinet:</l><lb/> <l>Dieser ist Maxim, Dein wahrer Gatte! <note place="right">885</note></l><lb/> <l>Sieh, ich hatte mich gerühmt, o Tochter,</l><lb/> <l>Als ich um Dich warb bei Deinem Vater,</l><lb/> <l>Unter den geschmückten Hochzeitgästen</l><lb/> <l>Solle keiner meinem Sohne gleichen,</l><lb/> <l>Meinem Sohn Maxim, an Heldenschönheit. <note place="right">890</note></l><lb/> <l>Drum erschreckt, fand ich ihn so verändert!</l> </lg><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0169]
Als auf seinem Roß sie sah den Helden,
Da bezwang Verwirrung ihr die Sinne,
Daß den goldnen Schleier sie zurück schlug,
Frei aufschauend ihm ihr Antlitz zeigte.
Und ihm beide Händ' entgegen streckte.
Wer es sah, wollt's nicht gesehen haben.
Doch der Schwäher, Zernojewitsch Iwan,
Nahm es wahr, und Schmerz und Zorn ergriff ihn.
Zur Lateincrin sprach er entrüstet:
„Fort die Hände! Tochter! was beginnst Du?
Fort! sonst sollen sie Dir beid' abfallen!
Schleier vor die Augen! beide sollen,
Dir sonst aus der Stirne springen, Tochter!
Was schaust Du nach einem fremden Helden?
Nach dem schönen Milosch? Dorthin blicke,
Wo vor den geschmückten Hochzeitschaaren
Auf dem schwarzen Roß ein Held dahin sprengt!
In den Händen trägt er einen Kampfspeer,
Golden glänzt ein Schild ihm auf den Schultern,
Arg entstellet ist er von den Blattern,
Daß davon sein Antlitz schwarz erscheinet:
Dieser ist Maxim, Dein wahrer Gatte!
Sieh, ich hatte mich gerühmt, o Tochter,
Als ich um Dich warb bei Deinem Vater,
Unter den geschmückten Hochzeitgästen
Solle keiner meinem Sohne gleichen,
Meinem Sohn Maxim, an Heldenschönheit.
Drum erschreckt, fand ich ihn so verändert!
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