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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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Gegentheil von dem geworden, was wir vor 2000
Jahren gewesen. *)

Wie nun Jeder berufen und verpflichtet ist, Wehr-
mann zu sein, wie Luther schon so treffend spricht: "Alte
Leute sind nicht geschickt zum Kriege; sondern wo Arbeit
ist, dieselbige sollen junge Leute auf sich nehmen. Sie
gerathen auch in dem Krieg und Streit wohl, wenn Gott
seinen Segen gibt; denn derselbige will also, daß die
Jüngern Land und Leute beschützen und vertheidigen sollen,"
sonach muß auch jeder mit den Vorbedingungen zum
Wehrmannsdienst ausgerüstet erscheinen. Und dies um
so mehr, als bei uns in Preußen der Dienst 1 bis 21/2
Jahre dauert, wovon leider der Haupttheil beinahe ver-
braucht und vernutzt wird, um jenen Leuten diese Vor-
bedingungen erst beizubringen, ja noch in aller Eile diesem
und jenem einzutrichtern, mit denen sie doch schon bei
ihrem Eintritt versehen sein sollten. Es ist und erscheint
auffallend, daß, wer irgend eine Laufbahn beginnt, mit
gewissen vorgeschriebenen Bedingungen versehen und ge-
rüstet, dieselbe betreten muß, -- diese Bedingungen gerade
bei dem Wehrmannsstande und Dienste nicht gefordert
werden. Und doch hängt in Zeiten der Fahr und Noth --
des Vaterlandes Ehre und Schmach davon ab. Kommen
die Rekruten so vorgeübt, dann sind unsere Unteroffiziere
wie im Himmel. Nicht als ob sie nun nichts mehr zu
thun hätten, sondern weil es nichts, Geist und Körper
Ertödtenderes geben kann, als dies ewige Einerlei in der
Einübung unserer Rekruten. Daher denn auch die Unter-
offiziere, welche vorzugsweise mit dem ersten Dienst der
Rekruten beschäftigt sind, am frühesten brustkrank und
abgestumpft werden. Wenn unsere Unteroffiziere einmal
einen etwas geistigern Unterricht zu ertheilen haben, ver-
bunden mit mehr Abwechselung, dann werden sie selbst
frischer werden und bleiben, so wie ihre eigene Behand-
lung des Unterrichts und der Rekruten.

*) Truces et caerulei oculi, rutilae comae, magna corpora, et tan-
tum ad impetum valida
u. s. w. Tacit. German. IV.

Gegentheil von dem geworden, was wir vor 2000
Jahren geweſen. *)

Wie nun Jeder berufen und verpflichtet iſt, Wehr-
mann zu ſein, wie Luther ſchon ſo treffend ſpricht: „Alte
Leute ſind nicht geſchickt zum Kriege; ſondern wo Arbeit
iſt, dieſelbige ſollen junge Leute auf ſich nehmen. Sie
gerathen auch in dem Krieg und Streit wohl, wenn Gott
ſeinen Segen gibt; denn derſelbige will alſo, daß die
Jüngern Land und Leute beſchützen und vertheidigen ſollen,“
ſonach muß auch jeder mit den Vorbedingungen zum
Wehrmannsdienſt ausgerüſtet erſcheinen. Und dies um
ſo mehr, als bei uns in Preußen der Dienſt 1 bis 2½
Jahre dauert, wovon leider der Haupttheil beinahe ver-
braucht und vernutzt wird, um jenen Leuten dieſe Vor-
bedingungen erſt beizubringen, ja noch in aller Eile dieſem
und jenem einzutrichtern, mit denen ſie doch ſchon bei
ihrem Eintritt verſehen ſein ſollten. Es iſt und erſcheint
auffallend, daß, wer irgend eine Laufbahn beginnt, mit
gewiſſen vorgeſchriebenen Bedingungen verſehen und ge-
rüſtet, dieſelbe betreten muß, — dieſe Bedingungen gerade
bei dem Wehrmannsſtande und Dienſte nicht gefordert
werden. Und doch hängt in Zeiten der Fahr und Noth —
des Vaterlandes Ehre und Schmach davon ab. Kommen
die Rekruten ſo vorgeübt, dann ſind unſere Unteroffiziere
wie im Himmel. Nicht als ob ſie nun nichts mehr zu
thun hätten, ſondern weil es nichts, Geiſt und Körper
Ertödtenderes geben kann, als dies ewige Einerlei in der
Einübung unſerer Rekruten. Daher denn auch die Unter-
offiziere, welche vorzugsweiſe mit dem erſten Dienſt der
Rekruten beſchäftigt ſind, am früheſten bruſtkrank und
abgeſtumpft werden. Wenn unſere Unteroffiziere einmal
einen etwas geiſtigern Unterricht zu ertheilen haben, ver-
bunden mit mehr Abwechſelung, dann werden ſie ſelbſt
friſcher werden und bleiben, ſo wie ihre eigene Behand-
lung des Unterrichts und der Rekruten.

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[56/0060] Gegentheil von dem geworden, was wir vor 2000 Jahren geweſen. *) Wie nun Jeder berufen und verpflichtet iſt, Wehr- mann zu ſein, wie Luther ſchon ſo treffend ſpricht: „Alte Leute ſind nicht geſchickt zum Kriege; ſondern wo Arbeit iſt, dieſelbige ſollen junge Leute auf ſich nehmen. Sie gerathen auch in dem Krieg und Streit wohl, wenn Gott ſeinen Segen gibt; denn derſelbige will alſo, daß die Jüngern Land und Leute beſchützen und vertheidigen ſollen,“ ſonach muß auch jeder mit den Vorbedingungen zum Wehrmannsdienſt ausgerüſtet erſcheinen. Und dies um ſo mehr, als bei uns in Preußen der Dienſt 1 bis 2½ Jahre dauert, wovon leider der Haupttheil beinahe ver- braucht und vernutzt wird, um jenen Leuten dieſe Vor- bedingungen erſt beizubringen, ja noch in aller Eile dieſem und jenem einzutrichtern, mit denen ſie doch ſchon bei ihrem Eintritt verſehen ſein ſollten. Es iſt und erſcheint auffallend, daß, wer irgend eine Laufbahn beginnt, mit gewiſſen vorgeſchriebenen Bedingungen verſehen und ge- rüſtet, dieſelbe betreten muß, — dieſe Bedingungen gerade bei dem Wehrmannsſtande und Dienſte nicht gefordert werden. Und doch hängt in Zeiten der Fahr und Noth — des Vaterlandes Ehre und Schmach davon ab. Kommen die Rekruten ſo vorgeübt, dann ſind unſere Unteroffiziere wie im Himmel. Nicht als ob ſie nun nichts mehr zu thun hätten, ſondern weil es nichts, Geiſt und Körper Ertödtenderes geben kann, als dies ewige Einerlei in der Einübung unſerer Rekruten. Daher denn auch die Unter- offiziere, welche vorzugsweiſe mit dem erſten Dienſt der Rekruten beſchäftigt ſind, am früheſten bruſtkrank und abgeſtumpft werden. Wenn unſere Unteroffiziere einmal einen etwas geiſtigern Unterricht zu ertheilen haben, ver- bunden mit mehr Abwechſelung, dann werden ſie ſelbſt friſcher werden und bleiben, ſo wie ihre eigene Behand- lung des Unterrichts und der Rekruten. *) Truces et caerulei oculi, rutilae comae, magna corpora, et tan- tum ad impetum valida u. ſ. w. Tacit. German. IV.

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/60>, abgerufen am 23.11.2024.