Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.Offiziere kennen die Schwierigkeiten, mit denen so man- Heute Morgen sollten die Soldaten "die Mühle" Offiziere kennen die Schwierigkeiten, mit denen ſo man- Heute Morgen ſollten die Soldaten „die Mühle“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0054" n="50"/> Offiziere kennen die Schwierigkeiten, mit denen ſo man-<lb/> cher Soldat zu kämpfen hat, viel zu wenig, und mancher<lb/> junge Lieutenant trägt die Naſe viel zu hoch, als daß er<lb/> Gelegenheit haben könnte, dieſelben kennen zu lernen.<lb/> Man muthe mir nicht zu, daß ich nur <hi rendition="#aq">a priori</hi> ſpreche.<lb/> Vor meinem Fenſter werden die Fußſoldaten ausgebildet,<lb/> ich brauche demnach nur die Augen aufzuſperren, um<lb/> zu ſehen, was vorgeht. Jch will ein Beiſpiel angeben:</p><lb/> <p>Heute Morgen ſollten die Soldaten „die Mühle“<lb/> (Uebung des Schultergelenkes) wechſelarmig und gleich-<lb/> armig machen. Sie machten dieſe Uebung folgender<lb/> Maßen: Beide Arme wurden wagerecht nach vorne aus-<lb/> geſtreckt, mit dem Rücken der Hand nach oben, die flache<lb/> Hand nach unten gewandt. (Warum dieſe in der ur-<lb/> ſprünglichen, natürlichen Haltung der Arme nicht befind-<lb/> liche Haltung genommen wird, iſt mir unbekannt.) Hierauf<lb/> ließen ſie die Arme fallen, und machten die Mühle rück-<lb/> wärts, d. h. nach hinten. Jedermann weiß, daß es<lb/> vermöge unſeres Knochenbaues unmöglich iſt, dieſe Mühle<lb/> nach hinten zu machen, ohne den Arm in ſeiner Längen-<lb/> axe zu drehen oder zu rollen, ſo daß, indem zuerſt der<lb/> Daumen nach Jnnen und der kleine Finger nach Außen<lb/> gerichtet war, das Verhältniß nunmehr das umgekehrte<lb/> wird, d. h. man rollt den Arm ſo, daß der Daumen<lb/> nach Außen und der kleine Finger nach Jnnen gerichtet<lb/> iſt. Der fragliche Soldat nun wollte dieſe Uebung ohne<lb/> dieſe Drehung machen, was natürlich nicht ging. Der<lb/> Unteroffizier citirte ein „heilig Donnerwetter“ nach dem<lb/> andern; ein bartloſer, zärtlicher Lieutenant im Mantel (!)<lb/> machte ſich über ihn luſtig: „der Kerl macht, als ob er<lb/> ſchwimmen wolle;“ ein anderer Unteroffizier wollte ihm<lb/> helfend beiſpringen, aber was half’s? Es ging nicht!<lb/> Keiner ſah, woran es lag, und der die Uebungen lei-<lb/> tende Unteroffizier, offenbar klüger, als der Lieutenant,<lb/> meinte zuletzt: „na laſſen Sie ihn, es wird ſchon gehen,<lb/> wenn er gelenkiger iſt.“ Ferner verlangte man von<lb/> demſelben Soldaten, er ſolle dieſe Mühle „ſenkrecht“<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [50/0054]
Offiziere kennen die Schwierigkeiten, mit denen ſo man-
cher Soldat zu kämpfen hat, viel zu wenig, und mancher
junge Lieutenant trägt die Naſe viel zu hoch, als daß er
Gelegenheit haben könnte, dieſelben kennen zu lernen.
Man muthe mir nicht zu, daß ich nur a priori ſpreche.
Vor meinem Fenſter werden die Fußſoldaten ausgebildet,
ich brauche demnach nur die Augen aufzuſperren, um
zu ſehen, was vorgeht. Jch will ein Beiſpiel angeben:
Heute Morgen ſollten die Soldaten „die Mühle“
(Uebung des Schultergelenkes) wechſelarmig und gleich-
armig machen. Sie machten dieſe Uebung folgender
Maßen: Beide Arme wurden wagerecht nach vorne aus-
geſtreckt, mit dem Rücken der Hand nach oben, die flache
Hand nach unten gewandt. (Warum dieſe in der ur-
ſprünglichen, natürlichen Haltung der Arme nicht befind-
liche Haltung genommen wird, iſt mir unbekannt.) Hierauf
ließen ſie die Arme fallen, und machten die Mühle rück-
wärts, d. h. nach hinten. Jedermann weiß, daß es
vermöge unſeres Knochenbaues unmöglich iſt, dieſe Mühle
nach hinten zu machen, ohne den Arm in ſeiner Längen-
axe zu drehen oder zu rollen, ſo daß, indem zuerſt der
Daumen nach Jnnen und der kleine Finger nach Außen
gerichtet war, das Verhältniß nunmehr das umgekehrte
wird, d. h. man rollt den Arm ſo, daß der Daumen
nach Außen und der kleine Finger nach Jnnen gerichtet
iſt. Der fragliche Soldat nun wollte dieſe Uebung ohne
dieſe Drehung machen, was natürlich nicht ging. Der
Unteroffizier citirte ein „heilig Donnerwetter“ nach dem
andern; ein bartloſer, zärtlicher Lieutenant im Mantel (!)
machte ſich über ihn luſtig: „der Kerl macht, als ob er
ſchwimmen wolle;“ ein anderer Unteroffizier wollte ihm
helfend beiſpringen, aber was half’s? Es ging nicht!
Keiner ſah, woran es lag, und der die Uebungen lei-
tende Unteroffizier, offenbar klüger, als der Lieutenant,
meinte zuletzt: „na laſſen Sie ihn, es wird ſchon gehen,
wenn er gelenkiger iſt.“ Ferner verlangte man von
demſelben Soldaten, er ſolle dieſe Mühle „ſenkrecht“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |