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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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und Eisen, unsere Ritter und Fräulein von Watte und
Fischbein, um die Fülle des Mangels und die mangelnde
Fülle zu verbergen und den Rumpf aufrecht zu erhalten,
da die Schwäche sich selbst nicht mehr zu tragen ver-
mag. Es gemahnt Einen seltsam, wenn man unsere
Ritter und Fräulein aus und nach dem Modeblatt ge-
schnitten die Säle durchwandern sieht, in denen die Har-
nische der Vorzeit aufbewahrt sind. Und woher jene
Kraft und unsere Schwäche? Die Helleninnen turnten,
so wie die Töchter unserer Urväter, aber jetzt?!

Tacitus rühmt die Deutschen, unsere Vorfahren,
daß die Mütter ihre Kinder selbst nähren (sua quemque
mater uberibus alit, nec ancillis ac nutricibus delegan-
tur
). Die Mütter der Vornehmen nicht allein, sondern
selbst des Mittelstandes sind jetzt theils zu vornehm für
dieses natürlichste, ehrendste und beglückendste Geschäft,
theils nicht mehr vermögend dazu. Und man muß
Metzen dingen, um die eigenen Kinder zu stillen, damit
die "Mutter der Kinder" in Gesellschaft gehen, ange-
nehme Ruhe pflegen kann, oder gar, damit sie nicht in
Gefahr gerathe, unter diesem Geschäft zu erliegen. So
daß es schon dahin gekommen, daß in manchen Gegenden
der unehelichen Kinder auf Speculation in die Welt
kommen, damit die faule Mutter einen bequemen Dienst
erhalte. Ja es ist erschienen, daß der Segen Gottes:
seid fruchtbar und mehret euch! nicht mehr in Erfüllung
gehen kann. Der Boden ist unfruchtbar geworden, und
nur zu oft hat schon eine schwache Erndte die Trag-
kraft der Erde vernichtet. Und wie schwach und kraftlos
die Erndte oft ist, sehen wir nur zu häufig. Was für
Mittel wendet man aber an, um den unfruchtbaren, nicht
tragungsfähigen Boden fruchtbar zu machen? Gerade
die entgegengesetztesten. Man kennt ja die Ursache nicht,
oder will sie nicht kennen. Jst es nicht furchtbar, in
welchem Maße die Skrofeln und Nervenkrankheiten, die
Schiefheit und Bleichsucht verbreitet sind? Was kann
die Entartung des Menschengeschlechtes mehr bezeichnen,

und Eiſen, unſere Ritter und Fräulein von Watte und
Fiſchbein, um die Fülle des Mangels und die mangelnde
Fülle zu verbergen und den Rumpf aufrecht zu erhalten,
da die Schwäche ſich ſelbſt nicht mehr zu tragen ver-
mag. Es gemahnt Einen ſeltſam, wenn man unſere
Ritter und Fräulein aus und nach dem Modeblatt ge-
ſchnitten die Säle durchwandern ſieht, in denen die Har-
niſche der Vorzeit aufbewahrt ſind. Und woher jene
Kraft und unſere Schwäche? Die Helleninnen turnten,
ſo wie die Töchter unſerer Urväter, aber jetzt?!

Tacitus rühmt die Deutſchen, unſere Vorfahren,
daß die Mütter ihre Kinder ſelbſt nähren (sua quemque
mater uberibus alit, nec ancillis ac nutricibus delegan-
tur
). Die Mütter der Vornehmen nicht allein, ſondern
ſelbſt des Mittelſtandes ſind jetzt theils zu vornehm für
dieſes natürlichſte, ehrendſte und beglückendſte Geſchäft,
theils nicht mehr vermögend dazu. Und man muß
Metzen dingen, um die eigenen Kinder zu ſtillen, damit
die „Mutter der Kinder“ in Geſellſchaft gehen, ange-
nehme Ruhe pflegen kann, oder gar, damit ſie nicht in
Gefahr gerathe, unter dieſem Geſchäft zu erliegen. So
daß es ſchon dahin gekommen, daß in manchen Gegenden
⅒ der unehelichen Kinder auf Speculation in die Welt
kommen, damit die faule Mutter einen bequemen Dienſt
erhalte. Ja es iſt erſchienen, daß der Segen Gottes:
ſeid fruchtbar und mehret euch! nicht mehr in Erfüllung
gehen kann. Der Boden iſt unfruchtbar geworden, und
nur zu oft hat ſchon eine ſchwache Erndte die Trag-
kraft der Erde vernichtet. Und wie ſchwach und kraftlos
die Erndte oft iſt, ſehen wir nur zu häufig. Was für
Mittel wendet man aber an, um den unfruchtbaren, nicht
tragungsfähigen Boden fruchtbar zu machen? Gerade
die entgegengeſetzteſten. Man kennt ja die Urſache nicht,
oder will ſie nicht kennen. Jſt es nicht furchtbar, in
welchem Maße die Skrofeln und Nervenkrankheiten, die
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die Entartung des Menſchengeſchlechtes mehr bezeichnen,

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[58/0062] und Eiſen, unſere Ritter und Fräulein von Watte und Fiſchbein, um die Fülle des Mangels und die mangelnde Fülle zu verbergen und den Rumpf aufrecht zu erhalten, da die Schwäche ſich ſelbſt nicht mehr zu tragen ver- mag. Es gemahnt Einen ſeltſam, wenn man unſere Ritter und Fräulein aus und nach dem Modeblatt ge- ſchnitten die Säle durchwandern ſieht, in denen die Har- niſche der Vorzeit aufbewahrt ſind. Und woher jene Kraft und unſere Schwäche? Die Helleninnen turnten, ſo wie die Töchter unſerer Urväter, aber jetzt?! Tacitus rühmt die Deutſchen, unſere Vorfahren, daß die Mütter ihre Kinder ſelbſt nähren (sua quemque mater uberibus alit, nec ancillis ac nutricibus delegan- tur). Die Mütter der Vornehmen nicht allein, ſondern ſelbſt des Mittelſtandes ſind jetzt theils zu vornehm für dieſes natürlichſte, ehrendſte und beglückendſte Geſchäft, theils nicht mehr vermögend dazu. Und man muß Metzen dingen, um die eigenen Kinder zu ſtillen, damit die „Mutter der Kinder“ in Geſellſchaft gehen, ange- nehme Ruhe pflegen kann, oder gar, damit ſie nicht in Gefahr gerathe, unter dieſem Geſchäft zu erliegen. So daß es ſchon dahin gekommen, daß in manchen Gegenden ⅒ der unehelichen Kinder auf Speculation in die Welt kommen, damit die faule Mutter einen bequemen Dienſt erhalte. Ja es iſt erſchienen, daß der Segen Gottes: ſeid fruchtbar und mehret euch! nicht mehr in Erfüllung gehen kann. Der Boden iſt unfruchtbar geworden, und nur zu oft hat ſchon eine ſchwache Erndte die Trag- kraft der Erde vernichtet. Und wie ſchwach und kraftlos die Erndte oft iſt, ſehen wir nur zu häufig. Was für Mittel wendet man aber an, um den unfruchtbaren, nicht tragungsfähigen Boden fruchtbar zu machen? Gerade die entgegengeſetzteſten. Man kennt ja die Urſache nicht, oder will ſie nicht kennen. Jſt es nicht furchtbar, in welchem Maße die Skrofeln und Nervenkrankheiten, die Schiefheit und Bleichſucht verbreitet ſind? Was kann die Entartung des Menſchengeſchlechtes mehr bezeichnen,

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/62>, abgerufen am 24.11.2024.