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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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das ist wahr, manche Hand sieht sehr groß aus, weil
die Arme muskellos, Haut und Knochen sind. Eine ab-
solute Kleinheit der Hände und Füße gibt es nicht;
sie wird bestimmt durch die übrigen Verhältnisse des
Körpers, sonst wären die verkrüppelten chinesischen Füße
die schönsten. So viel ist und bleibt fest, wer von der
Natur mit keinem großen Knochenbau beglückt ist, erhält
ihn durch das Turnwesen gewiß nicht.

2. Andere meinen nun, und das ist ihr letzter
Nothanker: "das Turnen sei gegen den weiblichen Charak-
ter." So hat vor einiger Zeit ein wohlweiser Verein
von Stud. medic. in Bonn, wie berichtet wird, richtig
herausgebracht. Nun ja, es gibt auch unter den Stu-
denten alte Jungfern, jetzt mehr als vor zwanzig Jahren,
die das Hübschen und Süßthun für weiblicher halten.
Solche Schemen haben selber niemals geturnt, und gibt
es deren einige, die einige Bruchstücke gemacht, so sind
sie so "klug und weise," zu meinen, das Turnen der
Mädchen sei dasselbe, wie das der Knaben; und setzt
man ihnen auseinander, daß schon die Kleidung und die
geringe Kraft der Turnerinnen, so wie ihr Gesundheits-
zustand dies unmöglich mache, und daß die Bestimmung
des Geschlechtes etwas ganz anderes bedinge, kurz, daß
sich nach dem Zweck das Mittel richte, so dämeln sie,
das sei nun gleich, es sei doch ein "Turnen." Wir
wollen auch hier auf den Höhepunkt der Dämlichkeit und
Dummheit folgen. Wir wollen nicht geschichtlich nach-
weisen, daß die Helleninnen, die altdeutschen Jungfrauen,
die Ritterfräulein, die heutigen Französinnen und Lady's,
so wie viele Prinzessinnen und die Großfürstinnen turnen,
ohne etwas von ihrem echtweiblichen Charakter verloren
zu haben. Wir wollen uns einmal sprachlich und be-
grifflich verständigen, dann wird das Sachliche sich von
selbst finden. "Turn" ist eine altdeutsche Wurzel, die
selbst ins Französische und Englische hinüberklingt, und
bedeutet überall "bewegen, drehen, wenden." Sonach
wären Turnübungen solche, die nach den Gesetzen der

das iſt wahr, manche Hand ſieht ſehr groß aus, weil
die Arme muskellos, Haut und Knochen ſind. Eine ab-
ſolute Kleinheit der Hände und Füße gibt es nicht;
ſie wird beſtimmt durch die übrigen Verhältniſſe des
Körpers, ſonſt wären die verkrüppelten chineſiſchen Füße
die ſchönſten. So viel iſt und bleibt feſt, wer von der
Natur mit keinem großen Knochenbau beglückt iſt, erhält
ihn durch das Turnweſen gewiß nicht.

2. Andere meinen nun, und das iſt ihr letzter
Nothanker: „das Turnen ſei gegen den weiblichen Charak-
ter.“ So hat vor einiger Zeit ein wohlweiſer Verein
von Stud. medic. in Bonn, wie berichtet wird, richtig
herausgebracht. Nun ja, es gibt auch unter den Stu-
denten alte Jungfern, jetzt mehr als vor zwanzig Jahren,
die das Hübſchen und Süßthun für weiblicher halten.
Solche Schemen haben ſelber niemals geturnt, und gibt
es deren einige, die einige Bruchſtücke gemacht, ſo ſind
ſie ſo „klug und weiſe,“ zu meinen, das Turnen der
Mädchen ſei daſſelbe, wie das der Knaben; und ſetzt
man ihnen auseinander, daß ſchon die Kleidung und die
geringe Kraft der Turnerinnen, ſo wie ihr Geſundheits-
zuſtand dies unmöglich mache, und daß die Beſtimmung
des Geſchlechtes etwas ganz anderes bedinge, kurz, daß
ſich nach dem Zweck das Mittel richte, ſo dämeln ſie,
das ſei nun gleich, es ſei doch ein „Turnen.“ Wir
wollen auch hier auf den Höhepunkt der Dämlichkeit und
Dummheit folgen. Wir wollen nicht geſchichtlich nach-
weiſen, daß die Helleninnen, die altdeutſchen Jungfrauen,
die Ritterfräulein, die heutigen Franzöſinnen und Lady’s,
ſo wie viele Prinzeſſinnen und die Großfürſtinnen turnen,
ohne etwas von ihrem echtweiblichen Charakter verloren
zu haben. Wir wollen uns einmal ſprachlich und be-
grifflich verſtändigen, dann wird das Sachliche ſich von
ſelbſt finden. „Turn“ iſt eine altdeutſche Wurzel, die
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[70/0074] das iſt wahr, manche Hand ſieht ſehr groß aus, weil die Arme muskellos, Haut und Knochen ſind. Eine ab- ſolute Kleinheit der Hände und Füße gibt es nicht; ſie wird beſtimmt durch die übrigen Verhältniſſe des Körpers, ſonſt wären die verkrüppelten chineſiſchen Füße die ſchönſten. So viel iſt und bleibt feſt, wer von der Natur mit keinem großen Knochenbau beglückt iſt, erhält ihn durch das Turnweſen gewiß nicht. 2. Andere meinen nun, und das iſt ihr letzter Nothanker: „das Turnen ſei gegen den weiblichen Charak- ter.“ So hat vor einiger Zeit ein wohlweiſer Verein von Stud. medic. in Bonn, wie berichtet wird, richtig herausgebracht. Nun ja, es gibt auch unter den Stu- denten alte Jungfern, jetzt mehr als vor zwanzig Jahren, die das Hübſchen und Süßthun für weiblicher halten. Solche Schemen haben ſelber niemals geturnt, und gibt es deren einige, die einige Bruchſtücke gemacht, ſo ſind ſie ſo „klug und weiſe,“ zu meinen, das Turnen der Mädchen ſei daſſelbe, wie das der Knaben; und ſetzt man ihnen auseinander, daß ſchon die Kleidung und die geringe Kraft der Turnerinnen, ſo wie ihr Geſundheits- zuſtand dies unmöglich mache, und daß die Beſtimmung des Geſchlechtes etwas ganz anderes bedinge, kurz, daß ſich nach dem Zweck das Mittel richte, ſo dämeln ſie, das ſei nun gleich, es ſei doch ein „Turnen.“ Wir wollen auch hier auf den Höhepunkt der Dämlichkeit und Dummheit folgen. Wir wollen nicht geſchichtlich nach- weiſen, daß die Helleninnen, die altdeutſchen Jungfrauen, die Ritterfräulein, die heutigen Franzöſinnen und Lady’s, ſo wie viele Prinzeſſinnen und die Großfürſtinnen turnen, ohne etwas von ihrem echtweiblichen Charakter verloren zu haben. Wir wollen uns einmal ſprachlich und be- grifflich verſtändigen, dann wird das Sachliche ſich von ſelbſt finden. „Turn“ iſt eine altdeutſche Wurzel, die ſelbſt ins Franzöſiſche und Engliſche hinüberklingt, und bedeutet überall „bewegen, drehen, wenden.“ Sonach wären Turnübungen ſolche, die nach den Geſetzen der

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/74>, abgerufen am 28.11.2024.