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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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im Angelsächsischen, fyr im Nord. Die frühere Etymo-
logie (die der Klanghäscher, wie Pott sagt) stellte es
mit dem lat. vir zusammen, die heutige Forschung aber
verbindet es richtiger mit dem angels. feorh das Leben,
das zusammengesetzt z. B. im gothischen fairghaus die
Welt erscheint, und mit dem mhd. verch in verch-blut
Lebensblut und verch-wund lebenswund. Es faßt also
den Mann oder, was in der ersten Anschauung der
Völker dasselbe ist, den Menschen nur als Geschöpf auf,
wie es auch seiner Ableitung gemäß des lat. homo (wo-
von unten) und das ahd. parn thut. Seiner Bedeutung
nach könnte dieses Wort also eben so gut ein Thier wie
einen Menschen bezeichnen, es trifft kein Merkmal des
Letztern, und wir haben auch wirklich diesen Wortstamm
in unserer Sprache nur noch in Bezeichnungen aus dem
Thierreiche erhalten, wie in Farre und Ferkel (lat.
porcellus, eigentlich nur "das kleine Thier"). Wir be-
sitzen in diesem Worte also die gewissermaßen farbloseste
Bezeichnung des Begriffs.

Zwar nicht seinem ursprünglichen Sinne, aber doch
seiner spätern Anwendung nach schon viel bestimmter ist
das Wort für Mann, das im Goth. und Ags. guma,
im Ahd. gomo oder komo lautet, jetzt gleichfalls ver-
schwunden und nur noch in Bräutigam (das sicher
nicht zu gameo gehört) erhalten. Es ist, wie das Laut-
verschiebungsgesetz zeigt, gleich dem lat. homo. Dieses
homo aber, vom Thema homin, ist nichts als ein
Partic. Medii von der Sanskritwurzel bhau sein (gleich
phio, lat. fui, fio, fore etc.), so daß der Sinn des
Wortes ebenfalls nur "der Erzeugte, Geborne" ist;
ursprünglicher hat sich die Form in foemina (= griech.
phuomene) erhalten, das also, mit transitiver Bedeutung,
die Gebärende bezeichnet. Der weitere Beweis hiervon
gehört nicht hieher und es möge nur genügen, daß die
ausgezeichnetsten Kenner des Römischen vom Standpunkte
der vergleichenden Sprachforschung diese Erklärung noch
heute als unumstößlich ansehn, nachdem alle früheren

im Angelſächſiſchen, fyr im Nord. Die frühere Etymo-
logie (die der Klanghäſcher, wie Pott ſagt) ſtellte es
mit dem lat. vir zuſammen, die heutige Forſchung aber
verbindet es richtiger mit dem angelſ. feorh das Leben,
das zuſammengeſetzt z. B. im gothiſchen fairghaus die
Welt erſcheint, und mit dem mhd. verch in verch-blut
Lebensblut und verch-wund lebenswund. Es faßt alſo
den Mann oder, was in der erſten Anſchauung der
Völker daſſelbe iſt, den Menſchen nur als Geſchöpf auf,
wie es auch ſeiner Ableitung gemäß des lat. homo (wo-
von unten) und das ahd. parn thut. Seiner Bedeutung
nach könnte dieſes Wort alſo eben ſo gut ein Thier wie
einen Menſchen bezeichnen, es trifft kein Merkmal des
Letztern, und wir haben auch wirklich dieſen Wortſtamm
in unſerer Sprache nur noch in Bezeichnungen aus dem
Thierreiche erhalten, wie in Farre und Ferkel (lat.
porcellus, eigentlich nur „das kleine Thier“). Wir be-
ſitzen in dieſem Worte alſo die gewiſſermaßen farbloſeſte
Bezeichnung des Begriffs.

Zwar nicht ſeinem urſprünglichen Sinne, aber doch
ſeiner ſpätern Anwendung nach ſchon viel beſtimmter iſt
das Wort für Mann, das im Goth. und Agſ. guma,
im Ahd. gomo oder komo lautet, jetzt gleichfalls ver-
ſchwunden und nur noch in Bräutigam (das ſicher
nicht zu γαμέω gehört) erhalten. Es iſt, wie das Laut-
verſchiebungsgeſetz zeigt, gleich dem lat. homo. Dieſes
homo aber, vom Thema homin, iſt nichts als ein
Partic. Medii von der Sanſkritwurzel bhû ſein (gleich
φίω, lat. fui, fio, fore ꝛc.), ſo daß der Sinn des
Wortes ebenfalls nur „der Erzeugte, Geborne“ iſt;
urſprünglicher hat ſich die Form in fœmina (= griech.
φυομένη) erhalten, das alſo, mit tranſitiver Bedeutung,
die Gebärende bezeichnet. Der weitere Beweis hiervon
gehört nicht hieher und es möge nur genügen, daß die
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der vergleichenden Sprachforſchung dieſe Erklärung noch
heute als unumſtößlich anſehn, nachdem alle früheren

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[146/0150] im Angelſächſiſchen, fyr im Nord. Die frühere Etymo- logie (die der Klanghäſcher, wie Pott ſagt) ſtellte es mit dem lat. vir zuſammen, die heutige Forſchung aber verbindet es richtiger mit dem angelſ. feorh das Leben, das zuſammengeſetzt z. B. im gothiſchen fairghaus die Welt erſcheint, und mit dem mhd. verch in verch-blut Lebensblut und verch-wund lebenswund. Es faßt alſo den Mann oder, was in der erſten Anſchauung der Völker daſſelbe iſt, den Menſchen nur als Geſchöpf auf, wie es auch ſeiner Ableitung gemäß des lat. homo (wo- von unten) und das ahd. parn thut. Seiner Bedeutung nach könnte dieſes Wort alſo eben ſo gut ein Thier wie einen Menſchen bezeichnen, es trifft kein Merkmal des Letztern, und wir haben auch wirklich dieſen Wortſtamm in unſerer Sprache nur noch in Bezeichnungen aus dem Thierreiche erhalten, wie in Farre und Ferkel (lat. porcellus, eigentlich nur „das kleine Thier“). Wir be- ſitzen in dieſem Worte alſo die gewiſſermaßen farbloſeſte Bezeichnung des Begriffs. Zwar nicht ſeinem urſprünglichen Sinne, aber doch ſeiner ſpätern Anwendung nach ſchon viel beſtimmter iſt das Wort für Mann, das im Goth. und Agſ. guma, im Ahd. gomo oder komo lautet, jetzt gleichfalls ver- ſchwunden und nur noch in Bräutigam (das ſicher nicht zu γαμέω gehört) erhalten. Es iſt, wie das Laut- verſchiebungsgeſetz zeigt, gleich dem lat. homo. Dieſes homo aber, vom Thema homin, iſt nichts als ein Partic. Medii von der Sanſkritwurzel bhû ſein (gleich φίω, lat. fui, fio, fore ꝛc.), ſo daß der Sinn des Wortes ebenfalls nur „der Erzeugte, Geborne“ iſt; urſprünglicher hat ſich die Form in fœmina (= griech. φυομένη) erhalten, das alſo, mit tranſitiver Bedeutung, die Gebärende bezeichnet. Der weitere Beweis hiervon gehört nicht hieher und es möge nur genügen, daß die ausgezeichnetſten Kenner des Römiſchen vom Standpunkte der vergleichenden Sprachforſchung dieſe Erklärung noch heute als unumſtößlich anſehn, nachdem alle früheren

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/150>, abgerufen am 25.11.2024.