Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Verbesserungen und Zusätze des Lustspieles Die Geistlichen auf dem Lande in zweien Handlungen. Frankfurt (Main) u. a., 1744.

Bild:
<< vorherige Seite


wundern, wo es anders gegründet ist, daß so
viele Häupter der Welt und Regenten unter
ihnen gezählet werden.
Friedenlieb. Dies kann ich mir niemals ein-
bilden, denn so viel ich weiß, stehet diese Rotte in
besonderer Vertraulichkeit, die allemal so hohen
Häuptern unanständig ist.
Rechtswalt. Was, Herr Pastor, nennen
sie diese Leute eine Rotte*, und was meinen sie
vor eine Vertraulichkeit?
Friedenlieb. Jch will dies Wort in keinen
bösen, sondern seinen ursprünglich guten Ver-
stande hier genommen haben. Vertraulichkeit
aber nenne ich hier die Art des Umganges, so
man unter Freunden findet, die sich einander
nichts übel nehmen, und sich frei heraus lassen.
Dies aber höret auf, so bald ich in einer Gefell-
schaft iemanden finde, welchem ich Ehrerbietung
und Hochachtung schuldig bin: ich gehe mit ihm
mit grösserer Sorgfalt und Enthaltung um. Ei-
nem Regenten wäre es unanständig, die Vereh-
rung, so man ihm schuldig ist, solcher Gefahr
auszusetzen: oder auch die nöthige Gerechtigkeit,
irgend einer Freundschaft aufzuopfern. Zu ge-
schweigen, daß es wieder die Ernsthaftigkeit einer
so erhabenen Würde streitet, einer so lustigen
Gesellschaft beizuwohnen, oder ihr auch nur den
Namen einer besondern Beschützung herzugeben.
Mich
* Es gehöret dies Wort mit unter denen, die ihren
Begriff verschlimmert haben: und bedeutet eigent-
lich eine besondere und vertraute Gesellschaft.
F 4


wundern, wo es anders gegruͤndet iſt, daß ſo
viele Haͤupter der Welt und Regenten unter
ihnen gezaͤhlet werden.
Friedenlieb. Dies kann ich mir niemals ein-
bilden, denn ſo viel ich weiß, ſtehet dieſe Rotte in
beſonderer Vertraulichkeit, die allemal ſo hohen
Haͤuptern unanſtaͤndig iſt.
Rechtswalt. Was, Herr Paſtor, nennen
ſie dieſe Leute eine Rotte*, und was meinen ſie
vor eine Vertraulichkeit?
Friedenlieb. Jch will dies Wort in keinen
boͤſen, ſondern ſeinen urſpruͤnglich guten Ver-
ſtande hier genommen haben. Vertraulichkeit
aber nenne ich hier die Art des Umganges, ſo
man unter Freunden findet, die ſich einander
nichts uͤbel nehmen, und ſich frei heraus laſſen.
Dies aber hoͤret auf, ſo bald ich in einer Gefell-
ſchaft iemanden finde, welchem ich Ehrerbietung
und Hochachtung ſchuldig bin: ich gehe mit ihm
mit groͤſſerer Sorgfalt und Enthaltung um. Ei-
nem Regenten waͤre es unanſtaͤndig, die Vereh-
rung, ſo man ihm ſchuldig iſt, ſolcher Gefahr
auszuſetzen: oder auch die noͤthige Gerechtigkeit,
irgend einer Freundſchaft aufzuopfern. Zu ge-
ſchweigen, daß es wieder die Ernſthaftigkeit einer
ſo erhabenen Wuͤrde ſtreitet, einer ſo luſtigen
Geſellſchaft beizuwohnen, oder ihr auch nur den
Namen einer beſondern Beſchuͤtzung herzugeben.
Mich
* Es gehoͤret dies Wort mit unter denen, die ihren
Begriff verſchlimmert haben: und bedeutet eigent-
lich eine beſondere und vertraute Geſellſchaft.
F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#TRE">
            <p><pb facs="#f0091" n="87"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
wundern, wo es anders gegru&#x0364;ndet i&#x017F;t, daß &#x017F;o<lb/>
viele Ha&#x0364;upter der Welt und Regenten unter<lb/>
ihnen geza&#x0364;hlet werden.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FRI">
            <speaker>Friedenlieb.</speaker>
            <p>Dies kann ich mir niemals ein-<lb/>
bilden, denn &#x017F;o viel ich weiß, &#x017F;tehet die&#x017F;e Rotte in<lb/>
be&#x017F;onderer Vertraulichkeit, die allemal &#x017F;o hohen<lb/>
Ha&#x0364;uptern unan&#x017F;ta&#x0364;ndig i&#x017F;t.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#REC">
            <speaker>Rechtswalt.</speaker>
            <p>Was, Herr Pa&#x017F;tor, nennen<lb/>
&#x017F;ie die&#x017F;e Leute eine Rotte<note place="foot" n="*">Es geho&#x0364;ret dies Wort mit unter denen, die ihren<lb/>
Begriff ver&#x017F;chlimmert haben: und bedeutet eigent-<lb/>
lich eine be&#x017F;ondere und vertraute Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft.</note>, und was meinen &#x017F;ie<lb/>
vor eine Vertraulichkeit?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FRI">
            <speaker>Friedenlieb.</speaker>
            <p>Jch will dies Wort in keinen<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;en, &#x017F;ondern &#x017F;einen ur&#x017F;pru&#x0364;nglich guten Ver-<lb/>
&#x017F;tande hier genommen haben. Vertraulichkeit<lb/>
aber nenne ich hier die Art des Umganges, &#x017F;o<lb/>
man unter Freunden findet, die &#x017F;ich einander<lb/>
nichts u&#x0364;bel nehmen, und &#x017F;ich frei heraus la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Dies aber ho&#x0364;ret auf, &#x017F;o bald ich in einer Gefell-<lb/>
&#x017F;chaft iemanden finde, welchem ich Ehrerbietung<lb/>
und Hochachtung &#x017F;chuldig bin: ich gehe mit ihm<lb/>
mit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erer Sorgfalt und Enthaltung um. Ei-<lb/>
nem Regenten wa&#x0364;re es unan&#x017F;ta&#x0364;ndig, die Vereh-<lb/>
rung, &#x017F;o man ihm &#x017F;chuldig i&#x017F;t, &#x017F;olcher Gefahr<lb/>
auszu&#x017F;etzen: oder auch die no&#x0364;thige Gerechtigkeit,<lb/>
irgend einer Freund&#x017F;chaft aufzuopfern. Zu ge-<lb/>
&#x017F;chweigen, daß es wieder die Ern&#x017F;thaftigkeit einer<lb/>
&#x017F;o erhabenen Wu&#x0364;rde &#x017F;treitet, einer &#x017F;o lu&#x017F;tigen<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft beizuwohnen, oder ihr auch nur den<lb/>
Namen einer be&#x017F;ondern Be&#x017F;chu&#x0364;tzung herzugeben.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Mich</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0091] wundern, wo es anders gegruͤndet iſt, daß ſo viele Haͤupter der Welt und Regenten unter ihnen gezaͤhlet werden. Friedenlieb. Dies kann ich mir niemals ein- bilden, denn ſo viel ich weiß, ſtehet dieſe Rotte in beſonderer Vertraulichkeit, die allemal ſo hohen Haͤuptern unanſtaͤndig iſt. Rechtswalt. Was, Herr Paſtor, nennen ſie dieſe Leute eine Rotte *, und was meinen ſie vor eine Vertraulichkeit? Friedenlieb. Jch will dies Wort in keinen boͤſen, ſondern ſeinen urſpruͤnglich guten Ver- ſtande hier genommen haben. Vertraulichkeit aber nenne ich hier die Art des Umganges, ſo man unter Freunden findet, die ſich einander nichts uͤbel nehmen, und ſich frei heraus laſſen. Dies aber hoͤret auf, ſo bald ich in einer Gefell- ſchaft iemanden finde, welchem ich Ehrerbietung und Hochachtung ſchuldig bin: ich gehe mit ihm mit groͤſſerer Sorgfalt und Enthaltung um. Ei- nem Regenten waͤre es unanſtaͤndig, die Vereh- rung, ſo man ihm ſchuldig iſt, ſolcher Gefahr auszuſetzen: oder auch die noͤthige Gerechtigkeit, irgend einer Freundſchaft aufzuopfern. Zu ge- ſchweigen, daß es wieder die Ernſthaftigkeit einer ſo erhabenen Wuͤrde ſtreitet, einer ſo luſtigen Geſellſchaft beizuwohnen, oder ihr auch nur den Namen einer beſondern Beſchuͤtzung herzugeben. Mich * Es gehoͤret dies Wort mit unter denen, die ihren Begriff verſchlimmert haben: und bedeutet eigent- lich eine beſondere und vertraute Geſellſchaft. F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_verbesserungen_1744
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_verbesserungen_1744/91
Zitationshilfe: [N. N.]: Verbesserungen und Zusätze des Lustspieles Die Geistlichen auf dem Lande in zweien Handlungen. Frankfurt (Main) u. a., 1744, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_verbesserungen_1744/91>, abgerufen am 24.11.2024.